2. Escape
Nachdem ihn seine Schwester ermahnt hatte, konnte Max nicht umhin, doch immer
wieder zu Elizabeth zu schauen. Als sie und ihre Schwester anfingen, sich zu
unterhalten und sie ihre Mutter damit anscheinend zur Weißglut trieben, hätte
er fast laut herausgelacht, da dieses Bild so komisch aussah. Elizabeth gefiel
ihm immer mehr. Deshalb gab er ihr auch einen Handkuss zum Abschied. Er
versuchte, an ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen, ob der Kuss ihr unangenehm
war, aber lediglich an ihrem Kopfnicken merkte er, dass sie den Kuss überhaupt
wahrgenommen hatte. Er freute sich schon darauf, sie am Frühstück am nächsten
Morgen wiederzusehen. Außerdem war am nächsten Abend ein Galaball, bei dem sich
vielleicht die Gelegenheit bot, mit ihr zu tanzen.
Gedankenverloren starrte er vor sich hin. Und Miguel würde dann wahrscheinlich mit María tanzen. Das Problem wäre dann wahrscheinlich Isabelle, die dann alleine am Tisch säße. Aber die fand sowieso immer jemanden. Plötzlich rüttelte ihn jemand an der Schulter. Er fuhr hoch.
„Was.....?" Er sah in das grinsende Gesicht seines Bruders. „Ich frage dich jetzt schon zum zehnten Mal, ob wir jetzt Mutter in ihrer Suite besuchen wollen! Aber du starrst permanent vor dich hin! Lass mich raten, es geht um Lady Elizabeth?!"
Max konnte seinem Bruder nichts vormachen, dafür kannte er ihn zu gut.
„Stimmt!", sagte er deshalb. „Aber willst du mir nicht mal erzählen, wieso du Lady María ständig angestarrt hast und sie dich? War das so eine Art „Wer- zuerst- blinzelt- hat verloren- Spiel?"
Er zog eine Augenbraue hoch.
Miguel lachte. „Ja, so etwas in der Art!"
„Und du magst sie also?!" Das klang wie eine Feststellung.
„Ja, sie ist schon ganz niedlich...", antwortete Miguel ausweichend.
Max grinste. „Niedlich also, wie? Nur niedlich? Also, wenn du meinst... Komm, lass uns jetzt zu Mutter gehen!"
Nachdem sie bei ihrer Mutter gewesen waren, beschlossen sie, noch einen kleinen Spaziergang an Deck zu machen. Die Sonne war schon untergegangen, und die Luft war schneidend kalt. Eingehüllt in ihre dicken Mäntel schlenderten sie an der Reeling entlang.
„Ich bin froh, wenn wir wieder in Spanien sind!", schniefte Max.
Miguel antwortete nicht sondern starrte stattdessen auf die glatte See, auf der sich der Sternenhimmel spiegelte. Vom hinteren Teil des Schiffes hörte Max die Dampfmaschinen schnaufen und zischen.
„Ist irgendetwas?", fragte er seinen Bruder.
Ihn schien irgendetwas zu bedrücken.
„Also..." Miguels Stimme klang ungewöhnlich rau. „Diese beiden, Alex und Kyle, sind die Cousins von Lady María und Lady Elizabeth?"
Max nickte und sah ihn stirnrunzelnd an. „Ja, das sagte ihr Vater doch bei der Begrüßung! Wieso?"
Miguel sah ihn gequält an. „Wieso sind sie dabei, oder: Wieso sind sie auf dem Weg nach Spanien?" Max schüttelte verdutzt den Kopf. „Weiß ich nicht! Das hat ihr Vater nicht gesagt!"
Miguel
schluckte. „Hast du nicht mal daran gedacht, dass sie verheiratet und jetzt auf Hochzeitsreise sind oder zumindest verlobt?"
Max hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand mit voller
Wucht in den Bauch geschlagen.
