Kapitel 10: „Ein Stern am Firmament"

Erblickt ein Kind das Licht der Welt
erscheint ein Stern am Firmament,
er strahlt für dich tagaus, tagein
und wird dein Wegbegleiter sein,
er schützt dich vor Gefahr und Leid
schenkt dir viel Glück und Heiterkeit.


(Hans Karthaus)

Zögernd war Jack O'Neill Sam, Alisea und Janet zur Krankenstation gefolgt. Er war nicht sicher, ob er erwünscht war, deshalb verhielt er sich ganz still und blieb neben der Türe stehen, während Janet Alisea zu einem Bett führte und Sam das direkt daneben zuwies. Sie holte den Wagen mit dem Ultraschallgerät. Sam löste inzwischen die drei kleinen Knöpfe, die ihrem Umhang in Brusthöhe zusammenhielten und streifte ihn ab. Es kam ein relativ eng anliegender Overall im gleichen Farbton mit geringfügig helleren Aufnähern zum Vorschein.

Janet, die gerade den Ultraschallwagen heranfuhr, musterte Sams Outfit und ihrem Gesichtsausdruck zufolge glaubte sie, dass es jetzt etwas kompliziert würde. Doch Sam schien sich da keine Sorgen zu machen, wie die Ärztin ihrem Blick entnahm.

Und so war es auch. Sam griff sich mit der linken Hand an die rechte Taille und mit einem Mal hielt sie eine breite Stoffborte in der Hand und ihr Babybauch war frei. Wortlos legte sie sich auf die Liege und Janet positionierte den Wagen.

Jack hatte alles fasziniert mitverfolgt und wäre nur zu gern zu Sam gegangen. Er wollte unbedingt ein Ultraschallbild seiner Tochter sehen. Tochter, sagte er sich in Gedanken. Er bekam eine Tochter…

Ein sanftes „Jack" riss ihn aus seinen Gedanken. Verblüfft blickte er zu Sam, die seinen Namen ausgesprochen hatte. Sie sagte nichts weiter, aber ihr Blick gestatte ihm, zu ihr zu kommen. Er trat neben ihr Bett und Janet richtete den Monitor so aus, dass beide auf ihn sehen konnten. Jack erinnerte sich an die gleiche Situation fünf Monate zuvor. In Gedanken sah er noch das damalige Bild vor sich auf dem Schirm. Es wurde aber sogleich von einem sehr viel aktuelleren Bild verdrängt.

Alisea, die auf dem Bett nebenan saß, sah auch was auch dem Monitor zu sehen war. Sie schwieg aber und machte sich mit keinem Mucks bemerkbar. Sie kannte Samantha Carter zwar erst seit fünf Monaten, doch sie waren inzwischen im Geiste wie Schwestern geworden – und durch die Heirat von Jacob und Yosuuf vor dem Gesetz Cousinen. Alisea und Sam hatten fast jede freie Minute der letzten Monate miteinander verbracht und Alisea wusste ziemlich gut, wer der Mann an der Seite ihrer Cousine war und was er ihr bedeutete. Sie wusste ebenfalls, wie schwer es für beide war – ihre Vergangenheit, die Gegenwart und vor allem die Zukunft, die mit diesem Kind noch vor ihnen lag. Alisea wollte nichts kaputt machen und tat deshalb so, als ob sie gar nicht da wäre. Gleichzeitig jedoch überlegte sie fieberhaft, wie sie dem Glück von Sam und Jack etwas auf die Sprünge helfen konnte. Sie wusste, dass Sam im Augenblick keine Beziehung zulassen wollte. Und sie wusste ebenso, dass die Mauer, die Sam zu diesem Zweck um ihr Herz errichtet hatte, die Regeln der Airforce als Stützpfeiler hatten und ihre Angst, dass eine Beziehung, die auf einem 'ungewollten' Kind basierte, bald zerbrechen würde, den Rest der Mauer darstellte. So galt es erst ein Stück der Mauer zum Einsturz zu bringen und den Rest folgen zu lassen oder auf die eine oder andere Art zu umgehen.

