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Der König war kein Elb großer Einleitungsworte, und so kam er gleich zum Punkt.

"Sie ist eine wahre Schönheit, mein Sohn. Du wirst sie sofort lieben, wenn du sie siehst.", schwärmte Thranduil.

"Du willst mich mit jemandem verheiraten, den ich nicht einmal kenne? Ich verstehe das nicht.", entgegnete sein Sohn ruhig.

"Du wirst sie kennen und lieben lernen, das verspreche ich dir!? gab der König des Waldlandreiches zurück.

"Und was, wenn ich sie nicht lieben lernen will. Vater, ich will nicht heiraten!". Legolas schaute seinen Vater bittend an.

"Du wirst heiraten, sie trifft übermorgen hier ein!", entgegnete Thranduil streng, der mittlerweile dabei war die Geduld zu verlieren. Seit Tagen schob sein Sohn alles hinaus. "Ich will aber nicht!", entgegnete Legolas genauso barsch und verzog das Gesicht. Haldir stand neben ihm und musste sich ein grinsen verkneifen. Er kannte Legolas Sturheit nur zu gut und er liebte es ihn schmollen zu sehen. Er musste der Versuchung widerstehen, den Prinzen an sich zu ziehen und zu küssen. Thranduil würde einen Herzinfarkt kriegen.

"Du wirst heiraten mein Sohn. Es ist deine Pflicht als Prinz für Thronerben zu sorgen!"

"Ach, und meine Brüder hatten diese Pflicht nicht?"

"Doch, sie hatten sie, nur sind sie schon nach Valinor zurückgekehrt."

"Ja, und gerade weil ich der einzige bin, der den Fehler gemacht hat hier zu bleiben, muss ich jetzt jemanden ehelichen, den ich nicht liebe?!". Legolas war sichtlich verärgert.

Thranduil aber wurde nun richtig zornig. "Du wirst heiraten, weil ich es so will!"

"Weil du es so willst Vater? Ich bin alt genug, um selbst entscheiden zu dürfen, was ich tue und was nicht!"

Haldir seufzte leise. Jetzt ging der Streit schon wieder los.

"Warum weigerst du dich so vehement dagegen, heiraten zu wollen mein Sohn?", fragte Thranduil mühsam beherrscht.

"Weil ich nicht bereit dazu bin. Schon gar nicht ,wenn es jemand ist, den ich nicht liebe."

"Bei Eru, woher willst du denn wissen, dass du sie nicht liebst?", wetterte Thranduil, "Du hast sie doch noch nicht einmal gesehen."

"Eben, ich habe sie noch nicht einmal gesehen und du willst mich mit ihr vermählen. Was wenn ich sie nicht lieben kann?"

"Du versuchst es ja nicht einmal."

"Ich will nicht heiraten!", machte Legolas seinen Standpunkt klar und er blickte kurz Haldir an, der schon ziemlich unter dem Streit litt.

"Du wirst heiraten und zwar in genau einer Woche. Die Vorbereitungen sind bereits getroffen."

Geschockt blickte Legolas seinen Vater an und verstand im ersten Moment gar nicht, dass Haldir den Thronsaal verlies. Damit hatte er bei den Valar nicht gerechnet.

"Vater, das kannst du nicht machen. Du kannst mich nicht gegen meinen ausdrücklichen Wunsch vermählen!"

"Oh doch, dass kann ich, und das werde ich!"

"Aber...!", setzte Legolas wütend an.

"Nichts aber! In zwei Tagen wird deine Braut hier sein und Du wirst ihr den Hof machen! Das wir uns verstanden haben."

"NEIN; das werde ich nicht tun!!", brüllte Legolas und stürmte ebenfalls aus dem Thronsaal. Thranduil stand auf. Die Diskussion war noch nicht beendet.

Erstaunt sprangen die Palastwachen des Königs auseinender, als Haldir an ihnen vorbeistürmte. Verstörte und entsetzte Blicke folgten dem Elben aus Lorien, denn sie spürten deutlich den Schmerz und die Verzweiflung die von ihm ausgingen. Er bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, als würde er vor etwas davonlaufen, oder jemandem.

