4. Wakening



Die Morgensonne schien ihm direkt auf das Gesicht. Blinzelnd öffnete er die Augen und sah sich um. Liz´ Kopf lag auf seiner Brust. Ihr Atem strich über seine Hand, mit der er ihre Schultern umschlungen hatte. Sie bewegte sich und setzte sich verwirrt auf. Als sie ihn sah, zog sich ein Lächeln über ihr Gesicht.

„Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?"

Max setzte sich ebenfalls auf.

„Ja, fantastisch, weil du da warst!"

Er gab ihr einen langen Kuss. Liz´ Blick fiel auf die Uhr.

„Ich glaube, wir sollten aufstehen!"

Liz zog sich rasch an und überlegte, ob María sie decken würde, falls ihre Mutter in ihre Suite käme und entdecken würde, dass nur María sich dort befand.

'Natürlich tut sie das!' wies sie sich zurecht. 'Auf deine Zwillingsschwester kannst du dich immer verlassen!'

Sie ging von Max gefolgt in den Empfangsraum, als die beiden sich plötzlich María und Miguel gegenüber fanden. Alle vier prusteten los.

„OK!", sagte María. „Jetzt haben wir aber ein Problem, wenn keine von uns beiden da ist!"

Liz nickte und zog eine Augenbraue hoch.

„Jaaaa, ich glaube schon!"

„Und was wollt ihr jetzt machen?", fragte Max.

Bevor die beiden Mädchen antworten konnten, klopfte es an der Tür.

„Schnell, da rein!"

Miguel schob die Mädchen in Max´ Schlafzimmer und schloss die Tür hinter ihnen, während Max zur Suitetür ging. Davor stand Leandra.

„Liz und María sind doch bei Ihnen, oder? Die beiden müssen schnell mitkommen, weil ihre Mutter gleich zu ihrer Suite kommt!"

Miguel riss die Schlafzimmertür wieder auf und holte Liz und María wieder heraus.

„Leandra ist da, um euch abzuholen. Sie sagt, ihr müsst euch beeilen!"

María und Liz gaben Miguel noch schnell einen Abschiedskuss und verschwanden dann zu ihrer Suite. Dort angekommen, half Leandra ihnen, sich umzuziehen, bevor ihre Mutter auftauchte. Kaum waren sie fertig, als diese auch schon angerauscht kam.

„Leandra hat mir erzählt, ihr hättet noch einen Morgenspaziergang gemacht, weil dir schlecht war, María, stimmt das?"

María nickte leicht.

„Mir war nicht schlecht, das ist der falsche Ausdruck. Ich brauchte nur unbedingt frische Luft!", log sie.

Liz nickte bestätigend.

„Nun denn, ich hoffe, ihr habt nicht vergessen, dass ab heute Maximillano- und Miguel-Verbot herrschen, oder? Also, dann kommt zum Frühstück!"

Mit diesen Worten stolzierte ihre Muter zur Türe hinaus. Leandra huschte schnell zu Liz und María hin.

„Sie hat veranlasst, dass eure Familie einen anderen Tisch zugewiesen bekommt!", flüsterte sie leise.

Liz und María sahen sich entsetzt an.

„Dann sehen wir sie ja nicht mal beim Essen!", sagte María tonlos.

Als sie in den Speisesaal kam, folgte Liz ihrer Mutter zu ihrem neuen Tisch. Am anderen Ende des Saales konnte sie Max´ verwirrtes Gesicht sehen. Zu ihrem Pech saßen sie und María so, dass sie mit dem Rücken zu ihrem alten Tisch gewandt waren. Nach dem Frühstück, dass ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen war, saßen Liz und María alleine in ihrer Suite. Vor der Tür hatte ihr Vater zwei der Wachen postiert, die sonst in der dritten Klasse wohnten und die er als Fluchthindernis für Liz und María mitgenommen hatte. Am beiden Enden des Ganges hatte er ebenfalls je zwei Wachen stationiert. Das waren nun mal einfach zu viele für Liz und María. Die beiden hatten es sich auf dem großen Sofa bequem gemacht und sprachen über die vergangene Nacht.

