Kapitel 5: „Ein Blick in die Karten"
Das Schicksal mischt die Karten
– und wir spielen.
(Arthur Schopenhauer)
General George Hammond, Colonel Jack O'Neill, Dr. Janet Fraiser, Teal'c und Jonas Quinn standen bereits erwartungsvoll im Stargate-Raum, als der Alarm einer Aktivierung von Außerhalb erklang. Kaum hatte sich das Wurmloch aufgebaut, meldete der Kommandoraum über Lautsprecher die Identifizierung des Iris-Codes von SG-1. Die Iris öffnete sich und wenige Augenblicke später, trat Major Samantha Carter aus dem blau-schimmernden Ereignishorizont. Sie blieb einen kurzen Moment stehen und blickte etwas unsicher in die Runde am Ende der Rampe, dann ging sie langsam auf sie zu, während sich das Stargate hinter ihr schloss.
„Major," nickte ihr der General zu und sah sofort, dass sie völlig durcheinander war.
„General," erwiderte sie und nickte auch den anderen zu.
„Wie macht sich das zauberhafte Land so?" erkundigte sich O'Neill locker mit den Händen in den Hosentaschen und spielte auf seine Bemerkung 'Dorothy, die böse Hexe ist tot.' nach Ni'irtis Tod an.
Sam ging nur mit einem gezwungenem und kaum merklichem Lächeln auf seinen Aufmunterungsversuch ein. „Die Vengaraner sind dabei ihre Dörfer wieder aufzubauen. Der Palast ist verlassen, die Maschine ist zerstört und sie haben Ni'irtis Leiche verbrannt."
Hammond nickte wieder. Als Freund der Familie Carter wünschte er sich, es nicht tun zu müssen und ihr die Zeit geben zu können, die sie brauchte, aber als General der Airforce hatte er nun die Pflicht Major Carter danach zu fragen, was sich sonst noch zugetragen hatte und was sie herausgefunden hatte. „Was konnten Sie in Erfahrung bringen?" fragte er also ganz sachlich.
„Bitte," begann sie leise, „könnten wir vielleicht in den Briefing-Raum?"
„Natürlich," erwiderte Hammond und bedeutete ihr voranzugehen.
Wie eine Prozession schritten SG-1, General Hammond und Dr. Fraiser aus dem Stargate-Raum, den Gang entlang, die Treppe zum Kontrollraum hoch und von dort aus eine weitere Treppe zum Briefing-Raum hinauf. Dort angekommen setzten sich alle an ihre angestammten Plätze. Der General setzte sich ans Tischende, zu seiner Rechen nahmen Major Carter und Colonel O'Neill Platz, ihnen gegenüber saßen Jonas, Teal'c und Dr. Fraiser.
„Nun, Major?" ergriff Hammond wieder das Wort, als alle saßen.
„Ja…" antwortete sie langgezogen und schloss für einige Sekunden die Augen. Sie erinnerte sich an die Besprechung am Morgen – als sie den anderen ihre Schwangerschaft mitgeteilt hatte. Schon da hatte sie sich grauenhaft gefühlt. Sie war so froh gewesen, als es vorbei gewesen war und nun war sie wieder in dergleichen Situation. Diesmal war es aber tausendmal schlimmer. „Als ich im Palast ankam, traf ich auf Wodan und Eggar. Sie hatten mit meiner Rückkehr gerechnet."
„Sie wussten also, was passiert ist?" fragte Jonas.
„Kann man so sagen…" entgegnete Sam bitter und spürte die neugierigen Blicke der anderen auf sich ruhen. „Es war schon heute Morgen alles andere als einfach für mich und jetzt… Tja… ich traue mich kaum, es auszusprechen, aber es bringt auch nichts, wenn ich drumrum rede…" Sie nahm all ihren Mut zusammen und hoffte, dass ihre Stimme durchhalten würde und dass sie nicht gleich in Tränen ausbrechen würde. Sie hatte in den letzten 24 Stunden mehr geweint – oder besser geheult – als sie es in den vergangenen 10 Jahren getan hatte. Und das gefiel ihr gar nicht. Sie fühlte sich dadurch einfach nur schwach und angreifbar. „Es ist so, dass Ni'irti nicht für meinen Zustand verantwortlich ist."
„Ist sie nicht?" echote O'Neill um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.
