Kapitel 7: Heimkehr
„Und?"
Padme lächelte. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du so quengelig bist wie ein kleines Kind?"
„Ja, kam schon vor," grinste er.
„Tja, tut mir Leid, aber ich komme hier nicht weiter. Es ist einfach unmöglich eine Sonneneruption zu berechnen," resignierte sie.
Jack seufzte. „Oh man, vor fünf Jahren war das irgendwie einfacher," brummte er.
„Was war denn vor fünf Jahren?" erkundigte sich Padme ohne von ihrem Computer aufzusehen.
„Als wir von der Erde aus auf ne Mission starten wollten, hat ne Sonneneruption stattgefunden. Wir wussten das natürlich nicht. Auch nicht, was für Auswirkungen sie hat… Na ja, wir sind wieder auf der Erde gelandet. 30 Jahre in der Vergangenheit. Glücklicherweise sind wir da unserem späteren Vorgesetzten begegnet, der Sam in unserer Zeit eine Notiz für sein früheres Ich mitgegeben hatte. Darauf standen Daten für eine Sonneneruption, mit der wir dann zurückkehren konnten."
Padme starrte immer noch auf den Bildschirm und tippte unermüdlich auf der Tastatur herum. „Ja, in der Zukunft war es ihm ein Leichtes zurückliegende Eruptionen ausfindig zu machen. Natürlich nur, weil sie aufgezeichnet wurden. Wärt ihr ohne diese Notiz in der Vergangenheit gelandet…"
„…hätten wir so festgesessen, wie ich jetzt hier," beendete O'Neill den Satz. „Ja… Allerdings war uns erst nicht klar, was genau die Nachricht bedeutete. Der Zettel enthielt nur zwei Daten und Uhrzeiten. Erst als wir am Lagerfeuer saßen, Sam uns erklärte, was passiert sein musste und ich …" Jack brach mitten im Satz ab und sah auf. „Ich hab's!" rief er dann von sich selbst überrascht aus.
„Was?" erwiderte Padme verwirrt.
„Im Feuer gab es eine kleine Flammeneruption," setzte er neu an. „Dadurch kam Sam auf die Sache mit der Sonneneruption und so… Etwas später hab ich mit ner Zat ins Lagerfeuer geschossen…"
Padmes Augen wurden plötzlich größer, als sie verstand, worauf er hinaus wollte. „Wir erzwingen einfach eine Eruption!"
„Ne Zat wird da wohl nicht reichen, hm?"
Padme lachte. „Nein, aber wenn wir im richtigen Winkel und in der richtigen Stärke mit den Waffen eines Raumschiffs auf die Sonne feuern, kriegen wir das schon hin. Es muss nur zeitlich genau abgestimmt sein, dass du durch das Tor gehst, wenn das Wurmloch von der Eruption eingefangen wird… na ja, das wird noch einige Berechnungen kosten. Ich muss auch noch ausrechnen, auf welcher Seite der Sonne die Eruption stattfinden muss…" murmelte sie nachdenklich und machte sich Notizen dazu auf einem Handgerät. Dann lächelte sie Jack aber fröhlich an. „Wird zwar etwas dauern, aber wenn du willst, bist du zum Abendessen daheim."
„Cool."
Padme runzelte über diesen ihr unbekannten Ausdruck die Stirn. „Ist schon komisch, wie einfach die Lösung doch eigentlich war," meinte sie dann. „So einfach, dass ich sie glatt übersehen hab. Ich dachte, es ginge nur mit komplizierten Berechnungen, dabei kann jeder auf die Antwort kommen. Wenn man etwas in ein Feuer gießt oder mit einer Energiewaffe in Feuer hineinschießt, kommt es zu einer Eruption."
„Heißt das jetzt, dass ich doch nicht so blöd bin, wie ich immer dachte oder dass mein Verstand einfach nur einfach genug gestrickt ist, um auf so was zu kommen." Er hatte in diesem Augenblick ein kleines Déjà-Vu, was seine Begegnungen mit den Asgard betraf.
Padme überlegte kurz, was sie jetzt antworten sollte. „Na ja, ich kenne dich nicht gut genug, um mir ein solches Urteil über dich zu erlauben."
