Somit war es beschlossen. Minerva führte das so ungleiche Paar durch die Gänge und mehrere Treppen hinauf, so daß sie letztendlich in der Nähe des Astronomieturmes waren.

Vor einem Bild der schottischen Küste blieb sie schließlich stehen. „Loch Ness". Sofort schoben sich die Steine auseinander und gaben den Blick auf einen runden, gemütlich wirkenden Raum, der passenderweise in dunkelrot und – grün gehalten war, frei. Im Kamin prasselte fröhlich ein Feuer und an den Wänden hingen schöne Landschaftsbilder.

„So, ich werde jetzt mal sehen, was ich noch so besorgen kann. Severus wird schließlich nicht in seiner Robe schlafen wollen . . ." Mit diesen Worten verabschiedete sich McGonagall und ließ die Beiden allein. Als die Tür sich schloß, entspannte sich Snape, der bis jetzt versucht hatte, sich hinter Hermine zu verstecken. Diese, jetzt doch etwas ratlos, was sie machen sollte, wandte sich um und bemerkte, daß Severus sie mit erwartungsvollen Augen ansah.

„Na dann, gucken wir uns doch mal die Wohnung an. Da könne wir auch gleich mal sehen, wo Du schlafen wirst." Damit streckte sie die Hand aus, die Severus natürlich prompt ergriff und machte sich an die Erkundung der Räume. Links vom Eingang befand sich ein kleine Küche, so dass sie nicht gezwungen waren, mit allen anderen zusammen in der Großen Halle zu essen.

Der nächste Raum war ein wunderschönes Bad mit einer Badewanne, die in der Muggelwelt als kleiner Swimmingpool durchgegangen wäre. Von dort aus kam man in das Schlafzimmer (welches natürlich auch vom Wohnzimmer aus erreichbar war): In der Mitte stand ein riesiges Himmelbett, auf das man (wohl Hauselfen dachte Hermine grimmig) schon ihren Schlafanzug gelegt hatte.

Als nächstes kam das Zimmer, wo Severus schlafen würde: etwas kleiner, in dunkelgrün gehalten und weinroten Vorhängen vor dem Fenster. Beide Schlafzimmer hatten ihren Blick in Richtung See und Verbotenem Wald.

„So, Severus. Hier wirst Du schlafen." Snape schaute auf und deutete fragend auf Hermine. „Wo ich schlafen werde?" Er nickt. „Na im Schlafzimmer nebenan." Schon verzog sich das Gesicht von Severus und er zeigte auf das andere Zimmer. „Ach, Severus! Du bist doch schon groß genug. Du kannst doch schon alleine schlafen!" Dieser schüttelte heftig den Kopf. „Nicht ?! Ähhhh . . . na  . . . dann wird es vielleicht Zeit dafür, oder?" Hermine lächelte Snape etwas unsicher an, der daraufhin eine Schmollmiene auf – und sich zu Boden setzte.

Hermine seufzte, doch war fest entschlossen, nicht nachzugeben. Schon allein bei dem Gedanken, die Nacht mit Snape in EINEM Bett zu verbringen, jagten ihr Schauer über den Rücken. „Du wirst sehen . . . es ist gar nicht so schlimm. Und wenn Du lieb bist, bekommst Du morgen auch ein Bonbon!" Snape sah zwar noch immer nicht überzeugt aus, gab aber das Schmollen auf.

„Tja, was machen wir denn jetzt? Worauf hast Du denn Lust? Bis jetzt hast Du ja noch kein Wort gesagt. Ähh . . . kannst Du überhaupt schon sprechen?" Snape machte ein ratloses Gesicht, in das sich Verlegenheit mischte. „Weiß nicht . . ." Hermine, erleichtert, dass Snape der Sprache doch schon mächtig war, überlegte kurz und sagte: „Na, dann werde ich mal kurz ins Bad verschwinden und Du überlegst Dir in der Zwischenzeit, was wir machen wollen, ok?" Sie stand auf und verließ das Zimmer.

Während sie im Bad ihre Kosmetiktasche entpackte, hörte sie von entfernt ein verdächtiges Knacken, Knarren und Wispern. Sie dachte sich nichts dabei, schließlich ist es ein altes Schloss und dazu noch von Magiern erbaut, da passierte wohl so etwas ab und zu. Doch plötzlich erscholl ein verzweifelter Schrei in höchster Panik aus dem „Kinderzimmer": MAAAAAM I I I I I!!!" Severus! Entsetzt ließ sie die Zahnbürste fallen und hechtete, den Zauberstab gezückt, durch ihr Schlafzimmer, um an der Tür zu Snapes Zimmer vor Überraschung zurückzuprallen:

Sie stand vor einem Dschungel, aus dem das herzzerreißende Schluchzen von Snape drang. Im ersten Moment dachte sie, dass hier eine Machete angebrachter als ein Zauberstab wäre, doch ihr fiel schnell er passende Zauberspruch  ein: „Finite Incantatem!"

