3. Der Wolf im Schafspelz

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Mittlerweile war es Nacht geworden.

Julia war den ganzen Tag lang durch nichts aufgefallen, wobei Jack sie fast die ganze Zeit misstrauisch beobachtet hatte. Er war sich nun sicher, dass sein erster Eindruck von ihr wirklich falsch gewesen war, er war sogar schon so weit gegangen, dass er in Erwägung zog, sie vielleicht doch an Bord zu behalten. Das Mädchen schien einen besonderen Einfluss auf seine Crew zu haben, besonders auf die männlichen, die nun sichtlich motivierter waren und versuchten, ihr zu imponieren.

Sprach er da auch von sich selbst?

Quatsch!

Nicht mal ein bisschen?

Zugegeben, Jack konnte nicht verleugnen, dass ihr Gast auch Eindruck bei ihm hinterlassen hatte, einen recht guten sogar. Anscheinend war sie doch ganz nett, so hatte er immerhin nicht eine einzige Klage über sie zu hören bekommen. Jack tat es sogar schon fast Leid, dass er das Mädchen so bedroht hatte.

Nicht zu Unrecht, könnte man meinen.

Nach dem Essen, falls man diese dürftigen Essensreste noch so nennen konnte, saß Jack immer noch unter Deck bei seiner Crew. Er beobachtete, wie einige von ihnen noch fleißig dabei waren ihre Rationen in sich hinein zu schaufeln und wieder andere drauf und dran waren sich zu betrinken. Ein mittlerweile gewohnter Anblick, dachte er und setzte seine eigene Flasche Rum wieder an, bis ihm plötzlich etwas auffiel.

Fehlte nicht jemand?

Langsam blickte er sich von seinem Stuhl aus im Raum um, doch von seiner Mannschaft war ausnahmslos jeder anwesend, abgesehen von Joshamee und Anamaria, die an Deck Wache schoben. Trotzdem ließ ihn das ungute Gefühl nicht los, dass sie nicht vollzählig waren.

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Julia!

Panisch blickte er sich noch einmal um, um ganz sicher zu sein sich nicht verguckt zu haben, jedoch bestätigte sich seine Vermutung: Sie war nicht da. Auch wenn sie sich bisher noch nichts zu Schulden hat kommen lassen, befürchtete er doch das Schlimmste. Jack sprang auf, stellte die Flasche weg und lief zu Mr. Towers, einem Crewmitglied, der sich genau wie er zuvor die Kante gab. Er kam von hinten auf ihm zu, legte seine Hand auf dessen Schulter und beugte sich etwas zu ihm herunter.

„Towers? Wo ist das Mädchen?"

„Meint ihr die junge Ms. Morgan, Captain?", lallte dieser benommen.

„Wo ist sie?"

„Keinen Ahnung, Sir, sie ist schon vor ner ganzen Weile gegangen."

Jetzt machte sich Jack erst recht große Sorgen. Weniger um seinen Gast als mehr um das, was Julia mit seinem Schiff anstellen würde. Sie war allein unterwegs, niemand da um sie zu bewachen. Er dachte daran, was ein kleines Kind anstellen würde, wenn es unbehindert auf einem Piratenschiff alles tun könnte, wonach ihm zumute war und diese Vorstellung trieb ihm beinahe die Schweißperlen auf die Stirn.

Sogleich machte er sich auf an Deck, wo er sie als erstes vermutete. Er trat hinaus ins Freie der sternenklaren Nacht und blickte sich um, doch weder eine Bewegung, noch irgendwas von dem Mädchen zu sehen. Er ging ein Stück weiter, um sich genauer umsehen zu können. Sie war nicht hier.

Gerade wollte Jack wieder umdrehen und sich noch einmal unten umschauen, da hörte er etwas in der Kammer unter dem Bug, deren Tür wie immer offen stand und in der sich der Vorrat von allen erdenklichen Gesöffen befand. War Julia etwa...?

Jack betete zu Gott dass dem nicht so war.

Er drehte sich auf dem Absatz und torkelte in seiner seltsamen Art zu der offenstehenden Tür. Dort stellte er sich aufgeregt in den Türrahmen und sah sich hektisch um, betete noch immer, dass Julia nicht hier war. Er hörte jemanden in einer Ecke kichern, woraufhin er zögerlich eintrat. So konnte er um die Ecke schauen und erblickte sie dort, zwischen einem Haufen von Flaschen, von denen einige bereits leer waren. Mondlicht schien durch eine kleine Luke am Bug und warf ein wenig Licht in den Raum; genug um zu sehen wer da so belustigt klang. Julia saß auf dem Boden, die Beine weit von sich gestreckt, in ihren beiden Händen hielt sie halbvolle Rumflaschen.

