Ein Missgeschick mit Folgen - vierter Teil

Er war so von diesem Gedanken eingenommen, dass er fast über Dobby stolperte, als dieser ihm vor die Füße lief.

"Dobby!", rief er. "Ich wünsche ein erstklassiges Fünf-Gänge-Menü in der Kleinen Halle, und zwar in genau zehn Minuten! Als Hauptgang schwebt mir so etwas wie Muscheln vor, und als Nachspeise hätte ich gerne Tiramisu! Den Rest überlasse ich euch!"

"Wieviele Personen werden es sein, Sir?" fragte Dobby beflissen.

"Ã"h, nur ich und - und noch jemand. Ich wünsche absolute Diskretion!" zischte Snape.

"Hat Professor Snape ein Rendezvous?" quietschte Dobby fröhlich. "Dobby sagt es niemandem, Dobby kümmert sich um alles, nur keine Sorge. Dobby sorgt dafür dass alles zur Zufriedenheit von Professor Snape sein wird!"

"Das will ich auch hoffen", knurrte Snape, machte kehrt und ging zurück zum Lehrerzimmer, wo Lupin am Kamin stand und leise vor sich hin summte. Snape war sein Anblick immer noch zuwider, aber er wusste, wer unter dieser Schale steckte, und er wusste, dass er darüber hinwegsehen müssen würde, wenn er die Chance auf ein Rendezvous mit Mary Poppins nicht vermasseln wollte.

"Miss Poppins..." begann er, und Lupin drehte sich um.

"Ja?"

"Ich habe uns einen Tisch decken lassen. Wenn Sie so freundlich wären..." Er winkelte seinen Arm an, und Lupin hakte sich tatsächlich ein. So gingen sie durch die Flure hinunter in die Kleine Halle, und Snape war wieder einmal heilfroh dass sie keiner Menschenseele begegneten.

Unten angekommen sah Snape, dass Dobby wirklich das Beste aus den zehn Minuten herausgeholt hatte, was möglich gewesen war: Gedämpftes Kerzenlicht erleuchtete den Saal, und ihr Tisch war mit einer weißen Tischdecke überzogen und ebenfalls mit Kerzen bestückt. Wein stand schon bereit, und Snape rückte Lupin den Stuhl zurecht als der sich setzen wollte.

"Wie aufmerksam", flötete er. "Sie sind ja wirklich ein Kavalier!"

Snape setzte sich ihm gegenüber und schenkte Wein ein. Das erste Glas tranken sie schweigend, und Snape schenkte sofort nach.

"Ich finde es wirklich - nett von Ihnen, dass Sie mit mir ausgehen. Wo Sie mich doch gar nicht so gut kennen..." sagte er schließlich. Lupin lächelte ihn an und schüttelte den Kopf.

"Ich fand Sie von Anfang an sehr faszinierend. Sie sind ein anziehender Typ, aber Sie bedürfen vielleicht noch ein bisschen weiblichen Einflusses um ein wenig mehr aus sich herauszugehen."

"Das - mag sein..." brummte Snape und trank noch etwas Wein, der ihm bereits zu Kopfe stieg.

"Aber wissen Sie, was lustig ist?" sagte Lupin plötzlich. "Da gehe ich mit Ihnen essen und weiß nicht mal Ihren Namen!"

"Oh!" stammelte Snape und errötete. "Mein Name ist Snape. Severus Snape. Sie können - mich Sevvie nennen." Er wurde noch röter und kicherte leicht beschämt, weil es eigentlich für jeden anderen eine Todsünde war, ihn so zu nennen. Aber Mary - ach, Mary war einfach anders, dachte er und lächelte verträumt.

Da kam der erste Gang, und sie waren erstmal mit Essen beschäftigt. Zwischendurch unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten, und Snape ertappte sich dabei wie er Lupin an den Lippen klebte und versuchte daraufhin, wenigstens ein bisschen unauffälliger zu sein. Aber es fiel ihm schwer, denn Lupin besaß all die Unbeschwertheit und Liebenswürdigkeit von Mary Poppins, und es war schwer, dem zu widerstehen; ja sogar unmöglich. Das Wort 'sich amüsieren' gehörte normalerweise nicht zu Snapes Wortschatz, aber dieser Nachmittag war einfach unvergleichlich, und er hätte einiges dafür gegeben, wenn er auch noch Lupins Aussehen hätte verändern können... Dass es aber auch ausgerechnet Lupin hatte sein müssen! Naja, immer noch besser als Minerva oder gar Albus, dachte er, seufzte einmal tief und schob dann den Teller seines fünften Gangs von sich, der sofort von Dobby abgeräumt wurde.

"Ach, das war herrlich!" strahlte Lupin und tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab.

"Ja, es war... sehr schön, wirklich...", sagte Snape, und wünschte, er könnte die Zeit anhalten. Aber er wusste, dass es riskant war, Lupin noch länger in seinem Zustand zu lassen. Er hatte den Trank noch nie so lange wirken lassen, also hatte er keine Ahnung ob es schädlich war oder nicht, aber er ahnte, dass es höchste Zeit war, ihm das Gegenmittel zu verabreichen.

Schweren Herzens erhob er sich und bot Lupin wieder den Arm an. Der stand ebenfalls auf und hakte sich ein. "Entführen Sie mich?", fragte er leicht beschwipst und rückte sehr eng an Snape heran. Der versuchte, etwas abzurücken, und murmelte "Ja, so ähnlich."

