DRITTES KAPITEL ~ GANDALFS VERMÄCHTNIS
Sie verließen die dämmrige Halle und traten hinaus in den warmen Nachmittag.
Inmitten des Hofes ragte der mächtige Weiße Baum weit in den endlosen Himmel hinauf. Sein üppiges Laub beschattete das glatte Pflaster und den sprudelnden Brunnen am Fuße seines gewaltigen Stammes. An die Bergflanken schmiegte sich die große Stadt, reich und prächtig, und in den zahlreichen Gassen und Straßen innerhalb der steinernen Ringe eilten geschäftige Menschen gleich zahllosen Ameisen, und Kinder spielten in der hellen Sonne. Und Aragorn verspürte die sanfte Brise, die vom großen Anduin hochstieg, und hin und wieder trug sie den Klang sorglosen Lachens glücklicher Menschen an sein Ohr. Da wich der dumpfe Druck von seinem Herzen und er freute sich des schönen Tages.
Und draußen, vor dem siebenten Tor, wartete schon Éomers Gefolge, starke, furchtlose Männer, in geschmeidigen Lederrüstungen, das lange, blonde Haar unter den Helmen hervorquellend. Neben ihnen ihre ebenso starken, furchtlosen Rosse, die berühmten Pferde der Rohirrim, mit endlosen Mähnen und Schweifen, aufrecht und stolz wie ihre Herren.
Da geschah es, dass sich ein Ross aus ihrer Mitte löste und näher kam. Überwältigt von seinem Anblick hielt Aragorn inne, und rings um ihn wurde es ganz still. Kein Halfter, kein Sattel war an dem Tier, und es schien, als wäre es gerade erst aus den grasbewachsenen Ebenen Rohans gekommen, wo es frei und ungebunden seiner Wege gehen konnte.
Das Pferd aber warf den edlen Kopf zurück und zeigte die atemberaubende Wölbung seines prachtvollen Halses; sein Auge funkelte herrisch und erhaben, und es war, als trete ein König vor. Und alles - Mann und Ross - tat einen Schritt zurück, um ihm respektvoll Platz zu machen, und nicht einmal die Burgwachen wagten ihm den Zutritt zur Zitadelle zu verwehren.
Und Éomer, der Greis, vergaß Alter und Müdigkeit. Kraftvoll erhob er die Stimme und rief: "Kommt und seht Winterwind, den edelsten Hengst der Rohirrim. Gandalf, der große Zauberer, weissagte mir schon vor vielen Jahren, dass er eines Tages geboren werde. Und daran sei er zu erkennen: ein echter Mearh werde er sein, und wie kein anderer werde er Schattenfell gleichen. Doch nicht für einen König Rohans sei er gedacht, auch wenn mein Enkelsohn ihn nur zu gern sein Eigen nennen würde. Denn Gandalf nahm mir den Eid ab, Winterwind nach Minas Tirith zu bringen, in die Hauptstadt Gondors, Sitz des großen Königs Elessar. Und so ist es geschehen, und der Schwur erfüllt. Und doch war es nicht mein Wille allein, der Winterwind hierher geleitete - aus freien Stücken kam er. Keine Macht dieser Welt hätte ihn sonst dazu bewegen können. Noch hat er seinen Herrn nicht gewählt, noch hat er keinen Menschen dieser Erde je auf seinem Rücken getragen." Glänzenden Auges sah Éomer in die Runde.
Alles schwieg, still und voll Ehrfurcht.
Winterwind aber hatte den hohen Torbogen durchschritten, und stand nun innerhalb der siebenten Mauer, da, wo noch nie ein Pferd vor ihm den Huf gesetzt hatte, unbehelligt vom äußeren Geschehen, erhaben und hochmütig zugleich. Und Aragorn dachte bei sich, dies sei wahrhaftig das edelste Ross, das er je gesehen hatte, nur Schattenfell kam ihm gleich.
Doch Schattenfell war nicht mehr in Mittelerde, sondern mit Gandalf nach Valinor entschwunden.