„Colonel O'Neill in den Stargate-Raum!" kreischte plötzlich eine Stimme aus den Lautsprechern und Jack fluchte innerlich. Er spürte, dass Sam gerade dabei gewesen war, ihm ihr Herz ein Stückchen zu öffnen – und dann das.

„Treffen wir uns in einer Stunde in der Cafeteria?" fragte er Sam und unterstrich die Frage mit einem Blick, dem sie kaum widerstehen konnte.

„Okay," stimmte sie etwas widerwillig zu. Sie war sich nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Vorallem, da um die Mittagszeit so ziemlich das ganze SGC-Personal dort anzutreffen war. Andererseits, sagte sie sich, war ihre Schwangerschaft sowieso nicht zu übersehen, einige hatten es auch schon bei ihrer Ankunft mitbekommen und bald würde das SGC um eine, eigentlich sogar um zwei kreischende Ta'uri reicher sein.

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Eine Stunde später saß Jack O'Neill in der Cafetertia. Sie war schon zur Hälfte voll und es stand eine recht lange Schlange bei der Theke. Er selbst hatte sich etwas durchgeschummelt und schon Sams Lieblingssandwiche und ihren blauen Lieblingsnachtisch besorgt. Die Soldaten und Offiziere um ihn herum bedachten ihn mit einem verwirrten Blick, weil er alleine mit seinem Essen da saß, sich gegenüber jedoch ein halbes Büffee errichtet hatte. Es war offensichtlich, dass er jemanden erwartete und es war auch bekannt, dass es eine Aktivierung von außerhalb gegeben hatte, nur wusste noch keiner so recht, was los war.

Plötzlich wurde es totenstill und Jack sah auf. Sam, die wieder in ihren Umhang gekleidet war, betrat die Cafeteria, eine Hand locker auf ihren Babybauch aufgelegt. Als man sie nach und nach erkannte, klappte ein Mund nach dem anderen auf. Sam ignorierte die geballte Aufmerksamkeit und ging ganz ruhig auf Jack zu, der inzwischen aufgestanden war und ihr half, sich hinzusetzen. Sie lächelte dankbar und dieses Lächeln wurde noch eine Spur intensiver, als sie sah, was er alles für sie vorbereitet hatte.

„M-Major Carter?" stotterte plötzlich ein junger Offizier aus SG-10.

„Im Augenblick nicht so ganz," lächelte Sam ihn an, als sei es das Normalste der Welt. „Ich bin im Mutterschutz." Sie nahm einen Löffel und begann in aller Seelenruhe mit dem blauen Nachtisch.

Langsam stellten sich wieder Gespräche im Raum ein, doch das Thema war durchgehend ein ganz Bestimmtes. Samantha Cartes plötzliches Verschwinden hatte die Gerüchteküche schon ganz schön angeheizt und unter anderem war sogar von einer Schwangerschaft die Rede gewesen – und jetzt war sie wieder da. Hochschwanger. Und sie saß ganz locker mit Jack O'Neill in der Cafeteria beim Mittagessen.

Einige Minuten später betrat eine weitere hochschwangere Frau die Cafeteria und wurde von Jonas Quinn und Teal'c flankiert. Diesmal trat kein urplötzliches Schweigen ein, aber alle registrierten sehr genau, was geschah. Die drei setzten sich zu Jack und Sam an den Tisch und es begann einen fröhliche Plauderei, nachdem Jonas und Teal'c zwei vollgepackte Tablette mit Essen geholt hatten.

Sam blühte im Gespräch mit ihren Freunden richtig auf. Sie erzählen ihr, was während ihrer Abwesenheit passiert war und fragten sie nun vorsichtig nach ihrer Schwangerschaft aus. Sam hatte kein Problem damit, ihnen zu antworten. Sie war selbst überrascht, wie wohl sie sich fühlte und wie leicht ihr es nun fiel, über die Schwangerschaft zu reden, wo doch sämtliche Augen im Raum auf sie gerichtet waren. Zwischendurch registrierte sie, dass sich ihre Tochter immer wieder mit kräftigem Strampeln bemerkbar machte, doch irgendwann verblasste plötzlich ihr Lächeln. Es schien etwas anders zu sein.

Alisea bemerkte plötzlich, dass etwas mit Sam war. „Sam? Alles in Ordnung?"

