*** Nurtholiel: Jetzt geht's (endlich) weiter, sorry daß Du so lange warten mußtest!

Arwen: Ja, mich gibt es auch noch. Habe bloß viel um die Ohren, daher bin ich etwas langsam mit den Updates. Ist aber lieb, daß Du Dir Sorgen gemacht hast!

Sihrina Tinuviel: ENDLICH!! Ein Boromir-Fan!! Ich kann es kaum glauben! Hiermit hast Du meine offizielle Erlaubnis, mein treuester Fan zu werden. ;-) Ich hoffe, die Geschichte wird Dir auch weiterhin gefallen.

Alle anderen: Schön weiterlesen, und wenn ihr mir eine Freude machen wollt, schreibt ein Review, OK? ***

Legolas stockte der Atem und er riß seine Augen wieder auf, als zwei Hände ihn grob packten, festhielten und dann hochhoben, so daß seine Füße den Kontakt zum Boden verloren. Inunyen versuchte, ihn zu sich auf ihr Pferd zu ziehen, das mit Höchstgeschwindigkeit über das Feld preschte. Plötzlich spürte er, wie der Griff ihrer linken Hand so fest wurde, daß es übermäßig schmerzte und er glaubte, ihre Finger würden jeden Moment seine Haut durchdringen, während ihre rechte Hand von ihm abließ und eilig nach dem Dolch griff, mit dem Inunyen gestern noch versucht hatte Atalar zu töten. Mit einer kräftigen und konzentrierten Bewegung warf sie die kleine Waffe dem ihrer Verfolger entgegen, der ihnen am dichtesten auf den Fersen war. Die scharfe Klinge durchbohrte den ungeschützten Hals des Mannes und verletzte ihn tödlich, so daß er von seinem Pferd fiel. Inunyen blickte wieder zurück zu Legolas, der damit kämpfte nicht wieder hinunterzufallen, und bot ihm ihre nun freie Hand an.

"Hier, Legolas! Nehmt meine Hand!" rief sie und er ergriff sie dankbar, unaufhörlich versuchend sich irgendwie an der Seite des sich schnell bewegenden Pferdes festzuklammern. Bevor Inunyen es schaffte, ihn richtig zu sich hochzuziehen, sah Legolas Verzweiflung in ihren Augen als sie ihren Blick wieder auf die Angreifern hinter Legolas' Rücken richtete.

"Nein!" entfuhr es ihr vor Furcht und sie zwang ihr Pferd abrupt die Richtung zu wechseln. Legolas hörte ein Schwert mit erschreckender Wucht an seinem Kopf vorbei fliegen, sein Gesicht nur um wenige Zentimeter verfehlend, und dann das laute, schmerzerfüllte Aufstöhnen aus Inunyens Kehle. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen als er sah wie die Klinge, die ursprünglich seinen Kopf treffen sollte, nun stattdessen ihren Oberkörper durchbohrte. Sie glitt ohne Widerstand in ihr Fleisch, da ihre Rüstung immer noch am Ufer des Flusses lag. Das Schwert wurde genauso gewaltsam wieder herausgezogen wie es auch schon in den menschlichen Körper hineingetrieben worden war, und Legolas fiel beinahe zurück zu Boden als Inunyens Kraft schwand und ihr Griff schwach wurde. Ihre Blicke kreuzten sich und er sah pure Angst in ihren Augen. Angst vor den Verfolgern, die so nahe hinter ihnen waren, beinahe schon neben ihnen, aber auch Angst davor, Legolas fallen zu lassen. Sie wußten beide, daß Legolas getötet werden würde, entweder durch die Schwerter der Angreifer, oder durch die Hufe ihrer Pferde wenn sie über seinen Körper ritten.

Legolas legte einen Arm um ihre Taille, klammerte sich mit der anderen Hand an den Sattel, und schaffte es schließlich, sich ohne ihre Hilfe hinter sie auf den Rücken des Pferdes zu ziehen.