"Ein großer Geschenk, Éomer, das du uns bringst", raunte er seinem Freund leise zu. "Doch wer könnte heute noch ein Pferd wie Winterwind erobern? Hat nicht schon Schattenfell nur Gandalf den Weißen anerkannt? Doch die Zeit der Zauberer ist vorbei, und ich fürchte, keines Menschen Seele vermag dieses Pferd zu bezwingen."
Éomer aber lachte nur, und erstaunt erkannte Aragorn in ihm den übermütigen Krieger von einst.
"Höre ich da Zweifel? So bedenke, König Gondors, von wem die Gabe kommt. Groß war Gandalfs Macht, bedeutungsvoll jedes seiner Worte, auch wenn er sich uns nicht immer offenbarte. In dieser Sache bin ich nur der Überbringer und weiß nichts von Gandalfs geheimen Ratschlüssen ... doch zugegeben, mein Freund, es tut meinem alten Herzen weh, ein solches Ross weggeben zu müssen ..." Sein Lachen strafte ihn Lügen. "Und doch tu ich gut daran, seinem Wunsch nachzukommen. Mit Zauberern soll man sich nicht anlegen. Wer weiß, vielleicht verwandelte er mich sonst in einen Strohballen ..."
Aragorn musste lächeln bei dieser Vorstellung. Éomer hatte Recht, bei Gandalf war besser Vorsicht geboten ... und nun dies - ein Gruß aus der Vergangenheit. Der gute alte Gandalf hatte der Versuchung wohl nicht widerstehen können, doch noch ein wenig mitzumischen in der Welt, die er vor vierzig Jahren verließ. Wie sehr er ihn vermisste ...
Éomer aber wurde ernst. Leise, fast zärtlich, sagte er: "Und so bleibt mir nur noch eines zu tun ..."
Und dann sprach der König der Mark mit feierlicher Stimme zu Winterwind, und Aragorn vernahm die alten, mystischen Worte der Rohirrim:
Ross von Rohan, edles Tier,
die Zeit ist da, nun wähle dir
den Herrn, dem treu bis in den Tod
du beistehen wirst in jeder Not.
Ein Gedanke sollt ihr sein,
eine Seele obendrein,
ein Bündnis, jetzt und alle Zeit,
ein Schicksal, für die Ewigkeit
So sprach Éomer, und alle erbebten bei seinen Worten. Winterwinds Ohren zuckten leicht, seine samtenen Nüstern vibrierten, und ein sanfter Wind strich ihm durch die flirrende Mähne. Und für einen langen Moment senkten sich dunkle Wimpern über sein kühnes Auge.
Aragorn erinnerte sich wehmütig an die wenige Male, da er den bewegenden Moment miterleben durfte, wenn ein Pferd seinen künftigen Herrn erwählen und eine Freundschaft beginnen sollte, die jenseits verstandesmäßigem Begreifens lag. Nur die Mearas, die edelsten Rösser Rohans, einzig Königen und ihren Söhnen vorbehalten, sowie die Pferde der Elben hatten sich diese wundervolle Magie aus längst vergangenen Tagen bewahrt. Doch reinblütige Mearas wie Schattenfell oder Winterwind waren selten geworden, und Elbenpferde gab es schon lange nicht mehr in Mittelerde. Um so beglückender, diesem ergreifenden Ritual wieder einmal beiwohnen zu können. Sein Blick fand Arwen, und sie schien wie er zu empfinden, denn sie wirkte wie verzaubert. Über ihre Augen hatte sich der Schleier uralter Erinnerungen gelegt, und ein entrücktes Lächeln spielte um ihre Lippen.
Da erwachte Winterwind aus seiner Trance; ein Zittern ging durch sein schimmerndes Fell. Temperamentvoll schüttelte er die Mähne, dass sie nur so flog, und sein langer Schweif peitschte scharf durch die Luft. Er gab ein lautes Schnauben von sich und setzte sich huldvoll in Bewegung.
Aragorn hielt gespannt den Atem an. Er sah die offenen Münder der Männer Rohans und ihre erwartungsvollen Gesichter, und auch sein eigenes Herz pochte heftig - wen wohl würde Winterwind auserwählen?
~ ~ ~ ~
Bitte schreibt mir auch weiterhin eure Meinung, ehrlich, hart und schonungslos - per Mail oder als review - DANKE euch allen!
