Schattenwelten – Teil 1

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Disclaimer: gehört nichts mir, sondern alles JKR und ich verdiene hiermit auch überhaupt nichts.

Altersfreigabe: FSK16 – aufgrund sexueller Handlungen. Außerdem ist das slash. Wer also ein Problem damit hat, wenn zwei gleichgeschlechtliche Personen sich lieben, sollte gleich wieder verschwinden.

Anmerkung: Schattenwelten wird eine Trilogie. Wenn sich Welten verlieren ist der erste Teil und schildert Remus' Gedanken nach dem Tod von James und Lily.

Und ich hab irgendwie Probleme mit ff.net, da das hier überhaupt nicht so aussieht, wie ich es gerne hätte, aber na ja.

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 ~*~ Wenn sich Welten verlieren ~*~

 . . . falling . . .

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3. November 1981

Wenn ich hier stehe und auf euer Grab hinabsehe kann ich nicht glauben, dass mein Leben, von dem ich begonnen hatte zu glauben, es könne lebenswert werden, von einem Augenblick auf den anderen in seine Einzeltteile zerfallen würde und nun nicht mehr ist, als ein Haufen wertlosen Abfalls.

Ich kann nicht deinen Namen lesen, James, ohne an deine Lebendigkeit zu denken, deine Vernunft, deinen Mut, deinen Stolz, deine Treue und deine Hingabe. Ich kann nicht hier stehen und deinen Grabstein sehen, Lily, ohne mir deiner Fröhlichkeit, deiner Intelligenz, deiner Schönheit, deiner Wärme und deiner Liebenswürdigkeit bewusst zu werden.

Ich kann nicht hier sein mit dem Wissen um euren Tod, ohne zu denken, dass das nicht real sein kann. Euer Tod fühlt sich so falsch an. Es ist, als hätte man dem Tag sein natürliches Licht geraubt. Ohne das Licht gibt es keinen Tag. Und ohne euch gibt es kein Leben.

Jedenfalls nicht für mich.

Ihr wart die ersten Freunde, die ich hatte. Wehrwölfe haben nicht sonderlich viele Menschen, die sie lieben. Genaugenommen werden sie verachtet und gefürchtet wo auch immer sie sind. Die Leute haben Angst. Und wenn sie herausfinden, was du bist, wenn sie erkennen, dass du dich einmal im Monat in ein blutrünstiges Monster verwandelst, dann kannst du von Glück reden, wenn sie dich nur davonjagen.

Ich bewundere meine Eltern dafür, dass sie mir eine normale Kindheit zu ermöglichen versuchten. Sie haben alles getan, was in ihrer Macht stand, um mir zu helfen und haben es schließlich sogar mit Dumbledores Hilfe ermöglicht, mich nach Hogwarts zu schicken.

Und dort fand ich euch.

Ihr wart wie ein Lichtblick für mich, ihr habt mir zum ersten Mal das Gefühl gegeben, vertrauen zu können und geliebt zu werden. Ich habe krampfhaft versucht, meine Lykanthropie vor euch geheim zu halten – doch natürlich habt ihr es herausgefunden. Wie konnte ich auch annehmen, dass die besten Schüler Hogwarts' nicht misstrauisch würden, wenn ich einmal im Monat unter fadenscheinigen Ausreden verschwinde und das noch dazu immer bei Vollmond. Im Nachhinein ist es beinah lächerlich.

Ich habe erwartet, dass ihr euch von mir abwenden würdet. Doch das habt ihr nicht getan. Ihr habt zu mir gestanden und mir zudem das wundervollste Geschenk gemacht, das ich je erhalten habe: ihr wurdet Animagi. Ihr habt mich nie alleine gelassen, noch nicht mal während der Zeit, in der ich ein Wehrwolf war.

Ihr wart die besten Freunde, die ich hätte bekommen können. James, Peter und Sirius.

Und nun seid ihr gegangen. Für immer verschwunden. James und Lily wurden verraten von dem Menschen, dem sie am meisten trauten und Peter wurde von demselben ermordet, als er versuchte, ihn zu stellen.

Und dieser Mensch bist du, Sirius.

Du hast uns alle verraten, du hast James, Lily und Peter umgebracht, unsere Freundschaft verhöhnt. Ich lebe noch und doch bin ich innerlich tot. Es gibt nichts mehr für mich, für das es sich zu leben lohnte, denn alles, woran ich geglaubt habe, an was ich mich gehalten habe, ist von dir zerstört worden.