"Inunyen!" rief er, die Arme eilig um ihren erschlaffenden Körper legend, damit sie nicht hinunterfiel. "Ihr müßt uns in Aragorns Nähe bringen! Bitte, gebt nicht auf!"

Als er sah wie ihre Hände wieder nach den Zügeln griffen, und auch spürte wie sie sich in eine sicherere Position verlagerte, ließ er sie los und zog einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher.

"Legolas, nein! Haltet Euch fest, ich bitte Euch!" hörte er ihre Stimme, die vor Schmerzen zitterte. Er tat den Pfeil eilig zurück und sobald er seine Arme wieder um ihren Körper schloß, trieb sie ihr Pferd dazu an, sogar noch schneller zu galoppieren. Legolas preßte automatisch seine Hände auf ihre Verletzung um das Blut zurückzuhalten, als er die warme Flüssigkeit seine Handflächen befeuchten fühlte. Er wußte, daß es hoffnungslos war, daß die Wunde zu groß war und sie zuviel Blut verlor. Er spürte die warme Flüssigkeit durch seine Finger quellen, aber er mußte wenigstens versuchen dagegen anzukämpfen. Es war alles, was er im Moment tun konnte.

Als ein kräftiger Windstoß Inunyens Haare in Legolas' Gesicht peitschen ließ und auch an den seinen zerrte, rote und blonde Strähnen miteinander verwirrend, neigte Legolas seinen Kopf und drückte seine Wange gegen Inunyens Rücken. Er versuchte, noch näher an sie heranzurücken und sich komplett an sie zu pressen, damit der starke Wind nicht dazu in der Lage sein würde, nicht nur sein Haar sondern auch seinen Körper zu erfassen und ihn somit einfach vom Pferd zu blasen. Er fühlte, daß er sich bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit nicht mehr lange auf dem Pferd halten konnte, egal wie sehr er sich an Inunyen klammerte. Wenn er sie nicht bald losließ, würde er sie nur mit sich reißen und ihnen beiden den Tod bringen.

Als er zurückblickte entdeckte er zu seiner Erleichterung, daß Ghorid ihnen zu Hilfe eilte. Er holte sehr schnell auf und lenkte einen der Verfolger erfolgreich ab indem er ihn in einen Schwertkampf verwickelte.

"Es ist nur noch ein Mann übrig," informierte Legolas die Botin, aber sie reagierte nicht. Er sagte laut ihren Namen und rüttelte sie sanft, erhielt aber keine Reaktion. Als er über ihre Schulter hinab zu ihren Händen blickte entdeckte er, daß sie die Zügel losgelassen hatte, also nahm er eine seiner blutbefleckten Hände von ihrem Leib und ergriff sie selbst. Mit dem anderen Arm hielt er den weiblichen Körper, der nun komplett erschlafft war und drohte, das Gleichgewicht zu verlieren. Legolas zwang Inunyens Pferd in die Richtung, in der Aragorn bereits zwei seiner drei Angreifer niedergekämpft hatte.

"Aragorn! Hilfe!" rief Legolas, als er ihn beinahe erreicht hatte. Gleich nachdem er dem dritten Mann den Tod gebracht hatte, zog Aragorn seinen Bogen und schoß Legolas' und Inunyens Verfolger mit dem ersten Versuch von seinem Pferd. Während er sich danach eilte, Ghorid und Atalar bei ihren Kämpfen zu unterstützen, ritt Legolas in die sichereren Wälder, wo er Inunyen vorsichtig vom Pferd hob sobald sie hinter Bäumen und Büschen versteckt waren. Behutsam legte er sie auf den Boden nieder und kniete sich direkt neben sie hin. Sie stöhnte vor Schmerzen auf, als er sanft ihre Kleidung zur Seite schob, um die Wunde freizulegen. Legolas zog die Brauen zusammen und konnte nicht anders, als selbst ein leises Geräusch der Qual von sich zu geben als er die Verletzung genauer untersuchte. Er konnte beinahe selbst einen Teil der physischen Schmerzen spüren, die sie in diesem Moment durchlebte. Das vergossene Blut bedeckte ihren muskulösen Bauch und lief und tröpfelte langsam ihre Seiten hinunter, wodurch eine Lache roter Flüssigkeit unter ihr entstand. Legolas wünschte, er könne mehr tun als nur die Hände gegen die Wunde zu halten in dem verzweifelten Bemühen, den Blutfluß zu stoppen. Als sie ihre grünen, wässerigen Augen öffnete und ihn mit einem Ausdruck ansah, der sein Herz zum Brechen brachte, sagte er:

"Seid stark, ich werde Aragorn holen, sobald der Feind überwältigt ist. Seine Heilkunde wird vielleicht Eure Rettung sein."

"Nein," erwiderte Inunyen schwach und schluckte heftig. "Es ist zu spät mein Leben zu retten, das Schwert wurde zu tief gestoßen. Aber es ist nicht zu spät Boromir zu retten..."

"Was sagt Ihr?" fragte Legolas verwirrt und kniff die Augen ein wenig zusammen.

"Kommt näher, meine Stimme verliert ihre Kraft," flüsterte sie und hob schwach ihren Unterarm an, wortlos um eine tröstende Berührung bittend. Legolas nahm eine seiner Hände von ihrer Wunde, ergriff sanft ihre kalte Hand und beugte sich tiefer hinab, näher zu ihrem erschreckend blassen Gesicht.

"Was wißt Ihr, Inunyen?" fragte er, fest ihre Hand haltend um ihr wenigstens auf diese Art eine Stütze zu sein.

"Vergebt mir, Legolas... Ich bin nicht, wer ich zu sein scheine. Ich habe Böses getan."

"Ihr habt mein Leben gerettet," erwiderte Legolas.

"Nicht genug, um meine Schulden auszugleichen," sagte Inunyen und schüttelte schwach den Kopf, um ihre Worte zu unterstreichen. "Hört mir zu, Legolas. Ich wurde nicht zu einer Waisen gemacht, als ich ein Kind war. Das war eine Lüge. Mein ganzes Leben ist eine Lüge. Die Wahrheit ist, daß ich die Tochter des Truchseß von An'Dorias bin."

"Ich wußte nicht, daß er eine Tochter hat," sagte Legolas erstaunt.

"Niemand weiß das. Ich wurde nicht als Tochter sondern als Waffe erzogen. Eine Waffe, Katalla dazu zu zwingen sich mit An'Dorias zu verbünden. Oder es wenigstens daran zu hindern, dies mit einem anderen Imperium zu tun."

"Ich verstehe nicht," sagte Legolas verzweifelt. Er fürchtete, daß sie dahinscheiden könnte, bevor er nachvollziehen konnte, wovon sie sprach.

"Mein Vater hat sich immer gewünscht, daß Katalla sich mit seinem Reich verbündet. Als Ribensis ablehnte, wurde es zu meiner Aufgabe, meinen Vater mit jeder möglichen Information über Ribensis' Zukunftspläne zu versorgen."

"Ihr seid eine Spionin?" fragte Legolas, der langsam einen Durchblick bekam.

"Ja. Es war alles geplant. Es war geplant, daß die Kundschafter mich im Wald gefunden haben und dachten, ich wäre ein verirrtes Kind, das sie retten mußten. Aber in Wirklichkeit hatte ich die ganze Zeit über heimlichen Kontakt zu meinem Vater, all die Jahre über. Und nun hört gut zu, denn ich werde diese Worte nur einmal laut aussprechen können. Alles war eine furchtbare Intrige, die sehr klug geplant wurde, um die Allianz zwischen Gondor und Katalla zu zerstören. Ich habe Lord Boromir und Lady Aerilyn beschattet, ich wußte über alles Bescheid. Die arrangierte Hochzeit, die Abneigung der beiden gegenüber dieser Vermählung, und dann... die heimlichen Treffen in den Nächten, die Liebe die zwischen ihnen gewachsen ist... Ich wußte, daß er sie mit sich auf einen Ausritt nehmen wollte, ganz alleine. Ich war es, die den Mordanschlag geplant hat. Die Leute meines Vaters, Männer aus An'Dorias, versuchten Aerilyn zu ermorden und nahmen Boromir mit sich, genauso wie ich es ihnen im Namen meines Vaters befohlen hatte.