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Am nächsten Morgen nahmen Liz und María das Frühstück auf ihrem Zimmer ein. Als
sie fertig waren, nickte Liz María kurz zu. Sie stand auf, stauchelte und riss
dabei den Tisch mit samt dem Frühstücksgeschirr um. Liz sprang auf, kniete sich
nieder und begann, die Scherben aufzusammeln. Die Zofen und Diener, die
mittlerweile herbeigestürzt waren, schoben Liz zur Seite und sie stand auf.
María war inzwischen zu Kevin gelaufen. Sie hielt sich ihre Hand.
„Kevin!", jammerte sie. „Ich habe mich an einer riesigen Scherbe geschnitten! Helfen Sie mir doch!"
Kevin ging pflichtbewusst auf María zu. „Es ist ja schon gut, Mylady! Zeigen Sie bitte einmal her!"
Liz schlüpfte schnell zur Tür hinaus. María jaulte immer noch.
„Kevin, dort auf dem Tisch liegt mein Taschentuch! Holen Sie es mir doch bitte!"
Kevin ging hinüber zum Tisch. „Hier ist es!"
Er drehte sich um. „Soll ich..."
Er hielt in der Bewegung inne. Lady María war verschwunden.
Er stürzte zur Tür und sah gerade noch die Kleider von Liz und María um die
Ecke verschwinden.
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Währendessen begaben sich ihre Eltern, Alex und Kyle zum Frühstück. Mr. Olsden
fragte ihren Vater besorgt: „Wo sind denn Ihre bezaubernden Töchter?"
Ihre Mutter antwortete: „Sie sind leider krank! Es sieht leider so aus, als könnten sie ihre Suite bis Ende der Reise nicht verlassen!"
Maximillano sah sie enttäuscht an.
„Ach, kommen sie denn heute Abend zu dem Ball?", fragte Miguel.
Wiederum gab die Mutter Antwort: „Das ist leider unwahrscheinlich, da die beiden wirklich sehr krank sind!"
Maximillano nickte verständnisvoll mit dem Kopf.
„Schade!", sagte er bedauernd, „Richten Sie ihnen bitte viele Grüße und Gute Besserung aus, wenn das möglich ist!"
Plötzlich mischte sich Kyle ein. „Alexander und ich werden sie nachher besuchen gehen, dann überbringen wir den beiden den Gruß!", sagte er höflich.
Miguel spürte, wie er eifersüchtig wurde. Sein Verdacht schien sich immer mehr zu verhärten. Alexander und Kyle schienen wirklich sehr vertraut mit María und Elizabeth zu sein! Er dachte an den vorherigen Abend zurück und überlegte, ob er irgendwelche vertrauten Gesten bei ihnen bemerkt hatte. Er konnte sich jedoch an nichts erinnern. Im Gegenteil: María hatte ihm ja die ganze Zeit in die Augen gesehen und Elizabeth hatte nur vor sich hingesehen, abgesehen von der Minute, in der sie sich in das Gespräch eingeschalten hatte. Keine von beiden hatte sich auch nur einmal um Kyle oder Alex gekümmert. Aber wieso in Gottes Namen machten sie dann diese Reise? Die beiden Mädchen erscheinen sehr ausgelassen, so wie sie sich schließlich dann unterhielten....
Er runzelte die Stirn. Gestern hatten die beiden doch kerngesund ausgesehen! Sie konnten doch unmöglich über Nacht so schwer erkrankt sein.
Maximillano öffnete gerade den Mund, als Miguel auch schon fragte: „ Gestern waren sie doch noch so gesund!"
Die Mutter zögerte kurz. „Äh, also, sie haben sich heute Nacht verkühlt!"
Es war deutlich zu erkennen, dass sie einerseits verlegen und andererseits gänzlich genervt war.
Der Vater wechselte schnell das Thema: „Was meinen Sie, ob wir rechtzeitig in Huelva ankommen?"
Maximillano hörte nicht weiter zu. Er dachte sich seinen
Teil, denn er glaubte nicht wirklich daran, dass Elizabeth und María so schnell
krank geworden waren. Entweder waren sie nur leicht erkältet und ihre Mutter
machte ein Drama daraus, wenn sie sich verkühlt hatten, oder es steckte etwas
anderes dahinter. Er tendierte eher zur zweiten Möglichkeit. Es enttäuschte ihn
jedoch grenzenlos, dass die beiden heute Abend beim Ball nicht mit dabei sein
könnten.
