Kapitel 2: Wiedersehen
Jack O'Neill stand mit verschränkten Armen und einen Lächeln auf den Lippen im Türrahmen seines Schlafzimmers und lehnte sich mit der linken Schulter dagegen. Schon eine ganze Weile beobachtete er Samantha Carter, die völlig erschöpft neben ihrer kleinen Tochter eingeschlafen war und quer über der Decke lag. Die sieben Monate alte Madeleine O'Neill saß quitschvergnügt neben der schlafenden Sam und hatte ein kleines Stoffhäschen in den Händen. Die Kleine war vollkommen ruhig und gönnte ihrer Mutter die Ruhepause. Aber nicht mehr lange, wie Jack annahm. Langsam ging er zum Bett und setzte sich vorsichtig neben Sam, so dass sie nicht aufwachte. Er hob Madeleine auf seinen Schoß, damit sie leise blieb und betrachtete die schlafende Sam wieder. Er liebte dieses Bild und wünschte sich, sie öfter so zu sehen. Er liebte sie. Und seine kleine Tochter mindestens genauso viel. Er fand nur, dass er beide viel zu wenig sah. Trotz ihres Mutterschaftsurlaubs hielt sich Sam zwar oft im SGC auf und Maddy hatte dort auch schon ihren Angestammten Platz, doch in letzter Zeit war SG-1 immer auf längeren Missionen, so dass Jack die beiden immer seltener sah. Dazu kam noch, dass Sam und Jack nach wie vor getrennt wohnten. Maddy hatte in beiden Häusern ein Kinderzimmer und Sam übernachtete auch manchmal bei Jack – oder umgekehrt –, es war aber noch nie etwas zwischen beiden passiert. Sie schliefen ab und an im gleichen Bett, aber sie schliefen nicht miteinander. Sie führten eine ungewöhnliche Beziehung und waren eine ungewöhnliche Familie. Aber sie waren so zufrieden und glücklich.
Jack hatte Sam versprochen, ihr alle Zeit zu geben, die sie brauchte. Sie hatte nach wie vor die Angst, eine überstürzte Beziehung, nur weil sie Eltern einer Tochter waren, könnte bald zerbrechen und alles zwischen ihnen kaputt machen. Also gingen sie alles ganz langsam an, der nächste Schritt stand aber unmittelbar bevor – Sam wollte nach sieben Monaten nun doch mit Madeleine bei Jack einziehen. Das ständige Pendeln zwischen zwei Häusern und dem SGC war für die Eltern stressig und für das kleine Kind noch viel mehr. Sam und Jack hatten beschlossen, dass Madeleine ein Zuhause brauchte. Und nicht zwei.
Alisea, Sams Tok'ra-Cousine, hatte ihnen das immer wieder vorgeschlagen, doch erst jetzt war Sam zu diesem Schritt bereit gewesen. Alisea zog mit ihrer kleinen Tochter Cordelia ebenfalls bei Jack ein. Bisher hatte sie bei Sam gewohnt, doch Jacks Haus war sehr viel größer als Sams und so war auch für sie mehr als genug Platz. Aber eigentlich würde Alisea gar nicht mehr lange auf der Erde bleiben. Sie rechneten jeden Tag damit, dass die Tok'ra erscheinen würden und Alisea zurückkehren könnte. Und was das anging, wusste Jack etwas, was Sam und Alisea noch nicht wussten.
Madeleine war inzwischen in Jacks Armen eingeschlafen und sein Blick wanderte von der Mutter zur Tochter. Sie war für ihn sein kleiner Engel, ein kleines Wunder. Und er war unendlich glücklich, sie nun bald ganz in seinem Haus zu haben. Er konnte es kaum erwarten, bis sie ihre ersten Schritte machte und ihr erstes Wort sagen würde… Ein leises „Jack?" riss ihn schließlich aus seinen Gedanken.
Sam hatte die Augen aufgeschlagen und setzte sich langsam auf. Sie sah erschöpft aus, aber da war auch eine Art Verwirrtheit und Beunruhigung, die Jack nicht zu deuten vermochte und die sie ziemlich schnell abschüttelte.
„Müde?" fragte er.
„Und wie. Sie hat mich die ganze Nacht wach gehalten." Sam rieb sich kurz die Augen und sah auf ihre schlafende Tochter. „Dafür schläft sie jetzt."
