KAPITEL 3
Blind stolperte Jonathan zu seinem Sohn und fiel unbewusst neben ihm auf die Knie. Seine Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf dem Meteorteil in Clarks Bein. Er griff danach und versuchte dessen Spitze zu berühren aber zog seine Hand sofort zurück weil Clark stöhnte.
„Clark…", unsicher darüber was er sagen sollte schluckte Jonathan: „Ich…es…in deinem Bein steckt ein Stück Meteorritengestein. Ich denke, dass es dir deshalb so schlecht geht. Ich sollte…ich muss deine Hose wegschneiden um es besser sehen zu können…es sieht tief aus." Seine Augen verließen den beunruhigenden Anblick von Clarks Bein und richteten sich auf dessen Gesicht. Clarks Augen waren durch den Schmerz weit aufgerissen und Jonathan erkannte etwas in ihnen, was er dort noch nie erblickt hatte – Angst.
Clark bedachte die Worte seines Vaters genau. Er hatte schon früher schlechte Erfahrungen mit den Steinen gemacht, aber noch nie hatten sie ihn verletzlich gemacht! Das musste ihn so krank machen, das war es, was anders war. Aber es tat bereits unglaublich weh wenn sein Vater es nur berührte, aber die Schmerzen ertragen zu müssen während das Hosenbein darum entfernt wird… Clark war sich nicht sicher ob er noch mehr Schmerzen erdulden könnte. Es tat so weh! Unter Jonathans forschendem Blick kniff er die Augen zusammen, er wollte vermeiden dass er ihn so sah – schwach und ängstlich. Dennoch war Clark Kent in Wirklichkeit immer noch ein junger Mann, ein Mensch trotz seiner Superkräfte, der seine Tränen nicht länger halten konnte, genauso wenig wie die Schmerzen, die er fühlte.
Jonathan sah wie die funkelnden Tropfen eine Spur auf Clarks dreckigem Gesicht hinterließen. Ihm brach das Herz seinen Sohn um Selbstbeherrschung kämpfen zu sehen. „Clark", flüsterte er heiser als er sein Kind in die Arme nahm. Und während er ihn sanft wiegte legte sich schwach ein Arm um seine Taille.
„Ich habe Angst." Es war kaum mehr als ein Flüstern und doch hörte Jonathan es so deutlich als hätte Clark ihn angeschrieen.
„Ich weiß.", murmelte zurück.
Im Laufe der Zeit entspannte sich Clark etwas und wischte sich mit zitternder Hand die Tränen aus den Augen. „Okay, Dad. Ich…ich bin bereit.
„Bist du dir sicher?" und in diesem Moment erkannte Clark, dass sein Vater genauso viel Angst hatte wie er selbst. Seltsamerweise machte es das Ganze irgendwie einfacher. Es war gut zu wissen, mit seiner Angst nicht allein zu sein.
Für seinen Vater brachte er ein schwaches Lächeln zustande. „Nein", gab er zu „aber mach's trotzdem."
Jonathan grinste ihn an und beide entspannten sich ein wenig. „Okay."
Nachdem Mr. Kent in seiner Tasche suchte und schließlich ein Messer hervorbrachte musste er angesichts der Erinnerung, die dadurch heraufbeschworen wurde lächeln.
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„Versuch mir zu sagen was sich jetzt in meiner Hand befindet."
„Dein Taschenmesser."
„Du konntest durch meine Hand sehen."
„Nein, du hast es immer in der Tasche."
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„Dad?"
Der fragende Unterton in Clarks Stimme durchdrang die Erinnerung, bis sie verschwand und der Realität Platz machte. „Es ist nichts. Ich hab nur nachgedacht. Bist du bereit?" Clark nickte und versuchte sich stark zu machen, gegen die Schmerzen die folgen würden.
Langsam durchtrennte Jonathan den blutdurchtränkten Stoff, darauf bedacht der eigentlichen Wunde so lange wie möglich fern zu bleiben. Als der Jeansstoff unterhalb der Eintrittsstelle entfernt war, holte er tief Luft und fing an nach oben zu schneiden.
Bis zu diesem Punkt hatte Clark die Zähne zusammengebissen und die Schmerzen kontrollieren können, aber jetzt wurde der Meteorsplitter mit jeder Bewegung der Klinge angestoßen und es wurde immer schwerer die Schreie runterzuschlucken. Als nunmehr der Stoff um den Stein selbst an der Reihe war, verlieh Clark seinem Schmerz laut Ausdruck.
Jonathan Kent versuchte die Laute, die von seinem Sohn kamen zu ignorieren. Mit notwendiger Gleichgültigkeit machte er weiter, ohne zu bemerken, dass er stetig stärker an dem unnachgiebigen Stoff zog, je lauter Clark schrie. Er wollte die Tortur nur so schnell wie möglich beenden. Immerhin löste sich der letzte Stoff schließlich und enthüllte die Wunde.