Meine Aufgabe auf dieser Reise war es, Atalar zu töten und hinterher Truchseß Ribensis zu berichten, daß es Ghorid gewesen ist, der ihn umgebracht hatte. Wenn er gedacht hätte, daß beide seine Kinder von engen Verwandten von Denethor ermordet wurden, hätte Ribensis ihm sicher den Krieg erklärt und sich dann, vielleicht, mit An'Dorias verbündet, da unsere Soldaten geholfen hätten Gondor zu besiegen. Ich habe Euch auch angelogen, als ich die Neuigkeiten über Aerilyns Wohlbefinden überbracht habe. Sie lebt. Ich habe Euch erzählt, daß sie tot ist, weil ich geglaubt habe es würde dabei helfen den Haß und das Mißtrauen anzufachen, welches Atalar für Ghorid und Boromir empfindet."

"Lady Aerilyn lebt?" fragte Legolas mit einem Ton, der darauf hinwies, daß er Inunyens Worten keinen Glauben schenkte.

"Ja. Ihr müßt mir vertrauen, dieses mal sage ich die Wahrheit. Aber ich fürchte, daß Aerilyn in großer Gefahr schwebt, da sie die einzige ist, abgesehen von Boromir, die die Attentäter identifizieren könnte und damit meines Vaters Pläne ruinieren würde. Ich bin mir sicher, daß er bereits neue Männer damit beauftragt hat, ihrem Leben ein Ende zu setzen."

Sie hielt für einen Moment inne, um etwas Energie zu sammeln, bevor sie hinzufügte: "Diese Männer, die uns angreifen... Sie sind Männer aus An'Dorias. Mein Vater muß sie geschickt haben, um mich und Atalar töten zu lassen, oder sogar alle von uns. Ich nehme an, er hat Verdacht geschöpft, weil ich noch nicht seine letzten Befehle ausgeführt habe. Bitte Legolas, ich möchte, daß Ihr mein Pferd nehmt. Reitet gen Norden, zu den Bergen, und Ihr werdet finden, wonach Ihr sucht. Ihr seid beinahe schon da, es ist nicht weit von hier, wo sie Boromir festhalten. Ihr habt sie sehr gut verfolgt."

Ihre Stimme verblaßte und sie sah dem Elben mit einem flehenden Ausdruck tief in die Augen. Gerade, als Legolas etwas erwidern wollte, teilten sich ihre blassen Lippen und sie sog einen schwachen, zitternden Atemzug ein.

"Bitte, sagt Atalar..." fing sie an, aber hörte dann abrupt mit dem Sprechen auf und kämpfte mit den Tränen, die sich in ihren Augen sammelten. Nur eine einzige entkam, als sie mit einem Flüstern fortfuhr, das so leise war, daß sogar Legolas es schwer fand ihre Worte zu verstehen.

"Sagt Atalar, daß ich ihn von ganzem Herzen geliebt habe, und daß ich das immer tun werde. Ich verabscheue mich selbst dafür, daß ich versucht habe ihn umzubringen. Ich habe es öfter als nur einmal versucht, aber ich konnte es einfach nicht tun, weil er der einzige ist, der mein grausames, dunkles Leben aufgehellt hat. Er hat mein Leben lebenswert gemacht." Inunyen lächelte schwach über einige Erinnerungen, die Legolas nur raten konnte, und verlor ein paar mehr Tränen. "Sagt Atalar, daß seine Worte die liebevollsten waren, die jemals an mich gerichtet wurden und daß ich mit ihm gegangen wäre. Er wird verstehen."

