Kapitel 12: „Immer und immer"

Das ist die wahre Liebe, die immer und immer sich gleich bleibt,
wenn man ihr alles gewährt, wenn man ihr alles versagt.

 (Johann Wolfgang von Goethe)

Es hatte keine Stunde gebraucht, bis sich die Neuigkeiten auf dem Stützpunkt verbreitet hatten – das Kind, das Samantha Carter zur Welt gebracht hatte, trug den Namen Madeleine O'Neill und war die Tochter von Jack O'Neill. Diesen Neuigkeiten hefteten natürlich gleich die wildesten Gerüchte über Sams Weggang, ihr Wiederauftauchen und eine bevorstehende Hochzeit an. Die frischgebackenen Eltern hatten davon noch nicht viel mitbekommen, aber es kümmerte sie im Augenblick auch nicht, was geredet wurde. Sam stand noch unter Janets strenger Aufsicht, die ihren kleinen Ausflug nicht gerade gut gefunden hatte. Janet erlaubte Sam zwar noch am gleichen Tag in ihr neues Quartier einzuziehen, das Jack so liebevoll eingerichtet hatte, doch sie gestattete ihr erst drei Tage später den Stützpunkt zu verlassen und in ihre Wohnung zurückzukehren. Dort lag Madeleine jetzt friedlich in ihrer Wiege. Sam und Jack standen neben ihr. Alisea zog sich gerade aus dem Zimmer zurück.

Sam sah sich nun schon zum dritten Mal im Kinderzimmer um, und konnte einfach nicht glauben, was Jack alles auf die Beine gestellt hatte. Ihr einstiges Gästezimmer mit dem langweiligen lindgrünen Anstrich, hatte nun eine Bärchen-Tapete. Vom Gästebett, dem Schrank, der Kommode und der Sitzecke war keine Spur mehr. Da war Madeleines Wiege vor der großen Fensterfront, ein Wickeltisch mit Schubladen, Regal und Mobile an der Decke. Daneben ein Schrank, auf dem Boden ein großer Laufstall und über all im Zimmer waren noch Kuscheltiere und Spielzeug verteilt.

„Es gefällt dir, hm?"

„Sehr sogar," antwortete Sam.

„Weißt du…" begann er, brach aber gleich wieder ab.

Sie sah ihn an. „Ja?"

„Also... also eigentlich wollte ich dir ja vorschlagen, mit Maddy bei mir einzuziehen. Das Haus ist eh so groß und leer... Aber ich weiß ja, dass du da sofort nein gesagt hättest… Ich bin nur froh, dass wir nicht zu weit auseinander wohnen."

„Du weißt, dass es so schon kompliziert genug ist."

Er seufzte lautlos und verdrehte die Augen. Nach ihrer Geste auf der Krankenstation hatte er gedacht, dass die Mauer, die sich um ihr Herz errichtet hatte, langsam bröckeln würde. Nun schien Sam sie aber wieder zu stärken. „Ich hätte da einen Vorschlag," begann er in typischem O'Neill-Tonfall. „Streich das Wort 'kompliziert' aus deinem Wortschatz. Und 'unmöglich' am besten auch gleich."

„Jack!" erwiderte sie, schaffte es aber nicht soviel Tadel in ihre Stimme zu legen, wie sie eigentlich wollte. Sie registrierte seinen hitzigen, ungeduldigen Blick und erkannte, dass er ihr es diesmal nicht so einfach machen würde.