Jack, Teal'c und Jonas sahen Sam schlagartig an.

„Ja, ich denke schon, Al. Die Kleine ist heute nur ziemlich aktiv. Sie…" Sam zuckte zusammen und presste sich eine Hand auf den Bauch.

„Sam?" fragte Alisea erneut.

Sam starrte verwirrt vor sich hin und ein Verdacht kam in ihr auf. Sie atmete flach und konzentrierte sich auf das Baby. Dann zuckte sie wieder zusammen. „Al?"

„Ja?"

„Ich glaub, ich hab Wehen," hauchte sie und blickte ihre Cousine verwirrt an.

„Das Baby ist erst in zwei Wochen fällig," erwiderte Alisea ebenso verwirrt.

Sam zuckte stärker zusammen und verzog das Gesicht vor Schmerz. „Oder in zwanzig Minuten – je nach dem, was früher kommt..."

„Sam?" Jack berührte zaghaft ihren Arm.

Sam hielt die Luft an und fragte sich, ob sie sich vielleicht geirrt hatte. Die Wehe, die sie dann aber im gleichen Augenblick erfasste, bestätigte ihr aber das Gegenteil.

„Wow," brachte Alisea erstaunt hervor. „Die Kleine hat's aber plötzlich verdammt eilig. Das wird wohl ne typisch schnelle Tok'ra-Geburt. Die kurze Zeit mit Jolinar und das Naquadah in deinem Blut machen sich doch mehr bemerkbar, als Arhat dachte, hm?"

Jack stand auf und half Sam vorsichtig beim Aufstehen. Jonas war ebenfalls aufgesprungen und schon auf halben Weg zur Tür.

„Ich sag' Doc Fraiser Bescheid," rief er beim Hinausrennen.

Jack führte Sam langsam zur Tür. Alisea folgte ihnen von Teal'c gestützt. Und ihnen allen wiederum folgten die Blicke sämtlicher Anwesenden in der Cafeteria, bevor sich ein paar wenige aus der Ansammlung der verdutzten SGClern lösten und hinausstürzten um all jene zu informieren, die noch nicht wussten, dass Sam Carter nicht nur zurück war, sondern auch dabei war, ein Kind im SGC zur Welt bringen.

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Nachdem Sam und Jack auf der Krankenstation eingetroffen waren, ging alles rasend schnell. Kaum hatte Sam ihre Tok'ra-Kleidung mit einem Kittel vertauscht, hatte Janet sie auch schon an den Wehenschreiber angeschlossen und sie in die Position zur Geburt gebracht. Jack hielt Sam auf ihren eigenen Wunsch hin die eine, Alisea die andere Hand. Teal'c und Jonas warteten draußen, wo sich bald auch schon ein sehr verblüffter General Hammond zu ihnen gesellte.

Nach einer knappen halben Stunde war schon alles vorbei. Dr. Fraiser bat General Hammond, Jonas und Teal'c wenige Minuten, nachdem in der Krankenstation Babygeschrei ertönt war, herein, wo sich ihnen ein rührendes Bild bot. Alisea stand links neben Sams Bett und betrachtete die glückliche Mutter, die ihre kleine Tochter in Armen hielt – und den glücklichen Vater, der mit seiner Hand über die kleine Hand des Babys strich. Das Mädchen umklammerte daraufhin seinen Zeigefinger reflexartig mit ihrem winzigen Händchen.

Janet stellte sich zufrieden neben Alisea und verschränkte die Arme. Der General und die beiden anderen näherten sich vorsichtig und bauten sich am Fußende des Bettes auf.

Sam sah glücklich, aber auch erschöpft aus. Hammond nickte ihr väterlich zu und für Sam war es fast so, als würde ihr eigener Vater dort stehen. Sie betrachtete das kleine Mädchen, dem sie das Leben geschenkt hatte. Alle Babys hatten bei der Geburt blaue Augen, doch sie konnte schon die Ansätze einer Veränderung erkennen. Sie wusste genau, dass sie die braunen Augen ihres Vaters geerbt hatte und der leichte hellblonde Flaum auf ihrem Köpfchen deutete ihr Erbe an.

Sam sah zu Jack auf. „Willst du sie halten?"