"Ja, ich werde es ihm sagen," versprach Legolas und drückte sanft ihre Hand.

"Richtet allen aus, daß ich Euch meine tiefsten Entschuldigungen schulde. Ich habe nicht verdient, unter solch ehrenhaften und loyalen Männern wie Ihr es seid zu reisen."

Legolas schüttelte langsam den Kopf, ihre Anmerkung für falsch erklärend.

"Euer Herz ist mutig und gut. Euch ist vergeben, Inunyen. Ihr sollt in Frieden ruhen," sagte er sanft, wissend, daß ihr Ende nah war. Sie nickte dankbar und vergoß weitere Tränen während ihr Atem mit jeder Sekunde langsamer und schwächer wurde. Ihre letzten Worte kamen mit einem sehr leisen, heiseren Keuchen.

"Danke, Legolas aus Mirkwood," flüsterte sie, ihre blassen Lippen sich kaum bewegend. Ihre Atmung ermattete, ihre Hand verlor ihren schwachen Druck und das wilde Funkeln in ihren Augen war für immer verloren, als sie endgültig in den ewigen Schlaf eintrat. Nach so vielen Jahren voll von Verrat, Unterwerfung und Selbstbetrug war Inunyen endlich frei.

Mit einem winzigen Seufzen hob Legolas seine Hände zu ihrem blassen Gesicht, schloß zärtlich ihre Augen und faltete dann ihre Hände über ihrer Brust.

"Ruht in Frieden," wiederholte er mit einer leisen Stimme und fuhr mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange, rote Blutspuren auf ihrer weißen Haut hinterlassend. Er erhob sich wieder, als er Schlachtgeräusche von den Feldern hörte. Er konnte nichts mehr für sie tun, aber seine Freunde brauchten Hilfe. Er drehte sich herum, erklomm Inunyens Pferd und eilte zurück zu den anderen, unterwegs ein paar Pfeile und seinen Bogen ziehend.

Die Feinde waren bald besiegt und die vier Kammeraden sammelten sich um zu sehen, ob einer von ihnen verwundet war und Hilfe brauchte. Ihnen allen ging es gut, abgesehen von großer Erschöpfung und einigen blauen Flecken. Niemand hatte ernsten Schaden davongetragen. Zumindest niemand der männlichen Mitglieder der Gruppe.

"Wo ist Inunyen?" fragte Atalar als er bemerkte, daß sie fehlte.

"Legolas?" fügte er in einem ängstlichen Ton hinzu, sein Blick über Inunyens Pferd streifend, auf dem der Elb saß. Als Legolas nichts erwiderte, richtete er seinen Blick wieder auf das Gesicht des Bogenschützen, aber nicht ohne vorher das Blut an Legolas' Händen und Unterarmen zu bemerken.

"Nein..." sagte Atalar mit brüchiger Stimme und schüttelte langsam den Kopf, sich weigernd zu akzeptieren, daß ihr etwas Furchtbares zugestoßen war, obwohl es mehr als offensichtlich war. Er benötigte keine ausgesprochene Antwort, er konnte es in Legolas' traurigen Augen lesen.

"Wo ist sie?" fragte Atalar. "Bitte, ich will sie sehen."

Legolas nickte nur und führte die anderen wortlos zu den Wäldern. Als Inunyens lebloser Körper in Sicht kam, hielten Legolas, Aragorn und Ghorid ihre Pferde an, während Atalar so schnell abstieg, daß er beinahe hingefallen wäre.

"Vielleicht ist es noch nicht zu spät," sagte Aragorn und wechselte einen besorgten Blick mit Legolas, der traurig seinen Kopf schüttelte.

"Es gibt nichts, was du noch tun könntest, Aragorn. Sie ist tot."