Ihm kam es vor wie ein Stich ins Herz.

„Hey Jack", gluckste das Mädchen amüsiert. „Du hast mir verheimlich, dass ihr so viel zu trinken habt. Was sagst du jetzt zu deiner Verteidigung?"

„Was tust du hier?"

Jack bekam keine Antwort, nur ein weiteres Kichern zu hören. Julia hatte sich anscheinend schon genüßlich über einige Fläschchen hergemacht, und anscheinend waren es zu viele. Sie war nicht leicht angetrunken, Julia war voll bis oben!

Er ging auf sie zu, nahm ihr die Flaschen aus der Hand und stellte sie an die Seite, was dem Mädchen allem Anschein nach gar nicht gefiel.

„Hey! Was soll das?!", nuschelte sie ärgerlich.

„Ich rette was zu retten ist", bemerkte Jack beiläufig und räumte all die Flaschen beiseite, die Julia um sich verteilt hatte.

„Jackilein, du bist ja so `süß´ zu mir..., " schmachtete sie herzerweicht und lehnte sich ein Stück nach vorne. Er blickte sie mit großen Augen und gerunzelter Stirn an.

„Ich rede vom Rum."

„Oh..." Julia klang etwas beleidigt und sah wieder zu Boden. „Du bist sehr unhöflich, Jack!"

„Ja ja, genug der Freundlichkeiten, komm jetzt."

Er schob seinen linken Arm hinter ihren Rücken, mit dem anderen fasste er unter ihre Oberschenkel, damit er sie auf den Arm nehmen konnte. Das Mädchen wehrte sich nicht, falls sie es überhaupt mitbekam. Plötzlich legte sie ihr Grinsen ab und setzte dafür ein ermüdetes Gesicht auf. So lehnte sie sich auf Jacks Schulter, welchem seltsamerweise ein bekannt lieblicher Geruch in die Nase stieg. Er hatte ihn schon einmal verspürt, als er das Mädchen wiederbelebt hatte.

„Was ist mit dem Alk?", jammerte sie kränkelnd.

„Darüber reden wir später, Mylady" seufzte er beim Anblick der Ecke, in der Julia es sich sichtlich gemütlich gemacht hatte. Sie hatte wirklich voll zugeschlagen, viele der leeren Flaschen dort waren nach seinem Wissen wenige Stunden zuvor noch gefüllt gewesen. Über das wie er das Dilemma der Crew erklären sollte, wollte er noch gar nicht nachdenken...

Erst musste er Julia hier rausschaffen, was sich als äußerst kompliziert herausstellte, da sie Tür nun mal für einzelne Personen konstruiert war, nicht für einzelne Personen mit noch einer auf dem Arm. Nach mehreren Anläufen kam er auf die brillante Idee, seitwärts mit ihr hindurchzuschreiten, was auf Anhieb auch wunderbar klappte.

Diese Etappe gemeistert, brachte er sie hinunter in seine Kajüte und legte sie dort auf sein spartanisch hergerichtetes Bett. Julia döste schon wieder vor sich hin. So sah man ihr gar nicht an was für eine Saufeule sie war, dachte er lächelnd und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Er würde nun wieder hochgehen und seinen Leuten schonend versuchen klarzumachen, dass ihr Getränkevorrat geplündert wurde. Er stand schon fast auf dem Flur, da schlug Julia die Augen auf und blickte ihm hinterher.

„Widerliches Gesöff das ihr da habt", nörgelte sie. Jack drehte sich wieder um.

„Widerliches Gesöff sagt ihr..." Jack spielte mit seinen Fingernägeln.

„Hab schon besseren Rum getrunken. Mit dem, den ihr hier habt, wollt ihr doch nicht allen Ernstes betrunken werden?"

Jack setzte sich auf einen hölzernen Stuhl zu seiner Rechten und sah ihr entgegen.

„Betrunken lässt es sich nicht gut segeln. Wir überlassen das lieber unseren neugierigen Gästen."

„Hey, willst du damit sagen, ich bin betrunken?"

„Oh nein, ich würde es mir nicht anmuten, " stritt Jack überschwenglich ab, stand seufzend wieder auf und rieb sich stirnrunzelnd die Hände. „Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: Du bist betrunken."

„Vielleicht leicht angeheitert, aber nicht betrunken!"

„Wo siehst du da den nicht vorhandenen Unterschied?"

Julia grinste schief. „Wär ich total weggetreten hättest du dich doch schon längst über mich hergemacht. Euch Typen hier an Bord fehlt einfach die weibliche Zuwendung."

