Was soll ich sagen? Nun, eigentlich stinkt Eigenlob ja aber ich finde diese Geschichte wirklich besser als meinen ersten Versuch einer Fanfiction. Zu diesem Interludium inspirierte mich im übrigen der Song "Wide over the land" von Llynya und, auch wenn es nicht ganz zur Jahreszeit paßt "The oath he swore one winters day" von Hagalaz' Runedance.

Interludium
Herbsttag

Legolas erinnerte sich. Es war der letzte Tag, bevor er nach Imladris aufbrechen sollte, um am Rat des Hîr[1] Elrond teilzunehmen, dem sogenannten "Weißen Rat"...

...es war immer noch sehr warm, die Blätter segelten in farbenreichem, taumelnden Flug zu Boden, verzierten den Wald mit ihren warmen Farben. Der ganze Wald war golden, rotgolden und hier und da auch dunkelrot.

Es war der Tag vor seiner Abreise nach Imladris.

Er hatte es Arinwë längst sagen wollen, er hatte schließlich lange vorher davon gewußt, doch er hatte es immer wieder vor sich hergeschoben. Er wollte ihr die Freude an diesem wunderschönen warmen Herbstwetter nicht nehmen und er wollte den letzten Tag vor seiner Abreise mit ihr verbringen, ohne dass der Schatten des Abschieds über ihnen lag. Wie würde sie nun wohl reagieren, wenn er den Ausritt in den herbstlichen Wald dazu nutzen würde, ihr zu erklären, dass er sie bei Sonnenaufgang des nächsten Tages verlassen würde? Es grenzte ohnehin schon fast an ein Wunder, dass sie keinen Verdacht schöpfte. Immerhin waren sie schon lange nicht mehr allein gewesen, fern von allen Verpflichtungen.

Passend zu den warmen Farben des Herbstes hatte sich Arinwë in rostrote Stoffe gekleidet. Sie sah wirklich hinreißend aus in ihren weich fließenden Reithosen. Auf dem Weg zu den königlichen Stallungen konnte er nicht umhin, sie stürmisch in seine Arme zu reißen und verspielt an der Spitze ihres rechten Ohres zu knabbern.

"Ai Melethron[2]!" rief sie überrascht aus "Wir haben Yst Tewair noch nicht einmal verlassen. Willst du damit nicht wenigstens warten, bis wir den Ort erreicht haben, an dem wir picknicken wollen?"

Er streichelte zärtlich ihre Wange und erwiderte:

"Es grenzt wirklich an Folter, dass du mich so lange warten lassen willst."

Arinwë, die die Tochter eines Schmieds war, war vor ihrer Vermählung von vielen, besonders den Beratern des Königs, als nicht geeignet erachtet worden, die Gemahlin des Prinzen der Tawarwaith zu werden. Sie hatte sich nach all den Jahren immer noch nicht daran gewöhnt, dass sie nun eine Prinzessin war und fast alles tun und lassen konnte, was ihr beliebte. Wann immer sie sich mit Legolas in der Öffentlichkeit zeigte, fühlte sie sich beobachtet. Legolas vermutete, dass das an ihrer Jugend lag. Sie war erst 521 Jahre alt, was ein weiterer Grund gewesen war, dass man sie als seine Gemahlin für ungeeignet gehalten hatte, immerhin waren es fast 1.500 Jahre die sie altersmäßig voneinander trennten. Obwohl das Alter bei den Elben keine große Bedeutung hatte, hatten sie beide schon ihre liebe Not damit gehabt ihre Familien zu überzeugen.

Sanft aber bestimmt löste Arinwë sich aus seiner Umarmung. Sie wandte sich um und wedelte mit ihrem Zeigefinger vor seiner Nase herum.

"Es wird langsam Zeit, dass du geduldiger wirst. Manchmal hast du ein sehr unziemliches Temperament. Komm schon und hilf mir auf's Pferd."

Legolas verbeugte sich vor ihr und sagte leise:

"Be iest lîn![3]"

Dann ließ er sich lächelnd auf ein Knie nieder und verschränkte seine Hände so, dass Arinwë sie wie einen Steigbügel benutzen konnte.

Heute ritten sie ohne Sattel, wie es die Tawarwaith für gewöhnlich immer taten. Nur wenn sie die Grenzen Düsterwalds verließen und Reisegepäck mit sich nehmen mußten, griffen sie auf die leichten, kunstvoll gefertigten Sättel zurück, die auch die Menschen zu schätzten gelernt hatten. Anschließend saß Legolas hinter Arinwë auf. Er legte seine linken Arm um seine Gemahlin und griff mit der rechten Hand in die schneeweiße Mähne seines Hengstes Glaneglair[4].