Jack zuckte mit den Schultern. „Na schön. Aber ohne dich wär ich trotzdem aufgeschmissen. Du musst ja noch dieses ganze Zeugs ausrechnen. Schusswinkel und so… und irgendwer muss sich ja auch um die Show da oben kümmern, wenn ich durch das Stargate gehe."
Padme nickte. „Auch mein Part. Und jetzt werde ich erst mal die Berechnungen beenden."
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Janet Fraiser, Joans Quinn und Teal'c betraten vorsichtig das Haus von Jack O'Neill. Die Tür war nicht abgeschlossen. Es musste also jemand zuhause sein. Sam natürlich. Nach ihr waren die drei auch auf der Suche und die Sorge stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
„Sam?" rief Janet laut. „Sam? Wo bist du?"
Sam antwortete nicht. Die drei kamen wortlos überein, gleich nach oben zu gehen, wo sie Sam vermuteten.
Janet führte den Zug an. „Sam?" rief sie ein weiters Mal, während sie die Treppe hochgingen.
Sie öffneten die Tür zum Kinderzimmer, wo sie Madeleine schlafend in ihrer Wiege entdeckten. Sam musste also auch im Haus sein. Sie würde ja ihre Tochter nicht alleine lassen.
„Sam, ist alles in Ordnung bei dir?" fragte Janet beim Betreten des benachbarten Schlafzimmers und blieb so abrupt stehen, das Jonas und Teal'c fast auf sie geprallt wären.
„Lasst mich in Ruhe!" erwiderte Sam mit verheulter Stimme. Sie kniete auf dem Boden und war gerade dabei den letzten von fünf Kartons zu schließen.
Janet saß die Szene fassungslos an. „Ich hab einige Male angerufen, aber du bist nicht ans Telefon. Wir haben uns Sorgen gemacht."
„Wir dachten schon, dir sei etwas zugestoßen," fügte Jonas hinzu.
„Jetzt seht ihr ja, dass alles in Ordnung ist, also könnt ihr wieder gehen," erklärte Sam abweisend und packte den Karton, den sie als letztes geschlossen hatte. Sie erhob sich mit ihm und ging auf die Tür zu, in der ihre drei Freunde standen. „Würdet ihr mich bitte durchlassen?"
„Erst wenn du uns sagst, was hier eigentlich los ist," entgegnete Janet.
Sam trat zwei Schritte zurück und stellte den Karton, der gar nicht so leicht war, auf den Boden. Sie verschränkte ihre Arme. „Das sieht man doch. Ich mache einen Fehler rückgängig."
„W-was?" erwiderte Janet verwirrt. „Könntest du bitte aufhören in Rätseln zu sprechen?"
„Ich meine den Einzug hier. Ich hätte mich gar nicht drauf einlassen sollen. Nur gut, das ich erst ein paar meiner Sachen hier hatte und dass ich noch keinen Käufer für mein Haus gefunden hab."
Janet, Joans und Teal'c starrten Sam entgeistert an. Sie erkannten sie nicht wieder. Ihre Augen und ihre Stimme waren plötzlich so kalt. Und sie war so blass, so müde und völlig mitgenommen. Und es war offensichtlich, dass das nicht nur an Jacks Verschwinden lag. Es steckte mehr dahinter.
„Major Carter," ergriff Teal'c nun das Wort. „Ist etwas vorgefallen, dass du diese Entscheidung rückgängig machen willst?"
„Würdet ihr einen Fehler nicht korrigieren, wenn ihr ihn entdeckt?"
„Doch natürlich" antwortete Janet irritiert. „Aber was… warum soll das hier ein Fehler sein?" gestikulierte sie.
„Das ist meine Sache," gab Sam abweisend zurück. „Und jetzt – entweder ihr geht oder ihr helft mir beim Tragen."
„Warum glaubst du, dass dein Einzug hier ein Fehler ist?" beharrte Janet auf einer Antwort.
Sam seufzte genervt. „Erinnerst du dich, dass ich dir von den Träumen erzählt habe?"
„Ja."
„Ich hatte wieder einen Traum… wieder Erinnerungen. Und diesmal hab ich mich an alles erinnert. Alles war plötzlich ganz klar." Sams Stimme zitterte und sie spürte wie sich Tränen in ihren Augen sammelten.