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Nach dem Frühstück gingen Maximillano und Miguel gerade einen der langen Gänge
zwischen den Suiten entlang, als sie plötzlich einen Gang weiter entfernt ein
lautes Geklirre und Gescheppere hörten. Kurz darauf ertönte ein lautes
Gejammer. Sie sahen sich fragend an und wollten gerade um die Ecke biegen, als
sie plötzlich gegen María und Elizabeth prallten.
„Entschuldigung!", stieß María noch hastig hervor, während Elizabeth ihre Schwester am Arm packte und sie weiter zerrte.
Max und Miguel konnten gar nicht reagieren, so schnell waren sie schon verschwunden.
„Ich dachte die beiden wären krank?!", fragte Miguel irritiert im Weitergehen.
Als sie um die Ecke bogen, bot sich ihnen ein seltsames Bild. Die Tür zu einer Suite, offensichtlich der von María und Elizabeth, stand sperrangelweit offen, und ein Butler lief hektisch auf sie zu.
„Entschuldigen Sie, Gentlemen, haben Sie zufällig zwei Ladies gesehen?" Miguel zog eine Augenbraue hoch und verbiss sich ein Lachen.
„Nein, aber wir hörten, dass die beiden krank seien! Ist das wahr?"
Der Butler nickte zerstreut. „Äh, ja, äh, das stimmt, äh, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden...."
Der Butler lief an ihnen vorbei und um die Ecke, von der sie eben gekommen waren. Maximillano warf schnell einen Blick in die Suite. Durch eine weitere offene Tür konnte er ins Wohnzimmer sehen, wo einige Zofen auf dem Boden knieten und einen Haufen zerbrochenes Geschirr auf sammelten. Daneben lag ein umgestürzter Tisch.
„Merkwürdig, wieso sind die beiden denn weggelaufen? Hatten sie etwa Angst wegen dieses Unfalls?", rätselte Maximillano.
Miguel zuckte die Schultern. „Oder es war ein Ablenkungsmanöver!"
Maximillano sah ihn skeptisch an. „Wie? Was meinst du damit?"
Miguel schüttelte den Kopf. „Ach, nichts, das war nur so ein dummer Einfall! Aber eins ist jetzt sicher:" Ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht. „Die beiden kommen heute sehr wahrscheinlich zum Ball!"
Maximillanos Gesicht hellte sich auf. Daran hatte er noch gar nicht gedacht.
„Stimmt!" Auch er grinste.
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„Psst, sie suchen uns jetzt sicher!"
Elizabeth presste ihrer Schwester ihre Hand auf den Mund. Sie drückten sich noch fester an die Wand des kleinen Unterstandes an Deck. Um sie herum waren Liegestühle gestapelt.
„Ich würde sagen, wir bleiben noch ein bisschen hier, und dann sorgen wir dafür, dass uns möglichst viele Leute sehen, allen voran die Olsdens, Maximillano, Miguel und ihre Schwester. Außerdem müssen wir uns immer bei einer Menschengruppe aufhalten, damit sie uns nicht so leicht wieder zurück in die Suite holen können!", schlug Liz leise vor, während sie ihr Hand von Marías Mund nahm.
„Ja, aber wieso sollen uns die ganzen Leute sehen, und vor allem die Olsdens und die anderen?", fragte María Liz im Flüsterton.
„Weil sie dann peinliche Fragen stellen werden, wenn wir nicht auf dem Ball erscheinen. Dann kann uns Mutter nicht mehr mit der Ausrede fernhalten, wir seien krank!"
„Ach so!", María lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Einige Zeit später verließen sie ihr Versteck. Sie schlenderten gut sichtbar für die anderen Passagiere an Deck entlang. Nach einer halben Stunde trafen sie auf Maximillano und Miguel.