Mit einem Mal war der Dschungel verschwunden und in der Mitte des Zimmers saß ein noch immer wimmernder Severus mit seinem Zauberstab in der Hand, den er jetzt demonstrativ von sich legte. Ganz unscheinbar stand auf dem Fensterbrett ein eingetopftes Usambaraveilchen.

Als Snape Hermine entdeckte, die noch immer mit erhobenem Zauberstab in der Tür stand, stürzte er auf sie zu, klammerte sich an ihr fest, holte tief Luft und begann erst mal richtig zu brüllen. Hermine schloss Severus, der um anderthalb Köpfe größer als sie war, völlig verdattert in die Arme, um ihm erschrocken auf den Rücken zu klopfen, als er sich vor lauter Weinen verschluckte. Beruhigend streichelte sie ihm über die Haare (*müssen UNBEDINGT gewaschen werden*) und über den Rücken. Nach einigen Minuten wurde er auch ruhiger, nur ab und zu schniefte er noch etwas.

Hermine putzte ihm die Nase, wischte ihm die Tränen ab und setzte eine halbwegs strenge Miene auf: „Nun weißt Du, was passiert, wenn Du den Zauberstab einfach nimmst, wenn niemand da ist. Und, wirst Du es noch mal machen?" Severus schüttelte heftig den Kopf und senkte den Blick schuldbewusst zu Boden. „Na, dann ist ja gut. So, und nun wollen wir mal sehen, was wir bis zum Abendessen machen."

Sie blickte auf ihre Uhr, nur um festzustellen, dass es bis dahin nicht mehr so viel Zeit war. Severus, der sich inzwischen von seinem Schrecken wieder erholt hatte, betrachtete inzwischen die Bilder, die an der Wand hingen und lachte herzlich auf, als ein Jäger, der gerade einen Hirsch erlegen wollte, niesen musste und das Tier hüpfend im Gebüsch verschwand, worauf der Jäger wütend die geballte Faust schüttelte. Auch Hermine musste lächeln, doch eher über Snape, als über die Szene im Bild.

Severus starrte weiterhin gebannt auf das Bild und wandte sich schließlich enttäuscht ab, als der Jäger es entnervt verließ, da der Hirsch nicht zurückkam. Dafür lief der Tränkemeister a.D. jetzt zum Fenster und zeigte nach draußen (wobei er geflissentlich das Usambaraveilchen ignorierte und krampfhaft versuchte, es nicht zu berühren). Dabei sah er Hermine mit großen Augen fragend an. „Du willst raus?" Severus nickte freudig. „Hm . . . na ja. Frische Luft ist ja gesund. Und vielleicht verfliegt die Wirkung des Trankes schneller, wenn Du Dich bewegst. Eigentlich dürfte im Moment keiner draußen sein."

Mit diesen Worten gab Hermine Snape seinen Mantel (natürlich schwarz), zog ihren eigenen an und half Severus schließlich, sich wieder zu entheddern, da er versucht hatte, seinen Mantel mit dem Rücken nach vorn und linksherum anzuziehen. Letztendlich zog sie ihn an, band ihm noch seinen Schnürsenkel zu, da er auf eine entsprechende Frage recht hilflos aussah und dann machten sie sich auf den Weg nach draußen.

Natürlich blieb Severus in einer der Trickstufen hängen, da er mit kindlicher Naivität und vor Staunen offenem Mund durch das Schloß wanderte und dabei ganz vergaß, zu schauen, wo er hinlief.

Es dauerte eine weitere Viertelstunde, bis sie weiterkamen, denn bis Hermine Snape soweit beruhigt hatte, dass sie keine Angst mehr zu haben brauchte, an Stelle der Treppenstufe den vor Panik wie Espenlaub zitternden Severus mit ihrem Zauberspruch zu treffen, brauchte es große Überredungskunst. Auch der Rest der Wanderung durch das Schloß dauerte länger als geplant, da doch sich hin und wieder Schüler auf den Gängen befanden und sie somit ein wenig Verstecken spielen mussten, was Severus aus irgendwelchen Gründen (wahrscheinlich reiner Spaß an der Freude) riesigen Spaß bereitete. Jedes mal stand er in der Nische oder der dunklen Ecke und musste sich mit beiden Händen den Mund zu halten, um sich nicht durch sein prustendes Lachen zu verraten. Auch als sie schon längst draußen waren, grinste er noch fröhlich in sich hinein.

Hermine war es rätselhaft, wie groß der Unterschied zwischen den zwei Severus Snapes war, die sie nun kannte. Was musste geschehen sein, dass sich ein Mensch derartig verändert hatte, verändern musste? Sie wusste ja aus den Erzählungen von Sirius, dass er auch schon zu seiner Schulzeit so sarkastisch gewesen ist und seine böse Ader gepflegt hatte. Also schien er auch eine nicht gerade fröhliche Kindheit erlebt zu haben.

*Dann* dachte sich Hermine *werde ich mir eben Mühe geben, ihm seine jetzige, wenn auch etwas unfreiwillig zurückerlangte Kindheit so angenehm wie möglich gestalten.*