13. Venusfalle, die Zweite

Es dämmerte schon, als Draco auf Zehenspitzen den Schlafsaal der Slytherins durchquerte.

Er schmiss Goyles Kröte aus seinem Bett und liess sich stöhnend hineinfallen.

Links und rechts neben ihm schnarchten Crabbe und Goyle monoton, ein Geräusch, dass ihn sonst stets mit absoluter Sicherheit einlullte.

Aber er konnte nicht schlafen. Dieses Mal nicht.

Erstens lohnte es sich ohnehin nicht mehr. Die Nacht war vorbei. In zwei Stunden würde er beim Frühstück sitzen und sich bemühen, nicht in seinem Rührei einzudämmern.

Zweitens....

Draco blickte mit offenen Augen in die ereignislose Dunkelheit um ihn herum.

Ihm wurde klar, dass er in den letzten Wochen kaum an etwas anderes gedacht hatte als daran, dass Rätsel dieser Blume zu lösen. Er war seinem Ziel noch nicht näher gekommen.

Aber stattdessen hatte er eine andere Sorte Durchbruch vollbracht, die er nicht auf dem Plan gehabt hatte.

Ohne es darauf anzulegen, hatte er die eiserne Jungfrau von Hogwarts geknackt.

Hermione Granger war verknallt in ihn. Kein Zweifel.

Er drehte sich auf die Seite.

Scheiße. Scheiße. Scheiße. Oh, Scheiße.

Es fühlte sich seltsam an. Dass Parkinson verrückt nach ihm war, liess ihn kalt. Dass keines von den wirklich scharfen Mädchen der Schule verrückt nach ihm war, liess ihn nicht ganz so kalt, war ihm aber eigentlich auch gleichgültig, denn alle Arten romantischer Verstrickungen bedeuteten im Prinzip nur einen Klotz am Bein, wenn man, wie er, eigentlich nach anderen Zielen strebte.

Aber dass Hermione Granger ihn liebte, das war viele Sachen gleichzeitig.

Schmeichelhaft, aufregend, verlockend, verwirrend und beängstigend, aber vor allem seltsam.

Sie spielte in einer anderen Liga als die anderen Mädchen, die er kannte. Er wälzte sich nervös hin und her.

Und er mochte sie irgendwie. Sie war amüsant, sie war schlau, sie war zäh, sie war eine fantastische Hexe, sie war stolz, sie war eigensinnig, sie war ein bißchen irre, und auch wenn sie neben Potter und Weasley immer die Heilige raushängen liess, hatte sie diese Art, Grenzen zu ignorieren, die ihn beeindruckte.

Und obwohl sie sich nie auftakelte und sich bemühte, hübsch auszusehen, wie die anderen Mädchen es taten, war sie wirklich süß, vor allem wenn sie böse wurde.

Ihr Busen war klein, und wenn schon. Sie hatte diese hübschen, wachen, blitzenden Augen und diese wirklich, wirklich tollen Beine.

Aber er konnte nicht mit ihr zusammensein. Das war inakzeptabel. Einerseits.

Er drehte sich erneut im Bett um.

Andererseits. Warum war es inakzeptabel?

Einerseits. Sie war ein Schlammblut. In den Ferien fuhr sie zurück zu ihren minderwertigen Muggel-Eltern und lebte ein minderwertiges Muggel-Leben. Der Gedanke war abstoßend.

Andererseits - Hermione selbst war alles andere als abstoßend.

Konnte er sich das vorstellen? Konnte er sich ernstlich vorstellen, mit ihr Händchen zu halten, sie in irgendeinem dunklen Winkel zu küssen, sie im Arm zu halten, an sich zu pressen, ihre Lippen auf seinen Lippen zuzulassen, auf seinem Hals, seine Hände unter ihre Robe zu schieben....

Er schloß die Augen. Mmhmm. Wooohooo....

Er riß die Augen erschrocken wieder auf.

Stop! Nein! Alles zurück! Aufhören!

Ok, DAS konnte er sich also vorstellen. Aber er wußte, Hermione war nicht das Mädchen, das sich ohne weiteres in der Besenkammer vernaschen liess. Sie war dazu zu ehrlich und zu beschissen anständig und zu beschissen moralisch. Die Nummer lief nicht. Wenn, dann mußte er sich offen zu ihr bekennen.

Und konnte er das? Nein.

Er konnte sich NICHT vorstellen, mit ihr Hand in Hand durch den Korridor zu laufen, unter den Augen der anderen Slytherins. Er konnte sich NICHT vorstellen, ihr morgens beim Frühstück einen ersten Kuß zu geben, unter den Augen von Potter und Weasley.

Und am aller-allerwenigsten konnte er sich vorstellen, sie mit nach Hause zu bringen und sie seinem Vater vorzustellen: "Vater, das hier ist Hermione, ihre Eltern sind reizende Muggel, sie ist ein Schlammblut und kämpft außerdem gegen den schwarzen Lord und ist Potters beste Freundin, aber sie hat einen tollen Sinn für Humor und viel Charme und weiß alles über die Fakir-Fehden von 1328. Wir gehn jetzt hoch auf mein Zimmer und knutschen, ok?"

Er schloß wieder die Augen. Der Horror. Der Horror.

Er öffnete die Augen wieder.

Konnte er sich in Hermione verlieben? Wahrscheinlich.

Aber konnte er sich zu ihr bekennen? War er so unerschrocken, so ehrlich, so aufrichtig, so unabhängig von der Meinung anderer? Bedeutete Liebe ihm so viel?

Die Antwort war nein.

Einerseits, dachte er müde. Andererseits.