An alle, die meine andere Fanfiction "Liebe zu finden" ebenfalls kennen: Ich werde sie weiterschreiben aber im Moment gilt meine ganze Aufmerksamkeit dieser Geschichte und ich muß sie weiterschreiben, weil ich sonst wieder einmal den Faden verliere. Zu diesem Kapitel hat mich im übrigen der Song "Celta" von Hevia inspiriert, besonders die Stellen, an denen ich Aylena und ihre Lieblingsbeschäftigung beschrieben habe. Auf diesem Wege möchte ich ganz besonders mein Beta Gabi grüßen. Ich habe dieses Kapitel zunächst online gestellt, bevor ich ihre betagelesene Version bekommen habe. Letzten Endes habe ich es dann doch noch überarbeitet und ersetzt.

Kapitel 3
Das Mädchen aus Rohan

Manchmal sanft, manchmal ein wenig stärker ließ der frische, herbe Wind das hohe Gras der endlosen Weidegründe hin und her wogen. Wenn man von oben auf diese endlos erscheinende Landschaft herabblickte, konnte man glauben, auf ein unendliches Meer aus grünstem Gras zu schauen. Aylena war auf ihrer flinken, langbeinigen Falbstute Siminda über die sanft geschwungenen Hügel galoppiert. Sie liebte es, im vollen Galopp die Zügel schießen zu lassen und die Arme weit auszubreiten. Aylena stellte sich vor, dass dieses Gefühl ähnlich dem des Fliegens sein mußte. Zuvor hatte das junge Mädchen nach den Junghengsten geschaut, die im letzten Jahr geboren worden waren, bevor der Krieg in Gestalt der Uruk-Hai- Horden Sarumans unbarmherzig über das Land hereingebrochen war, und welche der Stuten, die tragend waren, bald niederkommen würden. Es würde ein gutes, erstes Friedensjahr werden, es würden sehr viele Fohlen geboren werden und das obwohl die Pferde die meiste Zeit sich selbst überlassen gewesen waren. Vielleicht war es ja auch gerade deshalb so. Dass es viele Fohlen geben würde war auch gut so, denn es waren nicht nur viele Menschen in der noch nicht lange zurückliegenden Kriegszeit umgekommen, sondern auch die Zahl der Pferde war dramatisch dezimiert worden. Die Menschen in Rohan züchteten nicht nur Pferde, sie lebten auch mit ihnen. Die Pferde waren die treuesten Freunde der Menschen in Rohan, edel, gutmütig und tapfer wie sie selbst es auch waren.

Als Aylena die Besehung der Weiden abgeschlossen hatte, hatte sie sich in das hohe, nach jungem Frühling duftende Gras auf einem Hügel gelegt. Verträumt hatte sie auf einem Grashalm herumgekaut und die friedlich dahinziehenden Wolken beobachtet. Es machte ihr Spaß, Figuren in den Wolken zu sehen. Gerade war es noch ein umherspringendes, übermütiges Füllen und im nächsten Moment ein Ent, einer der mythischen Baumhirten aus dem Fangorn-Wald. Irgendwann mußte sie schließlich eingeschlafen sein, denn das Geräusch herannahender Pferde hatte sie geweckt. Zunächst hatte sie das Hufgetrappel noch für einen Teil ihres Traumes gehalten. Zugegeben, es war ein sehr schöner Traum, denn der junge König Éomer kam darin vor.

Sie hatte geträumt, dass er ebenfalls auf einem kräftigen schwarzen Hengst zum Zeitvertreib über die Weiden geritten und durch Zufall auf sie getroffen war. Der König war - schließlich handelte es sich um einen Traum und in Träumen war dies ja immer so - natürlich fasziniert von ihrer Reitkunst und der Schnelligkeit ihrer Stute und forderte sie zu einem Wettrennen heraus. Zunächst sah es aus, als würde Siminda wirklich schneller sein, als der schwarze Hengst des Königs, doch dann holte er sie ein. Um ihm näher zu kommen, gab Aylena vor, durch eine Unachtsamkeit das Gleichgewicht verloren zu haben und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Sie bemühte sich, ein schmerzverzerrtes Gesicht zu machen. Als der König sich besorgt über sie beugte, erklärte sie ihm, sie habe sich den Knöchel verstaucht. Selbstverständlich hatte er sich im Verlaufe ihres Traumes unsterblich in sie verliebt. Alle jungen Mädchen träumten zur Zeit von dem edlen König, der noch Junggeselle war, und alle hofften, dass er genau sie zu seiner Braut erwählen würde. Auch sie machte da keine Ausnahme.