„Guten Tag, Myladies! Geht es Ihnen jetzt besser? Wir hörten, dass Sie krank seien!", erkundigte sich Maximillano freundlich.
Liz antwortete, obwohl sie befürchtete, nur ein heiseres Krächzen hervorbringen zu können. Erleichtert stellte sie fest, dass sich ihre Stimme so ruhig wie sonst immer anhörte.
„Äh, ja, es geht uns besser. Wir haben sicherheitshalber heute Morgen in unserer Suite gefrühstückt!", erklärte sie.
María fragte sich, weshalb Maximillano und Miguel wohl nichts von dem Vorfall auf dem Gang erwähnten.
„Das ist schön, dass Sie wieder gesund sind! Ihre Mutter schilderte uns Ihr Unwohlsein beim Frühstück so dramatisch, dass es sich anhörte, als seien sie sterbenskrank!", sagte Miguel lächelnd, während seine Blicke auf Marías Gesicht ruhten.
María versuchte, nicht laut aufzulachen. „Nein, so schlimm ist es wirklich nicht!" Sie grinste. „Unsere Mutter neigt dazu, manche Dinge etwas zu übertreiben
Maximillano sah Liz an. „Verstehe.....", murmelte er.
Liz sah ihm mit einem unergründlichem Blick an. Er konnte nicht erkennen, was sie dachte oder wie sie sich fühlte. Liz hingegen konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Herz raste und in ihrem Bauch schienen Schmetterlinge wild durcheinander zu purzeln
Miguel sah mit einem verwunderten Gesichtsausdruck auf Max und Liz und wandte sich dann wieder María zu und fragte sie: „Ist es Ihnen Recht, wenn wir uns Ihrem Spaziergang anschließen?"
María nickte heftig. „Ja, das wäre uns eine Freude, nicht wahr, Liz?"
Sie stieß Liz verdeckt mit dem Ellebogen an. Die drehte rasch dem Kopf und sah María und Miguel an.
„Äh, ja, natürlich...", nuschelte sie.
„Gut!", sagten Miguel und María gleichzeitig und fingen daraufhin an zu lachen.
Sie setzten sich in Bewegung und spazierten in Richtung Kommandobrücke. Maximillano fiel etwas ein: „Kommen Sie heute Abend eigentlich zu dem Ball?"
„Ja, natürlich!", sagte Liz schnell mit einem vielsagenden Blick auf María.
Miguel holte tief Luft. „Und haben Sie denn schon Begleiter?", fragte er beiläufig.
„Nein", erwiderte María arglos. „Vielleicht gehen wir ja mit unseren Cousins, wenn sie nicht schon jemand anderen gefragt haben!"
Max atmete erleichtert auf. Miguels Befürchtungen waren also falsch. Er wandte sich an Liz. Miguel und María waren plötzlich in ein Gespräch vertieft.
„Wieso fahren Sie eigentlich nach Spanien? Sie kommen doch aus Schottland!"
Liz legte den Kopf schief und presste kurz ihre Lippen zusammen.
„Also," sagte sie zögernd. „Wir werden nach Sevilla reisen, weil María und ich dort in ein Kloster gehen werden!"
Max zog eine Augenbraue hoch. „Gehen Sie denn freiwillig dorthin? Das kann ich mir nämlich ehrlich gesagt kaum vorstellen!"
Er lächelte. Liz hob die Schultern.
„Was sollen wir denn machen? Es ist der Wille unserer Eltern!"
Sie sah bei diesen Worten so unglücklich und hilflos aus, das Max den Drang verspürte, sie fest in den Arm zu nehmen. Er schluckte.
„Darf ich fragen, weshalb Sie dorthin geschickt werden? Es gibt doch eigentlich nur wenige Gründe, weswegen Eltern ihre Töchter ins Kloster schicken: Entweder, kein Mann will sie zur Frau nehmen, was ich mir bei Ihnen und Ihrer Schwester nun wirklich nicht vorstellen kann, oder aufgrund der Armut der Familie, was bei Ihnen ja anscheinend auch nicht der Grund sein kann. Oder die Tochter ist so fromm, dass es ihr größter Wunsch ist, ins Kloster zu gehen. Aber keiner der Gründe trifft meiner Meinung nach auf Sie und Ihre Schwester zu!