Jack erwiderte ihren Blick und sie erkannte abermals starke Gefühle für sie in seinen Augen – und für seine kleine Tochter. Sie konnte sehen, wie unglaublich glücklich er war, als er die Kleine in Armen hielt.

General Hammond blieb am Ende des Bettes stehen, doch Jonas und Teal'c scharten sich um Jack, um die Kleine von Nahem zu betrachten.

„Sie ist wunderschön," sagte Jonas leise.

„Ja, sie kommt ganz nach ihrer Mutter," erwiderte Jack stolz, was allen ein Lächeln entlockte. Er sah zu Sam. „Ich hoffe nur, dass ihr erstes Wort nicht Naquadahreaktor ist."

Diese Bemerkung löste breites Grinsen bei allen aus.

„Wie soll sie heißen?" erkundigte sich Teal'c, was dafür sorgte, dass alle Blicke erwartungsvoll vom Kind zur Mutter wanderten.

Hätte Teal'c diese Frage nicht gestellt, so hätte es Janet Fraiser getan, denn in ihren Händen hielt sie ein Klemmbrett auf dem ein einzelnes Blatt mit der Aufschrift 'Geburtsurkunde' befestigt war. Es waren bereits Geburtsort, -stunde, Gewicht, Blutgruppe und die Namen der Eltern eingetragen. Es fehlte nur noch der Name des Kindes.

„Ja," flüsterte Jack und sah die Mutter seiner Tochter ebenso erwartungsvoll und auch mit einem Hauch Angst an. „Wie soll sie heißen?"

Sams Blick wanderte zu dem Baby in Jacks Armen und suchte dann seinen Blick. „Madeleine O'Neill."

Jack glaubte sich im ersten Augenblick verhört zu haben und sah erstaunt zu Sam.

„Madeleine O'Neill," hörte er Janet den Namen dann wiederholen und gleichzeitig in der Geburtsurkunde notieren.

„Madeleine," echote Jonas. „Ein wunderschöner Name."

„Ja," brachte Jack fast stimmlos hervor. Er hatte nicht gedacht, dass sich die Freude über die Geburt seiner Tochter noch steigern ließ, doch die Tatsache, dass Sam ihr seinen Nachnamen gegeben hatte, ließ durchaus eine Steigerung zu. Er hatte es gehofft, aber gedacht, dass sie dem Baby ihren Namen geben würde.

Sam sah, wie sprachlos und glücklich sie ihn gemacht hatte. „Madeleine war der Name meiner Mutter."

„Darf ich deine Tochter halten?" bat Teal'c Jack.

Nach kurzem Blickkontakt mit Sam legte Jack Madeleine vorsichtig die Arme des Jaffa. „Klar, Onkel Teal'c," grinste er.

Es war schon ein merkwürdiges Bild, wie der große Teal'c so ein kleines Baby in seinen Armen hielt. „Willkommen im Leben, Madeleine O'Neill. Du bist in Freiheit geboren und von Liebe umgeben. Mögest du ein langes, glückliches Leben führen und mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen – bis auf einen. Damit du noch etwas hast, nach dem du streben kannst."

Nach Teal'cs Worten waren alle sprachlos. Es war offenbar Tradition auf Chulack, ein Kind mit Worten der Zuneigung im Leben zu begrüßen. Dennoch waren alle überrascht, wie viel Gefühl in Teal'cs Worten gelegen hatte.

Alisea trat näher zu Sam ans Bett und berührte ihre Hand. „Siehst du, ich sagte dir doch, dass dein kleiner Engel schneller da sein würde, als du glaubst."

Inzwischen hatte Jonas das Baby auf den Armen und sah sie ganz fasziniert an.

„Das ist dein Onkel Jonas, kleine Maddy," flüsterte Jack dem Baby zu. „Und da drüben sind noch Onkel George, Tante Janet und Tante Alisea – und ich bin übrigens dein Dad."

Nachdem auch noch der General das Baby auf dem Arm gehabt hatte, bekam Sam ihre Tochter zurück und Janet verscheuchte alle aus der Krankenstation, damit sich die junge Mutter ausruhen und sie selbst das Baby untersuchen konnte.

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