„Ja, Sir," antwortete Sam routiniert, doch heute kamen ihr diese zwei kleinen Worte furchtbar dumm und unangebracht vor.
„Wir lagen richtig in der Annahme, dass meine Schwangerschaft mithilfe von Ni'irtis Maschine entstanden ist, aber nicht sie ist dafür verantwortlich – sondern Eggar."
„Er ist doch nicht etwa der Vater?" erkundigte sich Jonas vorsichtig.
„Nein," schüttelte Sam den Kopf und hätte beinahe 'Der sitzt hier neben mir.' gesagt. Das konnte sie aber gerade noch zurückhalten. Das wäre wohl die schlechteste Art gewesen, es ihm und allen anderen mitzuteilen. Sie wollte alles der Reihe nach erzählen. „Wie Sie alle wissen, konnte Eggar aufgrund seiner DNS-Veränderung Gedanken lesen."
Die Runde nickte wortlos.
„Die Feststellung, dass Colonel O'Neill vorhatte, Ni'irti zu vernichten und dass in uns eine tiefe Abneigung gegen sie vorhanden war, war nicht die einzige Feststellung, die er gemacht hat…" Sam stoppte kurz um die geeignete Formulierung zu finden und das wirklich Wesentliche ihrer Erkenntnisse mitzuteilen. Sie wollte eine bestimmte Sache aber unter keinen Umständen nennen. „Ein paar meiner Gedanken leiteten ihn zu dem Fehlschluss, dass er mir in der Erzeugung einer Schwangerschaft einen Gefallen tun würde. Er… während meiner Reprogrammierung hat er die DNS-Muster einer gescannten Person mit meinen Verschmolzen und… na sie wissen schon."
„Ist es einer der Planetenbewohner?" schaltete sich Janet ein.
„Nein."
„Ivanov?!" entfuhr es O'Neill schockiert.
„Nein, Sir," erwiderte Sam mit zittriger Stimme.
„Ja aber, ich komme doch nicht in Frage," verteidigte sich Jonas, als die Blicke aller – außer Sams – plötzlich zu ihm wanderten.
„Es gab noch jemanden, der in der Maschine war…" erklärte Sam leise. Daraufhin trat aber genau das ein, was sie befürchtet hatte – ihre Stimme versagte. So wanderte ihr Blick stumm zu Jack O'Neill, der links neben ihr saß.
Während Teal'c mit einem Hochziehen einer Augenbraue reagierte, waren alle anderen im ersten Moment nur verwirrt und Jonas wollte schon zu einer Frage ansetzen, doch als Sam ihren Blick schließlich verlegen niederschlug – da begann es allen plötzlich zu dämmern. Entsetzt und mit offenen Mündern starrten sie auf Sam und Jack.
O'Neill selbst erwiderte den mittlerweile gesenkten Blick seines Majors schockiert und brachte im ersten Moment nur ein ersticktes „Was?" hervor. Er sah sie genauso an, wie Sam Wodan angesehen hatte, als es ihr klargeworden war.
„Aber O'Neill wurde doch nicht…" begann Teal'c dann, verstummte aber sofort wieder.
Sams Ernsthaftigkeit war für alle Antwort genug. Jack O'Neill war der Vater ihres ungeborenen Kindes. Langsam hob Sam ihren Blick und sah dem werdenden Vater in die Augen. Sie konnte in ihnen dieselbe Unsicherheit und Angst erkennen – aber auch dieses andere Etwas, das es schon so lange zwischen ihnen gab.
Jack erwiderte Sams Blick. Er war von ihren Augen gefesselt, denn trotz der Angst, die aufgrund all der Unmöglichkeiten, die ihnen im Weg standen, in ihm aufstieg, begann ein anderes Gefühl stärker zu werden – Freude. Natürlich war ihm sofort klar, dass er nicht so fühlen sollte oder durfte, aber dass dies sein Kind war und dass Samantha Carter von ihm schwanger war – das machte ihn in diesem Augenblick einfach nur unbeschreiblich glücklich.
Nach einigen ewig scheinenden Momenten zwang sich Sam, ihren Blick von Jack abzuwenden. „Offenbar…" fuhr sie heiser fort. „war Colonel O'Neill sogar noch vor mir in der Maschine… Eggar erklärte mir, dass Wodan ihn in die Maschine gebracht hatte... Ni'irti hatte mich betäubt und mit einer Zat bedroht, als Colonel O'Neill den Raum mit der Mutationsmaschine erreichte."
