Kapitel 2: „Das Los verfluchend, das auf mich gefallen"
Wenn ich beweine meine Einsamkeit,Mit dem Geschick, der Welt und mir zerfallen,
Mein Herz zum tauben Himmel nutzlos schreit,
Das Los verfluchend, das auf mich gefallen,
Dann glich ich jenen gern, die wie im Spiel
durchs Leben gehn, die Zukunft froh betrachtend,
wünsch' mir des Einen Kunst, des Andern Ziel,
Am meisten mich und all mein Tun missachtend.
Wenn so ich in Verzweiflung fast versunken,
Tauchst plötzlich du in meinem Sinn empor:
Und wie die Lerche steig' ich sonnentrunken
Und singe Hymnen an des Himmels Tor.
Der Liebe süß Erinnern macht so reich,
Und keines Königs Los ist meinem gleich.
(William Shakespeare)
Als Jack O'Neill gegen Abend die Krankenstation betrat, war kaum jemand da. Janet starrte am anderen Ende des Raumes einen Computerbildschirm an, der eine Liste mit Untersuchungsergebnissen zeigte, sämtliche Schwestern und Pfleger waren ausgeflogen und Samantha Carter lag schlafend auf einem Bett. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben sie. Zögerlich berührte er ihre Hand und sie schlug langsam die Augen auf.
„Hey," flüsterte er.
„Hey," flüsterte sie zurück.
„Wie geht's Ihnen?"
„Nicht gut," erklärte sie das Offensichtliche. „Ich fühle mich, als wäre ich von 10 Zat-Schüssen getroffen worden."
„Der zweite ist aber tödlich."
„Ja, ich weiß," erklärte sie ernst, brachte Jack damit aber unweigerlich zum Lachen – was ihr selbst ebenfalls ein Lächeln entlockte.
O'Neill war erleichtert. Carter sah aufgrund ihrer Blässe nicht so aus, aber die Tatsache, dass sie es war, die scherzte und zur Abwechslung nicht er, gab ihm die Gewissheit, dass es ihr wieder etwas besser ging. „Und, Doc?" Jack sah auf und blickte zu Janet. „Wie sieht's aus? Hat die viele Piekserei was genützt? Wissen Sie jetzt, was es ist?"
Sam setzte sich langsam auf und schwang die Beine über die Liege, während Janet wortlos zu ihr kam und sich ihr gegenüber auf ein Bett setzte. O'Neill stand von seinem Stuhl auf und setzte sich neben seinen Major.
„Tja, ein Tumor wie bei Jonas ist es nicht," begann Janet. „Alle Tests waren negativ – bis auf einen. Der, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte."
„Janet?" erwiderte Sam verwirrt.
Janet holte Luft. „Ihre DNS ist fehlerfrei und völlig intakt. Es gibt nichts, was auf eine Beeinträchtigung durch die Maschine auf 367 hinweist. Sämtliche Ungleichgewichte, die wir nach Ihrer Rückkehr feststellen konnten, haben sich wieder ausgeglichen. Ihr Körper ist inzwischen gut damit fertig geworden."
„Aber…" begann Sam und unterbrach sich selbst. Sie schüttelte den Kopf.
„Ja, was ist es denn nun?" erkundigte sich O'Neill ungeduldig, da Sam in ihrer Verwirrung dazu nicht in der Lage war.
„Vielleicht sollten sie besser rausgehen, Colonel. Das ist etwas, was ich Major Carter alleine sagen sollte."
Sam hob die Hand. „Schon gut, Janet. Sagen Sie es einfach. Früher oder später erfahren es sowieso alle."
„Ja, ich würde sagen spätestens in drei Monaten," murmelte Janet vor sich hin und bekam von Sam und Jack gleichermaßen ein irritiertes Stirnrunzeln als Antwort. „Wie gesagt, die DNS-Veränderung hat sich längst wieder ausgeglichen und für Ihren Zustand reagiert Ihr Körper nun völlig normal."
„Welcher Zustand denn?" entgegnete der Major verwirrt und ungeduldig.
„Sie sind schwanger, Sam."
Sam sah Janet völlig entgeistert an und glaubte sich verhört zu haben. „Sagen Sie das noch mal."