Jack grinste. „Keine Sorge. Wenn ihr eingezogen seid, stehe ich nachts auf und du kannst schlafen."
„Damit du mitten im Kampf gegen Anubis einschläfst?" konterte Sam belustigt.
Jack brummte gespielt beleidigt.
Sam lächelte. „Hey, warum bist du eigentlich schon zurück? Ich dachte die Mission dauert noch bis heute Abend."
„Wir waren eben gut," erklärte Jack grinsend.
„Und woher wusstest du, dass ich hier bin?"
„Wer sagt, dass ich nicht erst bei dir zuhause war?" Er zuckte mit den Schultern, als er ihren intensiven Blick auf sich spürte. „Intuition. Und, was hast du gemacht?"
„Bestandsaufnahme – aus zwei Kinderzimmern mach eins."
Jack nickte. „Wo ist eigentlich Al?"
„Einkaufen. Und Cordelia hat sie mitgenommen. Warum fragst du?"
„Weil einer der Gründe für das vorzeitige Missionsende die Tok'ra sind."
Sam sah überrascht auf. „Heißt das…?"
Jack nickte. „Wir haben zwei Tok'ra auf 488 getroffen. Sie meinten, die Umsiedelung sei problemlos abgelaufen und es ist inzwischen alles sicher genug, dass Alisea und Cordy bald zurückkehren können. Sie meinten, Jacob und Darius wären schon längst zur Erde gekommen, wenn da nicht ne heikle Mission zu einem Goa'uld-Außenposten gewesen wäre. Schätzungsweise werden sie aber heute noch zur Erde kommen. Deshalb bin ich auch so schnell hergefahren – ich wollte Al, dich und die Babys holen."
Sam warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Al müsste bald wieder da sein."
„Ich werd schnell mal die Babytasche packen und du kannst so lange richtig wach werden," schlug Jack vor und verlagerte Madeleine Gewicht in seinem Armen, damit er aufstehen konnte, ohne sie zu wecken. Dann verließ er das Zimmer.
Sam blieb auf dem Bett sitzen. Sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und atmete tief durch. Sie hatte sehr wohl Jacks besorgten Blick bemerkt, als sie aufgewacht war. Und sie war froh, dass er sie nicht gefragt hatte, denn sie hätte keine Antwort gewusst.
Die Träume waren wieder da. Nach so vielen Monaten sah sie in ihren Träumen wieder die seltsam verschwommenen Bilder, die sie für mögliche Tok'ra-Erinnerungen hielt. Aber Sam war nicht sicher, ob und wenn ja, wie viel Bedeutung sie diesen Träumen nun beimessen sollte. Als sie sie zum ersten Mal gehabt hatte, war sie in einer Phase größer Veränderungen gewesen – genau wie jetzt. Es war nun also die Frage, ob es wieder ein Zeichen für Stress und Überarbeitung war oder ob etwas mehr dahinter steckte.
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Alisea war furchtbar aufgeregt und nervös, als sie mit Sam und Jack den Aufzug auf der untersten Ebene des SGCs verließ. Cordelia lag in einer Babytragetasche und schlief seelenruhig. Madeleine wurde von Jack getragen und Sam hatte eine riesige Tasche mit Wickel-, Fütter- und Spielutensilien für beide Mädchen dabei. Die kleine Gruppe ging zielstrebig zum Kontrollraum, wo sie erfuhren, dass es noch kein Zeichen von den Tok'ra gegeben hatte. So zog sich Alisea mit ihrem Kind in Sams Quartier zurück, während Sam und Jack mit Madeleine im Kontrollraum verlieben.
„Sam, leg dich doch etwas hin," schlug Jack vor.
Sam, die tatsächlich müde war und ziemlich unruhig neben Sergeant Davis am Wahlcomputer saß, sah auf. „Ich glaub nicht, dass ich jetzt schlafen könnte."
„Ach ja? Im Auto bist du auch eingeschlafen."
Sam verzog den Mund.
„Und schau doch," wies Jack mit seinem Blick auf die an seiner Schulter eingeschlafene Madeleine. „Sie hat keine Probleme damit zu schlafen, auch wenn sie bald das erste Mal ihre Großeltern sehen wird."
„Schon gut," gab Sam schließlich nach und verließ den Kontrollraum.