„Ja," bestätigte O'Neill halb stimmlos. „Sie bedrohte Major Carters Leben und ich legte meine Waffe nieder. Daraufhin betäubte mich Ni'irti mit ihrer Zat. Danach erinnere ich mich nur daran, dass ich in einer Zelle im Kerker aufwachte. Carter, Jonas und Teal'c waren ebenfalls da. Wenige Minuten später wurde Ivanov gebracht und Carter geholt."
„Es war so, dass Ni'irti Colonel O'Neills DNS bereits völlig gescannt und entschlüsselt hatte, als sie die Nachricht von Ivanovs Gefangennahme bekam. Daraufhin hat sie beschlossen, abzubrechen und erst mit Ivanov zu experimentieren," erklärte Sam zu Ende und fühlte sich wieder etwas ruhiger, nachdem nun alle alles wussten. Trotzdem fürchtete sie sich vor dem, was nun auf sie zukommen würde. Sie hatte auch Vengara einige mögliche Szenarien durchdacht und nahm nun stark an, dass sie ihren Rücktritt würde einreichen müssen.
„Das ist nun eine schwierige Lage," sprach General Hammond das Offensichtliche aus.
Sam senkte den Kopf und nickte kaum merklich. Jack wollte etwas sagen, irgendetwas, aber ihm gingen so viele Gedanken im Kopf herum, dass er einfach nicht wusste, was.
„Major Carter," ergriff Teal'c das Wort. „Ich möchte dir nicht zunahe treten, aber ich weiß, dass es auf der Erde gewisse Möglichkeiten gibt. Wirst du dieses Kind bekommen?"
Sam schrak etwas zusammen, als Teal'c ihr diese direkte Frage stellte. Und ausgerechnet Teal'c. Sie hatte angenommen, dass der General das fragen würde.
„Entschuldige, ich wollte nicht…" setzte er gleich hinzu.
„Ist schon gut," unterbrach ihn Sam und versuchte sich an einem kleinen Lächeln. „Natürlich habe ich schon etliche Möglichkeiten durchdacht und… und was auch immer geschieht – ich werde dieses Kind bekommen." Sie hielt unwillkürlich die Luft an, als sie das ausgesprochen hatte und musste sich erst selbst darüber klar werden, was sie gerade gesagt hatte. Eigentlich begann sie letztendlich und schließlich erst in diesem Augenblick ihre Schwangerschaft völlig zu realisieren und vor allem auch zu akzeptieren.
Hammond musterte Samantha Carter. Sie war einer seiner besten Offiziere und mit Abstand die beste Wissenschaftlerin im SGC – und jetzt war sie auch noch werdende Mutter. Und sein Stellvertreter, ihr CO, war der Vater. Es graute Hammond schon davor, das dem Pentagon erklären zu müssen. Außerdem brauchten sie eine Lösung, wie es weitergehen sollte. Aber das konnten sie auch noch am nächsten Tag klären, denn bis zur Geburt waren es ja noch ein paar Monate. „Ich denke, Sie sollten sich jetzt ausruhen, Sam," meinte er schließlich und wählte bewusst diese Anrede. „Wir werden morgen alles Weitere besprechen." Er nickte der Runde zu. „Wegtreten."
Dr. Fraiser erhob sich als erste um zur Krankenstation zurückzukehren. Jonas und Teal'c zögerten. Sie überlegten beide, ob sie mit Sam, die – ebenso wie Jack – noch ganz still da saß, reden sollten, entschlossen sich dann aber wortlos, dem General, der gerade den Briefing-Raum verließ, zu folgen.
Jack und Sam blieben allein zurück. Mindestens zwei Minuten saßen sie so da, ohne ein Wort zu sagen. Dann, ganz langsam, erhob sich Sam.
„Sam… warten Sie."
Sie blieb stehen und drehte sich langsam zu Jack um, der nun auch aufgestanden war. „Ich weiß, dass wir reden müssen," flüsterte sie und hatte Mühe nicht in Tränen auszubrechen. „Aber bitte nicht jetzt…"
Mit diesen Worten verließ sie hastig den Raum und ließ einen nach wie vor unter Schock stehenden Jack O'Neill zurück.
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