Kennt ihr alle noch dieses alte Kinderlied "Der Herbst, der Herbst, der
Herbst ist da...."?. Tja, das ist wieder die Zeit, wo ich hin und wieder
doch mal einen Schreibflash bekomme. Die Tage werden kürzer, die Nächte
länger und der Rotwein immer süffiger, Kerzenschein, Duft nach fallenden
Blättern, Regen, der an die Fensterscheiben prasselt und sehnsuchtsvolle
Musik dazu... Gott, bin ich peinlich verkitscht! Inspiriert hat mich der
Song "Care for you" von Wolfsheim.
HILFERUF! Gabi, mein liebes Beta! Wenn Du das liest, dann melde dich bitte per E-Mail bei mir. Ich habe einen neuen Rechner gekauft und mein Mann hat auf auf dem alten Computer Laufwerk C formatiert und damit waren auch alle meine E-Mail- Adressen zum Teufel.
Kapitel 6
... um euch den Schmerz zu nehmen
Sin, i gerir dhuath, thia no min calad a sin, i mathar dravad chuin îs,
cuiar.
Jene, die Schatten werfen, scheinen im Licht zu sein und jene, die das
Schlagen ihres Herzens spüren, leben.
...'Tiefer und immer tiefer in die Dunkelheit sank er. Das waren nicht Mandos' Hallen, wie sie in den Geschichten seiner Vorfahren beschrieben wurden. Dennoch empfing er die lichtlose Leere, die ihn umgab mit offenen Armen. Frei von Schmerz und unerfüllter Sehnsucht war er. Er schaute herab und konnte unter sich keinen Boden ausmachen. Auch waren über ihm keine Sterne, nur absolute Dunkelheit. Hier gab es keinen Wind, keine Düfte, keine Töne, nichts was von der Stille ablenken konnte. Dies war eine Stille die er nicht mehr gespürt hatte seid er vom Tod Arinwës erfahren hatte, denn seit diesem Moment befand sich seine Seele in einem verzweifelten Aufruhr, und schien immerfort von Schmerzensschreien gepeinigt zu werden die nur ein Wiederhall seiner eigenen Schreie in der Einsamkeit seines Herzens waren und ihn nicht zur Ruhe kommen ließen. Es war erschreckend... und schön zugleich. Eigentlich jedoch hätte er sich von den Geschichten seiner Ahnen verraten fühlen müssen, denn er wurde nicht von Arinwë erwartet. Aber sein Herz war leicht und frei von Pein. Es war niemand hier, der von ihm verlangte, darüber nachzudenken, ob das, was er getan hatte, richtig war. Es war unglaublich aber... es war ihm mit einem Mal alles gleichgültig. Er schloß die Augen und gab sich der Dunkelheit hin'...
Der Elbenprinz hatte wirklich großes Glück gehabt, dass Aylena doch noch einmal zurückgekehrt war, um sich für ihre barschen Worte zu entschuldigen. Er hatte sie zwar beleidigt, doch er war eben auch ein Prinz, ein elbischer noch dazu, und sie hatte einfach nicht das Recht, so mit ihm zu sprechen. Sie hatte leise an seiner Tür geklopft und gesagt, dass sie gekommen wäre, um sich zu entschuldigen. Doch er hatte ihr nicht geantwortet. Er konnte sein Zimmer nicht verlassen haben, sie hätte doch die Türe gehört und selbst ein Elb konnte wohl nicht so schnell einschlafen - schliefen Elben überhaupt? Sie hatte einige Sekunden überlegt, ob sie das Zimmer betreten sollte, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Die Türe jedenfalls war nicht verschlossen. Als sie ihn fand, lag er in seinem eigenen Blut. Zunächst konnte sie einfach nicht glauben, was sie sah, dann war sie panisch vor Angst auf die Knie gefallen und hatte um Hilfe geschrien. Zunächst war niemand gekommen und als sie ihren ersten Schrecken überwunden hatte, tat sie das einzig richtige. Sie riss ohne zu überlegen ihren Unterrock in Streifen und verband damit die tiefen Schnitte an seinen Handgelenken, die er sich selbst zugefügt hatte. Schließlich war der stämmige, rotbärtige Zwerg aufgetaucht, an dessen Gesicht sie sich ebenfalls noch erinnern konnte. Auch er hatte bei der Schlacht um Helm's Klamm gekämpft. Er hatte fürchterlich und lautstark geflucht, sowohl in Westron, als auch in allen, ihm bekannten Sprachen, als er gewahr wurde, was der Elb sich angetan hatte. Er erklärte Aylena sogleich, dass er so etwas schon befürchtet hatte, weswegen er seinen elbischen Freund an diesem Abend nicht aus den Augen gelassen hatte, doch plötzlich wäre er spurlos verschwunden gewesen. Der Zwerg schimpfte, er hätte keine Ahnung, wie der Elb es immer wieder schaffte zu verschwinden, ohne dass er es bemerkte. Er half Aylena den Prinzen auf dessen Bett zu legen. Für einen kurzen Moment hatte Legolas die Augen geöffnet und mit Entsetzen hatte Aylena den fiebrigen Glanz darin bemerkt.
"Es geht ihm gar nicht gut. Ich weiß nicht, wie sehr ein Elb leiden kann und für welche Krankheiten sie anfällig sind aber mir scheint, er hat Fieber", hatte sie dem Zwergen gesagt.
Mit kurzen aber schnellen Schritten war dieser sofort losgelaufen, um Hilfe zu holen. Er sagte, das Haelir[1], der Berater des Vaters des Prinzen, ein ausgezeichneter Heiler sei und er ihn holen würde.
Das war nun schon fast eine Stunde her und seitdem hatte sich der Zustand des Prinzen nicht verändert. Aylena hatte sich in einem Lehnstuhl neben dem Bett niedergelassen und wachte über den blonden Elben. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn, warf sich im Fieber hin und her und murmelte hin und wieder unverständliche Dinge in Elbisch. Sie stand auf und feuchtete ein Tuch an, mit dem sie ihm die Stirn abtupfte. Anschließend rückte sie das seidene Kissen unter seinem Kopf zurecht.
"Wie sehr muß euer Herz leiden, dass ihr euch euer unsterbliches Leben nehmen wollt, Prinz des Waldes? Ist es denn nicht ein Geschenk?" fragte sie während sie das tat.
Als sie sich so fürsorglich über ihn beugte, schaute sie sich das erste Mal sein Gesicht wirklich aufmerksam an. Sie hatte zwar schon viel von der Schönheit der Elben gehört und sich inzwischen auch von der Richtigkeit dessen, was gesagt wurde, überzeugen können, doch sie hatte noch nie einen Elben gesehen, der so von innerer Schönheit strahlte wie der traurige Prinz aus dem Düsterwald. Seine äußerliche Schönheit war nur ein für alle sichtbarer Spiegel seiner reinen und empfindamen Seele, die sich durch seine unglaublich ausdrucksvollen Augene einen noch stärkeren Weg in die äußere Welt bahnte. Die dunklen Augenbrauen wölbten sich in einem perfekten Bogen über seine Augen, die - wie sie wußte - von strahlendstem Blau waren und von geraden, dunklen Wimpern umgeben waren. Obwohl er sehr schmale Lippen hatte, wirkte sein Mund dennoch sinnlich. Sie stellte sich vor, das sein langes, blondes Haar weich wie Seide sein mußte, sie wagte nicht, es zu berühren. Er erschien ihr so sanft und doch so männlich. Verblüfft darüber, auf welche Art sie den Prinzen betrachtete, schlug sie die Hand vor den Mund. Bei allen guten... warum interessierte sie sich denn so für ihn? Aber es wärmte ihr Herz, ihn zu betrachten, ihn einfach nur in ihrer Nähe zu wissen, selbst in dem Zustand, in dem er sich jetzt befand. Wie konnte man ein solch makelloses Wesen, eine solch starke Persönlichkeit nicht lieben? Allein die Tatsache, dass er an der Rettung Mittelerdes mitgewirkt hatte, machte ihn schließlich zu einem strahlenden Helden und Helden liebte man nun einmal. Ihnen zu Ehren schrieb man ihre Geschichten nieder, ersann Lieder für sie... war es daher nicht recht und billig, so etwas wie Liebe im entferntesten Sinne für sie zu empfinden?
Dass dieser Held jetzt so blass und krank daniederlag, sich in einem Geisteszustand befand, in dem er gar so weit ging, sich selbst das Leben nehmen zu wollen, brach ihr fast das Herz. Jemand, der dafür gesorgt hatte, das Menschen, Zwerge und Elben in Mittelerde wieder glücklich sein konnten, durfte nicht solche Qualen erleiden.
Sie hatte keine Ahnung, warum sie es tat aber sie beugte sich noch näher zu ihm und war wie hypnotisiert von dem herben Duft nach Wald, der ihm anhaftete. Erschrocken stellte sie fest, dass auch an seinen Haaren Blut klebte. Sie nahm das Tuch wieder zur Hand. Einen Moment zögerte sie, doch dann entschied sie, dass sie das nicht einfach so lassen konnte und begann sein Haar zu reinigen. Sie hatte mit ihrer Vermutung richtig gelegen. Sein Haar war wunderbar weich. Ehe sie noch darüber nachdenken konnte, hatte sie ihn zart auf den Mund geküßt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, so weich waren seine Lippen und gleichzeitig so kalt. Es war fast so, als würden seine Lebensgeister seinen Körper unbedingt verlassen wollen.