"Lin Glaneglair![5] Du kennst den Weg!"

Arinwë lehnte sich zufrieden mit dem Rücken an seine Brust und einige widerspenstige Strähnen ihres langen, goldblonden Haares kitzelten an seiner Wange. Er liebte es, die unvergleichliche Weichheit ihrer Haare auf seiner Haut so fühlen.

Je länger der Ritt andauerte, umso stärker wurde die Last seines schlechten Gewissens. Sie war so glücklich und er war im Begriff ihr die Freude an dem sonnigen Tag und am gemeinsamen Ausritt zu nehmen. Warum glaubte er eigentlich, der Ort, an dem er ihr es sagen wollte, hatte einen Einfluß auf ihre anschließende Laune?

Bald erreichten sie den Platz, den er ausgewählt hatte, um ihr die unangehme Neuigkeit mitzuteilen.

Der Erynduin[6] staute sich an dieser Stelle zu einem kleinen Teich. An seinem Ufer standen Trauerweiden, deren Äste bis in das Wasser hineinhingen. Unter ihrem Laubdach konnte man, versteckt vor neugierigen Blicken, den Tag miteinander verbringen. Im seichten Wasser des jenseitigen Ufers schwamm graziös ein Schwanenpärchen. Es hatte diesen Teich zu seiner Heimstatt erklärt und sie würden ihn auch nicht verlassen müssen, da es im Taur-nu-Fuin niemals Winter werden würde. Sie hoben nur kurz neugierig die Köpfe, als sie das Pferd herannahen sahen. Rotgolden schien die Sonne durch das Laubdach und verwandelte die fast unbewegte Oberfläche des Teiches in flüssiges Gold. Hier erinnerte alles daran, dass der Düsterwald - wie der Name der Heimat der Waldelben im Westron lautete - einmal einen anderen Namen getragen hatte: Eryn Lasgalen, der Wald der grünen Blätter.

Sie waren lange nicht mehr hier gewesen und die magische Aura dieses Ortes war an diesem Tag greifbarer denn je. Legolas spürte, das Arinwë, wegen des Anblicks, der sich ihr bot, für einen kurzen Moment die Luft angehalten hatte. Dann wandte sie sich halb zu ihm um. Leise, als könnte sie durch zu lautes Sprechen die Magie dieses Ortes stören, sagte sie:

"Hierher führst du mich? Nicht weit ist es von unserem gemeinsamen Heim, doch... wie lange war ich nicht mehr hier. Kannst du dich erinnern, wann wir das letzte Mal hier waren?"

"Mae, rîs o gûr nîn [7]. Ich erinnere mich sehr gut an die geheimen Treffen, die wir an diesem unschuldigen Ort miteinander gehabt haben. Wie könnte es anders sein? Hier war es auch, dass wir unsere erste Nacht miteinander verbracht haben." erwiderte er und ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Arinwës Augen blitzten auf, was eigentlich Warnung genug gewesen wäre, dennoch gelang es ihm nicht, der Ferse auszuweichen, die sie ihm gegen das Schienbein stieß.

Tatsächlich hatten sie sich, lange bevor ihre Familien von ihrer Beziehung gewußt hatten, oft an dieser Stelle getroffen. Wann immer es seine offiziellen Verpflichtungen als Prinz und Thronfolger zugelassen hatte, hatte er ihr durch einen vertrauenswürdigen Palastangestellten eine verschlüsselte Botschaft zukommen lassen und dann haben sie ganze Tage und ganze Nächte an dieser Stelle miteinander verbracht.

Legolas stieg ab und half anschließend ihr aus dem Sattel. Glaneglair trabte schnaubend davon. Er würde sich nicht weit vom See entfernen.

Arinwë ließ sich anmutig auf dem Waldboden nieder, der von weichem, farbenfrohen Herbstlaub bedeckt war.

Legolas atmete tief ein. Die Luft roch nach Erde und eine Ahnung von Neubeginn schwang ebenfalls in dem Duft mit, ein Versprechen, das es bald auch wieder Frühling werden würde. Er ging ein paar Schritte, zum Ufer des kleinen Teiches und hockte sich dort nieder. Nachdenklich tauchte er seine Hand in das klare Wasser. Es war nicht kalt, man konnte, wenn man wollte, immer noch darin baden. Einige Blätter, die in Ufernähe auf dem Wasser schwammen, trieben aufgrund der Bewegung der Wasseroberfläche, die Legolas mit seiner Hand verursacht hatte, in die Mitte des Teiches. Als sie die Kräuselung auf der Wasseroberfläche wieder beruhigt hatte, schaute ihm sein eigenes Spiegelbild entgegen. Er war nicht überrascht, einen hilflosen Ausdruck in seinem Gesicht zu entdecken. Wie sollte er es ihr nur sagen?

