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Gimli, Sohn des Gloin, war ein Zwerg, das bedeutet, er hielt seine Versprechen. So war es auch mit dem Versprechen, das er dem Elben gegeben hatte. Einem Elben, dass musste man sich mal vorstellen. Ein Elb und ein Zwerg, die gemeinsam unter den uralten Bäumen des Fangorn wanderten.

"Wie konnte ich mich darauf nur einlassen?", grummelte Gimli in seinen Bart. Dieser Wald hatte ihm schon bei ihrem ersten Besuch nicht gefallen.

"Du wolltest doch nach Aglarond und ich bin mit dir gegangen, weil du versprachst, mit mir zum Fangorn zu kommen, Gimli.", antwortete der Elb, der ein ganzes Stück weg unter den Bäumen gestanden hatte und sich jetzt lächelnd umdrehte. Geschmeidig wie es den Elben eigen war, bewegte sich der Elbenprinz auf seinen Zwergenfreund zu.

"Es gefällt dir hier nicht?", stellte er die rhetorische Frage. "Nein, Zwergen gefällt es im Wald wohl einfach nicht."

Bevor Gimli protestieren konnte fuhr er fort: "Aber keine Sorge mein Freund, wir machen uns noch heute auf den Weg raus aus diesem Wald."

Gimli strahlte ihn an, meinte dann aber: "Es stimmt nicht, Herr Elb, das ich keine Wälder mag. Es gibt einen Wald, den ich sogar sehr mag."

Legolas legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ja, Gimli, es gibt wenige, die dem Zauber Loriens wiederstehen können."

"Es ist ein Traum", gab Gimli zu und strich sich den Bart.

"Es scheint wie ein Traum, ja, die Blätter, silbern und schimmernd im Wind treiben zu sehen, dass Licht das Lorien umstrahlt auf seiner Haut zu fühlen und zu spüren, wie es bis in dein Herz vordringt, um dort Ruhe einkehren zu lassen."

Ein Schweigen senkte sich zwischen die beiden und man sah, wie sie ihren Gedanken nachhingen. Der Zwerg dachte seelig lächelnd an die Zeit an diesem wundervollen Ort zurück, an den Beginn der ungewöhnlichen Freundschaft mit Legolas und vor allem an die Schönheit Galadriels. Er hatte Nachrichten vernommen, die Herrin des Waldes wolle sich in den Westen zurückziehen. Alles was ihm von ihr blieb, waren die Strähnen ihres Haares, die er immer nah am Herzen trug. "Bewirkt wirklich Galadriel all diese Wunder?", fragte Gimli.

"Nicht nur der Wald scheint dir sehr gut gefallen zu haben.", zwinkerte der Elb. Der Zwerg grummelte etwas vor sich hin. "Aber um deine Frage zu beantworten, ja, sie und Nenya", antwortete Legolas und packte seinen Sachen zusammen.

Gimli tat es ihm gleich und sie wanderten weiter, zu den Grenzen Fangorns. Gimli grinste seinen Freund an.

"Aber ich scheine nicht der einzige zu sein, den in Lorien etwas verzaubert hat." Der Elb errötete bis zu den spitzen Ohren.

"Du brauchst nicht rot werden mein Freund. Liebe ist doch etwas ganz natürliches, auch wenn sie so ungewöhnlich ist, wie die eure."

"Ich wäre am liebsten im Boden verschwunden, als du uns erwischt hast.", murmelte der Elb. "Ich auch.", antwortete Gimli.

Verträumt blickte Legolas vor sich hin und erinnerte sich zurück.

Lachend nahm Haldir ihn bei den Händen und zog ihn tiefer in die Grotten. Lange nachdem ihnen die letzten Menschen begegnet waren, blieben sie erst stehen, und zogen sich in eine Nische des Ganges zurück, in dem sie standen. Haldir hatte seine Arme um Legolas gelegt und ihn angelächelt. "Es hat lange gedauert." "Viel zu lange", flüsterte Legolas und strich eine silbrig-blonde Strähne aus dem geliebten Gesicht. "Wir haben Zeit, so viele Jahrtausende gemeinsam.", hauchte Haldir, doch er sah wie ein Schatten über das schöne Gesicht seines Geliebten huschte. "Mein Vater wird unsere Beziehung nie dulden, und Galadriel?..." Schnell legte der Elb aus Lorien Legolas einen Finger auf die Lippen. "Shhh, lass uns nicht über die Zukunft nachdenken, wir haben jetzt." Bevor Haldir seinen Finger zurückzog, küsste Legolas ihn sanft. "Ja, wir haben jetzt." Sie sahen einander an und Haldir zog ihn näher zu sich. Und dann, ja dann küssten sie sich. Lange und zärtlich, als wollten sie einander nie mehr loslassen. Ein Räuspern schreckte sie auseinander und entsetzt fiel der Blick der beiden Elben auf Gimli. Legolas grinste, er war sich nicht mehr so sicher, wer von ihnen verlegener gewesen war. "Es tut mir leid, wenn ich störe Legolas, aber Aragorn und Theoden schicken nach dir", Gimlis Blick fiel auf Haldir, "und auch nach euch, Haldir von Lorien." "Wir kommen gleich nach. Ich danke dir, Gimli, Gloins Sohn", antwortete Haldir, der die Fassung schneller wieder gefunden hatte als Legolas. Als der Zwerg verschwunden war, hatte das Lachen der Elben in den Grotten geschallt. Was für eine peinliche Situation.