Kurze Zeit später wurden die Wachen ein zweites Mal auseinander geschreckt. Der Prinz von Düsterwald verließ wutschnaubend den Thronsaal. Doch als er draußen vor dem Palast stand wandelte sich sein Zorn sehr schnell in Besorgnis. "Wo ist er?", fragte er die äußere Palastwache.

"Wer mein Prinz?", kam die verwirrte Gegenfrage.

"Haldir von Lorien. Der Elb der mich begleitete.", antwortete Legolas ungeduldig.

"Wo er ist kann ich nur vermuten, denn er rannte als wäre der dunkle Herrscher persönlich hinter ihm her."

"Welche Richtung?", fragte Legolas nervös. Er ahnte schlimmes.

"Geradeaus mein Prinz."

Kaum hatte man ihm die Antwort gegeben war der Elb schon losgesprintet. Immer wieder rief er Haldirs Namen, blieb stehen und lauschte. Doch er bekam keine Antwort.

Haldir hörte ihn nicht. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Im laufen wischte der Elb aus Lorien sich die Tränen aus den Augen. Er hatte es einfach nicht mehr ertragen, Thranduil redete nur noch davon das Legolas endlich seine Prinzessin heiraten musste. Sein Geliebter sollte heiraten. Auch wenn Legolas sich weigerte das zu tun, so konnte das nicht weitergehen. Haldir ertrug es nicht mehr, seine Liebe verstecken zu müssen. Es zerriss ihn innerlich. Er sehnte sich danach, Legolas küssen zu dürfen, wann er wollte. Er wollte ihn im Arm halten. Der ganzen Welt erzählen, dass er den Prinzen liebte, und das auch Legolas ihn liebte. Seine Gedanken stockten. Tat er das auch wirklich? Liebte Legolas ihn überhaupt. Ruckartig blieb er stehen. Der Weg war zu Ende und ein Abgrund tat sich vor ihm auf. Er hatte nun zwei Möglichkeiten: Einmal konnte er die Klippe hinunter springen, auf der er stand und damit Legolas frei geben, die zweite Möglichkeit wäre, zurückzugehen und seinem Schicksal ins Auge zu sehen. Doch hatte er die Kraft dazu?

Legolas hingegen wurde immer panischer. Er bekam keine Antwort auf seine verzweifelten Rufe. So musste der Elb sich auf sein Gefühl verlassen und folgte seinem Herzen. Schließlich fand er was er suchte. Haldir stand mit dem Rücken zu ihm, am Rande einer Klippe. Wie angewurzelt blieb Legolas einen Meter vor ihm stehen. Er musste nur die Hand nach ihm ausstrecken. "Haldir!", krächzte Legolas, denn plötzlich schnürte ihm die Angst die Kehle zu.

"Wenn ich hinunter springen würde, wärst du frei.", flüsterte der Elb aus Lorien ohne sich umzudrehen.

"Nein, ich würde dir in den Tod folgen.", entgegnete Legolas. Haldir drehte sich um. Sein schönes Gesicht war tränen überströmt. "Ich weiß. Vermutlich habe ich es deshalb noch nicht getan, aber vielleicht sollte ich springen...".

"Nein!", schrie Legolas verzweifelt. Die Tränen liefen ihm über die Wangen. "Wenn du springst, springe ich hinterher. Lieber folge ich dir in Mandos Hallen, wo wir zusammen sein können, als dass ich hier langsam und von Trauer zerrissen dahinschwinde."

"Aber ich ertrage es nicht mehr. Die heimlichen Küsse, die ständige Angst gesehen zu werden, die Heimlichtuerei über unsere Liebe, die Streit mit deinem Vater! Ich liebe dich, aber ich kann einfach nicht mehr, und ich möchte nicht, dass du leidest!" Haldirs Stimme brach ab und er wurde von Tränen geschüttelt. Er schwankte und fiel auf die Knie. "Bei den Valar. Warum ist unsere Liebe eine solche Schande?"

