Kapitel 11: „In unseren Herzen"

Diese kleine Welt, die wir Liebe nennen,

ist ein geheimer Ort in unseren Herzen.

Wir brauchen keinen Schlüssel,

kein Schloss versperrt den Weg.

Nur unsere Zweifel.

(Jessica Schreier)

Während Sam geschlafen hatte, war Alisea nicht von ihrer Seite gewichen und hatte Madeleine in ihren Armen gewiegt, damit ihre Mutter sich erholen konnte. Nun wachte Sam langsam auf.

„Guten Morgen," lächelte Alisea ihre Cousine an.

Sam erwiderte ihr Lächeln und setzte sich auf. Eine Schwester kam und stellte das Kopfende des Bettes aufrecht, damit sie gestützt wurde. Alisea legte ihr Madeleine, die ganz friedlich schlief, in die Arme. Sam betrachtete das Baby eine ganze Weile voller Liebe und Stolz, dann sah sie auf. Sie wunderte sich etwas. „Wo ist Jack?"

Alisea lächelte geheimnisvoll. „Sieh an, du hättest wohl gerne gehabt, dass er die ganze Nacht hier gewesen wäre, hm?"

Sam funkelte ihre Cousine gespielt böse an, gab es aber gleich wieder auf. Alisea kannte sie einfach zu gut.

„Ehrlich, Sam, du solltest diese Das-mit-uns-kann-und-darf-nicht-sein-Einstellung ganz schnell über Bord werfen," erklärte Alisea überzeugt. „Dieser Mann liebt dich von ganzem Herzen."

Sam erhielt keine Gelegenheit mehr zu antworten, denn gerade in diesem Augenblick  betrat Jack O'Neill die Krankenstation. Er trug seine grüne SG-1-Uniformhose, ein schwarzes T-Shirt und hielt in der einen Hand einen riesigen Strauß weißer Rosen, in der anderen einen großen Teddy.

„Guten Morgen, Ladies," grinste er breit.

Eine Schwester nahm ihm die Blumen ab, um sie ins Wasser zu stellen. Den Teddy behielt er in Händen und ging damit zu Sam und seiner Tochter ans Bett.

„Das ist dann wohl meine Ablösung," meinte Alisea. „Ich brauch jetzt auch unbedingt was zu essen."

Jack setzte sich auf den Stuhl, auf dem Alisea gesessen hatte und setzte den großen Teddy auf den Nachttisch, der zu Sams Bett gehörte. Er strich seiner kleinen Tochter zärtlich über die Wange und sah ihre Mutter an. „Ausgeschlafen?"

„Ja," lächelte Sam. „Du siehst aber nicht so aus."

„Stimmt," gab er zu und rieb sich die Augen. „Ich hatte gestern Abend und heute Nacht einiges zu tun."

„Ja?"

„Einkaufen und organisieren," erwiderte er.

„Einkaufen und organisieren?" echote sie.

Jack nickte. „Du bist ja nicht mehr dazu gekommen. Maddy hatte es dazu viel zu eilig."

Sam konnte sich ungefähr denken, was er getan hatte. Sie war gerührt und strahlte. „Ich hoffe, du hast die Läden nicht leer gekauft."

„Ich hoffe, du bist nicht böse – ich wusste, dass deine Nachbarin deinen Hausschlüssel hat und hab mir erlaubt SG-14 zu Sonderarbeiten abzukommandieren."

„Was hast du?"

„Sonderarbeiten," wiederholte er. „Dein Gästezimmer ist in spätestens zwei Tagen das süßeste Kinderzimmer der Welt. Oh, und dein Quartier hier im Stützpunkt ist jetzt drei Türen weiter. Im VIP-Quartier ist mehr Platz für die ganzen Baby-Sachen."

„Und das hast du alles über Nacht gemacht?"

Er nickte eifrig und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll… das ist einfach…" Sie erwiderte sein Lächeln. Dennoch sammelten sich Tränen in ihren Augen. Tränen der Freude. „Hast du das gehört, Madeleine? Dein Daddy hat sich für dich ganz schön ins Zeug gelegt," flüsterte sie ihrer Tochter zu, die friedlich weiterschlief.

„Für euch beide," verbesserte Jack leise und fing Sams Blick mit diesen Worten ein.

Sam schloss für einen Augenblick die Augen. „Sieh mich bitte nicht so an, Jack."

„Wie sehe ich dich denn an?"

„Jack," ermahnte sie ihn.

„Ich weiß, ich weiß," erwiderte er defensiv. „Du willst dich weiterhin hinter diesen dummen Regeln verstecken."

„Verstecken? Ich verstecke mich nicht. Aber ich will nicht, dass einer von uns oder gar wir beide Maddys Aufwachsen im Militärgefängnis über Fotos verfolgen müssen."

„Es gibt immer eine Lösung," entgegnete er überzeugt.

„Ja. Aber gute Lösungen brauche ihre Zeit."

Jack wollte etwas sagen, doch sie legte ihm behutsam ihre Finger an die Lippen, um das nicht zuzulassen. „Nein, du wirst nicht deinen Rücktritt einreichen."

„Woher weißt du…?" setzte er erstaunt an.