Als er sich wieder zu ihr umwandte, versuchte sie gerade, ein Eichhörnchen mit einer Buchecker zu locken. Das Tier war sich anscheinend nicht sicher, ob es dem sanften Äußeren der Prinzessin trauen konnte.

"Lasto, Melethril![8]", begann Legolas schließlich stockend. "Es gibt etwas, dass ich dir sagen muß."

Der Ausdruck in Arinwës Gesicht veränderte sich in unguter Erwartung. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und die Freude, die eben noch aus ihren Augen gestrahlt hatten, war wie weggeblasen. Etwas in seiner Stimme schien ihr zu sagen, dass es nichts angenehmes war, was er ihr erzählen wollte. Er hatte schon oft so ein Gespräch begonnen und sie hatte diesen Unterton, der in seiner Stimme mitschwang, schon oft gehört und jedes Mal war sie nicht mit dem einverstanden, was er ihr dann sagte. Auch die Art, wie er vor ihr stand, seine ganze Körperhaltung, so angespannt, verriet ihr, dass er unruhig war. Allerdings sagte sie nichts, sondern schien darauf zu warten, was es war, dass er ihr so dringend sagen mußte.

"Erinnerst du dich an diesen widerlichen kleinen Kerl, den der Istari Mithrandir[9] zu uns gebracht hat?", fragte er.

Arinwë nickte.

"Selbstverständlich erinnere ich mich. Alle wollten ihn sehen... mir tat der arme Kerl trotz seiner Häßlichkeit einfach nur leid. Was ist mit ihm?", wollte sie wissen.

Legolas seufzte. Er spürte ihre Ungeduld. Allem Anschein nach würde es sogar noch viel schwerer werde, als er ohnehin angenommen hatte.

"Nun, wenn du von diesem Kerlchen weißt, dann ist dir auch nicht entgangen, dass er seinen Wächtern, für die ich verantwortlich war, entwischt ist. Wir hatten doch darüber gesprochen, nicht wahr?", fuhr er fort.

Wieder nickte Arinwë, doch sie unterbrach ihn abermals, diesmal schon ein wenig ungehaltener:

"Auch das habe ich mitbekommen. Ich habe dir gesagt, dass du dir deshalb keine Vorwürfe machen sollst, schließlich warst du selbst nicht anwesend, als es passierte. Auch dein Vater hat gesagt, dass du keine Schuld an diesem Vorfall trägst. Ich verstehe immer noch nicht, was das alles mit uns zu tun hat. Wenn du die Güte hättest, nun endlich zum Kern der Sache zu kommen."

Der Prinz der Tawarwaith nickte. Er mußte ihr es jetzt sagen und es tat ihm jetzt schon unendlich leid. Arinwë hatte sich so auf das Fest des Erwachens gefreut. Dieses Fest wurde, nach der Zeitrechnung der Menschen, nur alle 50 Jahre gefeiert und schon das letzte Fest hatten sie nicht gemeinsam begangen, weil Legolas aufgrund seiner Verpflichtungen als Prinz zu Gast in Laurelindórinan geweilt hatte. Sie hingegen hatte im Haus der Bräute auf seine Rückkehr warten müssen. Schon damals hatte sie sich zurückgesetzt gefühlt.

"Nun, Schuld hin oder her! Anscheinend hat Vater seine Meinung diesbezüglich nun doch geändert, denn er hat mir aufgetragen, mich nach Imladris zum 'Weißen Rat' zu begeben und dem Hîr Elrond o Imladris Nachricht von der Flucht dieses Wesens zu unterrichten. Da Mithrandir ihn hierher gebracht hat, ist das Wissen um sein Entkommen für den 'Weißen Rat' wahrscheinlich von großer Wichtigkeit. Ich erinnere mich an das letzte Gespräch zwischen Mithrandir, meinem Vater und mir. Es gehen eigenartige Dinge in Mittelerde vor, die Mithrandir beunruhigt haben. Du weißt, wie gut die Beziehung zwischen Imladris und Taur-nu-Fuin sind. Vater wünscht, dass Elrond informiert wird."

