Kapitel 6: Nähe
Stumm standen die beiden Gegner sich gegenüber und schauten einander an. Außer ihnen war niemand im Umkreis von mehreren Kilometern. Diesmal wollten sie es ungestört ausfechten, das hier war mehr als ein harmloser Übungskampf.
„Hast du Angst, Kakarott?", fragte Vegeta selbstsicher. „Heute werd ich dir zeigen, wozu ein Prinz fähig ist! Ich werde dich ungespitzt in den Boden rammen!"
„Nimm den Mund nicht zu voll!", höhnte Kakarott. „Du solltest dich auf den Kampf konzentrieren, anstatt hier so große Töne zu spucken!"
„Schön, wie du meinst." Damit war das Wortgefecht beendet. Die beiden Saiyajin stürzten aufeinander los und der Kampf begann gleich mit voller Härte. Gellende Kampf- und teilweise auch Schmerzensschreie ließen die Landschaft erzittern, ebenso wie Erschütterungen wenn einer der Beiden zu Boden geschleudert wurde oder ein Energiestrahl sein Ziel verfehlte. Der Kampf schien kein Ende nehmen zu wollen.
Mit einem Schrei wichen die beiden auseinander und blieben vielleicht einige hundert Meter voneinander entfernt in der Luft stehen. Kakarotts Atem ging schwer, der Kampf war furchtbar anstrengend. Seine Stirn blutete, dort wo er sie in einem Akt purer Verzweiflung gegen die des anderen geschlagen hatte. Aber er hatte noch nicht aufgegeben. Vegeta war ebenso angeschlagen wie er und hatte zum Schluss mehr mit dem Mut der Verzweiflung als sonst was gekämpft.
Noch ein letztes Mal powerte Kakarott seine Aura hoch, holte zum finalen Schlag aus. „Bringen wir es zu Ende!", brüllte er.
„Mit Vergnügen!", schrie der andere und erstrahlte ebenfalls in gleißendem Licht. Und dann rasten die zwei aufeinander zu, in der Absicht den anderen mit der puren Energie des eigenen Körpers vom Himmel zu fegen. Der Moment der Entscheidung war gekommen, und dann prallten sie aufeinander, der Himmel explodierte, gleißendes Licht erstrahlte, und dann stürzten ihre Körper wie Raketen dem Boden entgegen.
Kakarott richtete sich mühsam auf. Staub rieselte von ihm runter, er musste ein paar Mal blinzeln, um wieder klar sehen zu können. Oh nein! Hatte er etwa... verloren? Er sah sich um, aber Vegeta war nirgends zu sehen. Wo...
In dem Moment setzte auch Vegeta sich auf, tauchte aus einer Staubwolke aus dem Boden auf, und hustete. Dann entdeckte er Kakarott und warf ihm einen verwunderten Blick zu. Kakarott stemmte sich auf die Füße und humpelte zu Vegeta rüber. „Und? Wer von uns hat denn jetzt gewonnen?"
Vegeta grinste erschöpft zu ihm hoch. „Nennen wir es unentschieden."
Kakarott grinste zurück und streckte dem Prinzen dann die Hand hin. „Das war ein guter Kampf, alter Freund." Vegeta nahm die ihm dargebotene Hand und ließ sich in die Höhe ziehen.
„Finde ich auch... mein Freund. Die Menschenfrau kann bei dir wohnen, ich werde mich der anderen widmen."
„Schön. Komm, lass uns zum Palast fliegen. Noch lange und ich hab nicht mal mehr dafür die Kraft."
Mühsam humpelte Kakarott die Treppe hoch. Blut tropfte auf die marmornen Stufen.
Ganz wie erwartet war das Training zu einem erbitterten Kampf zwischen ihm und Vegeta geworden. Jetzt, im Nachhinein verfluchte er sich dafür. Hoffentlich war Freezer nicht auf sie aufmerksam geworden, diesmal hatten sie wirklich fast mit voller Kraft gekämpft. Und es war ja allgemein bekannt, wie Freezer auf starke Saiyajin reagierte.
Abgesehen davon war er recht stolz auf sich. Für gewöhnlich war es Vegeta, der in ihren Zweikämpfen die Oberhand hatte und sie für gewöhnlich auch gewann. Aber diesmal hatte Kakarott wirklich einen Grund gehabt, er war auch wütend gewesen. Wie Bardock es damals prophezeit hatte, hatte sich heute gezeigt, dass ihre Kräfte fast gleich waren, dass sie beide, obwohl ein Prinz und ein Unterklassekrieger, einander ebenbürtig waren.