Schließlich realisierte sie jedoch, dass sie nicht mehr träumte, sondern das sich wirklich zwei Pferde näherten. Aylena riß erschrocken die Augen auf. Hastig erhob sie sich, lief zu Siminda und sprang in den Sattel. Von dort aus hatte sie einen besseren Rundumblick, als von der Stelle, an der sie eben noch tagträumend gelegen hatte. Am Stand der Sonne konnte sie erkennen, dass sie hier schon viel länger gedöst und geträumt hatte, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. An jedem anderen Tag hätte sie sich diese Nachlässigkeit erlauben können, nur nicht an diesem.

Ihr Vater Irogran hatte nach der Schlacht um Helm's Klamm beschlossen, dass es für seine einzige Tochter nun endlich an der Zeit war zu heiraten. Es gab auch keinen Mangel an Interessenten, denn mit ihrem langen, lockigen Haar, das die Farbe von geschmolzenem Kupfer hatte, und den smaragdenen Augen war sie wirklich hübsch anzuschauen. Bisher hatte Aylena, die selbst überhaupt nicht daran interessiert war, zu heiraten - es sei denn, ihr Traum würde war und der König verliebte sich in sie, was natürlich nicht geschehen würde - es fertig gebracht, alle Bewerber abzulehnen. Doch diesmal hatte ihr Vater einen einflußreichen Händler aus Arnorien eingeladen.

Die beiden Reiter, die nun den Hügel hinaufgeritten kamen, waren ihre Vettern Harlan und Marken. Aylena mochte die beiden arroganten, jungen Männer nicht. Nicht genug, dass ihr Vater den älteren der beiden, Harlan, zu seinem Erben ernannt hatte, weil es ihm selbst an einem männlichen Nachkommen mangelte und Aylena in der Erbfolge einfach übergangen wurde, jetzt wohnten sie sogar mit ihr unter dem selben Dach. Die beiden waren Waisen und Irogran hatte sich dazu verpflichtet gefühlt, sie in sein Haus aufzunehmen, da er und Aylena ihre letzten lebenden Verwandten waren. Die Mutter der beiden war bei Markens Geburt ums Leben gekommen, ihr Vater, Aylenas Onkel, war - wie so viele andere auch - in der Schlacht um die Hornburg gefallen.

Siminda tänzelte elegant einige Schritte rückwärts, als die Pferde der beiden Brüder schnaubend und mit schweißnassem Fell vor ihr zum Stehen kamen. Marken ergriff die Zügel Simindas, um Aylena daran zu hindern, einfach fortzugaloppieren, woraufhin die Stute empört den Kopf in die Luft warf und leise wieherte. Harlan ergriff als erster der beiden das Wort. Das tat er immer. Wahrscheinlich glaubte er, das Recht dazu zu haben, weil er der ältere war.

"Aylena, Aylena ", sagte er und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, "dazu wird dein Vater einiges zu sagen haben. Er war ziemlich wütend, als er uns losschickte, um dich zu suchen."

Aylena verdrehte die Augen gen Himmel. Sie haßte Harlans herablassende Art. Während sie versuchte, Markens Hand von Simindas Zügeln zu lösen, was ihr nicht gelang, erwiderte sie:

"Was zwischen mir und meinem Vater ist und welche Konsequenzen ich für meine Fehler zu tragen habe, geht dich überhaupt nichts an. Kümmere dich gefälligst um deine eigenen Angelegenheiten, Harlan!"

Harlan lachte höhnisch auf und wandte sich an seinen Bruder.

"Hörst du, wie der kleine Vogel zwitschert. Wie schade nur, dass ich seine Sprache nicht verstehen kann."

Nun fiel auch Marken in das Gelächter ein.

Das war genau die Ablenkung, die Aylena brauchte. Es gelang ihr nun endlich Marken, die Zügel zu entreißen. Sie preßte ihre Schenkel in Simindas Seiten. Die Stute stemmte die Hinterbeine in den Boden und galoppierte dann aus dem Stand los, wie ein Pfeil, der soeben von der Sehne geschnellt war. Aylena war es, die nun lachte. Sie drehte sich im Sattel um und rief ihren verblüfften Vettern zu:

"Ha! Ihr müßt wirklich dumm sein, wenn ihr geglaubt habt, ich lasse mich von euch bei meinem Vater wie eine Gefangene vorführen."