Wie konntest du mir das antun? Wenn ich an dich denke, durchflutet mich ein eiskaltes Gefühl des Hasses – doch ich weiß, dass ich dich nicht hassen kann. Denn ich liebe dich. Und ich hatte immer geglaubt, du würdest diese Liebe erwidern.

**** Rückblick ****

April 1981

Es ist ein warmer Frühlingstag Ende April und wir liegen auf einer Wiese hinter deinem kleinen Haus.

Du liegst mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und kaust auf einem Grashalm, während ich grinsend dabei zuschaue, wie sich ein Marienkäfer seinen Weg durch dein schwarzes Haar sucht. Du hasst Käfer.

„Sirius.", beginne ich. „Da ist ein Käfer in deinen Haaren."

Wie von der Tarantel gestochen reißt du die Augen auf, fährst hoch und wühlst mit den Händen durch dein Haar. „Ist er weg?! Remus, guck nach ob er weg ist!"

Bei deinem panischen Gesichtsausdruck kann ich nicht anders und kugle mich von einem Lachanfall geschüttelt auf der Decke. Ich fand es schon immer amüsant, wie einer der mutigsten Menschen, die ich kenne, jemand, der sich unerschrocken jeder Gefahr und Bedrohung in der Weg stellt, Angst vor so etwas unscheinbarem wie einem Käfer haben kann.

Als ich mich wieder erholt habe und die Augen öffne, schaue ich direkt in dein Gesicht, aus dem mich deine dunkelbraunen Augen durchdringend anfunkeln.

„Du findest das lustig, ja?", fragst du angriffslustig.

Ich weiß, dass ich noch immer von einem Ohr bis zum anderen grinse, gebe mir aber keine Mühe, das zu verbergen. „Es war nur ein Käfer. Und jetzt ist er weg.", erwidere ich nach einem prüfenden Blick auf deinen Kopf.

„Warte nur bis zum nächsten Vollmond, dann zahle ich dir das heim.", knurrst du, und lässt dich wieder zurück auf die Decke fallen.

„In drei Wochen hast du das ohnehin schon wieder vergessen."

Als Antwort bekomme ich nur ein mürrisches Grummeln und muss wieder lächeln. Das ist so typisch für dich. Es gibt nichts schlimmeres, als dich in deinem Stolz zu verletzen. Menschen, die diese Schandtat begehen, strafst du meistens mit tagelangem Schweigen und frostigen Blicken.

Nur bei mir, James und Peter hast du die Rolle des Beleidigten nie lange durchgehalten. Nach spätestens einer viertel Stunde hast du wieder mit uns gesprochen und mit deinem obligatorischen herausfordernd-provokanten Lächeln und dem neugierigen Funkeln in den Augen, das seit ich dich kenne noch nie ganz erloschen ist, neue Pläne für Streiche gegen die Slytherins geschmiedet.

Und so bin ich auch nicht erstaunt, als du nach einer Weile unser Schweigen brichst: „Hast du schon von dem neuen Angriff gehört?"

Ich nicke, füge aber ein „Ja" hinzu, als mir auffällt, dass du die Augen wieder geschlossen hast. „Es muss schrecklich gewesen sein.

Einen Augenblick lang bleibst du noch liegen, dann öffnest du die Augen, drehst dich auf die Seite und stützt den Kopf so auf deine Hand, dass du mich ansehen kannst.

„Das Waisenhaus ist völlig zerstört worden. Keines der Kinder und Pflegerinnen hat es überlebt. Ich schätze, dass war so etwas wie Voldemorts persönlicher Rachefeldzug gegen alle Waisenhäuser dieser Welt.", schließt du sarkastisch.

Wir beide gehören zu den wenigen, die wissen, wer Voldemort früher gewesen war und wo er als Tom Riddle seine Kindheit verbracht hatte.   

„Gibt es Gefangene?"

Du schüttelst den Kopf. „Nein, aber zwei getötete Todesser. Rosier und Wilkes, erinnerst du dich an sie?"

Wie könnte ich sie vergessen? „Sie waren Freunde von Snape."

