Drei Wochen vor Weihnachten
„Sam?" fragte ein genervter Daniel Jackson und blickte finster zu Jack O'Neill, der ihm gegenüber saß.
„Ja?"
„Da Jack für den Quartett-Teil keinen Vorschlag hat – haben Sie einen für den Solo-Teil?"
„Sie meinen für den Teil, den die drei werten Herrn mir 'freundlicherweise überlassen' haben?" erwiderte sie zuckersüß, aber mit einem Blick, der eine ganze Horde Jaffa zu Stein erstarren lassen hätte können.
„Äh… genau," erwiderte Daniel und vermied es, ihr dabei in die Augen zu sehen.
„Ich hab mir da ein paar Sachen überlegt, aber ich weiß nicht recht… Vielleicht etwas von LeAnn Rimes? Whitney Houston?... Ach, fragen Sie mich morgen noch mal," seufzte sie. „Außerdem sind die anderen drei Runden viel wichtiger. Dafür müssen wir uns immerhin mit den Probenzeiten arrangieren."
„Was heiß hier arrangieren?" brummte O'Neill. „Entweder wir machen uns auf unseren Missionen lächerlich, indem wir singend auf fremden Planeten rumlaufen oder uns bleiben nur die Wochenenden und die wenigen Stunden zwischen Folter auf der Krankenstation und todmüde ins Bett fallen."
„Sie sind ja in toller Weihnachtsstimmung," meinte Daniel.
„Ja, und Dr. Jenkins bekommt einen richtig schön stacheligen Kaktus mit einem giftgrünen Schleifchen von mir," entgegnete O'Neill düster.
„Ich hätte einen Vorschlag für die Runde, in der alles freigestellt ist," wechselte Teal'c das Thema und legte einen Liedtext auf den Tisch.
„All for love?" las O'Neill.
„Aus dem Soundtrack zu einer Verfilmung der 'Drei Musketiere' aus dem Jahr '93," erklärte Teal'c und man sah ihm fast so etwas wie Begeisterung an. Offensichtlich kam dieser Film in seiner Top10-Filmliste fast unmittelbar hinter 'Star Wars'.
„Und?" gab O'Neill zurück.
„Das könnten wir drei singen. Major Carter singt immerhin alleine in der Solo-Runde."
„Von mir aus," brummte Jack. „Solange wir uns nicht als Musketiere verkleiden müssen."
„Ich bin auch einverstanden," erklärte Daniel schnell um weiterzukommen.
„Dann brauchen wir jetzt immer noch ein Lied, das wir zu viert singen und ein Lied für die Duett-Runde. Und wir haben noch nicht festgelegt, wer das Duett singt," meinte Carter.
Daniel hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. „Oh, Teal'c und ich dachten da an Sie beide."
„Nichts da!" schüttelte Jack den Kopf. „Es reicht schon wenn ich zweimal singen soll. Wie wär's mit einem Doktor-Jaffa-Duett?"
„Jack – bitte," erwiderte Daniel. „Wir wollen doch eine Gewinnchance haben, oder?"
„Na ja…" gab Jack zu. „Wenn schon bei dieser Lächerlichkeit dabei, dann auch ganz oben auf dem Treppchen."
„Und wenn überhaupt, geht das nur mit einem ganz romantischen Duett," erklärte Daniel überzeugt. „Vielleicht dieses 'Come what may' aus 'Moulin Rouge', der Song aus 'Dirty Dancing' oder dieses Lied aus 'Die Maske des Zorro' – 'I want to spend my livetime loving you'."
„Könnten wir nicht was Rockigeres nehmen?" nörgelte Jack.
„Nein!" erklärte Daniel bestimmt und kritzelte etwas auf einem Block. „Und wir brauchen immer noch etwas für die Gruppen-Runde."
„Na schön," meinte Sam. „Wie wärs mit „At your side" von 'The Corrs'? Dr. Jenkins würde sich dann freuen wie eine Schneekönigin und rückt uns vielleicht nicht mehr so auf die Pelle."
„Ich schreib's einfach mal auf," erwiderte Daniel, als O'Neill sich nicht regte.
Daraufhin herrschte einige Sekunden Stille.
„Na ja," sagte Sam schließlich und versuchte optimistisch zu klingen. „Wenigstens müssen wir kein Theaterstück spielen. Wäre aber eigentlich fast besser als singen."
„Oh, das hebt die sich wahrscheinlich für nächstes Jahr auf," murmelte O'Neill.
„Wenn es Shakespeare's 'Viel Lärm um nichts' wäre, hätte ich eigentlich nichts dagegen," erwiderte Sam leiser. „Ich liebe dieses Stück."
„Echt?" kam es von O'Neill.
„Ja. Und ehrlich gesagt, hab ich es schon mal gespielt – auf der Highschool. Ich war Beatrice."
O'Neill sah sie etwas ungläubig an. „Ich war Benedikt."