"Ich wünschte, ich könnte euch etwas von meinem Lebenswillen geben aber ich bin keine Elbin, ich bin nicht einmal besonders bewandert in der Kräutermedizin.", seufzte sie und schalt sich selbst insgeheim dafür, dass sie bei der alten Margra, die in den Haushalt ihres Vater gekommen war, nachdem ihre Mutter gestorben war, nie wirklich zugeschaut hatte, wenn sie mit den Kräutern hantiert hatte.
Sie erschrak, als er plötzlich seine beunruhigend blauen Augen öffnete und sie direkt anschaute.
Seine Stimme war sehr schwach aber dennoch konnte sie das eine Wort, das er sagte, ganz deutlich verstehen: Arinwë.
Für einen Moment keimte Hoffnung in ihr auf.
"Nein, das bin ich nicht. Mein Name ist Aylena. Wisst ihr noch? Das Mädchen aus Rohan."
Als er darauf nicht reagierte, schloß sie daraus, dass er wohl im Fieber gesprochen haben mußte. Er stöhnte leise auf und seine Augen schlossen sich wieder.
Aylena überlegte, was sie noch tun konnte. Ungeduldig ging sie in dem Gemach auf und ab. In ihren Händen zerknüllte sie das Tuch, mit dem sie dem Prinzen die Stirn gekühlt hatte.
'Der Zwerg läßt aber auch wirklich lange auf sich warten. Er muß doch nicht durch ganz Mittelerde reisen um diesen Elbenheiler aufzutreiben!', dachte sie wütend.
~*~
...'Plötzlich war da ein Licht, blendend hell. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er gegen das Strahlen an. Er sehnte sich die gnadenvolle Dunkelheit wieder herbei. Aber dann... konnte es wirklich möglich sein? War es wirklich Arinwë, die endlich gekommen war, um ihn in Mando's Hallen zu geleiten. "Ich freue mich, dass du endlich kommst. Ich hätte ohne dich den Weg in dieser lichtlosen Leere nicht gefunden", gab er zu. Sie sagte kein Wort. Sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und küßte ihn dann sanft. Das Licht war so hell. War sie es wirklich? Legolas hätte fast über sich selbst gelacht. Wer sollte es denn sonst sein. Wer sollte ihn denn schon erwarten?'...
~*~
Aylena hatte sich einen Stuhl an das Bett gezogen und sich neben den Prinzen gesetzt. Er hatte wieder diesen Namen geflüstert, wobei seine Stimme fast verzweifelt klang, und dann seine Hand nach ihr ausgestreckt. Sie hatte ihre Hand in seine gelegt und sogleich hatte er sich beruhigt.
Als sie Schritte vernahm, die sich schnell näherten, ließ sie seine Hand erschrocken los und sprang von dem Stuhl auf. Ganz deutlich konnte sie die knurrende Stimme des Zwergen vernehmen. Doch sie hörte auch König Aragorn, der sich heftig mit einem anderen Mann in der elbischen Sprache stritt.
Es waren sechs Personen, die schließlich das Gemach betraten. Zum einen der Zwerg, der offensichtlich ebenso zu den Freunden des Elbenprinzen gehörte wie der König von Gondor, der ebenfalls gekommen war in Begleitung seiner elbischen Frau. Als beeindruckend empfand Aylena allerdings die Erscheinung der anderen drei Personen, die gekommen waren. Alle waren sie Elben, hochgewachsen und gut gekleidet. Während der eine jedoch still im Hintergrund blieb, stritt der andere, selbst nach Betreten des Raumes, immer noch mit dem König und dem weiteren Elben. Nur an der Art, wie sich bei manchem, was gesagt wurde, seine Stimme hob und senkte und daran, das sein Gesicht leicht gerötet war, konnte Aylena erkennen, dass er wirklich aufgebracht war. Sie fand das ziemlich ungewöhnlich, denn immerhin war eines der vielen Dinge, die sie über Elben erfahren hatte, das sie von einer inneren Ruhe und Beherrschtheit waren, die Menschen nicht einmal in der Lage waren, zu verstehen. Offensichtlich eine Behauptung, die in das Reich der Legenden gehörte.
Zwischen dem Elbenprinzen und diesem anderen Elben, der von allen am lautesten stritt, bestand eine große Ähnlichkeit. Jedoch wirkte er älter, wenn bei Elben überhaupt von Alter sprechen konnte. Zumindest erweckte es bei Aylena den Eindruck durch seine Haltung und seine Augen, die einen weiseren und reiferen Ausdruck in sich hatten. Wahrscheinlich war es auch die offensichtlich Majestät, die er ausstrahlte, die ihn älter erscheinen ließ. Außerdem war sein Haar heller. Auf seinem Kopf trug er einen schmalen Goldreif, der vorn an der Stirn mit einem blinkenden, grünen Edelstein verziert war. Schlagartig wurde Aylena klar, dass es sich bei diesem Elben nur um Thranduil, den König des Düsterwaldes handeln konnte. Das Gesicht des anderen Elben, dessen Haar einen rötlichen Schimmer hatte, konnte sie nicht sehen, da er ihr den Rücken zuwandte. Jedoch redete auch er, genau wie der König, ernergisch auf den König des Düsterwaldes, der somit also der Vater des Prinzen Legolas war, ein.
Von ihr schien allerdings keiner Notiz zu nehmen. All diese hochgestellten Persönlichkeiten, die sich hier im Raum versammelt hatten und sie ganz offensichtlich nicht wahrnahmen... Aylena bis sich auf die Unterlippe und überlegte, was sie nun tun sollte. Nun, sie hatte schließlich den Prinzen gefunden und auf gewisse Art fühlte sie sich für ihn verantwortlich. Sie entschied sich also, dass es nicht schaden konnte, wenn sie blieb. Sie konnte nicht verstehen, warum am Bett eines Mannes, der offensichtlich Hilfe brauchte, so heftig gestritten wurde. Sie beobachtete, wie die Königin sich nun ebenfalls über Legolas beugte und ihre zarte Hand auf dessen Stirn legte. Aylena irritierte es, dass ihr dies einen leichten Stich in der Herzgegend versetzte.
'Ach, stell dich nicht an wie eine dumme Gans!', sagte sie zu sich selbst. 'Die beiden kennen sich sicher schon sehr lange und außerdem ist Frau Undomiel König Elessars Gemahlin.'
Mit einem Mal hatte sie jedoch das Gefühl, hier unerwünscht und unnütz zu sein also trat sie zurück und lehnte sich an die Wand, dennoch aufmerksam lauschend, was zwischen den hohen Herren vor sich ging.
~*~
"Thranduil! Sagt mir, dass es nicht euer Ernst sein kann, dass ihr Legolas nicht helfen wollt, sonst verliere ich meinen Glauben an eure Weisheit" redete Aragorn, König Elessar, wütend auf den König von Eryn Lasgalen ein.
Thranduil bemühte sich, eine gleichmütige Miene zu bewahren, doch seine leicht geröteten Wangen verrieten, dass er sehr wütend war. Er war wütend auf seinen Sohn, der offensichtlich durch die menschliche Gesellschaft in der er sich befunden hatte auch etwas von deren Schwäche angenommen hatte. Es mag sein, dass des einen Schwäche des anderen Stärke war, das wußte er, doch er hatte niemals geglaubt, dass sein Sohn, der in den Schlachten von Helms Klamm und auf den Pelennor-Feldern soviel Leid gesehen hatte, nicht mit dem Tod seiner Gemahlin fertig werden könnte.
"La, Aran Gondor! Ir awartham guil vîn an naergon, gweriam i firn.[2]" erwiderte Thranduil und verschränkte fast trotzig die Arme vor der Brust.
Aragorn blickte hilflos zu seiner Gemahlin und dann zu Caranlas, Legolas jüngerem Bruder, von dem er wußte, dass er dem Elbenprinzen sehr nahe stand. Doch auch Caranlas schien anscheinend nicht genau zu wissen, was er von dieser Situation halten sollte. Er wich dem Blick des gondorianischen Königs aus, suchte sich einen Punkt in dem Raum, der durch die vielen anwesenden Personen plötzlich sehr klein erschien, den er angestrengt fixieren konnte.
Schließlich mischte sich auch Haelir, der Ratgeber und Heiler König Thranduils, ein:
"Mein König Thranduil hat recht. Er hat sein Leben weggeworfen. Er hat entschieden, dass er das Geschenk des ewigen Lebens nicht annehmen will. Da ist ein großes Tabu und führt für gewöhnlich dazu, das ein Elb aus der Familie ausgeschlossen wird. Dies ist ein Fall, den wir in tausenden von Jahren nicht mehr hatten."
Bei jedem Wort, das Haelir sprach, nickte Thranduil zustimmend.
Doch zumindest an Caranlas' Haltung schien sich nun etwas zu ändern. Seine Schultern strafften sich und er wich einen Schritt vor seinem Vater zurück.