Jack sah ihr zufrieden nach und überlegte, was er nun mit dem schlafenden Kind machen sollte. Zu einem Ergebnis kam er nicht, denn plötzlich setzte sich das Tor in Bewegung und die Iris schloss sich automatisch.
„Aktivierung von außerhalb," rief Davis routiniert.
Jack war schon an ihn herangetreten und sah interessiert auf den Bildschirm. Das Wurmloch baute sich hinter der Iris auf und Davis und O'Neill warteten gespannt auf das Identifizierungssignal. Es erschien auch gleich eine Nummernfolge auf den Schirm, die sich in den Schriftzug Tok'ra-Identifizierung verwandelte.
„Es sind die Tok'ra," erklärte der Sergeant überflüssigerweise.
Jack nickte flüchtig und war schon auf dem Weg zum Stargate-Raum, als ihm Sam, gefolgt von Alisea mit Cordelia auf dem Arm, entgegen kam.
„Soviel zum Thema Schlaf," meinte Sam, als sie gemeinsam den Torraum betraten.
Die Iris war inzwischen offen und General Hammond betrat auch gerade den Gate-Raum. Wenige Sekunden später traten drei Personen aus dem Ereignishorizont. Das Tor schloss sich hinter ihnen. Sam lief strahlend auf ihren Vater zu und umarmte erst ihn, dann Yosuuf und dann auch Darius, den Mann ihrer Cousine.
„Ich freue mich so, dass ihr endlich da seid," brachte Sam hervor und war den Freudentränen nahe.
Alisea war schon einen Schritt weiter. Ihre Wangen waren bereits nass, als sie auf ihren Mann zuging, den sie fast ein Jahr lang nicht gesehen hatte. Sie war unfähig etwas zu sagen und Darius schloss Alisea und seine kleine Tochter wortlos in die Arme.
Yosuuf und Jacob traten mit Sam an Jack heran, der noch immer seine Tochter hielt. Madeleine verfolgte die Ereignisse erstaunt mit ihren braunen Augen.
Sam stellte sich neben Jack und ließ Maddy ihre Finger mit ihrer kleinen Hand umklammern. „Das ist eure Enkeltochter. Madeleine O'Neill."
„Oh, sie ist ja so bezaubernd," schwärmte Yosuuf.
Jacob nickte und konnte seinen Blick nicht von der Kleinen lassen, die ihn erst fragend anstarrte und dann ein strahlendes Lächeln zeigte, dass sie eindeutig von ihrer Mutter gerbt hatte. „Darf ich?" fragte er und ließ sich seine Enkelin von Jack geben.
Alisea und Darius gesellten sich nun zu ihnen. Sie strahlten beide und Alisea hatte ihre Freudentränen immer noch nicht ganz im Griff.
Yosuufs verzückter Blick wanderte von Madeleine zu Cordelia, die nun zum ersten Mal von ihrem stolzen Vater gehalten wurde. „Ohhh, sie ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten, Alisea."
„Wollen wir nicht in den Briefing-Raum gehen?" meldete sich Hammond zu Wort, der das Familienwidersehen bisher stumm mitverfolgt hatte.
Die Runde nickte einstimmig und alle folgten ihm nach oben. Dort ließen sich alle am großen Konferenztisch nieder. Darius hatte seine Tochter auf dem Schoß und nur Augen für sie. Sam und Jack saßen an ihren gewohnten Plätzen. Yosuuf und Jacob hatten neben ihnen Platz genommen und Jacob hielt seine Enkelin, die in ebenfalls ganz in seinem Bann hatte.
„Die Tok'ra sind nun also sicher umgesiedelt?" erkundigte sich der General, als er am Tischende Platz nahm.
„Ja, es besteht keine Gefahr mehr," erwiderte Yosuuf, deren Blick zwischen dem General und ihrer Enkelin hin und her ging.
„Dann kann ich zurückkehren?" kam es von Alisea, deren Frage eigentlich eher eine Feststellung war.
„Ich wollte euch beide schon viel früher holen," sagte Darius leise. „Aber es kam eine dringende Mission dazwischen."
„Alisea," ergriff Jacob das Wort. „Du hast uns noch gar nicht den Namen unserer Großnichte verraten."
Alisea lächelte. „Cordelia."
„Cordelia…" wiederholte Jacob. „Wie die Cordelia in Shakespeares 'König Lear'? Oder wie einer der Monde von Uranus?"