Deswegen ging es Vegeta auch nicht viel besser. Er hatte auch ein paar tiefe Wunden davongetragen. Vielleicht würde ihn das lehren, Kakarott in Zukunft nicht mehr zu unterschätzen.
Irgendwann erreichte Kakarott die oberste Stufe und ein Blick durch eines der Fenster zeigte ihm, dass es schon dunkel wurde. Sie hatten stundenlang gekämpft. Mit Mühe und Not schaffte er es bis zur Tür. Er stieß sie auf und taumelte ins Zimmer.
Zu seiner Überraschung wartete Chichi schon auf ihn. Sie fing ihn auf, ehe er auf den Boden fallen konnte (obwohl er sie dabei beinah unter sich begraben hätte), und schleppte ihn zum Bett. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie und überrascht nahm er den Unterton von ehrlicher Sorge in ihrer Stimme wahr.
„Ich hab mit Vegeta gekämpft.", antwortete er knapp und ließ sich schwer auf das Bett sinken.
„Soll ich einen Arzt rufen?"
Er hätte beinah laut aufgelacht, aber im letzten Moment erinnerte er sich daran, dass sie nur ein Mensch war. „Nein, nicht nötig.", sagte er nur, „Das sind nur ein paar Kratzer."
„Also nein, wie kann man sich nur so prügeln und dann noch so stur sein?", fragte sie und stemmte die Hände in die Hüften.
Kakarott grinste. „So sind wir Saiyajin eben."
„Ich würde zumindest diese Wunde gern verbinden." Sie zeigte auf die Brandwunde auf seiner Brust, das Resultat einer Urknallattacke von Vegeta. Er nickte müde, er hatte nämlich keine Lust mit ihr zu diskutieren. Sie verschwand kurz im Bad und kam mit dem Verbandskasten zurück. Sie kannte sich schon ziemlich gut hier aus.
Mit geschickten Fingern zog sie ihm das Oberteil seines schwarzen Kampfanzugs (Er trägt natürlich das gleiche wie Vegeta – nur ist seins in Schwarz) aus, das sowieso nur noch ein Stofffetzen war. Und bewegt von ihrer Anteilnahme sah er stumm zu, wie sie ihm einen fachmännischen Verband machte.
Als sie fertig war, nickte er ihr dankend zu, und rutschte mühsam weiter auf das Bett um sich hinzulegen. Er schloss müde die Augen, und war gerade fast in einen leichten Schlaf abgedriftet, da spürte er plötzlich, wie sich das Bett bewegte und sich jemand neben ihm legte. Chichi. Erst wollte er sie verwundert fragen, was sie da machte, aber ein Blick auf sie zeigte ihm, dass sie die Augen geschlossen hatte und sich fast schüchtern an ihn schmiegte.
„Chichi?", fragte er leise. „Du wirkst irgendwie traurig."
„Ich weiß nicht... ich hab Heimweh. Ich vermisse meinen Vater und meine Freunde."
Er sagte nichts dazu, sondern schloss nur wieder die Augen und legte einen Arm um sie. Diesmal wich sie nicht vor ihm zurück. Überrascht musste er erkennen, dass die Menschenfrau ihm vertraute. Ihr Arm lag plötzlich auf seiner Brust, leicht wie eine Feder, und umgeben von ihrem ungewohnten Duft schlief er schließlich ein.
Vegeta ging es tatsächlich nicht viel besser als Kakarott. Der Kampf hatte ihn ziemlich mitgenommen, auch wenn er das nie zugegeben hätte. Er hatte ja nicht mal im Entferntesten geahnt, wie stark sein langjähriger Freund wirklich war. Heute hatte er zum ersten Mal dessen mächtige Aura gespürt und erkannt, dass er nicht etwa einen Schüler, einen Untergebenen vor sich hatte, sondern einen Gleichgestellten. Die Erkenntnis war erschreckend gewesen. Jeder andere hätte ihn auf Leben und Tod bekämpft, in einem Versuch statt ihm den Thron zu besteigen. Aber dazu war Kakarott nicht fähig. Für einen Saiyajin war er seltsam naiv und befremdlich freundlich. Das hatte sich ja gezeigt, als Vegeta vorige Nacht in sein Quartier eingedrungen war.
Was hatten diese Menschenfrauen bloß, dass sie die Saiyajin so faszinierten? War es, weil sie so schwach, so zerbrechlich waren? Und trotzdem den Mut hatten, sich mit den mächtigen Kriegern anzulegen? War es das? Den Körper eines Menschen, den Geist einer Saiyajin? Irgendwie war die blauhaarige Frau sehr reizend.
