17. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Harry senkte die Stimme."Was meinst du, sollen wir ihr mal unser Geschenk....?" flüsterte er Ron zu, leise, was nicht nötig gewesen wäre, da Hermione sie nicht im Geringsten beachtete.

Ron machte ein mürrisches Gesicht. "Hm, eigentlich hab ich gerade überhaupt keinen Bock, ihr was zu schenken...aber...na schön, wo wir schon beide auf der Karte unterzeichnet haben."

"Ähm, Hermione?" Harry holte das kleine, in rotes Glanzpapier verpackte Kästchen hervor. "Wir haben hier was für dich."

Verlegen überreichten sie ihr das Geschenk.

Sie setzte ein tendenziell eher unbeteiligtes Lächeln auf.

"Nett von euch," sagte sie, aber es hörte sich ziemlich unbeteiligt an. Als sie die erwartungsvollen Blicke ihrer Freunde sah, begann Hermione pflichtbewusst, aber unmotiviert die Schleife aufzuzupfen.

Eine kleine Elfe rauschte heraus. Unter den begeisterten Aaaahs und Oooohs der anderen am Tisch drehte sie ein paar Loopings und piepste "Fröhliche Weihnachten! Fröhliche Weihnachten, Harriet!", bevor sie sich in einem Regen silberner Funken auflöste.

"Das kann doch nicht wahr sein!" stöhnte Ron. "Hermione, ich schwör´s, ich hab denen beim Elfen-Gruß-Service dreimal deinen Namen buchstabiert!"

"Sah aber trotzdem nett aus," beeilte sich Harry zu sagen.

Hermion hatte kaum hingesehen. Sie schälte die Geschenkbox aus dem Papier, als ihr Röte ins Gesicht flutete. Ihr schien etwas eingefallen zu sein. Sie ließ die Hände sinken und starrte ihre beiden Freunde schuldbewußt an.

"Oh....äh...ich....hab natürlich auch...Geschenke für euch. Ich wollte sie euch nachher überreichen, hier find ich´s nicht so feierlich, wisst ihr, aber ok.... Geschenke, Geschenke...Moment..." stammelte sie, während sie hektisch ihren Umhang abklopfte.

Dann förderte sie mit jeder Hand jeweils einen Haufen Krempel aus der Tasche und lud ihn mit festlicher Miene vor Ron und Harry ab.

"Frohe Weihnachten! Oh äh...das ist meins."

Mit schnellem Griff entfernte sie ein benutztes Taschentuch von dem Ramsch, der sich vor Rons Teller türmte.

Harry und Ron starrten sprachlos auf den Tisch.

Vor Harry standen eine Tüte zuckerfreie Gummibärchen, ein Lippen-Fettstift, eine Schachtel Streichhölzer und drei Walnüsse.

Ron sah sich einem Set zur Nagelpflege und einem Weihnachtsmann aus weisser Diätschokolade gegenüber.

"Das...DAS sind unsere Geschenke?" erkundigte sich Harry.

Hermione wurde noch röter. "Doch...die...die...hab ich extra für euch ausgesucht und.... äh..."

"Warum steht dann auf meinem Geschenk `Für meine kleine Hermione, alles Liebe Tante Trudi´?!" wollte Ron stirnrunzelnd wissen.

"Und, hey, diese Streichhölzer hab ICH dir geliehen", stellte Harry fest.

Hermione schien etwas im Hals zu haben, zumindest röchelte sie ein paar mal, bevor sie wieder zu sprechen ansetzte.

"Oh...äh...das ist, weil....ich habe mir überlegt, dass ich finde, Geschenke sollten an Weihnachten doch eigentlich nicht im Mittelpunkt stehen....und ich...ich habe daher beschlossen, mich diesem Brauch dieses Mal zu verweigern und...und...stattdessen nur einen kleinen, bescheidenen Akt des Schenkens zu begehen, der eher symbolisch zu verstehen ist und...." sie ruderte unbestimmt mit den Armen.

"Na, irgendwie so halt." schloss sie hüstelnd.

Harry dachte über ihre Worte nach. Es hörte sich ziemlich danach an, als hätte sich Hermione diese Geschichte soeben aus dem Arsch gezogen.....andererseits....Weihnachten zu bestreiken....das war ihr durchaus zuzutrauen....

Ron war längst von Hermiones sonderbarem Verhalten abgelenkt. Verstört musterte er die Nährstofftabelle auf der Rückseite seines Weihnachtsmannes.

"Gesunde Schokolade ohne Zucker, die auch noch gut für die Zähne ist! Wie können Muggel nur sowas Trauriges erfinden? Teuflisch ist das, teuflisch! Und überhaupt, wer ist dieser alte Kerl?"