„Schwanger," wiederholte Janet. „In der 14. Woche."
Jack O'Neill, der nicht weniger schockiert als Sam Carter dreinblickte und mit offenem Mund dasaß, sprang auf und hob die Hände. „Moment, langsam – noch mal zurückspulen."
Sam und Janet sahen ihn an.
„Schwanger???" echote er daraufhin. „Wie ist denn das bitte möglich?"
„Nun, Sie waren verheiratet und hatten einen Sohn, Sir," begann die Ärztin. „Sie sollten eigentlich wissen, wie so etwas möglich ist."
Carter konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, während O'Neill der Ärztin einen scharfen Blick zuwarf. Ihm war jetzt ganz und gar nicht zum Scherzen zumute. Eigentlich wusste er selbst nicht, wie ihm gerade zumute war. Janets Worte halten immer noch in seinen Ohren – schwanger. Sam und schwanger? Noch dazu im dritten Monat. Und keiner hatte etwas gemerkt? Nicht einmal Sam selbst? Das war einfach zu merkwürdig. Und abgesehen von dieser Unlogik, rasten seine Gedanken und ein merkwürdiges Gefühl stieg in ihm auf – Verwirrung, die von Sorge, Unverständnis und etwas begleitet wurde, die er urplötzlich als Eifersucht und sogar Angst zu erkennen glaubte. Sam und schwanger…
„Janet," erklang schließlich Sams sanfte Stimme. „Sind Sie wirklich sicher? Könnte beim Test irgendwas falsch gelaufen sein?"
Janet schloss einen Augenblick die Augen. „Irrtum ausgeschlossen. Ein Schwangerschaftstest gehört nicht zu den Standards nach einer SG-Mission und so haben wir vor drei Monaten auch keinen gemacht. Eigentlich hatte ich das jetzt auch nicht vor, ich hatte nicht daran gedacht… eine der Schwestern schon. Als die Bluttestergebnisse da waren und ich entdeckte, dass da dieser Test, den ich gar nicht angeordnet hatte, dabei war, wollte ich die Schwester erst zur Rede stellen… als ich dann aber das Wort „Positiv" las…" Sie sprach nicht weiter. Das war auch gar nicht nötig. Sam musste nun erst mal alles verarbeiten, was Dr. Fraiser ihr gesagt hatte. „Aber natürlich könnte ich und sollte ich jetzt auch unbedingt einen Ultraschall machen."
Carter nickte und zog sich im Hinlegen das schwarze T-Shirt etwas höher.
„Äh…" begann O'Neill und seine Augen wurden ein Stückchen größer. „Ich werd dann mal gehen," gestikulierte er.
Dr. Fraiser, die gerade das Ultraschallgerät zu Sam ans Bett schob, sagte kein Wort.
Carter aber, die schon gelegen hatte, stemmte sich wieder halb hoch. „Bleiben Sie… Sir." Sie überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte, aber ihr fiel nichts ein. Sie wollte nur nicht, dass er ging. Sie wollte, dass jemand dabei war, sie wollte Beistand – und dass er da war, war ihr am liebsten.
„Carter…" setze er an, verstummte aber, als er ihren bittenden Blick sah. Er nickte stumm und trat neben sie.
Janet drehte den Monitor des Ultraschallgeräts so, dass beide draufschauen konnten. Dann schaltete sie das Gerät an. Sie nahm das Handgerät und präparierte des mit blauem Gel. „Nicht erschrecken," sagte sie. „Es wird gleich etwas kalt." Sie setzte es vorsichtig auf Sams freiem Bauch auf.
Sam zuckte leicht zusammen, entspannte sich aber gleich wieder. Janet ließ das Gerät langsam über ihre Bauchdecke kreisen und auf dem Monitor entstand ein Bild aus grauen und schwarzen Schatten, die für Carter und O'Neill keinen Sinn gaben. Die Ärztin hingegen nickte zufrieden.
„Sie gut aus. Der Fötus zeigt eine normale Entwicklung. Möchten Sie wissen, was es ist?"
„Nein!" erwiderte Sam hastig. Als sie Janets überraschten Blick wahrnahm, schloss sie kurz die Augen. „Ich… muss einfach erst mal verkraften, dass…" Sie machte eine hilflose Geste.