Sie verließen die dämmrige Halle und traten hinaus in den warmen Nachmittag.
Inmitten des Hofes ragte der mächtige Weiße Baum weit in den endlosen Himmel hinauf. Sein üppiges Laub beschattete das glatte Pflaster und den sprudelnden Brunnen am Fuße seines gewaltigen Stammes. An die Bergflanken schmiegte sich die große Stadt, reich und prächtig, und in den zahlreichen Gassen und Straßen innerhalb der steinernen Ringe eilten geschäftige Menschen gleich zahllosen Ameisen, und Kinder spielten in der hellen Sonne. Und Aragorn verspürte die sanfte Brise, die vom großen Anduin hochstieg, und hin und wieder trug sie den Klang sorglosen Lachens glücklicher Menschen an sein Ohr. Da wich der dumpfe Druck von seinem Herzen und er freute sich des schönen Tages.
Und draußen, vor dem siebenten Tor, wartete schon Éomers Gefolge, starke, furchtlose Männer, in geschmeidigen Lederrüstungen, das lange, blonde Haar unter den Helmen hervorquellend. Neben ihnen ihre ebenso starken, furchtlosen Rosse, die berühmten Pferde der Rohirrim, mit endlosen Mähnen und Schweifen, aufrecht und stolz wie ihre Herren.
Da geschah es, dass sich ein Ross aus ihrer Mitte löste und näher kam. Überwältigt von seinem Anblick hielt Aragorn inne, und rings um ihn wurde es ganz still. Kein Halfter, kein Sattel war an dem Tier, und es schien, als wäre es gerade erst aus den grasbewachsenen Ebenen Rohans gekommen, wo es frei und ungebunden seiner Wege gehen konnte.
Das Pferd aber warf den edlen Kopf zurück und zeigte die atemberaubende Wölbung seines prachtvollen Halses; sein Auge funkelte herrisch und erhaben, und es war, als trete ein König vor. Und alles - Mann und Ross - tat einen Schritt zurück, um ihm respektvoll Platz zu machen, und nicht einmal die Burgwachen wagten ihm den Zutritt zur Zitadelle zu verwehren.
Und Éomer, der Greis, vergaß Alter und Müdigkeit. Kraftvoll erhob er die Stimme und rief: "Kommt und seht Winterwind, den edelsten Hengst der Rohirrim. Gandalf, der große Zauberer, weissagte mir schon vor vielen Jahren, dass er eines Tages geboren werde. Und daran sei er zu erkennen: ein echter Mearh werde er sein, und wie kein anderer werde er Schattenfell gleichen. Doch nicht für einen König Rohans sei er gedacht, auch wenn mein Enkelsohn ihn nur zu gern sein Eigen nennen würde. Denn Gandalf nahm mir den Eid ab, Winterwind nach Minas Tirith zu bringen, in die Hauptstadt Gondors, Sitz des großen Königs Elessar. Und so ist es geschehen, und der Schwur erfüllt. Und doch war es nicht mein Wille allein, der Winterwind hierher geleitete - aus freien Stücken kam er. Keine Macht dieser Welt hätte ihn sonst dazu bewegen können. Noch hat er seinen Herrn nicht gewählt, noch hat er keinen Menschen dieser Erde je auf seinem Rücken getragen." Glänzenden Auges sah Éomer in die Runde.
Alles schwieg, still und voll Ehrfurcht.
Winterwind aber hatte den hohen Torbogen durchschritten, und stand nun innerhalb der siebenten Mauer, da, wo noch nie ein Pferd vor ihm den Huf gesetzt hatte, unbehelligt vom äußeren Geschehen, erhaben und hochmütig zugleich. Und Aragorn dachte bei sich, dies sei wahrhaftig das edelste Ross, das er je gesehen hatte, nur Schattenfell kam ihm gleich.
Doch Schattenfell war nicht mehr in Mittelerde, sondern mit Gandalf nach Valinor entschwunden.