Aragorn nickte langsam, richtete seinen Blick zu Boden und fragte sich, ob Inunyen noch am Leben wäre, wenn sie die Gruppe nicht aufgeteilt hätten als sie am Fluß gewesen waren. Ein herzzerreißender Laut ließ ihn seine Überlegungen vergessen und wieder in die Gegenwart zurückfinden. Er drehte seinen Kopf zu der Quelle der leisen Geräusche und wurde Zeuge wie Atalar, der neben Inunyens totem Körper auf die Knie gesunken war, sie in einer liebevollen Umarmung fest an seine Brust zog.

"Der arme Junge," murmelte Aragorn und sah dann wieder zurück zu Legolas. "Er ist so jung und muß schon soviel Leid und Schmerz ertragen."

Ohne darüber nachzudenken wollte Aragorn absteigen um zu Atalar zu gehen, aber Legolas packte ihn an der Schulter und hielt ihn zurück.

"Ich werde gehen," sagte der Elb.

"Ich werde mit dir kommen," erwiderte Aragorn, aber Legolas schüttelte sachte den Kopf.

"Ich habe ihm etwas zu sagen, das nur für seine Ohren bestimmt ist."

Aragorn nickte verständnisvoll und schwenkte seinen Blick zurück zu dem trauernden, jungen Mann.

"Ich möchte nicht herzlos erscheinen, aber du mußt daran denken, daß wir sehr bald mit unserer Suche fortfahren müssen," erinnerte er den Elb.

"Ich fürchte, sein Herz wird nicht leicht und schnell zu trösten sein, Aragorn."

"Er muß sich zusammenreißen."

"Er ist nicht so erfahren wie wir es sind, er kann noch nicht ganz alleine mit derart intensiven Emotionen umgehen. Er ist doch gerade erst fünfundzwanzig, du verlangst zuviel von ihm."

"Ich würde nicht so viel verlangen, wenn es nicht dringend notwendig wäre," erwiderte Aragorn.

"Ich weiß, verzeih," entgegnete Legolas und seufzte geräuschlos. "Laß mich sehen, was ich tun kann."

"Laß mich wissen, wenn ich irgendwie helfen kann. Wir werden in Hörreichweite bleiben," sagte Aragorn und folgte dann Ghorid, der sich zurückgezogen hatte, um Atalar etwas Privatsphäre zu gewähren.

Legolas stieg anmutig ab und näherte sich langsam Atalar, der sich noch immer an die Leiche seiner heimlichen Geliebten klammerte, ihre kalte und leblose Haut mit stillen und beherrschten Tränen nässend. Legolas war nicht sicher, was er sagen oder tun sollte, als er zu Atalar hinabblickte, der so gebrochen aussah, daß er vom bloßen Hinsehen einen Stich in seinem eigenen Herzen spürte. Während er noch versuchte, sich angemessene Worte einfallen zu lassen, sprach plötzlich Atalar, ohne seinen Blick von Inunyens Gesicht zu wenden.

"Warum, Legolas?" fragte Atalar mit wackeliger Stimme voller Schmerz und Trauer. "Warum wurde sie mir genommen?"

"Darauf habe ich keine Antwort, Atalar," sagte Legolas sanft und hockte sich langsam hin, seine braunen Augen den Schmerz widerspiegelnd, den er im Gesicht des jungen Mannes sah. "Aber ich habe Euch etwas Wichtiges zu sagen."

Als Atalar seinen Kopf hob und Legolas verzweifelt ansah, seine dunklen Augen mit noch nicht vergossenen Tränen gefüllt, die sie wie zwei tiefe und traurige Seen aussehen ließen, fuhr der Elb fort zu sprechen.

"Inunyens letzten Worte waren an Euch gerichtet."

"Was hat sie gesagt?" flüsterte Atalar und schniefte leicht.

