27. Tödliche Irrtümer

Draco wartete.

Verzweifelter Hass loderte nutzlos gegen die Wände seines leblosen Körpers.

Wieviel Zeit war vergangen? Eine Minute? Zehn Minuten? Mehr?

Er spürte in seinem Körper nach, ob der Effekt des Zaubers schon nachliess. Aber da war nichts. Er war nur ein Verstand in einem Körper aus Eis.

Aber vielleicht hatte das kleine Dreckstück ihn bei dem Fluch auch angelogen.

Vielleicht würde er Stunden hier ausharren, bis sie zurückkehrte - hinter sich diesen Waschlappen Remus Lupin, Severus Snape und einen Trupp Dementoren, die ihn nach Askaban verschleppen würden.

Und Hermione, die Gerechte, und die Mächte des Guten würden wieder mal triumphieren, weil er so dumm war, ihr zu vertrauen.

Sie für seine Freundin zu halten.

Askaban. Oh bitte nicht.

Er hasste Hermione für alles. Dieses Mädchen wagte es und sagte ihm ins Gesicht, sie würde ihn lieben. Und zerrte doch den einzigen Strohhalm von ihm weg, den er noch hatte. Was für eine Liebe sollte das sein?

Aber noch mehr hasste er sich selbst. Wie hatte er ihr vertrauen können? Und wie hatte er sie so unterschätzen können?

Und er dachte noch, er könnte sich in dieses Mädchen vielleicht verlieben.

Was für ein Narr war er gewesen.

Schlammblüter, dachte er voller Haß. Wie hatte er sich so erniedrigen können. Wie hatte er so dumm sein können, diesem wertlosen Schlammblut zu vertrauen.

Und sein Verstand erzitterte, als der Zorn, der seit dem Gespräch mit seinem Vater hilflos durch seinen Körper rauschte, schließlich, endlich ein Ziel fand.

Ich hasse dich, Hermione Granger, dachte er, und er konnte sich nicht erinnern, in seinem Leben schon einmal so einen klaren, leidenschaftlichen Gedanken gehabt zu haben, ich wünschte, du wärst...

Wenn er sich hätte umdrehen könnten, hätte er sehen können, wie die Blume hinter ihm langsam und träge ihre blutroten Blätter entfaltete.

Weit entfernt auf dem Anwesen der Malfoys schreckte Lucius mit einem leisen Schrei aus einem traumlosen Schlaf auf und starrte voller Entsetzen in die Dunkelheit. Neben ihm stöhnte Narcissa im Schlaf und presste sich ein Kissen aufs Gesicht. "Draco, du Idiot," keuchte er, "was tust du denn da?!"

Genüßlich reckte die Blume ihre rotfunkelnden Blätter ins schwache Kerkerlicht. Ihr schwerer, betäubender Duft vertrieb den Moder und erfüllte das Kellerverlies.

Draco achtete nicht darauf. Er sah Hermiones Gesicht vor sich, während er in Gedanken zu ihr sprach.

Die Blume leuchtete in voller Pracht, rot wie Blut.

Ich wünschte wirklich, du wärst....

"...TOT!" Mit fassungslosen, schreckensbleichen Augen richtete sich Madam Pomfrey über der reglosen Hermione auf. "Dieses Mädchen ist t-tot...!"

"Nein!" schrie Ron auf. "Nein! Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr!"

Harry sank gegen die Wand des Krankenzimmers. Der Boden unter seinen Füßen löste sich auf.

Nein, dachte er.

Bitte nein.

Draco fühlte sich besser.

Er wußte, dass es nichts änderte. Hermione würde die Schule alarmieren, da konnte er sie verfluchen, so viel er wollte. Gedanken richteten nichts aus. Sein Schicksal war besiegelt.

Aber nachdem dieser Gedanke, der Gedanke des Hasses, sein Ende erreicht hatte, fühlte er sich besser. Befreit.

Die weichen Gefühle, die in ihm für Hermione existiert haben mochten, waren endlich verstummt.

Sein Inneres war wieder wie vorher, still, dunkel und regungslos wie ein kalter See.

Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte er sich wieder wie der alte Draco.

Und das war doch was.

Er konnte nicht sehen, dass hinter ihm auf den Tisch die Blume nach Sekunden des prachtvollen Blühens nun schwarz und trocken und endgültig tot war.