Aragorn versuchte abermals, Thranduil umzustimmen, von seinem eingeschlagenen Weg abzuweichen. Er argumentierte damit, dass auch Arwen sich entschieden hatte, ein sterbliches Leben an seiner Seite zu führen, doch Haelir erwiderte, dass dies etwas ganz anderes sei, die Dinge in dieser Sache ganz anders lagen und er nicht wußte, wie die Noldor aus Imladris es handhabten, wenn einer der ihren sich tatsächlich das Leben nehmen wollte.
"Nan... e ú ion lîn.[3]", warf Aragorn schließlich ein. Er hoffte, damit den König von Eryn Lasgalen doch noch umstimmen zu können.
Thranduil hob die Hand und brachte den überraschten Aragorn damit augenblicklich zum Schweigen. Wäre er schon länger König gewesen, hätte diese Geste ihn nicht zum Schweigen gebracht. Doch noch fehlte ihm die nötige Erfahrung. Er redete immerhin mit einem Gleichrangigen und dieser hatte eigentlich nicht das Recht, ihm das Wort zu verbieten.
Der König von Eryn Lasgalen senkte den Blick, damit der junge König von Gondor nicht sah, dass seine Augen feucht von Tränen wurden. Letzten Endes war auch sein Herz nicht aus Stein aber als König mußte er sich an die Gesetze seines Volkes halten. Wenn er als König dies nicht tat, welchen Grund sollte es dann für sein Volk geben, sich an alte Regeln zu halten?
Er erwiderte:
"E ú-vertha estad e iond nîn. Ú-voe istad man pada'odref[4]."
Caranlas hob überrascht den Kopf. Der Blick, den er seinem Vater zuwarf war zutiefst verwirrt. Er wußte, wie sehr Thranduil seinen ältesten Sohn liebte und dass er selbst niemals in der Lage war, seinen Bruder zu ersetzen. Er wollte es auch gar nicht. Legolas hatte einen Fehler gemacht aber die Zeiten nach dem großen Krieg hatten sich verändert und Caranlas fand, dass es auch für die Elben Zeit war, sich von alten Traditionen zu verabschieden.
"Edair, ae barthach ten, barthach nin[5].", drohte er.
Ein Zucken um Thranduils Mundwinkel und der ungläubige Blick in seinen Augen verriet Caranlas, der seinen Vater gut kannte, wie aufgewühlt dieser innerlich war. Zunächst war Thranduil auch erschrocken, doch dann blickte er seinem jüngeren Sohn direkt ins Gesicht und sagte:
"Dann sei es so! Wenn Iluvatar es so will, verliere ich beide Söhne an einem Abend."
Daraufhin gab er Haelir ein Zeichen, ihm zu folgen.
"Komm Haelir, wir verlassen noch heute Nacht Minas Tirith. Ich will nicht mehr an die Schande meines Sohnes erinnert werden."
Aylena, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten, konnte jetzt einfach nicht länger schweigen. Sie hatte gehört, was der Elb gesagt hatte, der offensichtlich der Berater des Königs des Waldland-Reiches war, und es machte sie wütend. Sie konnte nicht verstehen, dass ein Führer aus dem Volk, dass sie immer für besonders einfühlsam gehalten hatte, so hartherzig sein konnte. Offensichtlich wollte er seinen eigenen Sohn seinem Schicksal überlassen.
Mit geballten Fäusten trat sie vor und rief:
"Bei allem, was euch heilig ist. Wie könnt ihr es fertig bringen, am Bett eures kranken Sohnes zu stehen und darüber zu streiten, ob man ihm helfen soll oder nicht. Ihr sprecht über ihn, als sei er bereits tot. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich kann nicht glauben, dass ihr wirklich so hartherzig seid."
Viel zu spät erkannte sie, dass sie wieder einmal in einer Situation etwas gesagt hatte, in der es ihr besser angestanden hätte, zu schweigen. Wer war sie denn, dass sie Königen Befehle erteilen konnte.
Thranduil blieb, wie vom Blitz getroffen, im Türrahmen stehen und drehte sich langsam zu ihr um. Offensichtlich konnte er gar nicht glauben, dass eine fremde Person, ein junges unscheinbares Mädchen, die Dreistigkeit besass, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Er sagte:
"Menschenmädchen, ich denke nicht, das irgend etwas, was ihr sagt, etwas an meiner Entscheidung ändern kann. Ihr habt keine Kenntnis von unserer Art und wie wir leben."
Nun ging Thranduil tatsächlich und ließ Caranlas, Gimli, Arwen und Aragorn ratlos zurück. Aragorn schlug wutentbrannt mit der Faust gegen das Holz des Türrahmes. Arwen legte einen Arm um seine Hüfte und flüsterte leise:
"Hebo idh. Iston ben, bôl hannad.[6]"
Aragorn blickte seine Gemahlin an und Verständnis leuchtete in seinen Augen auf. Natürlich! Warum hatte er nicht früher daran gedacht. Sein elbischer Schwiegervater war ja ebenfalls ein ausgezeichneter Heiler.
Überraschenderweise wandte sich die Königin nun an Aylena.
"Aylena aus Rohan, nicht wahr? Ich bewundere euren Mut, wenige hätten sich zugetraut Thranduil die Meinung zu sagen, denn in seiner Wut ist er wie eine Sturmwolke und seine Engstirnigkeit in vielen Dingen sucht seinesgleichen. Wenn euch Legolas' Gesundheit so sehr am Herzen liegt, seid so gut und gebt auf ihn acht. Bei euch weiß ich ihn in guten Händen."
Arwens sanfte Worte, beruhigten Aylena und sie entspannte sich. Schließlich umarmte sie Aylena wie eine alte Freundin. Dann ging sie zu ihrem Gemahl, ergriff seine Hand und sagte:
"Liebster, laß uns Vater holen."
Aylena blinzelte. Sie kam sich vor, wie in einem Traum, allerdings wußte sie noch nicht, ob es ein guter oder ein schlechter war. Sie war jetzt für das Wohlergehen eines Elbenprinzen verantwortlich.
"Und dann sagt man den Zwergen nach, sie seien stur. Aber Mädchen... ihr seht ja, es sind nicht alle Elben so, wie der Vater meines hochwohlgeborenen Freundes", brummte der Zwerg.
Sie hatte gar nicht mehr an ihn gedacht. Aylena lächelte ihn schüchtern an, weil sie immer noch nicht ihre Sprache wiedergefunden hatte.
"Gimli Gloinssohn, hübsche Dame, zu euren Diensten. Mein Freund Legolas ist noch niemals ein wirklich unterhaltsamer Gesprächspartner gewesen, doch im Moment erscheint mir seine Gesellschaft wirklich einschläfernd zu sein. Es ist nicht so, dass ich euch nicht vertraue, doch auch ich mache mir Sorgen um meinen Freund... nun ja, was er natürlich nicht erfahren soll. Also, nun, wenn er die Augen öffnet, dann möchte ich zur Stelle sein, um ihm auf meine charmante, zwergische Art mal ein paar Takte zu sagen, wenn ihr versteht, was ich meine."
Der Zwerg brachte es fertig, ein zuversichtliches Lächeln auf Aylenas Lippen zu zaubern. Er war ihr auf Anhieb sympathisch.
Während er seine große, zweischneidige Axt, die er nicht einmal auf einer so hoch offiziellen Feier wie der Krönungszeremonie und Vermählung des Königs von Gondor aus den Händen gab, in eine Ecke des Zimmers stellte, murmelte er so etwas vor sich hin wie '... zur Strafe die güldenen Locken auf eine Handbreit kürzen...' und noch andere Dinge, die ihr eigentlich genau das Gegenteil über ihn verrieten, nämlich, dass er den Elben sehr gern hatte.
Schließlich machte er sich es in einem ledernen Sessel gemütlich, legte seine Stiefel auf den Schreibtisch, der dem Bett gegenüberstand und verschränkte die Hände vor seinem stattlichen Bauch.
"Wollt ihr vielleicht hören, was ich mit diesem spitzohrigen Dummkopf schon alles erlebt habe? Ich kann euch Geschichten erzählen... wenn das hier auch die Krönung ist", fragte er.
Obwohl Aylena nicht glaubte, dass er ihre Antwort wirklich abwarten wollte, erwiderte sie:
"Ja, gerne! Man hört sehr viel von dem, was im Krieg geschehen ist, doch ich glaube, vieles ist übertrieben. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, Geschichten aus dem Mund eines wahren Kriegshelden zu hören."
Gimli brummte zufrieden:
"Ähem.. Oho, ihr schmeichelt mir! Aber... nun laßt mich erzählen. Also, es begann alles mit dem Rat von Herrn Elrond. Elben! Ich mußte nach Bruchtal wo es von Elben nur so wimmelte, mein Vater Gloin, der Herr vom Blauen Berg, hatte mich als Botschafter geschickt. Alles in mir hat sich dagegen gesträubt... Elben, diese hochmütigen, besserwisserischen..."
Der Zwerg hielt in seiner Erzählung inne, als eben der Elb, von dem er gerade gesprochen hatte im Türrahmen stand.