"Ein großer Geschenk, Éomer, das du uns bringst", raunte er seinem Freund leise zu. "Doch wer könnte heute noch ein Pferd wie Winterwind erobern? Hat nicht schon Schattenfell nur Gandalf den Weißen anerkannt? Doch die Zeit der Zauberer ist vorbei, und ich fürchte, keines Menschen Seele vermag dieses Pferd zu bezwingen."
Éomer aber lachte nur, und erstaunt erkannte Aragorn in ihm den übermütigen Krieger von einst.
"Höre ich da Zweifel? So bedenke, König Gondors, von wem die Gabe kommt. Groß war Gandalfs Macht, bedeutungsvoll jedes seiner Worte, auch wenn er sich uns nicht immer offenbarte. In dieser Sache bin ich nur der Überbringer und weiß nichts von Gandalfs geheimen Ratschlüssen ... doch zugegeben, mein Freund, es tut meinem alten Herzen weh, ein solches Ross weggeben zu müssen ..." Sein Lachen strafte ihn Lügen. "Und doch tu ich gut daran, seinem Wunsch nachzukommen. Mit Zauberern soll man sich nicht anlegen. Wer weiß, vielleicht verwandelte er mich sonst in einen Strohballen ..."
Aragorn musste lächeln bei dieser Vorstellung. Éomer hatte Recht, bei Gandalf war besser Vorsicht geboten ... und nun dies - ein Gruß aus der Vergangenheit. Der gute alte Gandalf hatte der Versuchung wohl nicht widerstehen können, doch noch ein wenig mitzumischen in der Welt, die er vor vierzig Jahren verließ. Wie sehr er ihn vermisste ...
Éomer aber wurde ernst. Leise, fast zärtlich, sagte er: "Und so bleibt mir nur noch eines zu tun ..."
Und dann sprach der König der Mark mit feierlicher Stimme zu Winterwind, und Aragorn vernahm die alten, mystischen Worte der Rohirrim:
Ross von Rohan, edles Tier,
die Zeit ist da, nun wähle dir
den Herrn, dem treu bis in den Tod
du beistehen wirst in jeder Not.
Ein Gedanke sollt ihr sein,
eine Seele obendrein,
ein Bündnis, jetzt und alle Zeit,
ein Schicksal, für die Ewigkeit
So sprach Éomer, und alle erbebten bei seinen Worten. Winterwinds Ohren zuckten leicht, seine samtenen Nüstern vibrierten, und ein sanfter Wind strich ihm durch die flirrende Mähne. Und für einen langen Moment senkten sich dunkle Wimpern über sein kühnes Auge.
Aragorn erinnerte sich wehmütig an die wenige Male, da er den bewegenden Moment miterleben durfte, wenn ein Pferd seinen künftigen Herrn erwählen und eine Freundschaft beginnen sollte, die jenseits verstandesmäßigem Begreifens lag. Nur die Mearas, die edelsten Rösser Rohans, einzig Königen und ihren Söhnen vorbehalten, sowie die Pferde der Elben hatten sich diese wundervolle Magie aus längst vergangenen Tagen bewahrt. Doch reinblütige Mearas wie Schattenfell oder Winterwind waren selten geworden, und Elbenpferde gab es schon lange nicht mehr in Mittelerde. Um so beglückender, diesem ergreifenden Ritual wieder einmal beiwohnen zu können. Sein Blick fand Arwen, und sie schien wie er zu empfinden, denn sie wirkte wie verzaubert. Über ihre Augen hatte sich der Schleier uralter Erinnerungen gelegt, und ein entrücktes Lächeln spielte um ihre Lippen.
Da erwachte Winterwind aus seiner Trance; ein Zittern ging durch sein schimmerndes Fell. Temperamentvoll schüttelte er die Mähne, dass sie nur so flog, und sein langer Schweif peitschte scharf durch die Luft. Er gab ein lautes Schnauben von sich und setzte sich huldvoll in Bewegung.
Aragorn hielt gespannt den Atem an. Er sah die offenen Münder der Männer Rohans und ihre erwartungsvollen Gesichter, und auch sein eigenes Herz pochte heftig - wen wohl würde Winterwind auserwählen?
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Bitte schreibt mir auch weiterhin eure Meinung, ehrlich, hart und schonungslos - per Mail oder als review - DANKE euch allen!
