21. Der Kuss der Erkenntnis

Draco sackte auf sein Bett.

Nur verschwommen nahm er wahr, dass Crabbe und Goyle seine Geschenke und die gigantische Puddingtorte darauf abgeladen hatten.

Der teure Plunder kam ihn nun wie blanker Hohn vor, während vor ihm eine dunkle, schwarze Schlucht aufbrach.

Hilfloser Zorn irrte durch sein Nervensystem und suchte nach einem Ziel. Sein Verstand raste, sein sonst so träges Herz raste noch schneller. Er wollte viele Sachen gleichzeitig tun und überhaupt nichts mehr tun, Gedanken prasselten zu tausenden auf ihn ein, und sein Gehirn war leer.

Noch nie hatte sein Vater ihm so deutlich zu verstehen gegeben, was er von ihm hielt. Noch nie so deutlich wie heute.

Er sah sich um. Slytherin. Nicht Malfoy Mansion, sondern Slytherin war sein Zuhause.

Er dachte daran, wie oft er diese Schule in Gedanken - und vor Crabbe und Goyle, was im Prinzip dasselbe war - verflucht hatte. Dumbledore, diesen alten Käse von Schulleiter, diese erbärmlichen Lehrer, diesen bescheuerten Wildhüter, einen Großteil der Schüler, das Quidditch-Niveau, das Mobiliar, den Service, das Essen, die Hauselfen, einfach alles.

Und trotzdem. Wenn er hier wegmußte, war alles aus. Dann war einfach alles aus.

Diese Nacht war seine letzte Chance.

Er versuchte, regelmäßig zu atmen. Kämpfte um Ruhe. Er öffnete sein Geheimfach und holte das Gefäß mit der Blume heraus, aber seine Hände zitterten so stark, dass er es beinahe fallenließ. Schon der Anblick von dem Teil drehte ihm den Magen um.

Aber es war kein Traum gewesen. Die Knospe der Blume hatte sich letzte Nacht einen Spalt geöffnet, und die blutroten Blätter schimmerten noch immer darunter hervor.

Er spürte, wie seine Kräfte wiederkehrten.

Er fuhr auf. Hermione! Und plötzlich dämmerte es ihm, was das alles zu bedeuten hatte.

Der Kuss -

Natürlich, der Kuss! Es konnte nicht anders sein. Letzte Nacht war alles so abgelaufen, wie es immer ablief - sie versuchten einen dunklen Zauber, er klappte nicht, irgendwas Blödes passierte stattdessen und seine Laune rauschte in den Keller.

Alles so wie sonst auch. Bis auf den Kuss. Bis auf die Tatsache, dass er sich von Hermione hatte küssen lassen....

Und kurz danach war die Blume erblüht. Das war es! Er hatte die Wahrheit entdeckt!

Sie mußten sich noch einmal küssen. Das war alles.

Er sah sich wild um. Er mußte sie auf der Stelle treffen! Verdammt, warum war sie nicht beim Weihnachtsfrüshstück gewesen?! Vielleicht schmollte sie noch wegen gestern. Egal. Vollkommen egal. Er hatte keine Zeit mehr für Hermiones Allüren.

Wenn sie noch atmete, hatte sie in den Keller zu kommen. Unverzüglich.

Sie konnten nicht bis spätabends warten, bis alle zu Bett gegangen waren, diesmal nicht. Sie konnten keine MINUTE mehr warten. Außerdem war es Weihnachten - die meisten Schüler waren zu diesem Zeitpunkt so beschickert, dass es ihre volle Konzentration erforderte, einen Korridor runterzulaufen ohne hinzufallen.

Es herrschte Chaos. Niemand würde auf sie achten. Es war der ideale Moment.

Er schnippte mit immer noch zitternden Fingern, und bald hörte er, wie die Flügelschläge seines Uhus sich näherten. Er riß ein Blatt Papier aus einem seiner Schulbücher und krakelte einige Worte darauf.

Hermione, Wir ziehen es durch. Gleich. Keine Verzögerungen. Das selbe Verlies wie immer. Ich erwarte dich. Draco.

Sein Uhu war eben zu einem kleinen Punkt in der Ferne zusammengeschrumpft, als er ein angesäuseltes Zwitschern hinter sich vernahm.

"Mistelzweig, Draco!" flötete Pansy Parkinson.