Alisea grinste. „Eigentlich wie Cordelia Chase in 'Angel'. Aber ich liebe 'König Lear'!"
„Und Madeleine," sagte Yosuuf mit Blick auf das Kind auf Jacobs Schoß.
„Der Name deiner Mutter," sprach Jacob an Sam gewandt. „Er bedeutet 'Die Widerspenstige'."
Sam nickte.
Jack nickte ebenfalls und sah stolz auf seine Tochter. „Und wenn sie nur halb nach ihrer Mutter kommt, wird für die Goa'uld mit ihr nicht gut Kirschen essen sein," grinste er.
Die ganze Runde lächelte.
„Das heißt natürlich nicht, dass wir ihr gleich wenn sie laufen kann, 'ne Zat in die Hand drücken," fügte O'Neill noch dazu.
„Das wird wahrscheinlich gar nicht nötig sein," meinte Sam. „So wie sie an dir hängt, wird sie ihrem Daddy wahrscheinlich alles nachmachen und sich einfach selbst eine besorgen."
Alle lachten, während Jack seinen Ich-weiß-gar-nicht-worauf-du-hinaus-willst-Blick an den Tag legte.
Jacob fielen die Blicke auf, die Sam und Jack wechselten. Er konnte sehen, dass sie zweifellos glücklich waren, aber er sah auch, dass immer noch etwas zwischen ihnen stand. Sie waren Eltern, aber kein Paar. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. „Und?" beschloss er aber ganz provokant zu fragen. „Wann ist die Hochzeit?"
„Dad!" entfuhr es Sam erschrocken.
Jack, der nicht weniger überrascht war, ließ seinen Blick vorsichtig zu General Hammond schweifen, der doch tatsächlich ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen hatte.
Yosuuf legte Jacob eine Hand auf den Arm. „Ihr werdet uns doch jetzt öfters besuchen, oder?" wechselte sie das Thema.
„Natürlich," brachte Jack heraus und verscheuchte den Schrecken über Jacobs Bemerkung aus seinem Kopf.
Auch Sam wurde wieder ruhiger, wenngleich sie über die Nicht-Reaktion des Generals etwas überrascht war. Sie musterte nun ihren Vater, der sich an seiner Enkelin offensichtlich nicht satt sehen konnte. Sie wunderte sich etwas. Immerhin war er schon zweimal Großvater und auch wenn er sehr liebevoll mit Marcs Kindern umgegangen war, so war es bei Madeleine eindeutig anders. Sam fragte sich, ob das an seinem Verhältnis zu Marc lag oder daran, dass er nun als Tok'ra einfach ein ganz anderer geworden war und dass sich Selmacs Gefühle und Ansichten mit seinen verbunden hatten. Sie kam zu dem Schluss, dass es wohl etwas von beidem sein musste. Die Tatsache, dass er von ihr nicht mehr wirklich ein Enkelkind erwartet hatte, kam wohl auch noch dazu. „Bleibt doch eine Weile."
„Du weißt doch wie das ist," sagte Alisea, bevor Darius, Jacob oder Yosuuf etwas sagen konnten. „Da draußen ist einfach zuviel los. Und selbst sieben Monate nach der Umsiedlung wird es immer noch hier und da Probleme geben."
Yosuuf nickte. „Alisea hat leider Recht. Wir müssen heute noch zurückkehren." Sie richtete einen fragenden Blick an ihre Nichte. „Du wirst uns doch begleiten?"
„Natürlich werde ich das," erwiderte Alisea. „So schön es hier auf der Erde auch ist – ich vermisse meine Freunde und meine Familie. Und Cordelia braucht nun endlich ihren Vater."
Darius nahm Aliseas Hand und küsste sie liebevoll.
„Außerdem ist dann ein Faktor weniger im Umzugschaos zu berücksichtigen," grinste die junge Mutter in Richtung ihrer Tante und ihres Onkels.
„Umzugschaos?" echote Jacob.
„Äh, ja…" antworte Jack.
„Na ja, weißt du, Dad, es wird für uns und vor allem für Maddy zu stressig, ständig zwischen zwei Wohnungen und auch noch dem Stützpunkt hin und her zu pendeln. Also ziehen wir bei Jack ein."
Jacob nickte sachlich, doch innerlich grinste er breit und Yosuuf drückte mit einem wissenden Lächeln seine Hand.
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