Das Mädchen lehnte sich auf ihre Ellenbogen um Jacks Reaktion besser sehen zu können. Es war nicht übermäßig hell in seiner Kajüte, lediglich zwei Kerzen brannten, doch blinzelte sie leicht.

„Wir kriegen weibliche Zuwendung, klar soweit?-"

„Von wem?", fiel sie ihm in Wort. „Von Anamaria?"

Einen kurzen Moment herrschte Stille.

„Sie ist ein guter Pirat und ein nettes Mädchen, doch bezweifle ich stark, dass sie euch für derlei `weiblicher Zuwendung´ zur Verfügung steht von der wir hier gerade reden!"

Für eine derartige Diskussion hatte Jack um Ehrlich zu sein momentan keine Zeit und auch ausgesprochen wenig Lust, sodass er sich langsam Schritt für Schritt seinen Weg nach draußen suchte. Das angetrunkene Mädchen würde ihn sicher nicht aufhalten.

„Gute Nacht, Mylady", Jack zog seinen Hut und verbeugte sich übertrieben. „Geruht euch wohl." Mit diesen Worten und einem schadenfrohem Grinsen schloss er die Tür hinter sich und ließ das Mädchen diesmal beabsichtigt allein in seiner Kajüte zurück. Dass er es wieder bereuen würde glaubte Jack nicht, dafür hatte Julia ihre Lektion bereits gelernt.

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Am darauffolgenden Morgen verlief alles, wie Jack es sich vorgestellt hatte. Er befand sich wie meistens um diese Zeit auf dem Achterdeck, als Julia von unten zu ihm hoch kam. Ihr angespanntes Gesicht hatte eine ungesunde Farbe angenommen, sie hielt sich ihre Hände vor den Bauch; sie hatte einen völlig normalen Kater nach einem vertrunkenen Abend.

Das Mädchen wollte an ihm vorbei gehen, doch Jack stellte sich ihr in den Weg und bückte sich ein Stück, um ihr ins Gesicht zu sehen.

„Na?", fing er an. „Alles klar soweit?"

Giftig blinzelte sie ihm entgegen. In diesem Moment war Jack der von ihr am Meisten gehasste Mensch der Welt, wovon sie sich aber nichts anmerken lassen wollte. „Ai, Jackilein, sieht man doch."

Julia ließ sich auf eine Seebox zu ihrer Linken nieder. „Du allerdings solltest vielleicht ein wenig mehr schlafen, du hast Augenränder."

„Ist da etwa jemand in Katerstimmung?", gluckste der Captain.

„Gott bewahre, ich doch nicht..., " verneinte das goldblonde Mädchen scheinheilig, innerlich sinnte sie jedoch schon auf Rache für seine fiesen Worte. Sie kannte vielleicht eine seine Schwachstellen und würde dieses Wissen gegen in benutzen. Julia feilte an ihrem Plan, während Jack seine Black Pearl weiter durch die Karibik steuerte...

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Hier war das 3. Kapitel *Siegesfanfarne spiel*, ich wollte mich bei der Gelegenheit (wie wohl immer) für die lieben Reviews und Vorschlägen und Kritiken und was ihr sonst noch geschrieben habt bedanken!! *zu tränen gerührt is*

@Anna: Du weißt ja: ich freu mich, wenn du dich freust *gg* Danke für die liebe Review

@Sis: Da haste dein nächstes Kapitel. Hoffe es hat dir wieder gefallen!

@Stoffpferd: *mitwedel* Captain Jack Sparrow 4 President! Nya, vielleicht lieber nit… xD Freut mich wenn dir mein Stil gefällt *rotwerd*

@Mia: Ja, diesmal mit Captain, und da achte ich jetzt drauf *sich verbeug*

@Evildollie: Hab ich ihn wirklich gut getroffen? Geil... darüber freue ich mich besonders, weil Jack ein wirklich schwer wiederzugebender Charakter ist, wie ich finde. Weiterschreiben tu ich fleißig, dachte für die Review :D

@Uta: Du findest echt nichts zu meckern? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Danke für den Rat, ich will aber nicht verraten, ob sie sich überhaupt richtig vertragen sollen, da ich für jeden Fall ein tolles Ending im Kopf hab, bin mir also noch nicht ganz sicher wie´s ausgeht. Einfach mal lesen...^^

@VarieFanel: Ich glaube nicht wirklich an Zufälle, das war SCHICKSAL! Ich glaub ich traue mich die nächsten Tage nicht mehr auf die Straße... dann komme ich wenigstens wieder zum schreiben, weil ja leider leider wieder Schule wieder angefangen hat... ich hoffe du bleibst mir in meinen nächsten Kapiteln treu :D