Ein weiteres Mal an diesem Tag galoppierte Aylena ungestüm über das endlose Gräsermeer und fühlte sich dabei völlig frei. Sie wußte, das Harlan und Marken ihr nicht folgen würden. Siminda, die ohnehin eine ausdauernde Läuferin war, hatte mehrere Stunden Zeit gehabt, sich auszuruhen. Die Pferde der Brüder hingegen waren noch erschöpft vom scharfen Ritt.

Bald erreichte sie Edoras, die auf einem weithin sichtbaren Hügel gelegene Hauptstadt von Rohan. Die Soldaten auf der erst kürzlich neu errichteten Wehrmauer grüßten sie höflich und öffneten ihr das Tor. Im gemäßigten Trab ritt sie die breite Reitertreppe zum Haus ihres Vaters hinauf, welches sich direkt unter der goldenen Halle Meduseld befand. Als die Orks in Rohan eingefallen waren, hatten sie die Stadt geschleift und fast alles befand sich noch im Wiederaufbau. Aber das alles so schnell ging, war ein sehr gutes Zeichen. Die Menschen von Rohan würden sich nicht unterkriegen lassen.

Auch sie war guter Dinge. Natürlich würde Irogran ihr zürnen, weil sie die Zeit vergessen hatte, doch was den reichen Händler anging, der gekommen war, um um ihre Hand anzuhalten: den würde sie ablehnen, wie alle anderen zuvor. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich sich einfach noch zu jung, um zu heiraten. Sie wollte sich nicht aus politischen Gründen an irgendeinen Mann binden und sie würdee auch nicht in eine Heirat ohne Liebe einwilligen. Sie war sich sicher, dass ihr Vater, der bisweilen ziemlich streng war, sie nicht in eine solche Ehe zwingen würde.

Als sie am Haus ihres Vaters angelangte, kam schon Gandric der Stallmeister herbeigeeilt, um Simindas Zügel entgegenzunehmen und sie in den Stall zu bringen.

"Wo ist mein Vater, Gandric?" wollte sie von dem jungen Mann wissen, der nicht nur ein Bediensteter der Familie, sondern für sie auch ein Kindheitsgefährte war.

Gandric hatte, bis vor kurzem, von einer ruhmreichen Zukunft als Rohirrim geträumt, doch der Verlust seiner linken Hand, den er während der Schlacht um Helm's Klamm erlitten hatte, hatte seinem Traum ein jähes Ende bereitet. Mit Pferden jedoch konnte Gandric nach wie vor gut umgehen.

"Dein Vater wartet in der großen Halle. Er war ziemlich aufgebracht, weil du den hohen Herrn aus Arnorien hast warten lassen.", antwortete Gandric und seine Stimme klang ein wenig besorgt.

Entnervt winkte Aylena ab. Das war nun wirklich das letzte Thema, über das sie mit Gandric sprechen wollte. Sie wollte das Gespräch mit dem Mann, der um ihre Hand anhielt - sie wußte nicht einmal seinen Namen - und ihrem Vater möglichst schnell hinter sich gebracht haben, um dann wieder auf Simindas Rücken in den Sonnenuntergang hineinzureiten.

"Ich weiß! Er hat mir Harlan und Marken hinterhergeschickt. Gandric, mein Vater schimpft zwar sehr viel und er wird dabei auch oft sehr laut. Auch du müßtest das ganz genau wissen, aber er würde mir niemals ein Leid zufügen. Er würde mich gewiß auch nicht in eine Ehe mit einem Mann zwingen, den ich nicht liebe. Ich verstehe nicht, warum du dich sorgst."

Der junge Mann senkte den Kopf und erwiderte:

"Vielleicht fürchte ich mich ja davor, dass dein Vater dich eines Tages doch dazu zwingen könnte und du dann in ein anderes Land ziehst. Vielleicht würden wir uns nie wieder sehen."

Aylena lachte:

"Aber das ist doch genau der Grund, warum ich mich nicht von meinem Vater zwingen lassen werde, was immer auch kommen mag. Ich will nicht fort aus meiner Heimat und ich will mit Sicherheit nicht die Freunde meiner Jugend verlieren. Ich werde erst heiraten, wenn ich wirklich sicher bin, verliebt zu sein. Und damit meine ich nicht nur dieses romantische Gefühl... wie... Schmetterlinge im Bauch, sondern das Gefühl, wenn man dem Mann gegenübersteht, mit dem man sein ganzes Leben verbringen will."