Legolas sank ebenfalls auf die Knie und zog Haldir ins seine Arme. Er fühlte wie sich der Elb wehren wollte, doch einfach nicht die Kraft und nicht den Willen dazu hatte. Beruhigend wiegte er Haldir im Arm, auch wenn ihm selbst noch immer Tränen über die Wangen rannen. "Ich liebe dich. Mehr als mein Leben. Ich kann es nicht mehr verheimlichen. Ich will es nicht mehr.", flüsterte Legolas und küsste Haldir auf die Stirn. "Warum musste es erst so weit kommen bis ich mich dazu durchringen kann?"

Haldir schaute auf. Seine ozeanblauen Augen blickten ihn voller Liebe und Verständnis an. "Weil du ein Prinz bist. Weil du Pflichten hast."

"Und wenn ich der König der Welt werden könnte und mich zwischen dir, der Liebe meines ewigen Lebens, die ich jetzt zweimal beinahe verloren hätte, und der Krone entscheiden müsste, ich würde mich für dich entscheiden. Es ist mein Schicksal, dich zu lieben, und das Schicksal kann und soll man nicht umgehen. Ich will es auch gar nicht."

"Dein Vater wird es nicht verstehen!", wandte Haldir schwach ein und schmiegte sich dichter an den Elbenprinzen.

"Nein, dass wird er nicht, denn er hat aus Pflicht geheiratet, nicht aus Liebe. Doch ich will dich nicht verlieren. Ich würde es nicht überleben." Unsicher blickte er seinen Liebsten an. Haldir war von seinen Gefühlen so überwältigt, dass er kein Wort herausbrachte. Stattdessen küsste er Legolas. Erst zärtlich und zustimmend, dann verzweifelt und leidenschaftlich.

"Wir stehen das gemeinsam durch!", flüsterte Legolas.

"Ja, wie wir alles durchgestanden haben.", antwortete Haldir und lächelte schwach. Der Elb aus Lorien lies sich ganz ins Gras sinken und zog Legolas zu sich herunter. Sein Blick war fiebrig als er seinen Geliebten zu einem Kuss herabzog. Verzweifelt zerrten sie an der Kleidung des anderen, nur unterbrochen von hungrigen Küssen. Schon kurze Zeit später lagen sie nackt auf dem weichen Boden. Beide waren von einem Fieber ergriffen, das von der Angst vor dem kam, das auf sie zukommen würde, und von der gesammelten Verzweiflung und Sehnsucht, die sie fühlten. Hände glitten über Haut, Lippen über bebende Muskeln. Es war, als wollten beide jeden Zentimeter des anderen erkunden, das Stöhnen hören, das die Leidenschaft bestätigte. Sie wollten einander zeigen, wie sehr sie sich brauchten. Beide zitternden vor Erregung, als Haldir sich von Legolas samtigen Lippen losriss.

"Ich will dich in mir mein Prinz. Ich will das du ein Teil von mir bist.", hauchte Haldir heißer. Legolas kam seinen Wunsch augenblicklich nach und Haldirs Herz wurde erstmals wieder leicht, als er spürte, wie Legolas Seele und seine eigene wie ihre Körper eins wurden. Unter ihnen schien die Erde zu beben, und über ihnen war der Himmel zum greifen nah. Sie vergaßen ihre Umgebung, ihren Schmerz. Es gab nur sie beide, nichts weiter, als über ihnen die Lichter der Welt explodierten.

Erschöpft ließen sie sich ins Gras sinken und tauschten zärtliche Küsse aus. Haldir genoss es, nach so langer Zeit endlich wieder in Legolas Armen zu liegen. Er hatte es genauso vermisst wie der Prinz des Düsterwaldes. Plötzlich kicherte Haldir fröhlich. "Wenn dein Vater uns so sehen würde."

Legolas lachte herzhaft. "Das würde ihm ganz und gar nicht gefallen."

"Nein, dass tut es nicht!" Eine schneidende Stimme brachte sie grausamst zurück in die Realität. Erschrocken fuhr das Paar herum und blickte in Thranduils wütendes Gesicht.