31. Vollprofi im Hassen

Snape wandte sich zu ihm um, nachdenklich. Dann begann er, zu erzählen.

"Diese Blume existierte schon in vorsintflutlicher Zeit. Keiner weiß, wann sie ihre tödliche Macht entwickelte, und warum. Es dauerte auch eine Weile, bis man herausbekam, was sie tut, denn schließlich hinterlässt sie keine Spuren. Aber nachdem man sie erst als Waffe entdeckt hatte, spielte sie lange Zeit eine mächtige Rolle in verschiedenen Zaubererfehden. Ein Todeswunsch blüht nur einmal, dann stirbt sie wieder. Aber das eine Mal genügt schon."

Snape klappte das Buch mit einer hasserfüllten Geste zu und begann, im Raum auf und abzulaufen.

"Sie bezieht ihre Macht aus Hass. Sie öffnet sich nur, wenn sie Hass in ihrer Nähe spürt. Und ist sie erst einmal erblüht, ist sie ein unschlagbares Mordinstrument. Hat man einen Todeswunsch in den Händen, kann man seinen Feind töten, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Der bloße Gedanke reicht. Man braucht nur seine Wünsche fest auf den Tod des anderen zu richten, und er stirbt. Sofort. Ohne eine Spur äußeren Einwirkens. Die Blume raubt ihm den Lebensfunken."

Snape schnippte mit den Fingern. In seinem Sessel fuhr Draco zusammen. "Einfach so."

"Die Blume richtete viele verheerende Katastrophen an," mischte sich McGonagall, inzwischen etwas gefasster, ein.

"Stellt euch vor, wenn man einen Menschen durch einen bloßen Gedanken töten kann....die Menschen starben zu Tausenden... Und schlimmer noch als die absichtlichen Morde waren die vielen Male, die sie versehentlich benutzt wurde, denn es ist so leicht, durch sie zu töten. Die Menschen sind nun einmal dumm genug und denken Sachen wie -Ich wünschte, er würde tot umfallen!-, wenn sie wütend sind. Das kommt vor. Aber wenn ein Todeswunsch in der Nähe ist, verwandelt sich dieser Gedanke in ein Mordinstrument. Darum hat irgendwann eine Delegation aus etwas helleren Zauberern beschlossen, dieses mörderische Gewächs ein für alle Mal als Machtmittel zu unterbinden. Sie reisten durch die Welt und taten ihr Bestes- unter Einsatz ihres Lebens - um den Todeswunsch bis auf die letzte Knospe auszurotten....offenbar vergebens." schloss sie mit finsterem Blick.

Snape war hinter Draco getreten, der noch immer keine Anstalten machte, wieder aufzublicken.

"Die Blume hat nur einen Haken," fuhr er fort. "um zu funktionieren, muss man sie an das Ziel seines Hasses näher als eine Meile heranbringen."

Snape machte eine wegwerfende Handbewegung. "Fragt mich nicht, was das soll, hat irgendwas mit Botanik zu tun."

Er zögerte einen Moment. "Und hier begann Lucius´ Plan." Stellte er dann fest.

"Er hatte nie besonderes Vertrauen in das Können seines Sohnes, aber er wusste, dass Draco eine Sache hervorragend konnte." Er musterte die regungslose Gestalt vor ihm mit leisem Bedauern.

"Hassen." sagte er dann.

"Draco konnte großartig hassen. Das war seine hervorstechende Fähigkeit, er war ein Vollprofi im Hassen. Und mehr als alle anderen,"

Snape sah auf und fixierte Harry mit schwarzen Augen,

"hasste er Harry Potter."

"Insbesondere nach dem Quidditch," ergänzte Lupin grimmig.

Ohne auf den Effekt zu achten, den seine Worte bei Harry hinterließen, fuhr Snape fort.

"Lucius wusste, dass sein Sohn sich täglich mindestens zehnmal wünschte, dass Potter tot von seinem Besen fiel. Also beschloss er, ihn als Instrument für diesen Plan zu benutzen und ließ den Todeswunsch in die Schule schmuggeln. Kein schlechter Plan, wie man zugeben muss. Niemand wusste, dass der Todeswunsch noch existiert, und niemand vermutete etwas derartiges in Hogwarts - das heißt, Potters Spickoskop reagierte natürlich sofort, aber niemand erkannte die Ursache. Früher oder später musste es einfach passieren. Potter würde tot umfallen, und niemand könnte es sich erklären. Aber Draco tat etwas, womit Lucius sicherlich nicht gerechnet hatte - er wandte sich an Miss Granger um Hilfe. Und alles kam so, wie wir es eben erfahren haben."

Draco richtete sich mit aschfahlem Gesicht in dem Sessel auf. "Warum haben sie ihn nicht einfach machen lassen, als er mich töten wollte?!" murmelte er müde und nickte Ron zu.

Noch immer erschauerte Harry unter dem Eindruck von Snapes Worten.

Hermione. Sie hatte der Fluch erwischt, der IHN hätte töten sollen. Abermals hatte einer die Breitseite abbekommen, die für ihn bestimmt war. Und diesmal seine beste Freundin. Ihre letzten Worte...Es ist vorbei. Sie hatte es gewusst. Und sie war seinetwegen gestorben.

"Sie ist nicht deinetwegen gestorben, Harry," erriet Dumbledore seine Gedanken. "Es ist nicht deine Schuld, dass die dunkle Seite deinen Tod will. Bitte vergiss das nie."

Behutsam erhob sich der alte Schulleiter und schlenderte zu Harry hinüber, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. "Es ist von ungeheurer Wichtigkeit, dass du dir keine Vorwürfe machst," sagte er sanft.

Hinter ihnen nickte Lupin. "Du musst nun stark sein, Harry."

"Ich höre immer nur HARRY," fauchte ihnen plötzlich ein eiskaltes Zischeln um die Ohren.