Auf Gandrics Gesicht zeichnete sich ein säuerliches Grinsen ab.

"Weißt du auch schon, wann das ungefähr sein wird?"

Aylena schüttelte den Kopf und erwiderte:

"Ach je, so etwas kann man doch nicht planen. Im Moment mache ich mir keine Gedanken um so etwas. Vielleicht werde ich auch niemals den Bund der Ehe eingehen, wer weiß das schon. Ich will meine Freiheit nicht verlieren und mir fällt auch kein Mann ein, der es wert wäre, sie mit mir zu teilen."

Gandric errötete und blickte beschämt zu Boden. Er schämte sich, weil er beinahe im Begriff gewesen war, Aylena sein Herz zu offenbaren und sie hatte ihm - bewußt oder unbewußt spielte keine Rolle - zu verstehen gegeben, dass er nichts weiter als ein guter Freund für sie war.

"Ich werde Siminda nun in den Stall bringen", sagte er ohne aufzuschauen.

Er drehte sich schnell um und verschwand in Richtung Stall. Er sah nicht mehr, dass auch Aylena gemerkt hatte, dass sie ihn ohne es zu beabsichtigen verletzt hatte.

Gandric, der Freund aus Kindestagen, der immer dagewesen war, wenn sie Trost gebraucht hatte, der stets all ihre großen und kleinen Geheimnisse bewahrt hatte, der ihr abenteuerliche Geschichten von edlen Helden und ihren bezaubernden Damen nachts auf dem Heuboden des Stalls erzählt hatte, war schon seit langem in sie verliebt. Die Art, wie er sie des öfteren ansah, verriet es ihr. Das war ihr auch nicht neu aber sie hatte einfach nicht daran gedacht. Sie hatte sich verspätet, war gereizt und viel zu sehr war sie damit beschäftigt, sich etwas zu überlegen, wie sie ein weiteres Mal einer Heirat aus dem Weg gehen konnte.

~*~

"Ah, wie schön. Meine liebe Tochter Aylena gesellt sich endlich auch zu uns." sagte Irogran, als Aylena mit erhobenem Haupt die Tür zur großen Halle durchschritt.

Sofort bemerkte das Mädchen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Was sie in den Augen ihres Vaters sah und der drohende Unterton im tiefen Bass seiner Stimme, war nicht nur ein wenig Ärger über die Verspätung. Anscheinend hatte sie es diesmal wirklich zu weit getrieben.

Jedoch dachte sie nicht eine Sekunde lang daran, sich anmerken zu lassen, dass sie die Wut ihres Vaters erkannt hatte. Dazu war sie einfach zu stolz.

Irogran stellte Aylena dem Mann vor:

"Dies ist Aylena, meine Tochter, um deretwillen ihr heute hergekommen seid."

Aylena verneigte sich an der richtigen Stelle und begrüßte den Mann ebenfalls.

"Darien Tawarik ist mein Name", sagte der Mann nachdem er aufgestanden war.

Er verbeugte sich, was anscheinend galant wirken sollte, aufgrund seiner Feistheit jedoch ein wenig ungelenk aussah.

Aylenas Augenbrauen zogen sich zusammen und verliehen ihrem Gesicht einen skeptischen Ausdruck. Was hatte ihren Vater bewogen, gerade diesen Mann einzuladen, seine Werbung zu akzeptieren? Wie kam er auf die Idee, Aylena könnte auch nur im Traum daran denken, gerade ihm den Vorzug zu geben?

"So, so, das ist also der Händler aus Arnorien, der gekommen ist, weil er um meine Hand anhalten will." sagte sie mit einem abschätzigen Blick auf den feisten Mann, der neben ihrem Vater stand und sie wie Ware begutachtete. Sie nahm in Kauf, dass der Mann sie für hochmütig hielt. Genaugenommen war es ihr ziemlich egal, was er von ihr dachte.

Ihr Vater stand von seinem Stuhl am Ende der Speisetafel, die fast den ganzen Raum im großen Saal ihres elterlichen Hauses einnahm, auf und ging mit entschlossenen Schritten auf sie zu. Er faßte sie grob an der Hand und zog sie näher zu dem Mann heran.

