KAPITEL 2

Schmerz. Stechend. Rein. Durch jeden Nerv seines Körpers schneidend. Clark rang nach Luft, obwohl das Atmen an sich, Flammen brennenden Feuers durch seine Brust schießen ließ. Er wollte unbedingt nach seinem Vater sehen, konnte es aber nicht. Er hatte einfach nicht mehr genügend Kraft übrig um sein Herz weiterhin schlagen zu lassen und gleichzeitig den Kopf zu drehen. Stattdessen starrte er in den kreisförmigen Himmel über ihm und lauschte seiner abgehackten Atmung.

Er schätzte dass es etwa viereinhalb Meter waren, als er mit seinem Blick dem Gestein und der Erde folgte die sich über seinem Kopf erhoben. *Drei Meter im Durchmesser. Die Erde war in der Form eines Whirlpools weggebrochen. Feuchte Wände; neu entstanden.* Sein Gehirn schien willkürlich zu arbeiten und in seinen Gedanken griff er nach allem, was ihn möglicherweise von den Schmerzen ablenken konnte, die ihn quälten.

Ein Stöhnen schallte durch die Grube und es dauerte einen Moment bevor Clark merkte, dass es sein eigener war. Die Steine hatten ihn noch nie zuvor so schlimm beeinflusst. Noch nie zuvor hatte sich atmen wie sterben angefühlt.

*Ich will das Bewusstsein verlieren.*, sagte ihm sein Verstand. *Bitte, Gott, lass mich ohnmächtig werden.* Doch als Antwort überkam ihn eine neue Woge Schmerzen.

Als er damals in der Sauna zwischen Meteoritengestein gelegen hatte, hatte er gedacht, er müsse sterben, aber dies war zehn, zwanzig mal schlimmer als das. Clark stöhnte wieder, er konnte es nicht länger verhindern. Damals hatte ihn sein Vater gerettet. Sein Vater.

„Dad. Hilf mir. Bitte." Er wusste nicht ob er es laut ausgesprochen hatte oder nicht.

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„Dad."

Etwas rief ihn aus der Dunkelheit zurück in die Welt. Jonathan Kent ächzte und schlug sich einen Weg aus den Netzen, die sein Bewusstsein gefangen hielten.

„Dad. Du musst aufwachen."

Langsam begannen sich Jonathans Augen zu bewegen und er hob einen Arm vorsichtig an seinen pochenden Kopf.

„Dad. Du musst aufwachen, bitte."

Jonathan runzelte die Stirn. Diese schwache, verzweifelte Stimme konnte unmöglich zu Clark gehören, oder doch? Irgendwo im Inneren seines verschwommenen Verstandes, erinnerte er sich diesen Ton schon einmal gehört zu haben. Aber wo?

„Dad! Bitte! Ich brauche dich."

Mit großer Anstrengung kämpfte sich Jonathan Kent in die Realität und öffnete seine Augen. Der blaue Kansashimmel winkte ihm vom Loch aus zu. Ein Loch? Dann fiel ihm alles wieder ein. „Clark!", schrie er und stand auf, ohne auf seine verdammten Kopfschmerzen zu achten.

„Dad."

Jonathan blinzelte in die Dunkelheit und gegen die Flecken die vor seinen Augen tanzten. Verzweifelt durchsuchte er die Schwärze nach seinem Sohn. Endlich, entdeckte er eine weißen Stelle inmitten der Finsternis und kroch auf ihn zu.

„Dad. Bitte hilf mir."

„Ich komme, Clark." Noch fünf Schritte. Clarks Umrisse wurden bereits klarer.

„Wach bitte auf, Dad."

Jonathan erkannte, dass sein Sohn kaum bei Bewusstsein war. Angst durchströmte ihn, er stand auf und stolperte die letzten paar Meter bevor er neben Clark auf die Knie sank.

„Clark." Er nahm Clarks Gesicht in seine großen Hände. Sein Junge zitterte, aber seine Haut fühlte sich heiß an und war mit Schweiß bedeckt, so als ob Fieber in ihm tobte. *Unmöglich*, ermahnte er sich selbst. *Clark wird nicht krank. Das einzige was ihn krank macht…* Dieser Gedanke verschwand, als sich ein neues Puzzleteil an seinen Platz schob. Verzweifelt sah er sich um und entdeckte mit Schrecken, dass der gesamte Boden mit Meteorgestein übersäht war.

„Oh mein Gott.", fluchte er. „Komm schon, Clark!" Er ohrfeigte Clarks heißes Gesicht. „Komm schon, Junge, sprich mit mir."

Zögernd öffneten sich Clarks Augen. „Dad.", krächzte er schwach.