Plötzlich legte sich eine Hand auf die Schulter des Elben. Er schreckte auf und sah vor sich das freundliche Gesicht von Gimli.

"Komm, mein Freund, lass uns gehen. Wir haben uns lange genug an diesem Ort aufgehalten.", meinte der Zwerg und Legolas nickte. So machten sich die beiden Freunde auf den Weg nach Lothlorien.

Die Sonne stand schon tief im Westen als sie eine Rast machten. Sie waren etwa 5 Wegstunden nördlich von Fangorn, und Legolas roch schon die Luft Loriens, die der Wind zu ihnen zu wehen schien, allerdings war er die ganze Zeit, seit sie an den Grenzen des alten Waldes von ihm und Haldir gesprochen hatten, sehr ruhig gewesen. Unsicherheit hatte sich im Gesicht des Elben breit gemacht und sie schien zu wachsen, je näher sie Lorien kamen. Gimli betrachtete ihn mit Sorge.

"Du wirst ihn sehr bald wiedersehen, du musst keine Angst haben, dass er nicht mehr da ist.", sagte er, in der Hoffnung, seinem Freund zu helfen. Aber Legolas schüttelte den Kopf. "Das ist es nicht, was mich beschäftigt. Es ist vielmehr eine Sache, die ich Haldir in Aglarond sagte. Vorhin fiel es mir wieder ein. Es geht...." Der Elb brach ab, er war sich nicht sicher, ob er mit Gimli, ausgerechnet mit ihm, über die Probleme reden sollte, die sein Vater mit Galadriel hatte. Das machte Legolas das Herz schwer, weil er wusste, dass sein Vater nie dulden würde, dass sein Sohn mit jemandem vom Volke Loriens zusammen ist. Und dabei war noch gar nicht beachtet, dass es sich auch noch um einen Elben handelte, und nicht um eine Elbin.

Gimli wartete gespannt darauf, was sein Freund zu sagen hatte. Dass dieser stockte, sagte dem Zwerg, das den Elben etwas schwer belastete. Gimli schwankte zwischen seiner normalen Vorgehensweise, d.h. sich nicht einzumischen und dem Verlangen, Legolas helfen zu wollen. Er setzte sich näher zu dem Elb und dieser holte tief Luft.

"Es ist mein Vater.", sagte Legolas. "Er würde es niemals gutheißen, dass ich Haldir liebe und mit ihm zusammen sein will."

Gimli schaute seinen Freund ernst an. "Warum bleibt ihr beide nicht in Lorien? Thranduil würde es nie erfahren."

Der Elb schüttelte den Kopf. "Nein, ich..." Der Zwerg spürte nun genau, wie es Legolas innerlich zerriss. "Mein Freund.." sagte Gimli, wurde aber sofort wieder unterbrochen.

"Ich kann das nicht. Meine Mutter ist nicht mehr am Leben und meine Brüder haben diese Gefilde bereits verlassen. Mein Vater ist doch das letzte bisschen Familie, das mir noch geblieben ist. Aber..."

"...du liebst Haldir." warf der Zwerg betroffen ein. Legolas nickte schwach.

"Aber warum sollte er deine Liebe nicht dulden? Sollte einem Vater nicht daran liegen, dass sein Sohn glücklich ist?" fragte Gimli. "Zugegeben, eure Liebe ist ungewöhnlich, aber sie ist wahr." Der Elb lächelte seinen Freund an, aber kurz darauf zog wieder ein Schatten über sein schönes Gesicht.