Mit einem Blick, der nur als amüsiert zu deuten war, forderte Elrond o Imladris den Zwerg auf:
"Sprecht nur weiter, Gimli Gloins Sohn, es interessiert mich doch sehr, wie ihr das Volk das Elben seht."
Brummend verdrehte Gimli die Augen und erwiderte:
"Ihr wißt genau, dass ich nur übertrieb, um der jungen Dame deutlich zu machen, was ich vor einem einem halben Jahr noch von Elben hielt. Im übrigen seid ihr hier um Legolas zu helfen, also macht schon."
Auch König Elessar und Königin Arwen waren zurückgekehrt und stellten sich nun zu Gimli und Aylena.
Diese war beeindruckt von dem Herrn der Noldor in Bruchtal. Anders als der Vater des Prinzen hatte er ein durch und durch einnehmendes Wesen. Sie konnte kaum glauben, dass er der Vater der Königin sein sollte, wirkte er doch selbst kaum älter als sie.
Elrond beugte sich über Legolas und nahm die Stoffstreifen von seinen Handgelenken, mit denen Aylena sie eilig verbunden hatte. Er rieb die Wunden wortlos mit einer hellen, wohlriechenden Salbe ein und verband sie mit frischen Bandagen. Als nächstes zauberte er aus seinem Gewand eine Phiole mit einer tiefroten Flüssigkeit hervor, die er dem Prinzen einflößte.
"Mehr kann ich nicht für ihn tun. Die Wunden an seinen Handgelenken sind es nicht, die ihn umbringen können. Sie wurden instinktiv richtig versorgt", sagte Elrond schließlich und nickte Aylena anerkennend zu. "Es ist vielmehr so, dass er keinen Lebenswillen mehr hat. Dazu muß man allerdings kein Hellseher sein, ein wacher Verstand und Einfühlungsvermögen sagen einem dies schnell. Ich habe ihm ein Mittel gegeben, das seine Träume unterdrückt. Er sollte bald aufwachen aber ich möchte, dass dann jemand bei ihm ist."
Aylena war mehr als überrascht, als alle Blicke mit einem Mal auf ihr ruhten.
~*~
Der Zwerg Gimli hatte es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, bei Legolas zu bleiben. Aber in dem Stuhl, in dem er es sich bequem gemacht hatte, war er bald eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin. Auch der Elbenprinz selbst schien jetzt ganz ruhig zu schlafen. Sein Fieber war zurückgegangen und laut Herrn Elrond sollte sein Schlaf auch tief und traumlos sein. Aufgrund dieser Angaben einigermaßen beruhigt, hatte Aylena die Vorhänge an den Fenstern zurückgezogen und sich auf eines der Simse gesetzt. Unter ihr leuchteten noch vereinzelt Lichter in der Stadt und über ihr leuchteten die Sterne und ein bescheidener Sichelmond. Aylena jedoch liebte die Nächte, in denen der Mond noch nicht seine volle Gestalt angenommen hatte. Man konnte in diesen Nächten mehr Sterne sehen als sonst. Das erste Mal in diesem Abend atmete Aylena tief durch, sog mit geschlossenen Augen die frische Nachtluft ein. Es war schon sehr spät und sie merkte, dass sie fürchterlich müde war. Am liebsten würde sie es dem Zwerg gleich tun und die Augen zu einem erholsamen Schlaf schließen.
Um sich wachzuhalten, sang sie leise ein sehr altes Lied vor sich her, dass sie an ihre Heimat Rohan erinnerte.
Du bist mein Herz, meine Seele und mein Traum,
das Segelschiff auf meinem Ozean.
Schlachtfelder voller Blut und Schmerz, doch immer noch halte ich
deine Flagge ohne Schande.
Ich will deine Liebe und erhalte deinen Schmerz....
Während sie leise sang, erwachte Legolas. Zunächst wußte er nicht, wo er war, doch dann fiel es ihm wieder ein. Er war in seinen Gemächern in Minas Tirith. Er hatte versucht, sich das Leben zu nehmen, um endlich wieder mit Arinwë vereint zu sein. Doch irgend jemandem mußte es gelungen sein, ihm am leben zu halten. Ein leises Schnarchen aus der Ecke, in der der Sekretär stand, ließ seinen Blick dorthin wandern und mußte sogar ein wenig lächeln, als er Gimli dort in sich zusammengesunken schlafen sah. Doch was sein Interesse noch viel mehr anzog war der leise Gesang, der vom Fenster her kam. Selbst in der Dunkelheit konnte er das kupferrote Haar des Mädchens erkennen, das auf dem Fenstersims saß und leise sang.
Legolas stöhnte auf:
"Und ich dachte, es sei Arinwë, die gekommen sei."
Aylena erschrak. Zwar hatte Herr Elrond gesagt, dass er aufwachen würde aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so bald sein würde. In einem Satz war sie von der Fensterbank gesprungen und zu seinem Bett geeilt.
Glücklich flüsterte sie:
"Herr, ich bin so froh, dass es euch besser geht. Ihr habt mir und euren Freunden einen großen Schrecken eingejagt. Es ist ein Glück, dass Herr Elrond gekommen ist. Seine Medizin muß sehr schnell gewirkt haben."
Legolas versuchte sich aufzusetzen, doch Aylena schüttelte den Kopf und drückte ihn sanft zurück in die Kissen.
"Noch nicht. Erst wenn Herr Elrond euch erlaubt, das Bett zu verlassen", sagte sie.
Der Elbenprinz wirkte ein wenig verwirrt. Seine Stirn legte sich in Falten, als er auf seine bandagierten Handgelenke schaute. Dann sah er Aylena an und der Blick in seinen Augen schien sie vollkommen zu durchdringen. Diese Augen jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken, der aber nicht unangenehm war.
"Ihr wart es, nicht wahr? Ihr habt mich geküßt! Warum?"
Aylena überlegte einen kurzen Moment. Schließlich wußte sie selbst nicht, warum sie es getan hatte. Sie dachte auch darüber nach, ob sie ihrem Patienten sagen sollte, was vor wenigen Stunden geschehen war. Das sein Vater abgereist war und seinen Sohn seinem Schicksal überlassen hatte. Sie entschied sich dafür, es nicht zu tun. Das war Sache von anderen, ihm davon zu berichten.
"Ich weiß es nicht", antwortete sie schließlich. "Ich tat es um euch den Schmerz zu nehmen, wenn das überhaupt möglich ist. Es war dumm von euch zu glauben, das der Freitod euch alles erleichtern würde. Das wissen sogar die Sterblichen. Ja, es gibt Fälle, in denen einige von uns sich nicht daran erinnern... ich glaube, ihre kurze Lebensspanne erleichtert diesen armen Seelen ihre Entscheidung."
Legolas Herz verkrampfte sich. Was hatte er nur für eine Dummheit begangen? Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er senkte den Kopf und schlug die Hände vor sein Gesicht. Niemals, niemals hätte er so weit gehen dürfen. Seine Schultern begannen zu beben, als die lange zurückgehaltenen Tränen sich einen Weg bahnten. Tränen, denen er schon von Anfang an den Weg aus seinem Herzen hätte erlauben sollen um die Trauer und den Schmerz fortzuspülen, und die ihm ein gewisses Mass an Erleichterung verschafft hätten. Statt dessen hatte er seine Trauer und seinen Schmerz in seinem Herzen eingesperrt bis sie so übermächtig geworden waren, dass er die Kontrolle darüber verloren hatte. Warum mußte ausgerechnet ein junges Mädchen aus Rohan ihm seine Unzulänglichkeit vor Augen führen?
Aylena betrachtete den weinenden Prinzen still. Sie hoffte, dass ihm klargeworden war, dass er einen Fehler gemacht hatte. Schließlich blickte er sie aus tränenverklärten Augen an und sagte leise zu ihr:
"Ich will euch nicht meine Gefühle erklären, denn ihr werdet sie wahrscheinlich niemals verstehen. Ich will heute Nacht nur nicht allein sein, es ist mir egal, ob es richtig oder falsch ist. Bitte bleibt heute Nacht bei mir, bleibt bis es wieder Tag ist."
Aylena nickte. Diese Bitte würde sie ihm kaum ausschlagen. Herr Elrond selbst hatte ebenfalls ausdrücklich darum gebeten, den Prinzen nicht allein zu lassen.
"Ich werde bleiben", sagte sie leise. ----------------------- [1] Haelir bedeutet im übrigen sogar Ratgeber. Ich fand, dass es auch als Name passen würde [2] Nein! König von Gondor, wenn wir aus Trauer unser Leben aufgeben, verraten wir die Verstorbenen(und dennoch legen sie sich einfach zum Streben hin wenn sie das Leben in Mittelerde nicht mehr ertragen oder segeln davon,um in Valinor nur noch mit den dumpfen erinnerungen dieses Lebens umgehen zu muessen,was man auch wiederum als Schwaeche auslegen kann ,da das denselben Effekt hat,naemlich dasm an nicht mit dem Problem das man hat umgehen un leben muss,und Legolas hat lediglich die schnellere Variante der Menschen Gewaehlt) [3] Nan... e ú ion lîn = Aber. er ist euer Sohn [4] E ú-vertha estad e iond nîn. Ú-voe istad man pada'odref = Er ist nicht mehr mein Sohn. Es ist mir egal, was mit ihm geschieht. [5] Edair, ae barthach ten, barthach nin = Vater, wenn du ihn verstößt, verstößt du auch mich. [6] Hebo idh. Iston ben, bôl hannad = Bitte rege dich nicht auf. Ich kenne jemanden, der helfen kann
HILFERUF! Gabi, mein liebes Beta! Wenn Du das liest, dann melde dich bitte per E-Mail bei mir. Ich habe einen neuen Rechner gekauft und mein Mann hat auf auf dem alten Computer Laufwerk C formatiert und damit waren auch alle meine E-Mail- Adressen zum Teufel.