„Und ich bin sicher, dass Snape auch ein Todesser ist. Nur leider konnten wir dem Bastard bis heute rein gar nichts nachweisen.", spuckst du aus.

Und wieder mal bin ich erstaunt, wie hasserfüllt deine Augen werden, wenn du von Snape sprichst. Jedes mal, wenn du so aussiehst, frage ich mich, wie es wäre, wenn sich diese Wut, diese abgrundtiefe Abscheu irgendwann gegen mich richten würden. In diesen Momenten habe ich Angst vor den Dingen, zu denen du fähig sein kannst.

Ich weiß, wie verletzend du sein kannst, wie wenig du manchmal auf die Gefühle anderer achtest. Es ist dir nicht bewusst und ich weiß, dass du alles tun würdest, um deine Freunde zu beschützen. Ich bin der festen Überzeugung, du würdest dein eigenes Leben für James, Lily, Peter und auch für mich geben, denn du bist einer der treuesten und aufopferungsvollsten Menschen die ich kenne – doch dann gibt es wieder Momente, in denen die Dunkelheit in dir überdeutlich wird.

Du würdest sie niemals gegen deine Freunde einsetzen, aber wenn deine Selbstbeherrschung nachlässt, und dein Temperament und deine Unbedachtheit die Kontrolle übernehmen, möchte ich nicht in der Haut deiner Feinde stecken.

„Gibt es Verletzte unter den Auroren?", frage ich, um von Snape abzulenken und obwohl ich die Antwort gar nicht wissen will.

„Ja. Whitney Murdoch und Michael Stone. Whitney schwebt in Lebensgefahr, Michael wird es wahrscheinlich überleben."

Mit der Zeit gewöhnt man es sich an, scheinbar gefühllos über solche Dinge zu sprechen. Wenn wir jeden Verletzten und Toten bis in unser Inneres vordringen lassen würden, würden wir daran kaputt gehen.

„Es kann nicht ewig so weitergehen. Irgendwann ist es zu Ende, muss es zu Ende sein.", ich klinge nicht ganz so optimistisch wie ich es gerne gehabt hätte.

Du lächelst dunkel und zupfst mir einen Grashalm aus den Haaren. „Fragt sich nur wann."

Deine braunen Augen schauen in meine blauen – und mit einem Mal ist es, als würde die Welt um uns herum stehen bleiben. Ich weiß nicht, warum, doch die Berührungen deiner Hand auf meiner Wange hinterlässt eine brennende Spur auf meiner Haut und mein Herz, dessen Schlag bis eben völlig normal war, beginnt mit einem Mal heftiger zu klopfen, als es sollte.

In deinen Augen sehe ich einen Ausdruck, den ich bisher noch nie in ihnen gesehen habe. So vollkommen ruhig, aber gleichzeitig neugierig und forschend.

Ich nehme wahr, wie sich dein Gesicht dem meinen nähert und wehre mich nicht dagegen, verhindere es nicht. Bevor ich die Augen schließe, bemerke ich noch deinen letzten fragenden Blick, bevor ich spüre, wie sich deine Lippen vorsichtig auf meine legen und mich zaghaft und behutsam küssen.

Zögernd hebe ich meine Hand und lege sie in deinen Nacken, ziehe deine Kopf näher zu mir und erwidere deinen Kuss, fühle, wie deine Zunge langsam in meinen Mund eindringt und dann versinkt die Welt um uns herum und es gibt nur noch dich und mich.

**** Rückblick Ende ****

Unser erster Kuss. So plötzlich und vollkommen unangekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir normale Freunde. Und plötzlich war alles anders, denn plötzlich liebten wir uns. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, aber mit einem Mal war da dieses Gefühl in mir, alles für dich zu tun.

Hast du uns damals schon verraten, Sirius? Hast du uns damals schon belogen und betrogen, uns an unseren schlimmsten Feind verkauft?

Ich weiß es nicht und du wirst es mir nicht mehr sagen können. Du wolltest es mir nicht sagen. Und ich weiß auch nicht, ob ich es überhaupt wissen will.

Ich war der glücklichste Mensch der Welt, als du mich geküsst hast und die folgenden Monate erscheinen mir auch heute noch wie ein Traum. Ich habe nie geglaubt, dass ich jemanden finden würde, der mich so liebt wie ich bin. Und wenn ich ihn gefunden hätte, hätte ich mich gegen alle Gefühle gewehrt, um denjenigen nicht zu verletzen.