Er zog sie ein Stück von der Wiege fort, damit sie Madeleine nicht gleich aufweckten. „Weißt du eigentlich, was du mir angetan hast, als du vor fünf Monaten einfach so verschwunden bist?!" Er verringerte den Abstand zwischen ihnen. „Ich war bestimmt nicht weniger von dieser Schwangerschaft geschockt als du, aber ich hab sie als eine Chance, ein Zeichen, für uns gesehen. Du etwa nicht? Nach so vielen Jahren, in denen wir nicht das tun durften, was wir wirklich wollten, in denen ich nicht einmal deine Hand nehmen durfte – da geschieht das hier… und du erwartest, dass wir beide wie gehabt weitermachen und immer wieder und wieder verdrängen, was zwischen uns ist?! Verdammt Sam, ich kann so nicht weitermachen! Und ich weiß genau, dass es dir ebenso geht!" Er nahm ihren Blick mit seinen Augen gefangen – sie konnte sich nicht abwenden. „Und ich sage dir noch etwas, Samantha Carter! Was ich bei unserer ersten Mission so salopp vor dem Gate zu dir sagte…"

„Dass du mich jetzt schon anbetest?" flüsterte sie stimmlos und spürte, wie ihr eine Träne entwischte.

Er unterbrach den Blickkontakt mit ihr immer noch nicht.„Ich meinte es ernst," erklärte er leise und seine Augen veränderten sich. Tatsächlich schien auch er, der Colonel, nun den Tränen nahe zu sein. „Und ich meinte ebenso ernst, was ich während des Zat'arc-Tests gesagt habe…"

„Dass ich dir mehr bedeute, als ich dürfte?" Sam schloss nun für einen Moment die Augen, in denen gerade mehr Wasser ansammelte, als ihr lieb war.

Er sah sie nun fast verblüfft an. „Dir ist noch jeder einzelne dieser Augenblicke zwischen uns gegenwärtig, nicht wahr?"

Sie nickte. „Als wäre es gestern gewesen. Ich erinnere mich an alles. An all die kleinen Momente, in denen wir mit dem Feuer gespielt haben."

„Aber Feuer muss nicht immer gefährlich sein," meinte er daraufhin.

Sam wäre am liebsten sofort weggelaufen. Sie hatte das Gefühl, gleich keine Luft mehr zu bekommen. Sie war auf eine solche Konfrontation mit Jack nicht vorbereitet gewesen. Nicht jetzt. Das Schlimmste war aber, dass sie wusste, wie sehr er mit allem Recht hatte und dass es ihr trotz aller Mühe, die sie sich gab, kaum anders ging. Sie spürte, wie all ihre festen Vorsätze gerade wankten und begannen in sich zusammenfielen. „Jack," brachte sie flehentlich in der Hoffnung hervor, dass er aufhören würde, sie so anzusehen. Er tat es nicht. Sam wusste nicht wie, doch sein Blick schaffte es schon die ganze Zeit, sie genau da zu halten, wo sie stand. Er musste sie gar nicht mit seinen Händen festhalten.

„Weißt du noch…" setzte er an. „… wie ich dich fragte, ob wir damit klarkommen würden?"

Sie nickte wortlos.

„Eine Weile hat es funktioniert – aber jetzt nicht mehr. Es kann einfach nicht mehr funktionieren." Sein Blick gewann weiter an Intensität. „Wir haben eine Tochter."

„Das heißt aber nicht, dass wir uns gleich wie in einem schnulzigen Liebesfilm in die Arme fallen müssen und für immer und ewig glücklich sind. Das hier ist die Realität! Ja, wir haben eine Tochter, aber wir sind kein Paar!" Nun schaffte es Sam schließlich sich seinem Blick zu entziehen. Sie trat an Madeleines Wiege heran und verschränkte die Arme.

„Wovor hast du nur solche Angst?"

Sam wandte sich ihm zögerlich zu. „Davor, dass es zu schnell geht und dass es dann nicht lange hält."

„Du findest, sechs Jahre sind zu schnell?"

Sams Gesicht wurde durch ein unwillkürliches Lächeln erhellt. „Du weiß doch genau, was ich meine… Die Reihenfolge ist auch einfach falsch. Wir haben ein gemeinsames Kind, wir haben auch Gefühle füreinander, sind aber kein Paar."