"Ich glaube...ich meine Haldir...er ist ein Elb. Es würde meinem Vater das Herz brechen, denn ich weiß, er wünscht sich einen Erben seines Geschlechtes...und ich bin der Einzige, der dafür hier noch in Frage kommt..."

Gimli sah vor sich seinen Freund, in dem zwei Gefühle miteinander kämpften. Der Zwerg seufzte, dennoch, irgendwie belastete Legolas noch etwas anderes, er hatte ihm nicht alles erzählt. Etwas wovor der Elb sich scheute, darüber mit Gimli zu reden. Er legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. Dieser blickte auf und blickte in verständnisvolle aber auch besorgte Augen. Legolas hatte in dem Zwerg einen wahren Freund gefunden und er konnte nichts mehr gegen das Bedürfnis machen, ihm einfach alles zu erzählen.

"Aber....das ist nicht alles, was meinen Vater sehr missfallen könnte.", sagte der Elb. "Nicht nur, dass ich einen Elben liebe, nein, ich liebe einen Elben aus Lothlorien. Das erträgt mein Vater erst recht nicht."

Gimli machte ein verkniffenes Gesicht. "Thranduil hat etwas gegen Lorien??"

"Nicht gegen Lorien. Einst waren die Völker Freunde, mein Vater und Celborn sind miteinander verwandt,.. bis...", Legolas stockte, aber der Zwerg ließ sich nun nicht mehr ablenken. "Bis was?" "Bis Galadriel nach Lorien kam und dort eine Heimat fand. Seitdem brach mein Vater jeden Kontakt nach Lorien ab..."

".WAAAAAS??????:::" Gimli war nun richtig in Fahrt.

"Gimli....bitte...hör mir zu..", warf Legolas ein und der Zwerg kämpfte um seine Beherrschung. "Warum...was hat Thranduil gegen die Herrin des Waldes?", fragte er mühsam ruhig.

"Das ist eine Geschichte aus längst vergangener Zeit, aber mein Vater kann sie nicht vergessen, geschweige denn verzeihen.", antwortete Legolas.

"Erzähl sie mir bitte.", verlangte der Zwerg.

Der Elb schaute zu seinem Freund und nickte.

"Galadriel ist eine Noldor. Dieses Volk war eher praktisch veranlagt. Sie wollten es dem Schöpfer gleichtun und Dinge von eigenem Leben erschaffen, an Natur lag ihnen nicht sehr viel. Einer ihrer Schöpfungen waren die Silmaril, ihr größtes Werk. Darin fingen sie das Licht der ersten Tage ein, um es für immer zu bewahren. Melkor stahl ihnen die Steine und die Noldor machten die Valar dafür mitverantwortlich, weil Melkor einer von ihnen war. Feanor, Finwes Sohn, der seinerzeit erster König des Volkes war, führte die Noldor aus Valinor fort, um die Silmaril zurückzugewinnen und dafür war ihm jedes Mittel recht. Sie metzelten die Teleri nieder, um deren Schiffe zu bekommen. Dies war der erste Gewaltakt, den Elben gegen Elben taten. Und es war nicht der letzte. Immer wieder kam es von Seiten der Noldor zu Übergriffen, vor allem gegen Doriath. Erst nach der Niederwerfung Morgoths am Ende des zweiten Zeitalters wurde ihnen verziehen und sie durften nach Aman zurückkehren. Aber einige blieben, eine davon ist Galadriel. Mein Vater kann den Noldor nicht vergeben und kann Galadriel nicht ausstehen. Und alle Elben Loriens behandelt er mit der gleichen Abneigung."

Gimli hatte aufmerksam zugehört, konnte aber nur noch mühsam an sich halten. Ihm war es egal, was in der Vergangenheit passiert war.

"Ich glaube ich sollte dem König der Waldelben mal Respekt beibringen.". Mit diesen Worten sprang er auf und schwang demonstrativ seine Axt. Legolas schaute ihn überrascht an. Es hatte bisher kaum einer gewagt, sich mit Thranduil anzulegen. Der Elb stand auf und legte seinem Freund beruhigend die Hand auf die Schulter. "Gimli, halte ein. Mein Vater macht dich einen Kopf kürzer, bevor du um Hilfe rufen kannst. Und ich will nicht, dass ich auf diese Weise einen so guten Freund verliere." Der Zwerg sah auf und erblickte wieder den Schmerz und die Verzweiflung im Gesicht von Legolas. Gimli nickte und ließ sich wieder neben dem Elben nieder. Schweigend saßen sie nebeneinander, jeder seinen Gedanken und Gefühlen nachhängend, bis ein goldener Streifen im Osten den neuen Tag ankündigte.