Doch dann warst du da. Du hast mir das Gefühl gegeben, vollkommen zu sein und wenn ich heute an dich denke, an deine geflüsterten Liebkosungen, deine warmen Hände, an alles, was dich ausmacht, dann könnte ich schreien vor Wut und Enttäuschung.

War das alles nur gespielt? Hat es dich amüsiert, mir die große Liebe vorzugaukeln und mich in Wahrheit zu hintergehen?

Es gibt nichts schlimmeres, als zu erkennen, dass der Mensch, den du mit jeder Faser deines Körpers und deines Geistes liebst, nicht der ist, der er zu sein scheint. Ich weiß, es ist eigensüchtig, aber ich kann nicht nur um James, Lily und Peter trauern. Ich trauere um dich, ebenso wie um mich. Ich trauere um den Mann, den ich verloren habe, auch wenn er der Mörder meiner besten Freunde ist.

Mir ist heute auch klar, warum du unsere Beziehung geheim halten wolltest. Du wolltest dich bei deinen Todesserfreunden nicht für irgendetwas rechtfertigen müssen. Du wolltest freie Bahn haben, kein Hindernis, das dir im Weg steht. Eine öffentliche Beziehung wäre solch ein Hindernis gewesen.

Und ich habe wirklich geglaubt, du wolltest es wegen James geheim halten, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen oder zu befremden. Ich habe dir immer gesagt, James würde es verstehen, doch du hast mich immer wieder abgewimmelt, hast mir immer gesagt, wir sollten auf den geeigneten Moment warten.

Heute könnte ich beinah über meine eigene Naivität lachen, wenn die Umstände nicht so schrecklich wären.

Doch deine ganze Geheimniskrämerei hat nichts genutzt. An Harrys erstem Geburtstag haben James und Lily uns erwischt. Und war der Schock damals auch noch so groß, heute lächele ich bei dem Gedanken daran, bei was die beiden uns gesehen haben und dem Ausdruck auf ihren Gesichtern.

**** Rückblick ****

31. Juli 1981

Die Party zu Harrys erstem Geburtstag im Garten der Potters ist in vollem Gange. Alle Freunde und Bekannte sind gekommen; drüben bei James und Lily stehen Frank und Tara Longbottom, die ihren acht Monate alten Sohn Neville auf dem Arm halten und auf der Hollywoodschaukel haben es sich Albus Dumbledore und Minerva McGonagall bequem gemacht, um in einem wie es scheint sehr amüsanten Gespräch zu versinken.

Ich sitze mit dir an einem kleinen Gartentisch und beobachte dein vor Stolz strahlendes Gesicht, wann immer es sich dem kleinen Harry zuwendet, der auf dem weichen Gras vor den Blumenbeeten sitzt und vollkommen in das Spiel mit seinen Bauklötzen vertieft ist. Harry ist dein Patensohn und es ist faszinierend, wie schnell du dich wieder in ein kleines Kind verwandeln kannst, wenn du mit ihm zusammen bist.

In diesen Momenten bist du vollkommen gelöst, all die Sorgen und Gefahren, die während deiner Arbeit als Auror auf dich lauern, scheinen von deinen Schultern zu fallen und mit einem Mal bist du dann wieder jener unbeschwerte Elfjährige, mit dem ich auf meiner aller ersten Zugfahrt nach Hogwarts das Abteil geteilt habe.

Wie immer, wenn ich so nahe bei dir bin und dich nicht berühren kann, noch nicht einmal deine Hand in meine nehmen kann, werde ich ungemein nervös. Ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, welche Wirkung deine Gegenwart auf mich hat, doch ich werde mich hüten, dir diese Tatsache mitzuteilen.

Plötzlich richten sich deine Augen auf mich und als ich bemerke, dass ich dich angestarrt habe, senke ich meinen Blick. Ich brauche nicht aufzusehen, um zu wissen, dass jetzt ein anzügliches Lächeln deine Lippen umspielt. 

„Ich gehe mir was zu trinken holen.", sagst du leise und in deiner Stimme schwingt unüberhörbar die unausgesprochene Aufforderung mit.

Du stehst auf und verschwindest im Haus, während ich dir nachsehe und mir unentschlossen auf die Lippen beiße. Schließlich erhebe ich mich ebenfalls und folge dir.