"Sie bat mich Euch auszurichten, daß sie Euch von ganzem Herzen geliebt hat, und daß sie es immer tun wird. Sie sagte, sie wäre mit Euch gegangen," sagte Legolas mit der sanftesten Tonlage, die er zustande bringen konnte, und er sah, daß Atalar tatsächlich verstand, was Inunyen gemeint hatte. Er ließ sie behutsam zurück zu Boden gleiten und fuhr mit den Fingerspitzen zärtlich über ihr Gesicht während seine Unterlippe zu zittern begann. Er schloß fest die Augen, sich darauf konzentrierend, ein schweres Schluchzen zu unterdrücken, das sich in den Tiefen seines Körpers aufbaute und drohte, aus seiner Kehle zu explodieren.

Legolas konnte nicht anders als näher zu dem jungen Mann zu rücken und ihm Unterstützung anzubieten. Er erwartete, daß Atalar ihn wegstoßen oder ignorieren würde, zu oft hatte Legolas schon erlebt, daß er ein eigensinniger und introvertierter Mann war, der nicht viel von Menschen hielt, die er nicht gut kannte. Aber zu seinem Erstaunen ließ Atalar sich gegen den Körper des Elben sinken und drückte sein Gesicht in Legolas' Schulter. Jetzt, wo er Trost fand, konnte er es nicht mehr zurückhalten und massive Traurigkeit brach aus ihm hervor wie eine Lawine, die mit jedem einzelnen Schluchzen kraftvoller wurde. Legolas schloß vorsichtig seine Arme um den jüngeren Mann und hielt sanft dessen stark zitternden Körper, seine Hände leicht wie Federn auf dem weinenden Menschen ruhend. Er bemerkte, daß Atalar viel zierlicher war, als er tatsächlich wirkte. Sein Körper war zwar muskulös, aber sehr schlank, ähnlich wie der seiner Schwester. Legolas fand ihn beinahe zerbrechlich, so wie er in seinen Armen zusammensackte, seine Augen aus dem Kopf weinend. Die Geräusche, die aus seinem tiefsten Innern kamen, klangen beinahe unmenschlich, so voll von Verzweiflung und Kummer. Die herzzerreißende Atmosphäre gewann schnell Kontrolle über Legolas und bald ertappte er sich dabei, wie auch er weinte. Nicht annähernd so heftig und laut wie der jüngere Mann, aber er konnte nicht verhindern, daß ein paar stille Tränen seine glatten Wangen hinabfielen. Heiße Nässe kroch über seine Schulter, als Atalars Tränen langsam zu Legolas' Haut durchsickerten und er spürte starke Finger in sein Fleisch drücken als Atalar sich in roher Verzweiflung an den Körper des Elben klammerte, aber er rührte sich nicht ein bißchen. Legolas saß still, bereit so lange Trost zu spenden, wie es gebraucht werden würde.

Plötzlich fühlte Legolas, wie einer seiner Dolche hastig gezogen wurde und es war nur seiner schnellen Reaktion zu verdanken, daß er Atalars Handgelenk packen konnte, bevor er die Chance hatte die scharfe Klinge tief in seine Brust zu rammen, direkt in sein schmerzendes Herz. Die Spitze des Dolches kam nur wenige Zentimeter vor Atalars Körper zum Halt und Legolas mußte große Kraft aufwenden, um Atalar daran zu hindern das zu tun, was er vorhatte.

"Laßt los," sagte Legolas, seine Augen auf das nasse Gesicht des Mannes fixiert, das enorme Verzweiflung aber auch Entschlossenheit ausdrückte.

"Nein," flüsterte Atalar, seine Faust fest um die Waffe geschlossen. Legolas war überrascht, beinahe geschockt, daß Atalar unter diesen Umständen eine derartig hohe körperliche Kraft entwickeln konnte.

"Laßt los!" wiederholte der Elb, seine Worte diesmal ein barscher Befehl. "Selbstmord ist keine Lösung. Niemals."

"Laßt es mich doch tun! Bitte, ich will sterben!"