Während er gesprochen hatte, hatte Arinwë ihr Gesicht von ihm abgewandt. Von der Seite konnte er gut erkennen, dass es sie große Mühe kostete, nicht zu weinen. Doch sie würde sich jetzt nicht die Blöße geben und vor ihm ihren Tränen freien Lauf lassen. Sie war in ihrer Sturheit so hart wie der Amboß ihres Vaters.

"Kann er denn niemand anders mit dieser Botschaft nach Imladris schicken? Du bist ein Prinz und kein Bote.", schlug Arinwë vor.

"Nein, ein einfache Bote hätte keine Entscheidungsgewalt. Wenn Dinge besprochen werden, die unser Reich betreffen und Entscheidungen gefällt werden müssen, muß jemand anwesend sein, der für meinen Vater sprechen kann. Dies gilt nur für mich und Caranlas. Da ich der Erstgeborene und Thronfolger bin, fällt diese Aufgabe mir zu.", erklärte Legolas.

"Gut!", sagte sie mit belegter Stimme, "Dann muß es wohl so sein. Ich gehe nicht davon aus, dass auch nur ein Wort von mir etwas daran ändern kann, dass du gehen mußt. Ich hoffe doch, dass das erst nach dem Fest des Erwachens sein wird...?"

Legolas schüttelte den Kopf.

"Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, dass ich es dir jetzt erst sage. Du hättest jedes Recht darauf gehabt, es als erste zu erfahren. Ich werde schon morgen früh losreiten, denn der 'Weiße Rat' ist schon in drei Wochen von heute an und ich werde genau diese Zeit benötigen, um nach Imladris zu gelangen.", erzählte er schließlich.

Arinwë sprang auf und machte Anstalten, zu Glaneglair zu laufen und ohne ein weiteres Wort einfach fortzureiten, doch Legolas, der gut ausgebildete und gewandte Krieger, der im übrigen mit dieser Reaktion seiner temperamentvollen Gemahlin gerechnet hatte, sprang ebenfalls auf und ihm gelang es, sie am Handgelenk zu fassen und aufzuhalten.

Sie versuchte sich von ihm loszureißen und als ihr das nicht gelang, begann sie, mit ihren zarten Fäusten gegen seine Brust zu hämmern.

"Laß mich los! Laß mich SOFORT los! Wie kannst du mir das antun?", schrie sie ihn an.

Legolas machte gar nicht erst den Versuch, sie zu beruhigen. Er wartete stattdessen lieber, bis sie sich ausgetobt hatte und dann erschöpft und weinend gegen seine Brust sank. Er strich ihr versöhnlich über das Haar.

"Ich weiß, du willst nicht, dass ich gehe. Du hast dich so auf das Fest gefreut. Glaub' mir, es fällt auch mir nicht leicht."

Arinwë löste sich aus seinen Armen und blickte ihm direkt in die Augen.

"Du hättest einen anderen Weg finden können, immerhin bist du der Sohn des Königs. Es hätte jemand anders an deiner Stelle gehen können!"

Nun ging sie wirklich zu Glaneglair, erklomm seinen Rücken und ritt davon.

"Verstehst du es denn immer noch nicht? Als Prinz habe ich nun einmal diese Verpflichtungen!", rief Legolas ihr hinterher.

Traurig blickte er ihr nach. Er hatte gehofft, dass sie ihn verstehen würde und dass dieser Tag und ihr Abschied anders verlaufen wäre.

Zu Fuß begab er sich auf den Weg zurück zum königlichen Palast. Den ganzen restlichen Tag war er ihr aus dem Weg gegangen. Er sah sie erst wieder, als er alle Reisevorbereitungen hinter sich gebracht hatte. Er hatte seinen Vater und seinen Bruder gebeten, auf sie Acht zu geben, was ihr anscheinend noch zusätzlich mißfiel. Der Abschiedskuß, den sie ihm gab, war kühl und der Blick aus ihren Augen, verriet ihm, wie sehr er sie verletzt hatte...

...und nun kehrte er zwei Jahre später endlich wieder heim und sein Herz war voller Hoffnung, dass seine Gemahlin ihm verziehen hatte. ----------------------- [1] Hîr = Herr [2] Melethron = Geliebter [3] Be iest lin = Wie du wünscht [4] Glaneglair = Weißglanz [5] Lin Glaneglair = Vorwärts Weißglanz [6] Erynduin = Waldfluß [7] Mae, rîs o gûr nîn = Ja, Königin meines Herzens [8] Lasto, Melethril = Höre, Geliebte [9] Istari Mithrandir = Hiermit ist Gandalf gemeint, der bei den Elben nur Grauer Wanderer genannt wird