Janet nickte. Und Jack schwieg. Er starrte nur auf das Ultraschallbild. Nicht, dass er wirklich etwas erkannt hätte, aber der Blick auf das Bild ließ wieder dieses Gefühl in ihm aufflammen…
Sam sah wieder auf den Monitor. Auch sie konnte nicht wirklich etwas erkennen und eigentlich hätte sie schon gerne gewusst, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, aber sie hatte auch Angst davor. Sie war schwanger – das stand spätestens jetzt eindeutig fest – aber trotzdem kam ihr das noch so irreal vor. Sie musste erst mal mit der Situation allgemein fertig werden, es war so schon schwer genug. Der Test und der Ultraschall waren eindeutig – trotzdem konnte es nicht sein! Ihre letzte Beziehung lag schon Jahre zurück und sie hatte sich auch nie auf etwas Kurzweiliges auf irgendeinem Planeten eingelassen.
Dr. Fraiser musterte erst Sam, die fassungslos auf den Monitor, eigentlich jedoch ins Leere starrte, dann Jack O'Neill der mit einer seltsamen Nuance in seinem Blick auf das Ultraschallbild starrte. Sie hatte eine ungefähre Ahnung davon, was gerade in beiden vorgehen musste und sie selbst war auch verwirrt. Sie kannte Sam sowohl als Ärztin, als auch als Freundin – und sie war auch beim Zat'arc-Test dabei gewesen. Janet konnte daher ziemlich genau vorhersagen, dass eine sehr schwere Zeit bevorstand. Sie seufzte lautlos, druckte das Ultraschallbild aus und reichte es der werdenden Mutter.
„Janet," begann Carter, als sie das Bild in Händen hielt, „ich weiß, dass der Test und dieses Bild eindeutig sein, aber technisch gesehen, ist es einfach unmöglich…"
„Es gab also niemanden, der…?" setzte Janet an, obwohl sie die Antwort natürlich genau kannte.
„Na schön – aber wieso ist mein 2IC dann bitte schwanger?" erkundigte sich O'Neill gereizt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Dr. Fraiser warf dem Colonel einen Was-fragen-Sie-mich-das-Blick zu, während Sam wieder ein bisschen blasser wurde und sich mit der Hand über die Stirn fuhr.
„Alles in Ordnung?" fragte der Colonel besorgt.
Sam presste die Lippen aufeinander und schien den Tränen nahe zu sein. „Ich bin schwanger," antwortete sie leise und mit einem bitteren Unterton in ihrer Stimme. „Gar nichts ist in Ordnung!"
„Okay," meinte Janet mit einer beschwichtigenden Geste. „Betrachten wir die ganze Sache mal von Anfang an: Sie sind in der 14. Woche, also im dritten Monat. Das bedeutet, der Zeitpunkt der Empfängnis liegt vor oder kurz nach ihrem Aufenthalt auf P3X-367."
Sam nickte abwesend vor sich hin und spielte nervös an dem Bild in ihren Händen rum.
„Also…" wollte die Ärztin fortfahren, kam aber nicht weiter.
Mit einem „Moment mal!" fuhr Jack O'Neill dazwischen, was Sam wieder aus ihren Gedanken riss. „Und was ist, wenn es nicht vorher oder nachher, sondern auf 367 passiert ist?"
„Ich hatte weder vorher, noch nachher noch während der Mission nach P3X-367 etwas mit einem Mann."
„Und eine Vergewaltigung, an die sich Major Carter nicht erinnern kann, scheidet aus," fügte Janet sachlich hinzu. „Wir konnten nach der Rückkehr von SG-1 keine Anzeichen für eine Misshandlung oder etwas in der Art finden. Bei keinem. Na ja, abgesehen von der Disharmonie in Sams Biorhythmus durch die vorübergehende Erbgutveränderung."
„Ich kenn ich ja nicht aus," begann O'Neill, „aber könnte diese Maschine was damit zu tun haben? Das hatten wir doch eh die ganze Zeit vermutet."
Sam und Janet sahen sich nachdenklich an, dann zuckte die Ärztin mit den Schultern. „Bedaure, ich habe keine Ahnung wie die Maschine funktioniert, was sie kann und wie sie das macht, was sie macht. Ich kann also weder ja, noch nein sagen."