Mit betretener Miene wandte sich Hermione wieder ihrem Geschenk zu und öffnete die Schachtel.

Ron ließ von dem tückischen Schokoweihnachtsmann ab und lehnte sich gespannt vor. Er hatte das Geschenk ausgesucht.

Zuerst hatten sie vorgehabt, Hermione das Buch `Spiel und Spaß mit Arithmantik´ zu schenken (dank Harry und Ron besass Hermione bereits sämtliche Vorgänger von `Peppen Sie Ihre Parties auf mit Arithmantik´ über `Arithmantik für den Strandkorb´ bis `Nie mehr einsam mit Aritmantik´).

Aber dann war Harry die Idee gekommen, Hermione dieses Jahr mal was Besonderes zu schenken, etwas, womit sie nicht rechnete.

Sie hatten zuerst lange über diesen Fotokalender diskutiert, in dem Gilderoy Lockhart neuerdings an den Schauplätzen berühmter Zaubererduelle seine eigene Badehosenlinie präsentierte.

Aber dann hatte Ron in einem kleinen Zauberladen etwas Besseres entdeckt. Und sie hatten eine stolze Summe investiert, um Hermione dieses besondere Geschenk zu machen.

Inzwischen hatte Hermione das Geschenk in die Hände genommen und betrachtete es.

Harry fand es wunderschön.

Es war ein Amulett in Form einer blauen Träne, in das eine winzigkleine Seeschnecke eingearbeitet war.

Sie warteten auf eine Reaktion.

Es war Hermione nicht anzusehen, ob sie es schön oder ätzend fand oder ob es sie überhaupt interessierte.

Ron räusperte sich. "...wir....wir haben uns dran erinnert, wie sauer du warst, weil du meintest, wir würden dich nie als Mädchen betrachten....und dann fiel uns ein, dass du keinen Schmuck hast, und wir dachten....es ist ein Amulett aus sibirischem Eis-Glas mit einer fossilen Schnecke drin....und wir dachten, es steht dir sicher....ich hoffe, es gefällt dir...." begann er schüchtern zu erklären.

Hermione hörte auf, das Amulett zwischen den Händen zu drehen und starrte ihn mit einem Blick an, den man nur seltsam nennen konnte. Ihre Bewegungen froren ein.

Die Farbe rutschte ihr aus dem Gesicht. Und während sie noch Ron anstierte, rutschte auch das Amulett zwischen ihren Fingern hindurch abwärts.

Klirr!

"Ok, es hat dir wohl nicht so gefallen...." schloss Ron und blickte betrübt auf die verendeten Reste des Schmuckstücks, die zersplittert am Boden lagen.

Harry starrte das kaputte Amulett an. 40 Galleonen! stöhnte es in ihm. 40 verdammte Galleonen! Und von wegen, "unzerstörbarer Edelstein"!

"Was hast du da eben gesagt?!" quakte Hermione mit einer heiseren Stimme, die nicht ihre zu sein schien.

Ron sah sie betroffen an. "Hermione, hab ich was Falsches gesagt?" fragte er. "Ich wollte nicht...."

"Ssscht!" Ihre Augen hatten etwas sehr Abwesendes bekommen. Ihr Blick ging geradewegs durch ihre beiden Freunde hindurch, hing an einen unbestimmten Punkt in der Ferne.

"Ich war so dumm....." murmelte sie unbestimmt.

"Nicht doch," erwiderte Harry mit zusammengepreßten Zähnen. "Ist doch nicht schlimm, Hermione." Er musterte sie verwirrt.

Sie hob den Kopf und starrte ihn mit verschleiertem Blick an. "Hm?! Ach so...nein...das meinte ich nicht....mir ist nur eben was klargeworden....i- ich muss sofort wohin...." stammelte sie dann und stand so abrupt auf, dass die Teller klirrten.

Falls von dem Amulett mit der Schnecke noch was übrig war, gab ihm Hermiones Absatz nun den Rest.

"Ich....ich muss unbedingt in die Bibliothek, ein Buch abgeben, das hab ich schon Ewigkeiten, Madam Pince hat schon Schaum vorm Mund, wenn sie mich sieht...Harry, Ron, tut mir leid mit dem Schneckendingsda....mein Fehler...wir sehen uns später!"

Dann stürmte sie davon, als hätte die Bibliothek Beine, mit denen sie vor ihr weglaufen könnte.

Harry und Ron starrten ihr mit offenen Mündern nach. Bevor einer von ihnen auch nur den Gedanken fassen konnte, ihr etwas nachzurufen, war sie bereits aus der Großen Halle verschwunden.