Kapitel 6
... um euch den Schmerz zu nehmen
Sin, i gerir dhuath, thia no min calad a sin, i mathar dravad chuin îs,
cuiar.
Jene, die Schatten werfen, scheinen im Licht zu sein und jene, die das
Schlagen ihres Herzens spüren, leben.
...'Tiefer und immer tiefer in die Dunkelheit sank er. Das waren nicht Mandos' Hallen, wie sie in den Geschichten seiner Vorfahren beschrieben wurden. Dennoch empfing er die lichtlose Leere, die ihn umgab mit offenen Armen. Frei von Schmerz und unerfüllter Sehnsucht war er. Er schaute herab und konnte unter sich keinen Boden ausmachen. Auch waren über ihm keine Sterne, nur absolute Dunkelheit. Hier gab es keinen Wind, keine Düfte, keine Töne, nichts was von der Stille ablenken konnte. Dies war eine Stille die er nicht mehr gespürt hatte seid er vom Tod Arinwës erfahren hatte, denn seit diesem Moment befand sich seine Seele in einem verzweifelten Aufruhr, und schien immerfort von Schmerzensschreien gepeinigt zu werden die nur ein Wiederhall seiner eigenen Schreie in der Einsamkeit seines Herzens waren und ihn nicht zur Ruhe kommen ließen. Es war erschreckend... und schön zugleich. Eigentlich jedoch hätte er sich von den Geschichten seiner Ahnen verraten fühlen müssen, denn er wurde nicht von Arinwë erwartet. Aber sein Herz war leicht und frei von Pein. Es war niemand hier, der von ihm verlangte, darüber nachzudenken, ob das, was er getan hatte, richtig war. Es war unglaublich aber... es war ihm mit einem Mal alles gleichgültig. Er schloß die Augen und gab sich der Dunkelheit hin'...
Der Elbenprinz hatte wirklich großes Glück gehabt, dass Aylena doch noch einmal zurückgekehrt war, um sich für ihre barschen Worte zu entschuldigen. Er hatte sie zwar beleidigt, doch er war eben auch ein Prinz, ein elbischer noch dazu, und sie hatte einfach nicht das Recht, so mit ihm zu sprechen. Sie hatte leise an seiner Tür geklopft und gesagt, dass sie gekommen wäre, um sich zu entschuldigen. Doch er hatte ihr nicht geantwortet. Er konnte sein Zimmer nicht verlassen haben, sie hätte doch die Türe gehört und selbst ein Elb konnte wohl nicht so schnell einschlafen - schliefen Elben überhaupt? Sie hatte einige Sekunden überlegt, ob sie das Zimmer betreten sollte, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Die Türe jedenfalls war nicht verschlossen. Als sie ihn fand, lag er in seinem eigenen Blut. Zunächst konnte sie einfach nicht glauben, was sie sah, dann war sie panisch vor Angst auf die Knie gefallen und hatte um Hilfe geschrien. Zunächst war niemand gekommen und als sie ihren ersten Schrecken überwunden hatte, tat sie das einzig richtige. Sie riss ohne zu überlegen ihren Unterrock in Streifen und verband damit die tiefen Schnitte an seinen Handgelenken, die er sich selbst zugefügt hatte. Schließlich war der stämmige, rotbärtige Zwerg aufgetaucht, an dessen Gesicht sie sich ebenfalls noch erinnern konnte. Auch er hatte bei der Schlacht um Helm's Klamm gekämpft. Er hatte fürchterlich und lautstark geflucht, sowohl in Westron, als auch in allen, ihm bekannten Sprachen, als er gewahr wurde, was der Elb sich angetan hatte. Er erklärte Aylena sogleich, dass er so etwas schon befürchtet hatte, weswegen er seinen elbischen Freund an diesem Abend nicht aus den Augen gelassen hatte, doch plötzlich wäre er spurlos verschwunden gewesen. Der Zwerg schimpfte, er hätte keine Ahnung, wie der Elb es immer wieder schaffte zu verschwinden, ohne dass er es bemerkte. Er half Aylena den Prinzen auf dessen Bett zu legen. Für einen kurzen Moment hatte Legolas die Augen geöffnet und mit Entsetzen hatte Aylena den fiebrigen Glanz darin bemerkt.
"Es geht ihm gar nicht gut. Ich weiß nicht, wie sehr ein Elb leiden kann und für welche Krankheiten sie anfällig sind aber mir scheint, er hat Fieber", hatte sie dem Zwergen gesagt.
Mit kurzen aber schnellen Schritten war dieser sofort losgelaufen, um Hilfe zu holen. Er sagte, das Haelir[1], der Berater des Vaters des Prinzen, ein ausgezeichneter Heiler sei und er ihn holen würde.
Das war nun schon fast eine Stunde her und seitdem hatte sich der Zustand des Prinzen nicht verändert. Aylena hatte sich in einem Lehnstuhl neben dem Bett niedergelassen und wachte über den blonden Elben. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn, warf sich im Fieber hin und her und murmelte hin und wieder unverständliche Dinge in Elbisch. Sie stand auf und feuchtete ein Tuch an, mit dem sie ihm die Stirn abtupfte. Anschließend rückte sie das seidene Kissen unter seinem Kopf zurecht.
"Wie sehr muß euer Herz leiden, dass ihr euch euer unsterbliches Leben nehmen wollt, Prinz des Waldes? Ist es denn nicht ein Geschenk?" fragte sie während sie das tat.
Als sie sich so fürsorglich über ihn beugte, schaute sie sich das erste Mal sein Gesicht wirklich aufmerksam an. Sie hatte zwar schon viel von der Schönheit der Elben gehört und sich inzwischen auch von der Richtigkeit dessen, was gesagt wurde, überzeugen können, doch sie hatte noch nie einen Elben gesehen, der so von innerer Schönheit strahlte wie der traurige Prinz aus dem Düsterwald. Seine äußerliche Schönheit war nur ein für alle sichtbarer Spiegel seiner reinen und empfindamen Seele, die sich durch seine unglaublich ausdrucksvollen Augene einen noch stärkeren Weg in die äußere Welt bahnte. Die dunklen Augenbrauen wölbten sich in einem perfekten Bogen über seine Augen, die - wie sie wußte - von strahlendstem Blau waren und von geraden, dunklen Wimpern umgeben waren. Obwohl er sehr schmale Lippen hatte, wirkte sein Mund dennoch sinnlich. Sie stellte sich vor, das sein langes, blondes Haar weich wie Seide sein mußte, sie wagte nicht, es zu berühren. Er erschien ihr so sanft und doch so männlich. Verblüfft darüber, auf welche Art sie den Prinzen betrachtete, schlug sie die Hand vor den Mund. Bei allen guten... warum interessierte sie sich denn so für ihn? Aber es wärmte ihr Herz, ihn zu betrachten, ihn einfach nur in ihrer Nähe zu wissen, selbst in dem Zustand, in dem er sich jetzt befand. Wie konnte man ein solch makelloses Wesen, eine solch starke Persönlichkeit nicht lieben? Allein die Tatsache, dass er an der Rettung Mittelerdes mitgewirkt hatte, machte ihn schließlich zu einem strahlenden Helden und Helden liebte man nun einmal. Ihnen zu Ehren schrieb man ihre Geschichten nieder, ersann Lieder für sie... war es daher nicht recht und billig, so etwas wie Liebe im entferntesten Sinne für sie zu empfinden?
Dass dieser Held jetzt so blass und krank daniederlag, sich in einem Geisteszustand befand, in dem er gar so weit ging, sich selbst das Leben nehmen zu wollen, brach ihr fast das Herz. Jemand, der dafür gesorgt hatte, das Menschen, Zwerge und Elben in Mittelerde wieder glücklich sein konnten, durfte nicht solche Qualen erleiden.
Sie hatte keine Ahnung, warum sie es tat aber sie beugte sich noch näher zu ihm und war wie hypnotisiert von dem herben Duft nach Wald, der ihm anhaftete. Erschrocken stellte sie fest, dass auch an seinen Haaren Blut klebte. Sie nahm das Tuch wieder zur Hand. Einen Moment zögerte sie, doch dann entschied sie, dass sie das nicht einfach so lassen konnte und begann sein Haar zu reinigen. Sie hatte mit ihrer Vermutung richtig gelegen. Sein Haar war wunderbar weich. Ehe sie noch darüber nachdenken konnte, hatte sie ihn zart auf den Mund geküßt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, so weich waren seine Lippen und gleichzeitig so kalt. Es war fast so, als würden seine Lebensgeister seinen Körper unbedingt verlassen wollen.