„Ich würde sagen, ein eindeutiges Ja," widersprach Sam.
„Wie kommen Sie darauf?" entgegnete Dr. Fraiser.
„Weil es die einzige Erklärung für meinen Zustand ist," erwiderte Sam überzeugt. „Vor jener Mission war ich tagelang im Labor beschäftigt und danach lag ich einige Tage hier auf der Krankenstation und dann war69 ich im Zwangsurlaub zuhause. Auf 367 hat aber Ni'irti an meiner DNS rumgebastelt und seitdem geht es mir so schlecht."
„Schön, aber können Sie mir auch erklären, was Ni'irti davon haben sollte, wenn Sie ein Kind bekommen?" O'Neill sah seinen 2IC mit seinem Ist-doch-echt-unlogisch-Blick an. „Ach und hatte ich eigentlich erwähnt, dass Ni'irti TOT ist?" fügte er etwas lauter hinzu.
„Nun ja," begann Carter, „als Ni'irti mich zu sich holen ließ, meinte sie, sie würde mich als ihre nächste Wirtin in Betracht ziehen. Da sie ja aber einen Hok'tar, einen perfekten Menschen und Wirt, erschaffen wollte, könnte es ja sein, dass ihr meine DNS zu unrein oder was auch immer war und sie irgendwie auf die Idee kam, dass ein Kind, bei dem sie die DNS zusammenstellen kann, das ist, was sie braucht. Und da Jonas diesen Tumor hatte, nehme ich an, dass sie damit wahrscheinlich zweigleisig fahren konnte. Sie hat also auf der einen Seite, jemanden, der schon fortgeschrittenes Erbgut hat, noch weiter verändert und bei mir wird sie dann wohl versucht haben, einen völlig neuen Menschen, einen Hok'tar zu erschaffen. Statt reparieren oder experimentieren also einfach ein völlig neues Modell 'Mensch'."
„Klingt eigentlich einleuchtend, nach allem was wir über Ni'irti und ihre Experimente wissen," stimmte die Ärztin zu.
„Finde ich nicht," warf O'Neill ein. „Es gab doch genug Frauen auf diesem Planeten. Da hätte sie längst eine andere als Carter als Mutter eines Hok'tar nehmen können."
„Nicht unbedingt," meinte Janet. „Vielleicht kam sie erst auf diese Idee, als sich SG-1 schon auf dem Planeten befand – oder aber keine der Frauen auf Vengara war geeignet, einen Teil der Hok'tar-DNS zu stellen."
Sam fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Dass Ni'irtis Maschine verantwortlich ist, scheint ja recht sicher, aber was genau sie sich dabei dachte und damit erreichen wollte, können wir uns nichts sicher sein. Auch ob ich die tatsächliche Mutter oder nur eine Leihmutter bin, wissen wir nicht. Und es gibt ja wohl nur eine Möglichkeit das herauszufinden, oder?"
„Richtig," stimmte O'Neill sofort zu. „Wir müssen zurück nach 367 und hoffen, dass die Maschine noch nicht zerstört wurde."
„Nein!" widersprach Sam. „Ich muss dahin zurück."
„Carter…" begann O'Neill, doch eine Geste ihrerseits brachte ihn sofort wieder zum Verstummen.
„Ich muss alleine gehen, Sir," sagte sie leise.
„Heute gehen Sie nirgendwo hin," entschied Janet. „Sie müssen sich jetzt erst mal die Nacht über ausruhen. Außerdem denke ich, sollten Sie General Hammond über die Situation informieren. Er wird Sie ja wohl kaum ganz alleine auf diesem Planten reisen lassen, ohne zu wissen, was los ist."
Sam erwiderte nichts. Sie wusste, dass Janet Recht hatte.
„So," fuhr die Ärztin schließlich fort, „und jetzt legen Sie sich wieder hin, Major. Und Sie, Colonel, werden jetzt gehen."
O'Neill hätte ihr gerne widersprochen und an Carters Bett gewacht, wusste jedoch, dass er das aus vielen Gründen nicht konnte und durfte – der Wichtigste war im Augenblick aber, dass Major Samantha Carter völlige Ruhe und Stille brauchte.
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