"Atalar! Kommt zur Vernunft und laßt den Dolch los! Jetzt!" rief Legolas zurück, ein gefährlichen Unterton in seiner Stimme.

"Aber ich kann nicht mehr," schluchzte Atalar und ließ den Dolch fallen, sehr zu Legolas' Erleichterung. "Mein Leben zerbricht und ich kann noch nicht einmal etwas dagegen tun. Mein Leben hat seinen Sinn verloren... Jeder, der mir lieb war, wurde mir genommen."

"Nein, Atalar, hört mir zu," sagte Legolas während er zügig den Dolch außer Atalars Reichweite warf und legte dann sanft die Hände um die Oberarme des Jüngeren. Atalar sah den Elben mit großen, blutunterlaufenen Augen an, dicke, flüssige Tropfen in seinen langen und dunklen Wimpern hängend, nur auf ein Zwinkern wartend um auf sein gerötetes Gesicht zu fallen.

"Eure Schwester ist am Leben," sagte Legolas mit weicher Stimme.

"Was?" fragte Atalar fast unhörbar.

"Aerilyn lebt, sie ist nicht tot. Sie ist in Minas Tirith und wartet auf Eure Wiederkehr."

"Aber wie... Ich meine... Ich verstehe nicht, Legolas," flüsterte Atalar verzweifelt.

"Vertraut mir, Atalar, es ist die Wahrheit. Ich werde Euch später alles erklären. Ihr müßt nun von Inunyen Abschied nehmen, wir müssen unsere Suche fortsetzen."

"Wir können sie hier nicht so liegen lassen," sagte Atalar, seine Stimme noch immer wackelig, aber nicht mehr so leise wie zuvor. "Würdet Ihr mir helfen? Bitte?"

"Ich wäre geehrt, Euch bei dieser Sache zur Hand zu gehen," erwiderte Legolas.

"Ich danke Euch, Legolas."

Und so arrangierten sie auf den weiten Feldern ein Fundament aus Steinen, auf dem Inunyens Körper verbrannt werden konnte, ohne daß die Flammen die umliegende Natur in Gefahr bringen würden. Sie wickelten Inunyen vorsichtig in ihren großen Umhang, legten sie sanft auf das steinige Bett nieder und zündeten den groben Stoff des Capes an. Legolas sang ein kurzes aber hübsches Klagelied, da Atalars Kehle mit Trauer zugeschnürt war und er kein einziges Wort hervorbringen konnte als er beobachtete, wie hungrige Flammen um den Körper seiner Liebe leckten. Aragorn und Ghorid sahen aus diskretem Abstand zu, beide schweigend an den Gebeten teilnehmend. Als Legolas fertig war legte er behutsam eine Hand auf Atalars Schulter und drückte tröstend.

"Der Wind wird ihre Asche zu all den schönen Orten tragen, zu denen ich gemeinsam mit ihr gereist wäre," sagte Atalar, gefangen in seinen Erinnerungen.

"Ich bin sicher, das hätte sie sehr gemocht," sagte Legolas und zog Atalar sanft mit sich.

"Wir müssen weiter," erklärte er während sie dem Feuer, das Inunyens leblosen Körper nun für sich beanspruchte, den Rücken kehrten. "Oder würdet Ihr lieber zurück nach Gondor reiten um Eure Schwester zu treffen? Wir würden Verständnis dafür haben."

"Nein. Wir sind bereits einen so weiten Weg gegangen, ich möchte nicht, daß all die Anstrengungen und Verluste dieser Reise umsonst waren," sagte Atalar und seine Stimme klang wieder etwas fester. "Zu viel unschuldiges Blut wurde bereits vergossen. Wir müssen Boromir finden, bevor auch noch sein Leben genommen wird. Laßt uns gehen."

*** Im nächsten Kapitel kommt auch wieder Boromir vor, versprochen! (Wobei ich aber denke, der Großteil von euch hat gar nichts dagegen, auch mal was mit Legolas zu lesen... oder???) ***