"Ich wünschte, ich könnte euch etwas von meinem Lebenswillen geben aber ich bin keine Elbin, ich bin nicht einmal besonders bewandert in der Kräutermedizin.", seufzte sie und schalt sich selbst insgeheim dafür, dass sie bei der alten Margra, die in den Haushalt ihres Vater gekommen war, nachdem ihre Mutter gestorben war, nie wirklich zugeschaut hatte, wenn sie mit den Kräutern hantiert hatte.
Sie erschrak, als er plötzlich seine beunruhigend blauen Augen öffnete und sie direkt anschaute.
Seine Stimme war sehr schwach aber dennoch konnte sie das eine Wort, das er sagte, ganz deutlich verstehen: Arinwë.
Für einen Moment keimte Hoffnung in ihr auf.
"Nein, das bin ich nicht. Mein Name ist Aylena. Wisst ihr noch? Das Mädchen aus Rohan."
Als er darauf nicht reagierte, schloß sie daraus, dass er wohl im Fieber gesprochen haben mußte. Er stöhnte leise auf und seine Augen schlossen sich wieder.
Aylena überlegte, was sie noch tun konnte. Ungeduldig ging sie in dem Gemach auf und ab. In ihren Händen zerknüllte sie das Tuch, mit dem sie dem Prinzen die Stirn gekühlt hatte.
'Der Zwerg läßt aber auch wirklich lange auf sich warten. Er muß doch nicht durch ganz Mittelerde reisen um diesen Elbenheiler aufzutreiben!', dachte sie wütend.
~*~
...'Plötzlich war da ein Licht, blendend hell. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er gegen das Strahlen an. Er sehnte sich die gnadenvolle Dunkelheit wieder herbei. Aber dann... konnte es wirklich möglich sein? War es wirklich Arinwë, die endlich gekommen war, um ihn in Mando's Hallen zu geleiten. "Ich freue mich, dass du endlich kommst. Ich hätte ohne dich den Weg in dieser lichtlosen Leere nicht gefunden", gab er zu. Sie sagte kein Wort. Sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und küßte ihn dann sanft. Das Licht war so hell. War sie es wirklich? Legolas hätte fast über sich selbst gelacht. Wer sollte es denn sonst sein. Wer sollte ihn denn schon erwarten?'...
~*~
Aylena hatte sich einen Stuhl an das Bett gezogen und sich neben den Prinzen gesetzt. Er hatte wieder diesen Namen geflüstert, wobei seine Stimme fast verzweifelt klang, und dann seine Hand nach ihr ausgestreckt. Sie hatte ihre Hand in seine gelegt und sogleich hatte er sich beruhigt.
Als sie Schritte vernahm, die sich schnell näherten, ließ sie seine Hand erschrocken los und sprang von dem Stuhl auf. Ganz deutlich konnte sie die knurrende Stimme des Zwergen vernehmen. Doch sie hörte auch König Aragorn, der sich heftig mit einem anderen Mann in der elbischen Sprache stritt.
Es waren sechs Personen, die schließlich das Gemach betraten. Zum einen der Zwerg, der offensichtlich ebenso zu den Freunden des Elbenprinzen gehörte wie der König von Gondor, der ebenfalls gekommen war in Begleitung seiner elbischen Frau. Als beeindruckend empfand Aylena allerdings die Erscheinung der anderen drei Personen, die gekommen waren. Alle waren sie Elben, hochgewachsen und gut gekleidet. Während der eine jedoch still im Hintergrund blieb, stritt der andere, selbst nach Betreten des Raumes, immer noch mit dem König und dem weiteren Elben. Nur an der Art, wie sich bei manchem, was gesagt wurde, seine Stimme hob und senkte und daran, das sein Gesicht leicht gerötet war, konnte Aylena erkennen, dass er wirklich aufgebracht war. Sie fand das ziemlich ungewöhnlich, denn immerhin war eines der vielen Dinge, die sie über Elben erfahren hatte, das sie von einer inneren Ruhe und Beherrschtheit waren, die Menschen nicht einmal in der Lage waren, zu verstehen. Offensichtlich eine Behauptung, die in das Reich der Legenden gehörte.
Zwischen dem Elbenprinzen und diesem anderen Elben, der von allen am lautesten stritt, bestand eine große Ähnlichkeit. Jedoch wirkte er älter, wenn bei Elben überhaupt von Alter sprechen konnte. Zumindest erweckte es bei Aylena den Eindruck durch seine Haltung und seine Augen, die einen weiseren und reiferen Ausdruck in sich hatten. Wahrscheinlich war es auch die offensichtlich Majestät, die er ausstrahlte, die ihn älter erscheinen ließ. Außerdem war sein Haar heller. Auf seinem Kopf trug er einen schmalen Goldreif, der vorn an der Stirn mit einem blinkenden, grünen Edelstein verziert war. Schlagartig wurde Aylena klar, dass es sich bei diesem Elben nur um Thranduil, den König des Düsterwaldes handeln konnte. Das Gesicht des anderen Elben, dessen Haar einen rötlichen Schimmer hatte, konnte sie nicht sehen, da er ihr den Rücken zuwandte. Jedoch redete auch er, genau wie der König, ernergisch auf den König des Düsterwaldes, der somit also der Vater des Prinzen Legolas war, ein.
Von ihr schien allerdings keiner Notiz zu nehmen. All diese hochgestellten Persönlichkeiten, die sich hier im Raum versammelt hatten und sie ganz offensichtlich nicht wahrnahmen... Aylena bis sich auf die Unterlippe und überlegte, was sie nun tun sollte. Nun, sie hatte schließlich den Prinzen gefunden und auf gewisse Art fühlte sie sich für ihn verantwortlich. Sie entschied sich also, dass es nicht schaden konnte, wenn sie blieb. Sie konnte nicht verstehen, warum am Bett eines Mannes, der offensichtlich Hilfe brauchte, so heftig gestritten wurde. Sie beobachtete, wie die Königin sich nun ebenfalls über Legolas beugte und ihre zarte Hand auf dessen Stirn legte. Aylena irritierte es, dass ihr dies einen leichten Stich in der Herzgegend versetzte.
'Ach, stell dich nicht an wie eine dumme Gans!', sagte sie zu sich selbst. 'Die beiden kennen sich sicher schon sehr lange und außerdem ist Frau Undomiel König Elessars Gemahlin.'
Mit einem Mal hatte sie jedoch das Gefühl, hier unerwünscht und unnütz zu sein also trat sie zurück und lehnte sich an die Wand, dennoch aufmerksam lauschend, was zwischen den hohen Herren vor sich ging.
~*~
"Thranduil! Sagt mir, dass es nicht euer Ernst sein kann, dass ihr Legolas nicht helfen wollt, sonst verliere ich meinen Glauben an eure Weisheit" redete Aragorn, König Elessar, wütend auf den König von Eryn Lasgalen ein.
Thranduil bemühte sich, eine gleichmütige Miene zu bewahren, doch seine leicht geröteten Wangen verrieten, dass er sehr wütend war. Er war wütend auf seinen Sohn, der offensichtlich durch die menschliche Gesellschaft in der er sich befunden hatte auch etwas von deren Schwäche angenommen hatte. Es mag sein, dass des einen Schwäche des anderen Stärke war, das wußte er, doch er hatte niemals geglaubt, dass sein Sohn, der in den Schlachten von Helms Klamm und auf den Pelennor-Feldern soviel Leid gesehen hatte, nicht mit dem Tod seiner Gemahlin fertig werden könnte.
"La, Aran Gondor! Ir awartham guil vîn an naergon, gweriam i firn.[2]" erwiderte Thranduil und verschränkte fast trotzig die Arme vor der Brust.
Aragorn blickte hilflos zu seiner Gemahlin und dann zu Caranlas, Legolas jüngerem Bruder, von dem er wußte, dass er dem Elbenprinzen sehr nahe stand. Doch auch Caranlas schien anscheinend nicht genau zu wissen, was er von dieser Situation halten sollte. Er wich dem Blick des gondorianischen Königs aus, suchte sich einen Punkt in dem Raum, der durch die vielen anwesenden Personen plötzlich sehr klein erschien, den er angestrengt fixieren konnte.
Schließlich mischte sich auch Haelir, der Ratgeber und Heiler König Thranduils, ein:
"Mein König Thranduil hat recht. Er hat sein Leben weggeworfen. Er hat entschieden, dass er das Geschenk des ewigen Lebens nicht annehmen will. Da ist ein großes Tabu und führt für gewöhnlich dazu, das ein Elb aus der Familie ausgeschlossen wird. Dies ist ein Fall, den wir in tausenden von Jahren nicht mehr hatten."
Bei jedem Wort, das Haelir sprach, nickte Thranduil zustimmend.
Doch zumindest an Caranlas' Haltung schien sich nun etwas zu ändern. Seine Schultern strafften sich und er wich einen Schritt vor seinem Vater zurück.
Aragorn versuchte abermals, Thranduil umzustimmen, von seinem eingeschlagenen Weg abzuweichen. Er argumentierte damit, dass auch Arwen sich entschieden hatte, ein sterbliches Leben an seiner Seite zu führen, doch Haelir erwiderte, dass dies etwas ganz anderes sei, die Dinge in dieser Sache ganz anders lagen und er nicht wußte, wie die Noldor aus Imladris es handhabten, wenn einer der ihren sich tatsächlich das Leben nehmen wollte.