„Ist O'Neill in der Vergangenheit etwas zugestoßen?" erkundigte sich Teal'c.
„Nein. Jack wird bald zurückkehren."
„Aber was ist es dann? Wenn es nicht an Colonel O'Neill liegt..." Jonas schüttelt den Kopf.
„Jolinar," sagte Sam schlicht.
„Was ist mit ihr?" fragte Janet. „Ist ihr etwas zugestoßen?"
„Sozusagen," erwiderte Sam bitter.
„Sam," sagte Janet ermahnend.
Sam verdrehte die Augen. „Gut, wenn ihr es unbedingt wissen wollt – Jolinar hat sich in Jack verliebt."
Die drei blickten Sam zwar überrascht an, verstanden aber nicht, was das mit ihrer seltsamen Stimmung und ihrem merkwürdigem Verhalten zu tun hatte.
„Aber er hat doch wohl nicht…" setzte Janet an.
„Nein, natürlich nicht," entgegnete Sam. „Aber versteht ihr nicht? Weil Rosha und Jolinar Martouf und Lantash geliebt haben, fühlte ich mich so stark zu Martouf hingezogen."
„Ja, und?" kam es von Jonas.
Sam war nun unfähig die Tränen zurückzuhalten „Begreift ihr denn nicht?!" schluchzte sie. „Jolinar… ihre Wirtin Padme hat sich in Jack verliebt und diese Gefühle existierten neben der Liebe zu Martouf in Jolinar bis sie starb…" Sam presste die Lippen zusammen. „Ich wusste, dass die Gefühle für Martouf nicht meine eigenen waren und konnte damit umgehen. Und nun stelle ich fest, dass meine Gefühle für Jack auch nicht von mir stammen! Jolinar hat ihn geliebt und diese Liebe hat sich ebenso wie die Gefühle für Martouf auf mich übertragen."
Janet ging augenblicklich zu Sam und schloss sie in ihre Arme. „Nein, Sam, nein. Das darfst du dir nicht einreden," flüsterte sie behutsam. „Du darfst nicht das mit Martouf auf Jack übertragen."
„Wenn es doch aber so ist..." flüsterte Sam heiser.
Jonas trat näher zu Sam und Janet. „Ich bin erst seit zwei Jahren bei euch," begann er sanft, „und mich mag in diesen Dingen auch kein Experte sein, aber die Liebe, die dich und Colonel O'Neill verbindet, war für mich von Anfang an offensichtlich. Und sie war immer so lebendig, euer Vertrauen zueinander war immer so tief – das kann unmöglich das Echo eines früheren Lebens sein."
„Ich stimme Jonas Quinn zu," nickte Teal'c. „Und ich kenne O'Neill fast schon so lange wie du."
Sam löste sich langsam aus Janets Armen. Ihre Tränen wollten immer noch nicht aufhören, aber sie hörte ihren Freunden zu.
„Ihr kanntet euch schon fast ein Jahr, als Jolinar von dir Besitz ergriff," fuhr Teal'c fort. „Und um ein menschliches Sprichwort zu benutzen – es hat schon von Anfang an mächtig zwischen euch gefunkt."
Sam wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. In Bezug auf Jack und die Erinnerungen von Jolinar, die mir nun so präsent sind, ist alles so… schwimmend... Ich kann nicht mehr sagen, wo Freundschaft zu mehr geworden ist und… es kann einfach nur so sein, dass die Erinnerungen in meinem Unterbewusstsein…" Sie sprach nicht weiter, als sie den durchdringende Blick von Teal'c auf sich spürte.
„Erinnere dich an die Seuche, die alle in Urmenschen zurückverwandelt hat," sagte Teal'c.
Sam zuckte etwas zusammen, als sie sich daran erinnerte, wie sie versucht hatte, Jack zu verführen. Ihr stieg bei dem Gedanken, was sie damals getan hatte, eine leichte Röte ins Gesicht, die aber aufgrund ihr durch die Tränen und Aufregung geröteten Wangen gar nicht weiter auffiel.