Der hatte offensichtlich seine besten Jahre schon hinter sich gelassen. Er schien durchaus reich zu sein. An jedem seiner wurstigen Finger prangte ein goldener Ring mit einem prächtig funkelnden Edelstein, jeder in einer anderen Farbe. Seine Gewänder waren aus feinsten Stoffen, Seide, Samt und Brokat. Wahrscheinlich war er einer der Händler aus Arnorien, die sich während des Krieges mal auf die eine, mal auf die andere Seite geschlagen hatten und Profit daraus erzielt hatten. Vielleicht war ihr Urteil ein wenig voreilig, doch sie hatte ja auch gar nicht die Absicht, Tawarik zu mögen. Dieser Mann widerte Aylena schon jetzt an.

"Ich habe tatsächlich daran gedacht, um eure Hand anzuhalten, liebe Dame aber mich hat doch sehr verärgert, dass ihr mich habt so lange warten lassen. Meine erste Frau ist im Kindbett gestorben und ich bin schon sehr einsam seitdem, doch ich suche mitnichten eine Frau für mein Bett, sondern auch eine, die mir bei den alltäglichen Geschäften hilft. Jemand der so unzuverlässig ist, wie ihr kann meine Frau nicht werden."

Aylena schlug sich überrascht die Hand vor den Mund. Sie war entrüstet über die Art, wie Darien mit ihr sprach. Reich hin oder her! Auch sie war schließlich die Tochter eines achtbaren und wohlhabenden Mannes. Zwar stand es um viele Familien in Rohan im Moment nicht sonderlich gut, da der Krieg gerade erst beendet war und sich alles noch im Aufbau befand, jedoch gab es nicht gleich jedem dahergelaufenen Händler, der mehr Geld in den Taschen hatte als sie oder ihr Vater, das Recht, auf diese Art und Weise mit ihr zu sprechen.

Sie nahm sich vor, ihm diese Frechheit mit gleicher Münze heimzuzahlen und holte für eine Erwiderung tief Luft.

"Guter Herr, eine Frau nur für das Bett werde ich wahrscheinlich für niemanden sein. Aber selbst für die Aufgaben, die ihr mir zugedacht hättet, hätte ich euch wahrscheinlich nicht zur Verfügung gestanden, obwohl ich entgegen eurer Vermutung wegen meines heutigen Fehlers durchaus zuverlässig bin. Schaut mich doch an. Ich bin eine junge Frau und ihr seid alt. Besonders ansehnlich seid ihr überdies auch nicht. Zu behaupten, ihr hättet das Gesicht eines Pferdes wäre noch ein Kompliment für euch. Ich hätte mich niemals mit euch verlobt."

Nachdem Aylena das ausgesprochen hatte, spielte sich alles in Sekundenbruchteilen ab. Sowohl das Gesicht ihres Vaters, als auch das des Herrn Tawarik färbten sich tiefrot. Dann ergriff Irogran seine Tochter beim Handgelenk. Mit einer knappen Verneigung entschuldigte er sich bei dem Händler und zog Aylena dann hinter sich her in sein benachbartes kleines Arbeitszimmer.

"Vater, was...", begann Aylena, doch Irogran gab ihr mit einem wütenden Blick zu verstehen, dass er von ihr kein Wort hören wollte.

"Was ist in dich gefahren?", schrie der große, breitschultrige Mann seine zierliche Tochter an, die ihm allerdings nicht den Gefallen tat, zusammenzuzucken.

Stattdessen blickte sie ihn verständnislos und trotzig an. Sie wußte nicht, was er meinte. Früher hatte er niemals so überzogen reagiert, wenn sie einem Hochzeitsbewerber eine Abfuhr erteilt hatte. Zugegeben, bei den anderen war sie höflicher gewesen aber die hatten sie zumindest nicht beleidigt. Meist hatten sie anschließend bei einem Kelch Met zusammen am Kamin gesessen und über die verblüfften Gesichter der Männer gelacht, die Aylena abgelehnt hatte. Meist hatte er ihr dann jedoch einen väterlichen Kuß auf die Stirn gegeben und ihr nahegelegt, sich doch auch selbst einmal zu bemühen, einen geeigneten Ehegatten zu finden. Anschließend waren sie dann zu Bett gegangen.

"Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Vater. Er hat mir eben nicht gefallen und das habe ich ihm gesagt... wenn auch auf meine Art."