"Nan... e ú ion lîn.[3]", warf Aragorn schließlich ein. Er hoffte, damit den König von Eryn Lasgalen doch noch umstimmen zu können.
Thranduil hob die Hand und brachte den überraschten Aragorn damit augenblicklich zum Schweigen. Wäre er schon länger König gewesen, hätte diese Geste ihn nicht zum Schweigen gebracht. Doch noch fehlte ihm die nötige Erfahrung. Er redete immerhin mit einem Gleichrangigen und dieser hatte eigentlich nicht das Recht, ihm das Wort zu verbieten.
Der König von Eryn Lasgalen senkte den Blick, damit der junge König von Gondor nicht sah, dass seine Augen feucht von Tränen wurden. Letzten Endes war auch sein Herz nicht aus Stein aber als König mußte er sich an die Gesetze seines Volkes halten. Wenn er als König dies nicht tat, welchen Grund sollte es dann für sein Volk geben, sich an alte Regeln zu halten?
Er erwiderte:
"E ú-vertha estad e iond nîn. Ú-voe istad man pada'odref[4]."
Caranlas hob überrascht den Kopf. Der Blick, den er seinem Vater zuwarf war zutiefst verwirrt. Er wußte, wie sehr Thranduil seinen ältesten Sohn liebte und dass er selbst niemals in der Lage war, seinen Bruder zu ersetzen. Er wollte es auch gar nicht. Legolas hatte einen Fehler gemacht aber die Zeiten nach dem großen Krieg hatten sich verändert und Caranlas fand, dass es auch für die Elben Zeit war, sich von alten Traditionen zu verabschieden.
"Edair, ae barthach ten, barthach nin[5].", drohte er.
Ein Zucken um Thranduils Mundwinkel und der ungläubige Blick in seinen Augen verriet Caranlas, der seinen Vater gut kannte, wie aufgewühlt dieser innerlich war. Zunächst war Thranduil auch erschrocken, doch dann blickte er seinem jüngeren Sohn direkt ins Gesicht und sagte:
"Dann sei es so! Wenn Iluvatar es so will, verliere ich beide Söhne an einem Abend."
Daraufhin gab er Haelir ein Zeichen, ihm zu folgen.
"Komm Haelir, wir verlassen noch heute Nacht Minas Tirith. Ich will nicht mehr an die Schande meines Sohnes erinnert werden."
Aylena, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten, konnte jetzt einfach nicht länger schweigen. Sie hatte gehört, was der Elb gesagt hatte, der offensichtlich der Berater des Königs des Waldland-Reiches war, und es machte sie wütend. Sie konnte nicht verstehen, dass ein Führer aus dem Volk, dass sie immer für besonders einfühlsam gehalten hatte, so hartherzig sein konnte. Offensichtlich wollte er seinen eigenen Sohn seinem Schicksal überlassen.
Mit geballten Fäusten trat sie vor und rief:
"Bei allem, was euch heilig ist. Wie könnt ihr es fertig bringen, am Bett eures kranken Sohnes zu stehen und darüber zu streiten, ob man ihm helfen soll oder nicht. Ihr sprecht über ihn, als sei er bereits tot. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich kann nicht glauben, dass ihr wirklich so hartherzig seid."
Viel zu spät erkannte sie, dass sie wieder einmal in einer Situation etwas gesagt hatte, in der es ihr besser angestanden hätte, zu schweigen. Wer war sie denn, dass sie Königen Befehle erteilen konnte.
Thranduil blieb, wie vom Blitz getroffen, im Türrahmen stehen und drehte sich langsam zu ihr um. Offensichtlich konnte er gar nicht glauben, dass eine fremde Person, ein junges unscheinbares Mädchen, die Dreistigkeit besass, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Er sagte:
"Menschenmädchen, ich denke nicht, das irgend etwas, was ihr sagt, etwas an meiner Entscheidung ändern kann. Ihr habt keine Kenntnis von unserer Art und wie wir leben."
Nun ging Thranduil tatsächlich und ließ Caranlas, Gimli, Arwen und Aragorn ratlos zurück. Aragorn schlug wutentbrannt mit der Faust gegen das Holz des Türrahmes. Arwen legte einen Arm um seine Hüfte und flüsterte leise:
"Hebo idh. Iston ben, bôl hannad.[6]"
Aragorn blickte seine Gemahlin an und Verständnis leuchtete in seinen Augen auf. Natürlich! Warum hatte er nicht früher daran gedacht. Sein elbischer Schwiegervater war ja ebenfalls ein ausgezeichneter Heiler.
Überraschenderweise wandte sich die Königin nun an Aylena.
"Aylena aus Rohan, nicht wahr? Ich bewundere euren Mut, wenige hätten sich zugetraut Thranduil die Meinung zu sagen, denn in seiner Wut ist er wie eine Sturmwolke und seine Engstirnigkeit in vielen Dingen sucht seinesgleichen. Wenn euch Legolas' Gesundheit so sehr am Herzen liegt, seid so gut und gebt auf ihn acht. Bei euch weiß ich ihn in guten Händen."
Arwens sanfte Worte, beruhigten Aylena und sie entspannte sich. Schließlich umarmte sie Aylena wie eine alte Freundin. Dann ging sie zu ihrem Gemahl, ergriff seine Hand und sagte:
"Liebster, laß uns Vater holen."
Aylena blinzelte. Sie kam sich vor, wie in einem Traum, allerdings wußte sie noch nicht, ob es ein guter oder ein schlechter war. Sie war jetzt für das Wohlergehen eines Elbenprinzen verantwortlich.
"Und dann sagt man den Zwergen nach, sie seien stur. Aber Mädchen... ihr seht ja, es sind nicht alle Elben so, wie der Vater meines hochwohlgeborenen Freundes", brummte der Zwerg.
Sie hatte gar nicht mehr an ihn gedacht. Aylena lächelte ihn schüchtern an, weil sie immer noch nicht ihre Sprache wiedergefunden hatte.
"Gimli Gloinssohn, hübsche Dame, zu euren Diensten. Mein Freund Legolas ist noch niemals ein wirklich unterhaltsamer Gesprächspartner gewesen, doch im Moment erscheint mir seine Gesellschaft wirklich einschläfernd zu sein. Es ist nicht so, dass ich euch nicht vertraue, doch auch ich mache mir Sorgen um meinen Freund... nun ja, was er natürlich nicht erfahren soll. Also, nun, wenn er die Augen öffnet, dann möchte ich zur Stelle sein, um ihm auf meine charmante, zwergische Art mal ein paar Takte zu sagen, wenn ihr versteht, was ich meine."
Der Zwerg brachte es fertig, ein zuversichtliches Lächeln auf Aylenas Lippen zu zaubern. Er war ihr auf Anhieb sympathisch.
Während er seine große, zweischneidige Axt, die er nicht einmal auf einer so hoch offiziellen Feier wie der Krönungszeremonie und Vermählung des Königs von Gondor aus den Händen gab, in eine Ecke des Zimmers stellte, murmelte er so etwas vor sich hin wie '... zur Strafe die güldenen Locken auf eine Handbreit kürzen...' und noch andere Dinge, die ihr eigentlich genau das Gegenteil über ihn verrieten, nämlich, dass er den Elben sehr gern hatte.
Schließlich machte er sich es in einem ledernen Sessel gemütlich, legte seine Stiefel auf den Schreibtisch, der dem Bett gegenüberstand und verschränkte die Hände vor seinem stattlichen Bauch.
"Wollt ihr vielleicht hören, was ich mit diesem spitzohrigen Dummkopf schon alles erlebt habe? Ich kann euch Geschichten erzählen... wenn das hier auch die Krönung ist", fragte er.
Obwohl Aylena nicht glaubte, dass er ihre Antwort wirklich abwarten wollte, erwiderte sie:
"Ja, gerne! Man hört sehr viel von dem, was im Krieg geschehen ist, doch ich glaube, vieles ist übertrieben. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, Geschichten aus dem Mund eines wahren Kriegshelden zu hören."
Gimli brummte zufrieden:
"Ähem.. Oho, ihr schmeichelt mir! Aber... nun laßt mich erzählen. Also, es begann alles mit dem Rat von Herrn Elrond. Elben! Ich mußte nach Bruchtal wo es von Elben nur so wimmelte, mein Vater Gloin, der Herr vom Blauen Berg, hatte mich als Botschafter geschickt. Alles in mir hat sich dagegen gesträubt... Elben, diese hochmütigen, besserwisserischen..."
Der Zwerg hielt in seiner Erzählung inne, als eben der Elb, von dem er gerade gesprochen hatte im Türrahmen stand.
Mit einem Blick, der nur als amüsiert zu deuten war, forderte Elrond o Imladris den Zwerg auf:
"Sprecht nur weiter, Gimli Gloins Sohn, es interessiert mich doch sehr, wie ihr das Volk das Elben seht."