Jetzt schlug sein ungläubiger Gesichtsausdruck auf Sam Carter über.
„Auch auf der Highschool," fügte O'Neill hinzu.
„Freiwillig?" warf Daniel ein, der das für einen Scherz hielt.
„Es gab da ein kleines Missverständnis mit dem Direktor und ich hatte die Wahl zwischen sechs Monaten nachsitzen oder vier Monaten Theaterprobe."
„Zu schade, dass es kein Video davon gibt," murmelte Daniel grinsend.
„Oh, so schlecht ist mein Gedächtnis auch wieder nicht!" verkündete O'Neill, während er aufstand und entschlossen zu Sam sah. „Und manche Dinge vergisst man nie. Okay, fünfter Akt, vierte Szene. Claudio, der eine Cousine der tot geglaubten Hero heiraten soll, wird seine verschleierte Braut als Hero offenbart. Er will sie sofort heiraten. Benedikt, der eingeweiht war, wendet sich an die beiden anderen verschleierten Frauen, die davor mit Hero aufgetreten sind um Claudio zu verwirren…" Er räusperte sich. „Mach langsam, Mönch – wer ist hier Beatrice?"
Sam zögerte einen Augenblick und fragte sich, ob sie darauf eingehen sollte und ob sie überhaupt den Text noch gut genug kannte – dann beschloss sie aber, es einfach zu versuchen. „Beatrice nimmt daraufhin den Schleier ab und sagt: Sie hat mich hergeschickt. Was wollen Sie?"
Teal'c blickte Daniel verwirrt an. Der zuckte nur mit den Schultern und lehnte sich amüsiert zurück. Im Gegensatz zu Teal'c kannte er das Stück und nahm sich vor, dem Jaffa später zu erzählen, worum es ging.
„Du liebst mich doch?" fuhr Jack in abgeklärtem Benedikt-Tonfall fort und glaubte, dass ihm für einen Augenblick der Herzschlag aussetzte. Er hätte nicht gedacht, dass er Sam einmal eine solche Frage stellen würde, auch nicht, wenn es eigentlich in der Rolle des Benedikt geschah.
„Ich? Nein, nicht übermäßig," erwiderte Sam mit aller Beatrice-Kühle, die sie angesichts dieser Frage und dem damit verbundenen Schwindelgefühl aufbieten konnte.
„Dann täuschen sich der Prinz und Claudio und dein Onkel sehr, man schwur, dass du mich liebst."
„Liebst du denn mich?"
„Ich? Nein, nicht übermäßig," kam die abgewägte Antwort von 'Benedikt'.
„Dann täuschen sich Margareth' und Ursula und Hero sehr, man schwur, dass du mich liebst."
„Sie schworen mir, du wärst fast krank um mich!" erklärte ein verblüffter 'Benedikt'.
„Sie schworen mir, du wärst halb tot um mich!" erwiderte eine verwirrte 'Beatrice'.
„O weit gefehlt! … Du liebst mich also nicht?" kam es enttäuscht zurück.
„Bewahre! Nur bei Gegenseitigkeit."
„Dann kommt das mit den Sonetten, die sich geschrieben haben und die Claudio und Hero zeigen," warf Jack außer seiner Rolle dazwischen. „Ein Gottesurteil!" fuhr er dann als überglücklicher Benedikt fort. „Die Hände legen Zeugnis ab gegen die Herzen. Also komm, ich nehm dich, aber weiß Gott nur aus Mitleid."
„Ich bring's nicht über mich, dich zu enttäuschen," lächelte ihn 'Beatrice' neckisch an. „Aber ich habe mich nur überreden lassen und außerdem will ich dein Leben retten, man hat mir gesagt, du hättest die Schwindsucht."
„Friede, oder ich stopfe dir den Mund…" An dieser Stelle brach Jack schnell ab. „Okay, den Kuss können wir uns wohl sparen, auch wenn er im Stück vorgesehen ist."
Er hielt einen Augenblick die Luft an, als er so etwas wie Verwirrung in Sams Augen erkannte. Es schien, als ob sie tatsächlich bereit gewesen wäre, die Szene weiterzuspielen und wirkte nun fast etwas enttäuscht. Und ihm ging es, wie er jetzt erkannte, nicht viel anders. Er hätte sie gerne geküsst, aber erstens war es verboten und zweitens war er ziemlich sicher, dass es dann nicht bei einem einzigen, kurzen Kuss geblieben wäre.
„Das war echt gut," meinte Daniel dann, als er registrierte, wie sich beide ansahen, wegsahen und sich ein unangenehmes Schweigen auszubreiten drohte. „Falls Dr. Jenkins doch noch auf die Idee kommt, kann ich ja Shakespeare vorschlagen. Ihr würdet Benedikt und Beatrice spielen, Teal'c könnte dann der Prinz Don Pedro sein und ich würde die Rolle des Claudio übernehmen…"
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