Liz schwieg. „Sie müssen es mir nicht erzählen, wenn es Ihnen unangenehm ist. Wenn das der Fall ist, dann möchte ich mich entschuldigen..."
„Nein, es ist schon gut!", unterbrach Liz ihn. „Es ist so: Da unser Vater ein großer Lord ist, haben auch ganz viele und bedeutende Adelige um die Hand von María oder mir angehalten. Allerdings entsprachen diese ganzen Lords, Prinzen, Fürsten, Grafen und so weiter nicht gerade unseren Vorstellungen. Alle diese feinen Herren wollten uns in eine Form pressen, in der wir zu schweigen hatten, in der wir nicht klug sein durften, in der wir uns nur für Mode und Klatsch interessieren dürften, in der wir nur den Haushalt führen dürften und uns nicht in ihr Leben und ihre Geschäfte einzumischen hätten. María und ich wollten das nicht einsehen, also haben wir alle Bewerbungen abgelehnt. María hat sogar einmal bei der Trauung vor dem Altar ´Nein´ gesagt, weil es keinen anderen Weg gab, einer Ehe mit wieder mal so einem minderbemittelten Lustmolch zu entkommen. Daraufhin haben unsere Eltern dann aber beschlossen, uns ins Kloster zu schicken, um ihren guten Ruf zu wahren.
Max sah Liz fasziniert an. Ihre Wangen waren vor Zorn gerötet und ihre Augen funkelten. Trotz ihrer Wut sah sie wunderschön aus. Plötzlich schien sie sich wieder zu fangen.
„Entschuldigen Sie bitte, ich habe mich hinreißen lassen. Es tut mir leid...."
Sie sah ihn betreten an. Maximillano lächelte aufmunternd.
„Das macht doch nichts! Ich kann Sie sogar verstehen! Ich persönlich halte es auch für unsinnig, ein Mädchen oder eine Frau gegen ihren Willen zu verheiraten!"
Er hielt inne und sah sich erstaunt um.
„Wo sind denn Ihre Schwester und Miguel?"
Liz sah sich ebenfalls verdutzt um.
„Ich weiß auch nicht.....", erwiderte sie unsicher.
„Möchten Sie, dass wir sie suchen?", fragte Max Liz.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass die beiden uns absichtlich verloren haben!" Sie grinste.
Max nickte und grinste ebenfalls. „Ja, ich glaube, Sie haben Recht!"
Liz sah ihn immer noch lächelnd an. „Und wieso fahren Sie nach Spanien? Ihrem Namen und ihrem Akzent zu urteilen, kommen sie ja auch von dort."
Max nickte. „Ja, wir waren in Schottland um Freunde zu besuchen, und nun fahren wir wieder zurück nach Barcelona."
Liz nickte. „Unsere Mutter war auch eine Spanierin!" Sie lächelte. „Sie hat mit uns immer nur Spanisch gesprochen!"
Max sah sie erstaunt an. „Wirklich? Dann müssen Sie Spanisch ja sehr gut beherrschen! Allerdings...," fuhr er fort. „Allerdings hätte ich Ihre Mutter nicht für von spanischer, sondern ihres hellen Haares zufolge von nordischer Abstammung gehalten!"
Liz senkte den Kopf. „Die jetzige Frau unseres Vaters ist auch nicht unsere leibliche Mutter! Unsere leibliche Mutter ist gestorben, als María und ich fünf Jahre alt waren."
Max sah sie erschrocken an. „Das tut mir leid, ich wusste nicht, dass..."
Liz schüttelte schwach lächelnd den Kopf. „Sie müssen sich nicht entschuldigen! Es ist ja auch schon 12 Jahre her!"
Max betrachtete sie. Es sah so aus, als wäre sie über diesen Verlust trotz dieser 12 Jahre nicht ganz hinweggekommen. Er überlegte, was er ihr aufmunterndes sagen sollte. Plötzlich lächelte Liz ihn an.„Fragen Sie ruhig!", meinte sie.