Brummend verdrehte Gimli die Augen und erwiderte:
"Ihr wißt genau, dass ich nur übertrieb, um der jungen Dame deutlich zu machen, was ich vor einem einem halben Jahr noch von Elben hielt. Im übrigen seid ihr hier um Legolas zu helfen, also macht schon."
Auch König Elessar und Königin Arwen waren zurückgekehrt und stellten sich nun zu Gimli und Aylena.
Diese war beeindruckt von dem Herrn der Noldor in Bruchtal. Anders als der Vater des Prinzen hatte er ein durch und durch einnehmendes Wesen. Sie konnte kaum glauben, dass er der Vater der Königin sein sollte, wirkte er doch selbst kaum älter als sie.
Elrond beugte sich über Legolas und nahm die Stoffstreifen von seinen Handgelenken, mit denen Aylena sie eilig verbunden hatte. Er rieb die Wunden wortlos mit einer hellen, wohlriechenden Salbe ein und verband sie mit frischen Bandagen. Als nächstes zauberte er aus seinem Gewand eine Phiole mit einer tiefroten Flüssigkeit hervor, die er dem Prinzen einflößte.
"Mehr kann ich nicht für ihn tun. Die Wunden an seinen Handgelenken sind es nicht, die ihn umbringen können. Sie wurden instinktiv richtig versorgt", sagte Elrond schließlich und nickte Aylena anerkennend zu. "Es ist vielmehr so, dass er keinen Lebenswillen mehr hat. Dazu muß man allerdings kein Hellseher sein, ein wacher Verstand und Einfühlungsvermögen sagen einem dies schnell. Ich habe ihm ein Mittel gegeben, das seine Träume unterdrückt. Er sollte bald aufwachen aber ich möchte, dass dann jemand bei ihm ist."
Aylena war mehr als überrascht, als alle Blicke mit einem Mal auf ihr ruhten.
~*~
Der Zwerg Gimli hatte es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, bei Legolas zu bleiben. Aber in dem Stuhl, in dem er es sich bequem gemacht hatte, war er bald eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin. Auch der Elbenprinz selbst schien jetzt ganz ruhig zu schlafen. Sein Fieber war zurückgegangen und laut Herrn Elrond sollte sein Schlaf auch tief und traumlos sein. Aufgrund dieser Angaben einigermaßen beruhigt, hatte Aylena die Vorhänge an den Fenstern zurückgezogen und sich auf eines der Simse gesetzt. Unter ihr leuchteten noch vereinzelt Lichter in der Stadt und über ihr leuchteten die Sterne und ein bescheidener Sichelmond. Aylena jedoch liebte die Nächte, in denen der Mond noch nicht seine volle Gestalt angenommen hatte. Man konnte in diesen Nächten mehr Sterne sehen als sonst. Das erste Mal in diesem Abend atmete Aylena tief durch, sog mit geschlossenen Augen die frische Nachtluft ein. Es war schon sehr spät und sie merkte, dass sie fürchterlich müde war. Am liebsten würde sie es dem Zwerg gleich tun und die Augen zu einem erholsamen Schlaf schließen.
Um sich wachzuhalten, sang sie leise ein sehr altes Lied vor sich her, dass sie an ihre Heimat Rohan erinnerte.
Du bist mein Herz, meine Seele und mein Traum,
das Segelschiff auf meinem Ozean.
Schlachtfelder voller Blut und Schmerz, doch immer noch halte ich
deine Flagge ohne Schande.
Ich will deine Liebe und erhalte deinen Schmerz....
Während sie leise sang, erwachte Legolas. Zunächst wußte er nicht, wo er war, doch dann fiel es ihm wieder ein. Er war in seinen Gemächern in Minas Tirith. Er hatte versucht, sich das Leben zu nehmen, um endlich wieder mit Arinwë vereint zu sein. Doch irgend jemandem mußte es gelungen sein, ihm am leben zu halten. Ein leises Schnarchen aus der Ecke, in der der Sekretär stand, ließ seinen Blick dorthin wandern und mußte sogar ein wenig lächeln, als er Gimli dort in sich zusammengesunken schlafen sah. Doch was sein Interesse noch viel mehr anzog war der leise Gesang, der vom Fenster her kam. Selbst in der Dunkelheit konnte er das kupferrote Haar des Mädchens erkennen, das auf dem Fenstersims saß und leise sang.
Legolas stöhnte auf:
"Und ich dachte, es sei Arinwë, die gekommen sei."
Aylena erschrak. Zwar hatte Herr Elrond gesagt, dass er aufwachen würde aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so bald sein würde. In einem Satz war sie von der Fensterbank gesprungen und zu seinem Bett geeilt.
Glücklich flüsterte sie:
"Herr, ich bin so froh, dass es euch besser geht. Ihr habt mir und euren Freunden einen großen Schrecken eingejagt. Es ist ein Glück, dass Herr Elrond gekommen ist. Seine Medizin muß sehr schnell gewirkt haben."
Legolas versuchte sich aufzusetzen, doch Aylena schüttelte den Kopf und drückte ihn sanft zurück in die Kissen.
"Noch nicht. Erst wenn Herr Elrond euch erlaubt, das Bett zu verlassen", sagte sie.
Der Elbenprinz wirkte ein wenig verwirrt. Seine Stirn legte sich in Falten, als er auf seine bandagierten Handgelenke schaute. Dann sah er Aylena an und der Blick in seinen Augen schien sie vollkommen zu durchdringen. Diese Augen jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken, der aber nicht unangenehm war.
"Ihr wart es, nicht wahr? Ihr habt mich geküßt! Warum?"
Aylena überlegte einen kurzen Moment. Schließlich wußte sie selbst nicht, warum sie es getan hatte. Sie dachte auch darüber nach, ob sie ihrem Patienten sagen sollte, was vor wenigen Stunden geschehen war. Das sein Vater abgereist war und seinen Sohn seinem Schicksal überlassen hatte. Sie entschied sich dafür, es nicht zu tun. Das war Sache von anderen, ihm davon zu berichten.
"Ich weiß es nicht", antwortete sie schließlich. "Ich tat es um euch den Schmerz zu nehmen, wenn das überhaupt möglich ist. Es war dumm von euch zu glauben, das der Freitod euch alles erleichtern würde. Das wissen sogar die Sterblichen. Ja, es gibt Fälle, in denen einige von uns sich nicht daran erinnern... ich glaube, ihre kurze Lebensspanne erleichtert diesen armen Seelen ihre Entscheidung."
Legolas Herz verkrampfte sich. Was hatte er nur für eine Dummheit begangen? Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er senkte den Kopf und schlug die Hände vor sein Gesicht. Niemals, niemals hätte er so weit gehen dürfen. Seine Schultern begannen zu beben, als die lange zurückgehaltenen Tränen sich einen Weg bahnten. Tränen, denen er schon von Anfang an den Weg aus seinem Herzen hätte erlauben sollen um die Trauer und den Schmerz fortzuspülen, und die ihm ein gewisses Mass an Erleichterung verschafft hätten. Statt dessen hatte er seine Trauer und seinen Schmerz in seinem Herzen eingesperrt bis sie so übermächtig geworden waren, dass er die Kontrolle darüber verloren hatte. Warum mußte ausgerechnet ein junges Mädchen aus Rohan ihm seine Unzulänglichkeit vor Augen führen?
Aylena betrachtete den weinenden Prinzen still. Sie hoffte, dass ihm klargeworden war, dass er einen Fehler gemacht hatte. Schließlich blickte er sie aus tränenverklärten Augen an und sagte leise zu ihr:
"Ich will euch nicht meine Gefühle erklären, denn ihr werdet sie wahrscheinlich niemals verstehen. Ich will heute Nacht nur nicht allein sein, es ist mir egal, ob es richtig oder falsch ist. Bitte bleibt heute Nacht bei mir, bleibt bis es wieder Tag ist."
Aylena nickte. Diese Bitte würde sie ihm kaum ausschlagen. Herr Elrond selbst hatte ebenfalls ausdrücklich darum gebeten, den Prinzen nicht allein zu lassen.
"Ich werde bleiben", sagte sie leise. ----------------------- [1] Haelir bedeutet im übrigen sogar Ratgeber. Ich fand, dass es auch als Name passen würde [2] Nein! König von Gondor, wenn wir aus Trauer unser Leben aufgeben, verraten wir die Verstorbenen(und dennoch legen sie sich einfach zum Streben hin wenn sie das Leben in Mittelerde nicht mehr ertragen oder segeln davon,um in Valinor nur noch mit den dumpfen erinnerungen dieses Lebens umgehen zu muessen,was man auch wiederum als Schwaeche auslegen kann ,da das denselben Effekt hat,naemlich dasm an nicht mit dem Problem das man hat umgehen un leben muss,und Legolas hat lediglich die schnellere Variante der Menschen Gewaehlt) [3] Nan... e ú ion lîn = Aber. er ist euer Sohn [4] E ú-vertha estad e iond nîn. Ú-voe istad man pada'odref = Er ist nicht mehr mein Sohn. Es ist mir egal, was mit ihm geschieht. [5] Edair, ae barthach ten, barthach nin = Vater, wenn du ihn verstößt, verstößt du auch mich. [6] Hebo idh. Iston ben, bôl hannad = Bitte rege dich nicht auf. Ich kenne jemanden, der helfen kann