„Ja, das ist mir auch schon aufgefallen," entgegnete Jack mit einem schiefen Grinsen. „Und falls du es noch nicht gemerkt hast – ich versuche gerade, den letzten Punkt zu ändern. Du machst mir das aber nicht gerade leicht."

„Ich dachte, du liebst Herausforderungen," konterte sie.

„Schon. Aber manchmal ist es andersrum besser."

„Tja, dann hast du dir die falsche Frau ausgesucht."

„Das glaube ich nicht," erwiderte er und trat gefährlich nahe an sie heran.

„Jack," flüsterte sie warnend. „Ich bin immer noch dein 2IC."

„Nein, du bist auf unbestimmte Zeit vom Dienst befreit."

„Ich bin immer noch ein Major der US-Airforce."

„Und ich bin ein Colonel der US-Airforce, der sich entgegen aller Regeln unsterblich in seinen Major verliebt hat."

Sam sah ihn überrascht an. Zum ersten Mal in all den Jahren und in all ihren Gesprächen, hatte er es gesagt. Er hatte nicht von „unerlaubten Gefühlen" gesprochen oder „Sie bedeutet mir mehr als sie dürfte.". Diesmal hatte er von Liebe gesprochen.

Jack erkannte, dass sie ihm nun auf eine ganz neue Art und Weise zuhörte. Er hatte es geschafft, das Eis zu brechen und alles, was sie vorgeschoben hatte, um ihn auf Distanz zu halten, war nun fast gänzlich verschwunden. „Dass ich dir begegnet bin, ist das Beste, das mir passieren konnte. Ich hatte nach Charlies Tod und nachdem Sarah gegangen war, schon mit meinem Leben abgeschlossen. Mit dir hat sich das schlagartig geändert. Du bist mein Leben, Sam. Und Madeleine ist meine Welt. Ihr beide seid mein ganzes Glück. Ich könnte es nicht ertragen, euch zu verlieren."

Sam löste langsam die Verschränkung ihrer Arme und trat von der Wiege fort wieder an ihn heran. „Dann versprich mir etwas."

Er nickte wortlos.

„Versprich mir, gut auf uns beide aufzupassen. Versprich mir, dich nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Versprich mir, dass wir uns Zeit lassen. Dräng mich nicht. Mach mir bitte keinen Heiratsantrag – sonst habe ich vielleicht nicht die Kraft zu bleiben."

Jack hatte es nicht gewagt zu atmen, während Sam gesprochen hatte und er fühlte sich von ihren Worten verwirrt. Sie hatte es nicht gesagt, aber er wusste, dass das die einzige Art von Liebeserklärung war, zu der sie im Augenblick fähig war. Aber damit war er mehr als nur zufrieden. Die Mauern waren fort. Und sie würden sich Zeit lassen. „Ich verspreche es," flüsterte er und verringerte den Abstand zu ihr, während er seinen Blick nicht eine Sekunde von ihren kristallblauen Augen abwandte.

Ein sanftes Lächeln ließ Sam erstrahlen und lieferte sich ein Duell mit der Sonne, die den Raum erhellte. Sie fühlte eine tiefe Zufriedenheit und innere Ruhe in sich. Ihr fiel wieder ein, was Jack gesagt hatte, als sie ihn vor ihrem Weggang das letzte Mal gesehen hatte: Was ist im SGC schon normal? – Sie waren wirklich alles andere als eine normale Familie. Aber glücklich. Und das war alles was zählte.

Sam sah noch immer in Jacks Augen und glaubte für einen kurzen Augenblick die Zukunft in ihnen zu erkennen. Für einen kurzen Augenblick brach sie den Blickkontakt, dann legte sie ihm eine Hand in den Nacken und zog Jack langsam zu sich. Sie schloss ihre Augen und küsste ihn sanft.

Jacks Arme schlossen sich um ihre Taille. „Ich verspreche es," wiederholte er stimmlos und ließ einen zweiten Kuss folgen.

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