„Wenn man sich sechs Jahre lang jeden Tag sieht und Seite an Seite kämpft, lernt man einen Menschen verdammt gut kennen."

„Und manchmal auch lieben," setzte er hinzu.

Sam senkte ihren Blick. Sie fühlte sich in diesem Augenblick fast wieder, wie damals, als sie ihn das letzte Mal vor ihrem Weggang gesehen hatte. Er mochte sie damals wohl gehen lassen haben, doch seine Einstellung hatte sich nicht geändert. Jetzt wollte er sie nicht mehr gehen lassen. Und eigentlich wollte sie auch gar nicht gehen.

Sam hob ihren Blick und wandte ihn dieses Mal nicht von seinem ab.

Jack hob sanft seine Hand und strich zärtlich über ihre Wange. „Du und dieses Baby – ihr seid meine Hoffnungen und meine Träume."

Sam schloss wieder die Augen. Vielleicht hatte Alisea Recht. Vielleicht redete sie sich selbst nur ein, dass sein derzeitiges Interesse an ihr rein an Madeleine lag. Sie konnte ja in seinen Augen sehen, was sie selbst ihm bedeutete – dass er sie liebte. Und dass er seine kleine Tochter jetzt schon vergötterte. Und immerhin war Sam noch vor der Geburt wieder auf die Erde zurückgekehrt – sie hatte ja seine Anwesenheit bei der Geburt gewollt. Und hatte sie dem Kind sogar seinen Namen gegeben… Es gab so viele Vielleichts…

So legte sie ihre Hand auf seine, die immer noch über ihre Wange strich. Sie versprach ihm nichts – und alles.

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Mit Jack an ihrer Seite sitzend und der kleinen Madeleine in Armen war Sam bald wieder eingeschlafen und nachdem er sie eine ganze Weile schlafend betrachtet hatte, nahm Jack ihr behutsam das Baby ab. Mit dem kleinen Wunder in seinen Armen und Dr. Fraisers Erlaubnis verließ er die Krankenstation und begann die gesamte Ebene, auf der sie sich befanden, abzugehen und stellte Madeleine das SGC vor. Und umgekehrt. Die nächste Station war der Kontrollraum auf der untersten Ebene, wo die diensthabenden Offiziere nicht gerade schlecht staunten, als Colonel Jack O'Neill mit einem Baby auftauchte – und so ziemlich alles um sich herum ignorierte und völlig auf das Kind fixiert war. Als er an den Wahlcomputer trat, stand Sergeant Davis auf.

„Sir," grüßte er ihn.

O'Neill sah schließlich auf. „Hey, Davis," erwiderte er leise. „Darf ich vorstellen – Madeleine O'Neill. Schau Maddy, das ist das Stargate."

Kaum hatte er den Namen des Kindes genannt, ging im Hintergrund auch schon das Gemurmel los.

„Entschuldigung," fauchte O'Neill gereizt. „Meine Tochter schläft!"

„Das tut sie gleich nicht mehr, wenn du dich so aufregst," erklang einen ruhige Stimme hinter ihm.

Jack drehte sich erstaunt um und erblickte Samantha Carter, die einen hellblauen Zweiteiler mit langen Ärmeln und einem flachen, ovalen Ausschnitt trug.

„Solltest du nicht schlafen?"

„Dank Alisea hatte ich eine ruhige Nacht," erwiderte sie.

„Und Doc Fraiser weiß, dass du aufgestanden bist?"

Sam trat näher an Jack und Madeleine heran. „Ich wusste, ich hatte was vergessen."

Jack sah sie tadelnd an. „Wenn sich dich fünfmal in der Nacht weckt, wirst du noch froh sein über jede Minute Schlaf."

Sam ignorierte ihn und wandte sich Sergeant Walter Davis zu. „Schön Sie wiederzusehen, Sergeant."

Davis nickte. „Schön, dass Sie wieder hier sind, Ma'am. Das SGC war nicht dasselbe ohne Sie."

„Dem kann ich nur zustimmen," erklang General Hammonds Stimme. Er trat ein und registrierte lächelnd Jack O'Neill mit seiner Tochter und Sam Carter daneben. „Ist das schon die Nachwuchs-Rekrutierung?"

„Na ja," meinte Sam, „wenn sie nach ihrem Vater kommt, wird sie in spätestens drei Jahren ein SG-Team leiten."

Jack grinste. „Und wenn sie nach ihrer Mutter kommt, braucht sie keine Puppen, sondern nur ein bisschen Naquariah und die Pläne für X-303."

„Vielleicht erleben wir ja auch beides," erwiderte Hammond amüsiert.

Wie zur Zustimmung regte sich Madeleine in Jacks Armen und begann unruhig zu werden. Jack verlagerte ihr Gewicht und sah sie an. „Sie scheint auch dieser Meinung zu sein und so wie ich das sehe, verlangt sie auch gleich einen Snack."

Sam nahm ihm das Baby ab. „Ich schätze mal, es dauert eh keine fünf Minuten mehr, bis Janet merkt, dass ich weg bin." Sie bettete Madeleines Kopf an ihrer Schuler und stützte sie. „Ich sollte besser auf die Krankenstation zurück." Also verließ sie den Kontrollraum.

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