Erschöpft kam er in seinem Raum an und ließ sich auf sein Bett sinken. Mann, was für ein beschissener Tag! Aber er war noch nicht vorbei.
Er hörte schritte und ahnte schon, was ihm bevorstand. Er hatte der Frau großspurig von dem Kampf erzählt. Mit einem hämischen Grinsen im Gesicht kam sie zu ihm ans Bett. „Sieht so aus als ob der Prinz verloren hat! Hähä."
„Geh mir aus dem Licht, Onna. Du nervst.", stöhnte Vegeta, der viel zu müde für einen Streit war.
„Blödmann.", murmelte sie und verschwand auch schon wieder in ihr Zimmer.
Reizend? Von wegen, was hatte er sich bloß dabei gedacht? Sie war eine laute, meckernde, Unruhestiftende Frau, nichts weiter. Mit einem genervten Grunzen sprengte er die Lichtquelle an der Decke, und augenblicklich wurde es stockfinster im Raum. Umständlich schälte er sich aus seinen Sachen, bis er nur noch eine enge, kurze Hose anhatte, dann wühlte er sich unter die Decke und dachte nur noch an eines: Schlaf!
Geweckt von einem lauten Knall schreckte Bulma in ihrem Bett hoch. Verwirrt sah sie sich um, aber es war stockdunkel im Raum. Hatte sie das nur geträumt? Ein seltsames Geräusch drang an ihr Ohr, ein unheimliches Heulen und Fauchen, das sie noch nie gehört hatte. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was für ein gruseliger Ort so ein Schloss doch sein konnte. Scheiße!
KRAWUMM!!! Ein Blitz erhellte das Zimmer, und der darauf folgende Knall ließ Bulma vor Schreck fast aus dem Bett fallen. „Oh Gott!", murmelte sie und wickelte sich die Decke um den Körper. „Ich wusste nicht dass es auf Vegeta-sei auch Gewitter gibt." Bisher hatte sie nur die rote Sonne des Planeten gesehen.
Sie hasste Gewitter.
Natürlich hatte sie keine Angst. Wieso sollte eine erwachsene, intelligente Frau auch Angst vor Gewitter haben? Das war ja Unsinn. Sie krabbelte vom Bett und schlich zum Fenster. Draußen tobte ein Sturm, wie sie ihn auf der Erde noch nie gesehen hatte. Es regnete, Bäume bogen sich unter dem starken Wind, die Stadt war wie ausgestorben.
Und dann zuckte ein gewaltiger, greller Blitz über den Himmel, erhellte nur einen Augenblick lang das gesamte Tal, und dann krachte es. Mit einem erschreckten Schrei stolperte Bulma nach hinten und fiel erstmal hin.
Oh, wie sie Gewitter hasste!
Ihr Blick fiel zur Tür. Gleich nebenan lag ein furchtloser Saiyajin mit oh-so-starken Armen und einer breiten Brust zum ankuscheln, der... NEIN! Sie würde sicher nicht zu ihm gekrochen kommen.
Draußen zuckte ein weiterer Blitz über den Himmel und noch bevor es krachte, hatte sie die Tür aufgerissen und war in sein Zimmer gestolpert. Ungeschickt lief sie zu dem Bett des Saiyajin und kletterte auf die freie Hälfte. Er lag auf der Seite, ihr zugewandt. Einen Moment lang leuchteten seine Augen auf, alarmiert durch ihre Präsenz, dann erkannte er sie und schloss sie wieder. Sie nahm dies als Einladung, und kroch frierend unter die Decke.
Einen Moment lang rang sie mit sich, aber letzten Endes war dann die Sehnsucht doch stärker. Sie rutschte nah an ihn heran, und schon wieder fast eingeschlafen hob er den Arm und zog sie an seine Brust.
Das Gewitter war vergessen. Hätte er sie jetzt angesehen, hätte er ihren roten Kopf erblickt. Irgendwie war dies eine seltsame Situation. Aber lange dachte sie nicht darüber nach, denn es dauerte nicht lange, bis sie wieder eingeschlafen war.
Und auch Kakarott und Chichi lagen noch immer gemeinsam im Bett, schliefen seelenruhig weiter trotz des unglaublichen Lärms draußen. So kam es, dass in der stürmischsten Nacht des Jahres Chichi bei Kakarott und Bulma bei Vegeta schlief. Für ein paar Stunden herrschte trügerischer Frieden im Palast.
Nächstes Kapitel: „Sturm der Gefühle"
