32. Ich höre immer nur HARRY

Überrascht wandten sich alle zu Draco um.

Er war auf die Beine gesprungen und musterte die kleine Gruppe um Harrys Stuhl hasserfüllt. Er sah nicht mehr müde und teilnahmslos aus, sondern hellwach. Viel zu wach. In seinem Blick funkelte der altvertraute Hass.

"Ich fass es nicht!" zischte er. "Ein Mädchen ist tot, und die ach so berühmten Zauberer stehen hier rum und hätscheln Potter, damit er keine Sinnkrise bekommt! Steht hier etwa SEIN Leben auf dem Spiel? Geht es eigentlich immer nur um SEINE Probleme?!" er sah sich wild um.

"Verdammt, ich wusste es," brummte Snape in sich hinein. "Nach all den harten Nächten im Wald...er dreht durch....ich hätte ihm keinen Kaffee einflößen sollen...."

"Bin ich DAFÜR zurückgekommen?!" spie Draco ihm vor die Füße. "Damit ich hier in Potters Gruppentherapie rumsitze?! Geht es hier nun nicht mehr um Hermione, oder was ?!"

"Wenn mich nicht alles täuscht, bist du überhaupt nicht ZURÜCKGEKOMMEN, Malfoy," bemerkte Lupin trocken. "Vielmehr haben Severus und ich dich an Haaren hierher geschleift, während du gestrampelt und nach Wizard Amnesty International gebrüllt hast. Nur so als Tip: der empörte Held ist nicht deine beste Masche. Schalt lieber wieder um auf weinerliches Selbstmitleid. Steht dir besser."

"Sie haben als Allerletzter das Recht, sich hier aufzuspielen, Mister Malfoy," schnauzte McGonagall entrüstet.

Aber Draco beachtete weder sie noch Snape, noch den leichenblassen Harry. Er marschierte nur direkt zu Dumbledore hinüber und sah ihn herausfordernd an.

"Holen Sie sie zurück," stiess er hervor. Seine Stimme zitterte. Seine Fäuste ballten sich. "Holen Sie sie zurück, Dumbledore. Ich tue alles, was Sie wollen....es ist mir gleichgültig, was mit MIR passiert. Aber helfen Sie Hermione."

"Helfen?!" Ron, in seiner Ecke, lachte rau.

"Hermione ist tot, Malfoy, du hast sie umgebracht, ihr ist nicht mehr zu helfen."

Die Worte "Hermione" und "tot" in einem Satz zu hören, schien Draco noch immer maßlos zu erschrecken. Er erstarrte. Er holte ein paar Male tief Luft. Dann sah er zu Dumbledore auf, und in seinen Augen stand etwas, das keiner der Anwesenden bisher von ihm kannte.

Respekt. Und der Wunsch, zu vertrauen.

"Albus Dumbledore," sprach er den Namen aus, den er bisher nur benutzt hatte, um über ihn zu lästern, "Man sagt, Sie sind der größte Zauberer unserer Zeit. Mein Vater hat mir immer versichert, das sei eine Lüge, aber heute will ich daran glauben. Ich muss es. Beweisen Sie es mir. Beweisen Sie mir, dass mein Vater unrecht hat." er befeuchtete seine schmalen Lippen und kämpfte offenbar mit sich. Dann sprach er ein sehr seltenes, sehr ungewohntes Wort aus.

"Bitte. Ich weiß, wenn irgendein Zauberer das, was ich getan habe, wiedergutmachen kann, dann sind Sie es. Bitte holen Sie Hermione wieder zurück."

Ein heftiges Gefühl brandete in Harry auf, ein rasendes Hoffnungsgefühl. Er richtete sich mit trockenem Mund in seinem Stuhl auf. Er bemerkte, dass auch Ron neben ihm den Atem anhielt. Natürlich! Daran hatten sie noch überhaupt nicht gedacht! Dumbledore musste doch einen Zauber kennen, der den Todeswunsch besiegen konnte. Er war der bedeutendste Zauberer ihrer Zeit! Er MUSSTE einfach!

Aber Dumbledore hörte sich Dracos Flehen nur wortlos an und schien in düstere Gedanken versunken.

"Professor?" fragte Draco zaghaft. "Es existiert doch ein Mittel, diesen Fluch zu brechen? Nicht wahr?"

Ein abwesender, teilnahmsloser Blick trat in Dumbledores Augen. Er seufzte schwer. Einmal. Zweimal.

"Nein, so ein Mittel existiert nicht," sagte er dann leise.