Als ich das Haus von James und Lily betrete, schlägt mir sofort eine angenehme Kühle entgegen, die wohltuend wirkt nach der Hitze der strahlenden Sommersonne. Ich durchquere das Wohnzimmer, von dem aus eine gläserne Fassade nach draußen in den Garten führt und gehe durch den Flur in die Küche.

Ich habe kaum die Tür durchquert, als mich zwei fordernde Arme umfangen und sich stürmische Lippen auf meinen Mund pressen. Ich erwiderte deinen Kuss, schlinge die Arme um deinen Nacken und presse mich an dich, kann nicht genug von dir bekommen.

Doch als du beginnst, mein Hemd aufzuknöpfen, versuche ich mich von dir zu lösen. „Sirius, nicht. Wenn jemand kommt . . .",

Weiter komme ich nicht, denn erneut verschließt dein Mund den meinen und du drängst mich gegen die Wand. Als deine Lippen meinen Mund verlassen und über meinen Kieferknochen nach unten zu meinem Hals wandern, kann ich nicht anders und stöhne unterdrückt auf. Du weißt ganz genau, wie du mich absolut willenlos machen kannst und dafür liebe ich dich. Ich verschwende keine Gedanken mehr daran, dass uns jemand erwischen könnte, viel zu lange habe ich dafür auf deine Zärtlichkeiten verzichten müssen. Ich gebe mich dir völlig hin, fahre mit den Händen durch dein wirres schwarzes Haar und spüre, wie deine schlanken Finger die Knöpfe meines Hemdes gänzlich öffnen und das störende Stück Stoff von meinen Schultern streifen.

Du senkst deinen Mund über meine Brust, umspielst mit der Zunge meine Brustwarzen und ich glaube, vergehen zu müssen unter deinen fordernden und gleichzeitig unendlich zärtlichen Lippen.

Nach einem Moment ziehe ich dich nach oben und küsse dich, locke deine Zunge mit meiner, während meine eine Hand auch die Knöpfe deines Hemdes zu öffnen beginnt und meine andere Hand sich den Weg zwischen deine Beine sucht, woraufhin du aufstöhnst und ich zufrieden lächele.     

 „Lily, hilfst du mir bitte beim Tragen, ich . . ."

Die Stimme schleicht sich nur langsam in mein Bewusstsein, viel zu sehr werde ich von deinen Küssen abgelenkt. Doch als du den letzten Kuss abbrichst, öffne auch ich meine Augen – und bin versucht, sie gleich wieder zu schließen, um die Realität nicht sehen zu müssen.

James steht in der Tür, ein Tablett in der Hand, mit offenem Mund, ungläubig geweiteten Augen und einem vollkommen fassungslosen Gesichtsausdruck.

„James.", deine Stimme ist nur ein heißeres Flüstern.

Nun ist also genau das eingetroffen, was wir verhindern wollten. Und ich hasse mich mit einem Mal dafür, es James nicht gesagt zu haben.

In diesem Augenblick betritt Lily hinter James die Küche und auch ihre schönen grünen Augen weiten sich für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie die Situation mit einem Blick erfasst und James entschlossen am Arm greift. „Ich denke, wir sollten im Keller noch ein paar Flaschen Wein holen.", sagt sie und wirft uns beiden einen seltsamen Blick zu, bevor sie ihren Ehemann hinter sich her nach draußen zieht.

Wir schauen uns an und ich sehe in deinen Augen einen schmerzlichen Ausdruck, der daher rührt, dass James es auf diese Weise herausgefunden hat.

Ich lege meine Hand auf deine Wange und versuche, tröstend zu wirken. Doch ich weiß, dass ich in diesem Vorhaben scheitere, denn ich weiß selbst, wie verletzt James von der Tatsache sein muss, dass wir ihm nicht vertraut haben.

**** Rückblick Ende ****

Wir haben mit James und Lily geredet. Wir haben es ihnen erklärt und versucht ihnen klarzumachen, dass wir einfach Angst hatten, es ihnen zu sagen.

Ich weiß noch genau, wie du dich vor diesem Gespräch gefürchtet hast. Du hast gedacht, James wolle nie wieder etwas mit uns zu tun haben. Es war eine unnötige Furcht, denn James hatte Verständnis, nachdem er den ersten Schock überwunden hatte.