Irogran holte mit der rechten Hand aus, um seine Tochter zu schlagen. Überrascht hob Aylena schützend die Hände vor ihr Gesicht. So sehr hatte Vater noch niemals die Kontrolle verloren. Er hatte sie noch niemals geschlagen. Bei dem Anblick seiner entsetzten Tochter, gelang es Irogran im letzten Moment, sich zu beherrschen und er nahm die Hand wieder herunter. Er war selbst überrascht, dass er ihr gegenüber so wütend werden konnte.

"Aylena! Von der Grenze Harads bis zum großen Ozean lachen die Leute mich aus, weil ich anscheinend nicht in der Lage bin, meine einzige Tochter zu verheiraten. Bisher war auch kein Bewerber dabei, der mich besonders überzeugt hätte, deshalb habe ich dich gewähren lassen. Doch Darien Tawarik ist sehr wohlhabend und einflußreich. Wir brauchen das Geld. So gut, wie es nach außen hin scheint, geht es uns nicht. Ich habe darüber noch nie mit dir gesprochen, weil ich dich nicht unter Druck setzen wollte. Du hättest ihn niemals so beleidigen dürfen. Ich wollte, dass du ihn heiratest aber das können wir ja nun vergessen."

Aylena stockte der Atem. Das konnte ihr Vater einfach nicht ernst meinen. Unter all den Bewerbern, die bisher um ihre Hand angehalten hatte, waren viele, die weitaus ansehnlicher gewesen waren, als dieser Händler aus Arnorien. Zugegeben, sie waren alle nicht so gut gekleidet und aufgrund dessen wahrscheinlich auch nicht so wohlhabend gewesen aber das Geld ihrem Vater so wichtig geworden war,dass er sie an jemanden wie dieses Trollgesicht verheiraten wollte, war ihr bisher noch nicht klar gewesen.

Schließlich gelang es ihr nicht mehr, ihre Tränen zurückzuhalten.

"Vater, das kannst du nicht ernst meinen. Du willst nicht wirklich, dass ich diesen Mann heirate. Ich habe immer gedacht, du würdest mich lieben aber wenn du mich dazu zwingst, dann ist es wohl doch nicht so. Ich glaube einfach nicht, dass es dir nur um das Geld geht."

Irogran schüttelte heftig den Kopf und seine Augen schienen zornige Blitze zu versprühen.

"Das mit der Heirat können wir wohl nun vergessen. Tawarik ist nur aus reiner Höflichkeit mir gegenüber geblieben. Als du dich verspätetest, stand für ihn schon fest, dass er dich nicht zur Frau nehmen würde. Aber - das kannst du mir glauben - ich habe es nun auch satt mit dir. Morgen wirst du deine Sachen packen und Harlan und Marken werden dich nach Gondor begleiten. Ich habe einen Brief an Sabra, meine Base, geschickt, die Frau des Burgvogts in Minas Tirith geschickt. Ich habe ihr geschrieben, dass ich dich noch diesen Monat dorthin schicken werde, wenn die Verbindung mit Darien Tawarik nicht zustande kommt. Sie soll dafür sorgen, dass du vor Ablauf des Jahres verheiratet bist. Ich kann nur hoffen, dass dir dein Ruf nicht vorauseilt."

Aylenas Vater unterbrach sich selbst durch ein tiefes, schicksalergebenes Seufzen, dann fuhr er fort:

"Dieser Fall ist ja nun eingetroffen."

Aylena taumelte, als hätte sie jemand mit einem gezielten Schlag fest in die Magengrube geboxt. Wenn es so gewesen wäre, dann hätte sie zurückschlagen können, doch das, was ihr dieses Gefühl gab, war nicht greifbar und nicht begreifbar.

Sie sollte ihre geliebte Heimat verlassen? Ihr Vater wollte, dass sie in einem fremden Land heiratete und nie mehr nach Rohan zurückkehrte?

"Vater, ich will aber nicht fort von hier...", begann sie.

Irogran unterbrach sie mit einer barschen Geste und erwiderte:

"Schweig still, du Undankbares. Ich möchte jetzt nichts mehr hören. Ich muß mir überlegen, wie ich mich bei Tawarik entschuldige."

Aylena schossen wütende Tränen in die grünen Augen, die sich verdunkelt hatten wie die See vor einem Sturm.

"Wenn ich fort bin, will auch ich dich nie wieder sehen... ich hasse dich!", schrie sie, bevor sie mit ihrem verletzten Stolz hinausrannte und lautstark die Hintertür ins Schloß fallen ließ.