„Es wird alles wieder gut, Junge. Du schaffst das."

„Dad. Ich fühle mich nicht gut. Mir ist schlecht."

„Ich weiß, Clark. Hier unten sind überall Meteoritensteine. Bleib einfach ruhig liegen und hebt dir deine Kraft auf."

„Nein. Nein, nicht so. Mir ist üb…" Aber Clark sprach nicht weiter. Sein Gesicht wurde weiß und er schluckte schwer.

Jonathan sah kurz in diese großen, angsterfüllten Augen und fluchte: „Scheiße." Er packte Clarks Schultern und hob seinen Oberkörper zur Seite, wo er ihn mit einer Hand hielt während die andere Clarks Kopf stützte als er heftig würgte. Das Wasser, was er erst vor kurzem genossen hatte, strömte nun über den Boden.

„Es ist okay, Clark. Es ist okay. Das wird schon wieder." Jonathan sprach ihm so lange gut zu, wie Clark aufgrund der starken Krämpfe bebte. Nach scheinbar einer Ewigkeit ließen die Krämpfe nach und er zog Clark an sich, sodass sein Kopf an seiner Brust lehnte.

Jonathan zog sein Shirt hoch und säuberte die zitternden Lippen seines Sohnes.

„Kalt. So kalt.", murmelte Clark und begann ernsthaft zu zittern.

„Clark. Ist das schon mal passiert? So stark?"

Clark schüttelte seinen Kopf, zu erschrocken um zu sprechen. Was passierte mit ihm? Die Steine waren schlimm aber niemals wie dies.

Jonathan wiegte seinen Sohn weiterhin, während sein Blick die Höhle hilflos absuchte. Es schien, als ob sich die meisten Meteorfragmente direkt um Clark herum befanden. Die andere Seite des Lochs, wo er gelandet war, war relativ unberührt von ihnen. Außerdem fiel dort Sonnenlicht ein und es würde sicherlich wärmer sein als an der Stelle, wo sie sich jetzt befanden. Es half vielleicht nicht viel Clark dorthin zu tragen, aber schaden konnte es auch nicht.

„Clark. Ich werde dich jetzt zur andern Seite tragen, dort ist es sonnig und dir wird bestimmt ein bisschen wärmer. Kannst du versuchen, mir dabei zu helfen, indem du dich an mir festhältst?"

Wieder nickte Clark nur. Jonathan stand auf und lehnte sich einen Moment gegen die Wand. Er wartete bis der Schwindel abebbte ehe er sich wieder bewegte. Die Migräne steigerte sich allmählich in ein bösartiges Pochen. Damit konnte er leben, aufrecht zu stehen allerdings war eine ganz andere Geschichte. Egal wie er seine Position veränderte, bei jeder Bewegung übermannte ihn immer noch der Schwindel.

„Dad?" Besorgnis schwang in seiner Stimmer mit. „Dad, ist alles in Ordnung?"

„Mir geht's gut", log er. „Ich brauch' nur einen Moment um den besten Platz zu finden." Er beugte sich nach vorn und nahm Clark unter den Armen. „Ich werde dich jetzt rüber tragen, okay? Schön langsam."

Ein leiser Schrei war zu hören als ihn sein Vater über den Boden zu zerren begann. Er kämpfte dagegen an, das ‚Stopp!' laut auszusprechen, das aus ihm heraus zu brechen drohte und ballte seine Hände zu Fäusten. Es tat so weh berührt zu werden!

„Wir sind fast da, Clark. Gleich.", hörte er Jonathans Versprechen über dem Hämmern seiner Ohren. Er konnte seinen Vater nicht sehen und somit auch nicht die Tränen, die seine Wangen herunterströmten weil er seinem Sohn wissentlich wehtat. Dies waren bei weitem die längsten drei Meter von Jonathan Kents Leben und gerade als er dachte einen großen Fehler begangen zu haben wurden sie in warmen Sonnenschein getaucht und der Boden war frei von Schutt.

„Ich werde die Steine so weit wie möglich von dir wegschaffen.", erklärte er ihm als er Clark hinlegte und wegging. Er sammelte die Überreste auf und verstaute sie in einer schmalen Felsspalte auf der anderen Seite. Dann bedeckte er sie mit der Erde und den Felsstücken die er finden konnte. „So, das hätten wir. Ist es jetzt besser?" Doch als er sich umdrehte erstarben seine Worte in der Stille. Es waren weder die dunklen Blutergüsse auf Clarks Gesicht, noch die tiefen Wunden, die sein weißes T-Shirt rot färbten, die ihm die Worte abschnitten. Nein, was ihn erstarren ließ war die lange, grün glühende Spitze, die aus Clarks linkem Oberschenkel hervortrat.