Dann schlug er den Weg in Richtung Kerker ein, und mit jeder Stufe, die nach unten führte, wurde ihm das Herz schwerer. Als sie vor seinem Büro angekommen waren, blieb er schließlich abrupt stehen und nahm Lupins Hände in seine.

"M-miss Poppins", stotterte er, "ich muss Ihnen etwas sagen!"

"Nur immer raus damit!", sagte Lupin fröhlich und sah ihn erwartungsvoll an.

"Ich, ähm... ich, ich... ich liebe Sie!" platzte er heraus. Er sah schnell weg und wurde rot wie ein Feuermelder. Wenigstens hatte er es jetzt gesagt. Wahrscheinlich würde sie ihm eine knallen. Eine Frau dieses Kalibers war eben einfach zu hoch für ihn, er hätte es wissen müssen. So etwas würde sie ihm nie durchgehen lassen.

"Das finde ich süß von Ihnen!"

Snape hob den Kopf und starrte Lupin an.

"Ich fühle mich sehr geschmeichelt, Sevvie, wirklich. Ich finde Sie ja auch sehr attraktiv."

Snape starrte immer noch. Dann kam ihm ein Gedanke in den Kopf, der so dreist war, dass er ihn einfach verwirklichen musste. Er beugte sich ruckartig vor und küsste Lupin auf den Mund. Nach zwei Sekunden riss er seinen Kopf wieder weg, wischte sich den Mund ab (weil es Lupin war), fühlte sein Herz klopfen (weil es Mary Poppins war), riss sich zusammen und schloss die Tür zu seinem Büro auf, und das sehr rasch, weil er Angst hatte, doch noch eine Ohrfeige zu bekommen.

"Bitte - kommen Sie rein" murmelte er und schloss die Tür wieder.

"Nett haben Sie's hier!" sagte Lupin, wohl mehr aus Höflichkeit, während Snape das Gegenmittel aus dem Schrank holte und es in ein Glas mit Wasser kippte. Er konnte nur hoffen, dass es noch ohne Komplikationen funktionieren würde, und dass Lupin verwirrt genug sein würde, um zu vergessen, was passiert war. Den Schlaftrunk hatte er zwar zur Sicherheit bei sich behalten, aber er hatte keine Lust, einen schlafenden Lupin bei sich im Büro zu haben, und das drei Stunden lang.

"Hier", sagte er, während er Lupin das Glas reichte. "Trinken Sie das."

"Ganz wie Sie meinen", sagte Lupin und lächelte ihn fast aufreizend an. Dann trank er das Glas in einem Zug aus. Snape starrte ihn gespannt an, besann sich dann aber und trat, Desinteresse heuchelnd, ein paar Schritte zurück. Das erste, was Lupin sehen sollte wenn er wieder zu sich kam, war nicht unbedingt, wie er ihn wie ein Spanner anstarrte.

Lupin blinzelte ein paarmal heftig, als hätte er einen sehr starken Whiskey getrunken, schüttelte sich und blickte dann benommen um sich. In seinem Blick war jedoch Wiedererkennen zu sehen, und Snape atmete heimlich erleichtert auf. Er würde also auf jeden Fall wieder zu Lupin werden, soviel war sicher.

"Se-severus?" fragte Lupin unsicher und sah Snape an. Der nickte knapp und erzwang ein kurzes, falsches Lächeln.

"D-das ist dein Büro, richtig?"

Snape nickte ungeduldig und hätte ihn am liebsten sofort vor die Tür gesetzt, aber er konnte das Risiko nicht eingehen dass vielleicht doch irgend etwas nicht in Ordnung war und er es nicht merkte.

"Uh, ist mir komisch", stöhnte Lupin und hielt sich den Kopf. Snape beobachtete ihn angewidert. Da war er wieder, der gute alte Lupin. Er hatte nichts, absolut nichts mehr von Mary Poppins an sich. In Sekunden hatte er alles von der Aura dieser Frau verloren, und Snape hasste ihn deswegen. Er war frustriert dass sein Traum so einfach zerplatzen hatte müssen, wie eine Seifenblase, und deshalb starrte er Lupin finster an und verschränkte feindselig die Arme.

Lupin dagegen sah ihn plötzlich mit Erheiterung an und legte amüsiert den Kopf schief.

"Was?!", fragte Snape unwirsch.

"Du hast mich geküsst" sagte Lupin langsam.

"Unsinn!" erwiderte Snape und spürte, wie er zu schwitzen begann.

"Oh doch!" sagte Lupin triumphierend und kam auf ihn zu. Ein Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit, und Snape sah sich vor einem Abgrund stehen, in den Lupin ihn mir nichts dir nichts hineinstoßen konnte.

"Ich - ich, äh..." begann Snape lahm, als Lupin ihn vor die Brust boxte und grinste.

"Du hast mich geküsst!".

Dann rannte er kichernd an Snape vorbei und aus dem Büro. Snape rannte sofort hinter ihm her, den Schlaftrunk schwenkend, und schrie Lupin an er solle sofort zurückkommen. Der rannte lachend vor ihm fort und rief immer wieder ein "Du hast mich geküsst, geküsst, geküsst!" über die Schulter, gefolgt von Schmatzgeräuschen. Die Chance, Snape zu ärgern, noch dazu mit etwas so peinlichem, konnte Lupin unmöglich ungenutzt verstreichen lassen. Früher oder später würde er sich erwischen lassen, denn er wollte ja auch nicht unbedingt für immer in Erinnerung behalten, wie Severus Snape ihn geküsst hatte, aber ein bisschen würde er ihn noch damit ärgern. Denn wann bekam man schon mal wieder so eine Gelegenheit...?

Ende