Max zog die Augenbrauen hoch. „Äh, wie bitte, was meinen Sie?"
Liz lächelte immer noch. „Na ja, sonst kommen auf die Erklärung, dass meine Mutter tot ist, immer die Fragen: Mögen Sie ihre Stiefmutter? Verstehen Sie sich mit ihr? Waren Sie sehr traurig über den Tod ihrer Mutter?"
Max begriff. „Ach so, nein, diese Fragen wollte ich eigentlich nicht stellen, abgesehen davon weiß ich die Antwort der letzten Frage, die ja auch die wichtigste ist! Im Grunde habe ich nach einer aufmunternden Erwiderung gesucht!"
Jetzt zog Liz erstaunt die Augenbrauen hoch. „Das ist sehr nett von ihnen, Danke, aber wie lautet denn die Antwort der letzten Frage Ihrer Meinung nach?", fragte sie interessiert.
Max zögerte. „Nun ja, als ich vorhin sah, wie Sie über den Tod ihrer Mutter sprachen, war mir klar, dass Sie immer noch mit diesem Ereignis zu kämpfen haben! Sagen Sie ruhig, wenn ich falsch liege!"
Liz sah auf das weite Meer hinaus.
„Sie haben Recht!", sagte sie leise. „Es nimmt mich immer noch sehr mit! Verrückt, nicht wahr? Es sind immerhin schon 12 Jahre vergangen!"
Max schüttelte den Kopf. „Das sehe ich nicht so!", meinte er. „Im Gegenteil, ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn sie immer noch um Ihre Mutter trauern! Sie haben sie ja anscheinend sehr geliebt, und wenn sie noch dazu ein nur halb so toller Mensch wie Sie war, hat sie es erst Recht verdient, dass man noch lange um sie trauert!"
Liz richtete ihren erstaunten Blick auf Max. Er fand also, dass sie eine toller Mensch war? Viele hatten ihr schon versichert, wie schön und wundervoll sie war, aber das waren leere Komplimente gewesen. Das hatte sie schon damals gewusst. Max hingegen schien jedoch ernst zu meinen was er da gerade gesagt hatte. Sein schlichtes Kompliment berührte sie mehr als alle anderen blumigen Empfehlungen der Männer vorher. Sie lächelte ihn an.
„Danke für das Kompliment!"
Max lächelte ebenfalls. „Nichts zu danken! Ich habe nur die Wahrheit gesagt!"
Liz sah ihn immer noch verwundert an. „Obwohl ich mich gestern so plötzlich und ungefragt in Ihr Gespräch eingemischt habe? Oh, dafür möchte ich mich noch einmal entschuldigen!"
Max runzelte überrascht die Stirn. „Dafür müssen Sie sich doch nicht entschuldigen! Das ist wieder einmal eins von vielen unsinnigen Etiketten, die einem das Leben schwer machen! Dieses Etikett wurde sicher von Männern erfunden, deren Frauen sich in Ihr Gespräch gemischt haben und dann nur dummes Zeug erzählten. Es sollte dieses Etikett jedoch auch für Männer geben, die können nämlich auch ganz schön viel Unsinn verzapfen! Frauen, die etwas Kluges und Vernünftiges zusagen haben, sollte man nicht den Mund verbieten!"
„Es wäre schön, wenn alle so dächten, Männer und Frauen!", erwiderte Liz.
Ein lautes Gongen unterbrach ihr Gespräch. Gerade, als der Gong verklungen war, erschien Leandra neben ihnen.
„Entschuldigen Sie!", sagte sie zu Max gewandt, und zu Liz: „ Es gibt bald Mittagessen, sie sollten sich jetzt schnell in ihre Kabine begeben um sich umzuziehen!"
Liz nickte. „Entschuldigen Sie mich bitte!", sagte sie zu Max. „Ich muss mich vor dem Essen noch umziehen!"
Max nickte. „ Natürlich! Bis nachher bei Tisch!"
Liz lächelte und folgte Leandra in Richtung Kabinen.