Heute weiß ich nicht mehr, was von deiner damaligen Panik gespielt war und was nicht. Es fiel dir nicht schwer, die Menschen in deiner Umgebung zu narren, oder? Wir waren alle so blind in unserem Vertrauen zueinander . . . Doch was hätten wir sonst tun sollen? Wir waren Freunde. Und Freunde vertrauen sich. Unter Freunden geht man nicht davon aus, dass einer von ihnen zum Todesser wird und alles verrät, woran er geglaubt hat. Man geht nicht zum anderen und fragt „Hey, arbeitest du neuerdings für Voldemort?".

Und auch wenn mein Vertrauen missbraucht worden ist, werde ich mich auch weiterhin weigern, jeden guten Bekannten misstrauisch zu behandeln, weil er vielleicht ein Verräter sein könnte.

Du schaffst es nicht, mir mein Vertrauen zu nehmen, Sirius. Du hast mir meine Überzeugung an die Unendlichkeit der Liebe genommen, du hast mich belogen und verkauft, du hast mein Leben zerstört, du hast mir alles genommen, für das es sich für mich zu leben lohnte, eingeschlossen dich selbst. Doch du wirst mein Vertrauen in die Menschen nicht brechen. Nenn mich gutgläubig oder naiv, aber es kann nicht jeder so ein Monster sein wie du es bist. Und aus diesem Grund werde ich auch weiterhin vertrauen, so, wie ich es immer getan habe.

Ich frage mich oft, warum du das getan hast. Was hat dir gefehlt? Du hattest alles, was man vom Leben erwarten kann: wunderbare Freunde, Menschen, die dich lieben, großartiges magisches Talent, einen Job, der dir wie auf den Leib geschneidert schien . . . warum, Sirius? Warum hast du die Menschen verraten, denen du am meisten bedeutetest? Warum hast du mich verraten? Was habe ich getan, dass du mich so sehr verletzten wolltest? Oder war ich für dich nur ein Spiel? War ich ein Zeitvertreib, der auch jeder andere oder jede andere hätte sein können?

Ich wollte es wissen, habe nach Antworten gesucht; doch du wolltest sie mir nicht geben.

**** Rückblick ****

2. November 1981

„Dumbledore, ich will ihn sehen.", fordere ich eindringlich. „Lassen Sie mich zu ihm."

Mein ehemaliger Schulleiter schaut mich nachdenklich an und seufzt dann leise. „Ich würde dir deinen Wunsch gerne gestatten, Remus, aber ich fürchte, ich kann nicht. Sirius ist sehr labil, wir wissen nicht . . ."

„Er hat meine besten Freunde umgebracht!", schreie ich und funkele Dumbledore wütend an.

Die blauen Augen hinter den Halbmondgläsern schauen mich durchdringend an und schließlich senkt der mächtigste Zauberer der Welt seinen Blick und nickt. „In Ordnung. Du kannst ihn sehen. Wenn es irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte oder du wieder raus willst, klopf an die Tür."

Ich nicke und warte, dass der Wärter das Schloss des Raumes aufschließt, in dem du eingesperrt bist. Die Tür wird geöffnet und ich trete ein in diesen dunklen Raum, der nur durch ein kleines Fenster spärlich beleuchtet wird. Die Tür schließt sich hinter mir mit einem in meinen Ohren ungewöhnlich lauten Knall und ich schaue dich an.

Du sitzt an einem kleinen Holztisch, den Kopf auf die Hände gestützt. Dein schwarzes, strähniges Haar verdeckt dein Gesicht.

Unwillkürlich ergreift mich der Drang, zu dir zu gehen, dich beruhigend in den Arm zu nehmen und dich zu küssen. Doch ich beherrsche mich und rufe mir in Erinnerung, dass dort nicht mehr du vor mir sitzt, sondern ein eiskaltes Ungeheuer.

„Warum, Sirius?", frage ich und bemerke, wie meine Stimme zittert.

Aus deiner Richtung kommt ein höhnisches Auflachen und du hebst den Kopf. Einen Augenblick lang schrecke ich vor deinem Aussehen zurück. Deine Haut ist leichenblass, das Gesicht eingefallen und deine dunkelbraunen Augen, deren Lebendigkeit und sprühende Lebensfreude ich immer so geliebt habe, blicken mich nun stumpf und resigniert an.

