23. Der Bauch des Biestes

Hermione nahm Treppe um Treppe nach unten in die Gedärme des uralten Schlosses.

Die "Fröhliche Weihnachten!" plärrenden Gemälde an den Wänden, und die Zusammenstösse mit angeschickerten Mitschülern, die sie lallend grüßten, nahmen immer mehr ab, bis nur noch nackte Korridore ohne Bilder und ohne Schmuck folgten.

Keine Menschenseele war in diesen unteren Teilen des Schlosses unterwegs, nicht einmal Slytherins. Das warme Kerzenlicht wurde mehr und mehr zu einem schwachen Gefunzel halb erstorbener Wachsstummel. Die Gänge wurden so niedrig, dass sie vor ihnen in der Dunkelheit zu verschwinden schienen.

Mit dem nervösen Ziehen im Magen erkannte Harry, dass Hermione dabei war, sie tief in die Unterwelt des uralten Schlosses zu führen.

Sie waren hinter ihr her, seit sie ihren seltsamen kleinen Abstecher in die Bibliothek beobachtet hatten. Sie hatten beschlossen, nach ihr zu suchen, und waren gerade noch rechtzeitig gekommen, um zu sehen, wie Hermine diesen staubigen Wälzer zu Boden schleuderte und sich aus dem Staub machte.

Das hatte sie überzeugt, daß Probleme im Anmarsch waren. Nur in Extremsituationen würde Hermione Granger ein Buch so mißhandeln.

Je weiter sie ihr folgten, desto weniger kam ihnen Hogwarts wie Hogwarts vor. Das Schloss wirkte plötzlich wie eine eigentümliche, feindliche Kreatur, die aus dunklen Geheimnissen bestand und darauf lauerte, sie zu schlucken.

Der Bauch des Biestes.

Hermione hatte sich nicht ein einziges Mal umgesehen. Andernfalls hätte sie sie sofort entdeckt. Sie schien sich ihrer Sache sehr sicher zu sein.

Plötzlich blieb Ron abrupt stehen, was nicht von Vorteil war, denn eben schoss Hermione um eine weitere Ecke im verwinkelten Gewölbe.

"Ron, was soll das?! Wir verlieren sie!"

"Warte." Ron kniete sich auf den kühlen Steinboden und hob etwas vom Boden auf.

Es war ein kleines Stück Pergament. Sie hatte es in der Eile verloren.

Ron las. Während er las - es dauerte nicht lange, denn die Worte auf dem Zettel waren knapp - klappte ihm die Kinnlade runter.

Rons Augen wurden groß. Rons Augen wurden größer. Rons Augen hätten nun eine Eule in deutliche Verlegenheit gebracht.

"Was ist?" entnervt wandte sich Harry seinem Freund zu. Er keuchte schwer, denn Hermione gab ein ziemlich saftiges Tempo vor. Seine Brille hing ihm auf halb acht von der Nase. "Was steht da, Ron?"

Ohne ein Wort zu sagen, reichte ihm Ron das Pergament. Harry riss es ihm ungeduldig aus den Händen, rückte seine Brille zurecht und starrte auf den beschriebenen Fetzen.

Hermione, Wir ziehen es durch. Gleich. Keine Verzögerungen. Das selbe Verlies wie immer. Ich erwarte dich. Draco.

Sie wechselten einen Blick. Draco?

"Wir ziehen es durch?" murmelte Harry.

"Das selbe Verlies WIE IMMER?" keuchte Ron.

Schreckliche Bilder rasten durch Harrys Kopf.

Er sah Hermione, wie sie mit Malfoy schwarze Zauberformeln murmelnd vor einem blutrot funkelnden magischen Feuer kauerte. Es war furchterregend.

Dann dachte er an Parvati, wie sie kicherte: "Wir dachten schon, sie hätte einen heimlichen Liebhaber oder sowas." und sah Hermione, wie sie mit einem Gläschen Schampus in der Hand in einem entzückenden Ensemble pinker Spitzenunterwäsche vor Malfoy herumtänzelte. Das war mit Abstand noch furchterregender, wenn auch nicht gänzlich ohne Reiz.

"Wir müssen sie einholen!" sagte er nur.

Er wollte nicht darüber nachdenken, was das alles bedeutete. Er wollte, dass Hermione, seine beste Freundin, es ihm erklärte. Und sie sollte ihm dabei in die Augen sehen.