Die Scherbe war messerförmig, zehn Zentimeter davon waren sichtbar und Jonathan schätzte, dass sie etwa weitere sieben Zentimeter weit im Bein steckte. Um die Eintrittstelle war die Haut schwarz, durch Jonathans Arbeit strömte frisches Blut darüber und ließ sie so wie einen grausigen Dämon aussehen. Wieder berührte er den Splitter um zu testen, wie weit er zu bewegen war. Obwohl er sich auf der Oberfläche etwas verrücken ließ, war der Stein im Mittelpunkt unnachgiebig, woraus Jonathan folgerte, dass er tief in Clarks Knochen eingedrungen sein muss. Selbst für jemanden, der selten fluchte war dies zu viel. *Verdammt.*, dachte er. *So eine verdammte Scheiße* er starrte auf die Scherbe und stützte seinen Kopf auf seiner Faust ab. Die Entscheidung stand fest, er wollte sie nur einfach nicht wahr haben.
„Dad…", ertönte Clarks Stimme kaum hörbar „…musst es…rausziehen."
Jonathan schüttelte seinen Kopf doch seine Augen verweilten weiterhin auf der hässlichen Wunde. „Clark, ich weiß nicht ob…"
„Du musst…"
„Du bist schwach, Clark. Vielleicht verschlimmert es alles nur noch."
„Dad…du musst es…rausziehen….es…"
„Es ist zu riskant, Clark."
„Dad…du musst es tun… bitte…es…bringt mich um."
Etwas in Clarks Tonfall erweckte schließlich seine Aufmerksamkeit. Jonathan hob seinen Kopf und schaute seinen Sohn an. Clark war blass und müde von den Schmerzen, seine Atmung war unregelmäßig und er rang mit gewaltiger Mühe nach Luft. Eine bebende Hand legte sich auf Jonathans und in diesem Moment bemerkte er die hervorstehenden, grün gefärbten Adern. „Mein Gott", er atmete schwer als er die Beweise sah – das Gift, das durch Clarks Körper zirkulierte.
„Dad…keine…Zeit…bitte."
„Clark…"
Clark antwortete nicht, er war erschöpft und seine Stimme versagte, aber seine schmerzerfüllten Augen sprachen für ihn. Jonathan schloss seine Augen um diesen Anblick auszublenden. Nach einer Weile holte er lang und tief Luft und nickte. "Okay."
Vor Erleichterung schloss Clark seine Augen und drückte mit letzter Kraft die Hand seines Vaters, der nun dasselbe tat ehe er ihn los ließ. Mit zitternden Händen griff er nach dem Splitter und zog sie sofort wieder zurück um seine Finger ein paar Mal zu strecken. Nachdem er die Kontrolle wieder gewonnen hatte griff er nochmals nach der Scherbe. Seine Finger streiften die Ecken des Meteorfragments und schlossen sich darum.
„Ich…liebe dich…Dad."
Tränen, die er zurückgehalten hatte, fielen nun von Jonathan Kents Augen. „Ich liebe dich auch, Junge. So unglaublich doll." Dann schloss sich seine Hand als Faust um den Stein und er zog.
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Martha Kent schoss von der Hängematte hoch und rief nach ihrem Sohn, dessen Schrei noch immer in ihrem Kopf schallte. Eine Hand presste sie zusammengeballt an ihre Brust während sie die andere nutzte um aufzustehen. „Oh mein Gott", keuchte sie. „Oh mein Gott, ohmeinGott…"
Zögernd brachte sie ihre rasende Atmung unter Kontrolle und prüfte den Albtraum, der sie geweckt hatte. Sogar mit offenen Augen und dem blühenden Garten um sich konnte sie es vor sich sehen. Die sich nach oben streckenden, dunklen und nassen Wände, den hellen, schimmernden Himmel über ihr und sie konnte den Schmerz in ihrem Oberschenkel fühlen, als der scharfe Stein Nerven durchtrennte; als er herausgezogen wurde. Sie konnte die Ecken des schmalen Dreiecks spüren, das tief im Knochen steckte und gegen das umliegende, verstümmelte Gewebe drückte.
„Das ist nicht real." Dies sagte sie sich immer wieder während sie sich unbewusst das Bein rieb. „Das ist nicht passiert." Dennoch wusste sie mit dem Instinkt einer Mutter, dass es wahr war. Ihr Sohn war in Schwierigkeiten und sie musste ihm helfen. „Denk nach, Martha!", schrie sie. „Denk nach." Mit großer Mühe schaffte sie es, sich ein wenig zu beruhigen. „Wo sind Clark und Jonathan heute?", fragte sie laut: *mähen, im südlichen Weideland*
Martha flog von der Hängematte ins Haus, wo sie in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln zum Pick Up suchte bevor sie sich daran erinnerte, dass sie ihn heute genommen hatten weil der alte Truck nicht anspringen wollte. Sie stieß einen Seufzer purer Frustration aus. Sie musste zu ihnen, sie musste zu Clark, selbst wenn sich alles als Irrtum herausstellen sollte. Mit dem Gelächter ihrer Männer konnte sie leben, jedoch nicht mit der Angst die ihre Seele erfüllte.
„Denk nach, Martha.", sagte sie wieder. „Es muss eine andere Möglichkeit geben zum Feld zu kommen. Es muss einfach eine geben." Ihr Blick wanderte durch die Küche, sie begutachtete alles genau und hoffte eine Eingebung zu erhalten. Eine Reflektion der Nachmittagssonne fiel durch die Fenster und blendete sie. Sie blinzelte gegen das Licht und näherte sich dem winkenden Schein. Dort, am Haken neben der Tür hingen Jonathans Motorradschlüssel, die durch die sanfte Windbriese hin und her geweht wurden.