„Verschwinde.", ist das Einzige, was du sagst.

Ein Ausdruck von Schmerz huscht über mein Gesicht. Ich denke mit einem Mal, dass du das nicht getan haben kannst. Du kannst sie nicht verraten haben, du kannst kein Todesser sein, du kannst uns nicht alle belogen haben. Du kannst mich nicht belogen haben!

Doch dann wird die Stimme meines Herzens von der Stimme der Vernunft verdrängt. Du warst ihr Geheimniswahrer, Dumbledore hat es gesagt und Dumbledore lügt nicht. Es gibt keine andere logische Erklärung für ihren Tod als deinen Verrat. Und mit der Vernunft kehrt auch mein Wut zurück.

„Du hast sie umgebracht!", schreie ich. „Du hast sie verraten und ich will verdammt noch mal wissen, warum!"

Du siehst mich weiterhin an, keine Regung zeigt sich auf deinem totenblassen Gesicht. Und ich weiß plötzlich, dass du nicht antworten wirst. Du warst schon immer stur und wenn du etwas nicht tun wolltest, hast du es nicht getan.

Und nun willst du mir nicht antworten, ich sehe es in deinen Augen. In diesen leeren, ausdruckslosen Augen. Du hast mit der Welt und deinem Leben abgeschlossen. Du bist nicht mehr bereit, dich zu öffnen, irgendetwas von dir zu offenbaren.

Und ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Dich so abgestumpft zu sehen, so fertig, so ohnmächtig, gibt mir einen gewissen Triumph. Es war nicht geplant, dass es so endet, doch nach dem Mord an James und Lily geschieht es dir nur Recht, dass es so endet.

Doch in mir schreit es bei deinem Anblick. Ich ertrage dein Leid nicht, deine abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit. Ich ertrage es nicht, dich so verloren zu sehen.

Ist dir bewusst, dass du nach Askaban gebracht werden wirst? Dass du dort nicht wieder rauskommen wirst? Und dass du an deinem Lebensende nicht mehr sein wirst als eine seelenlose Hülle ohne Erinnerung und Gefühl? Bei dem Gedanken daran treten Tränen in meine Augen. Ich will das nicht.

Du stehst auf und kehrst mir den Rücken zu, deine Arme fallen verkrampft an deinen Seiten herab.

„Du kommst nach Askaban. Lebenslänglich.", erkläre ich dir und hoffe, wenigstens jetzt eine Reaktion zu erreichen. Doch es geschieht nichts.

„Ich habe gesagt, du sollst gehen.", wiederholst du und jetzt bricht in mit endgültig etwas.

Das bist nicht mehr du. Du bist nicht mehr der Mann, den ich geliebt habe, den ich noch immer liebe. Tränen laufen mir über die Wangen, als ich mich umwende und an die Tür klopfe.

Der Wärter öffnet die Tür und lässt mich heraustreten.

Ich gehe, verlasse das Gefängnis.

Und ich blicke nicht zurück auf den Mann, den ich mehr geliebt habe als mein eigenes Leben.

**** Rückblick Ende ****

Ich will nicht mehr an dich denken. Ich will dich vergessen, dich aus meinem Gedächtnis verbannen, doch es funktioniert nicht.

Ich verabscheue mich für meine Unfähigkeit, dich zu hassen. Ich sollte dich hassen, du hast alle umgebracht, die ich geliebt habe, du hast uns beide verraten und verkauft. Doch ich kann es nicht, dein Gesicht, dein Lachen, deine warmen Augen sind in meinen Kopf eingebrannt wie Brandzeichen.

Ich liebe dich.

Zu wissen, dass deine Liebe nicht mehr war als ein Spiel, ist eine Tatsache, mit der ich leben muss.

Ob ich das kann, oder ob ich an der Erinnerung an dich und deine Liebe, an alles was wir hatten, zerbrechen werde, ist etwas, dass nur die Zeit feststellen kann.

Du warst mein Leben, Sirius. Und das Leben ohne dich wird sein wie ein Leben ohne Licht.

Doch vielleicht verdienen Wehrwölfe nichts anderes als solch ein Leben in ewiger Dunkelheit.

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Wir fortgesetzt in „Schattenwelten – Teil 2"