„Lange vor deiner Begegnung mit Jolinar war die Anziehung zwischen euch schon offensichtlich," schloss Teal'c seinen kleinen Vortrag ab. „Und was war auf diesem Eisplaneten? Obwohl ihr nicht wusstet wer ihr wart, habt ihr einander gefunden," fügte er noch hinzu.
Janet nickte und lächelte. „Er hat Recht, Sam. Ich war zwar auf euren Missionen nicht dabei, aber so wie ihr auf der Krankenstation, bei den Besprechungen und in der Cafeteria miteinander umgegangen seid – das war eindeutig. Und erinnere dich doch mal an den Zat'arc-Test. Ich glaube nicht, dass das, was du damals gesagt hast, auf irgendwelche unbewussten Erinnerungen und ein früheres Leben zurückging."
„Und wir hatten in den vergangenen Jahren mit zwei parallelen Realitäten Kontakt. In beiden Welten waren O'Neill und du ein Paar," meinte Teal'c.
„Genau," stimmte Janet zu. „Und das, obwohl du in diesen Welten kein Major warst und damit höchstwahrscheinlich auch nie Wirtin für Jolinar."
Janet wechselte einige Blicke mit Teal'C und Jonas. Sie hatten jetzt sämtliche Register gezogen und Sam konnte ihre Argumente kaum von sich weisen. Sie musste ihnen einfach glauben.
Sam atmete ruhiger und weinte auch nicht mehr. Sie verstand die Argumente ihrer Freunde und sie wollte ihnen ja auch glauben – aber irgendetwas ließ die Zweifel in ihr einfach nicht versiegen. „Mit diesen Erinnerungen in mir kann ich mir einfach nicht sicher sein," flüsterte sie schließlich. Sie senkte den Kopf und wie von selbst verdrängte ein Gedanke alle anderen. Als sie wieder zu ihren Freunden aufsah, war ihr eine unglaubliche Entschlossenheit anzusehen. „Es gibt nur einen Weg für mich, herauszufinden, ob das meine Gefühle sind oder Jolinars… Ich muss die Erinnerungen loswerden."
„Wie willst du…?" setzte Janet an, als es ihr auch schon klar wurde. „Die Tok'ra."
Sam nickte. „Ich muss einfach zu ihnen. Sie sollen mir die Erinnerungen von Jolinar nehmen. Dann kann ich mir über meine Gefühle endlich wieder sicher sein."
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Gegen Abend stand Padme wehmütig am Stargate. Es hatte alles geklappt. Sie hatte alle Berechnungen dreifach überprüft und sich ein kleines Transportschiff mit modifizierten Waffen genommen. Ihr Assistent Galian hatte mit Jack am Stargate gewartet, Jack hatte die Koordinaten der Erde angewählt und er war durch das Tor gegangen, als Padme das Zeichen dazu gegeben hatte. Sie konnte jetzt nur hoffen, dass er auch tatsächlich in seiner Zeit gelandet war. Gleichzeitig erwischte sie sich bei einem ganz andren Gedanken. Tatsächlich hätte sie es alles andere als bedauert, wenn er geblieben wäre. Sie verstand sich selbst dabei nicht – wie konnte sie nur so etwas denken?
Aber eigentlich war es ihr auch klar. Sie mochte es sich nicht recht eingestehen, sie wagte es nicht, es sich einzugestehen – dennoch war es klar. Sie hatte sich in diesen Mann verliebt. Nicht dass er der erste war, für den sie so empfand. Sowohl Padme, als auch Jolinar, hatten schon Beziehungen gehabt, aber für den Teil in ihr, der nur Padme war, war er der erste gewesen, mit dem sie sich eine Zukunft hätte vorstellen können... Und nun war er fort.
Sie wandte sich schließlich vom Stargate ab. Es wartete viel Arbeit auf sie und – so war sie sich sicher – sobald sie mal aus ihrem Labor herauskäme und neue Leute kennen lernen würde, wäre eine neue Liebe bestimmt auch nicht weit. Sie wusste, dass die Wege, die das Leben ging, manchmal schon sehr merkwürdig waren und ihr 30. Geburtstag lag noch weit vor ihr, die Chancen standen also gar nicht schlecht, ihn in hundert Jahren wieder zu sehen.
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