„.....und dann erst habe ich bemerkt, was für einen peinlichen Fehler ich gemacht habe, und wollte mich entschuldigen. Aber Max war leider zu beleidigt, als dass ich mich richtig entschuldigen konnte. Außerdem kamen jetzt die Ballgäste aufs Deck, um sich das Feuerwerk anzuschauen, darunter auch Kyle und Leandra. Ich habe ihnen gesagt, ich wolle ins Bett und bin einfach abgehauen, weil ich so wütend war, und habe Max einfach stehen gelassen. Als ich hier in der Suite war, habe ich gemerkt, welche Auswirkungen mein dummes Verhalten haben würde. Also bin ich schnurstracks zu Max´ Suite und habe mich bei ihm entschuldigt. Irgendwie hat ihn dann meine Beleidigung gar nicht mehr interessiert, und er hat mich gefragt, wieso ICH denn nicht wissen wolle, wer er ist, bzw. ob du und Alex nicht wissen wolltet, wer Miguel und Isabelle sind. Ich habe gesagt, dass ich es bei EUCH nicht wüsste, aber ICH wüsste irgendwie, dass er jemand 'Gutes' ist. Da hat er sich entschuldigt und hat gemeint, dass er, Miguel und Isabelle ihren vollen Namen für gewöhnlich nicht verraten, weil sie nicht wollen, dass alle so um sie herumschlawenzeln."

Liz holte kurz Luft, während María ungeduldig die Augenbrauen hochzog und sie gespannt fragte: „Hat er dir jetzt seinen Namen gesagt?"

Liz nickte.

„Ja, und, wie heißen sie denn jetzt?"

Liz lächelte. „Die drei sind die Kinder von Carlos Evanez, Príncipe de Cataluña."

María keuchte entgeistert. „Oh, mein Gott!", stöhnte sie.

Liz nickte. „Das habe ich mir auch gedacht! Er hat gesagt, er würde gerne zu unseren Eltern gehen und ihnen sagen, wer er ist, damit wir uns dann weiterhin treffen können."

„Und was hat du dann gesagt?", fragte María ungeduldig.

„ 'Schauen wir mal!' und dann nichts mehr, weil wir uns ja geküsst haben. Und dann haben wir uns immer weiter geküsst und sind schließlich ins Bett gegangen!"

María räuspere sich. „Habt ihr.....?"

Liz schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht! Und wie war das bei dir und Miguel? Ich habe gesehen, wie ihr in Richtung Unterdeck verschwunden seid! Also?"

María grinste breit. „Na ja, wir haben uns es dann auf einer der Bänke gemütlich gemacht und das Meer und den Mond angeschaut. Und irgendwann haben wir uns geküsst. Plötzlich kamen Mutter und Kevin heran. Wir sind schnell abgehauen und kreuz und quer über das Schiff, bis zu Miguels Suite. Und dann sind wir auch ins Bett gegangen. Aber wir haben auch nicht...du weißt schon...!"

Sie lächelte ihr typisches schelmisches María-Lächeln.

„Wir müssen uns noch bei Leandra bedanken, dass sie uns heute Morgen geholfen hat!", sagte Liz.

María nickte.

„Aber was machen wir jetzt den ganzen Tag?"

Liz zuckte die Schultern. „Keine Ahnung!"

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Währendessen tagte in Isabelles Suite der „Kriegsrat". Max hatte Miguel und Isabelle die Lage erklärt und die beiden gefragt, ob sie sagen sollten, wer sie waren.

„Bei Isabelle ist das wahrscheinlich kein Problem, da es Alexander und Kyle offensichtlich erlaubt ist, sich mit jedem zu treffen, den sie wollen. Aber bei uns? Und werweiß, wie sehr ihre Tante oder ihr Onkel sie beeinflussen kann?", setzte er bekräftigend hinzu.

Miguel kratzte sich an der Augenbraue.

„Ich würde es sagen, wer wir sind!"

Max nickte und wandte sich Isabelle zu.

„Und du?"

Isabelle zögerte kurz, aber dann nickte sie.

„Mache wir es! Aber unter einer Bedingung: IHR geht hin!"

Max grinste zufrieden. „Klar!"

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Kurz darauf klopfte es an der Tür von der Suite von Lord Sir Eduard Socksley von Edinburgh und seiner Frau Anelia. Der Diener meldete, dass Maximillano und Miguel Evanez die beiden zu sprechen wünschten. Auf einen Wink des Lords wurden die beiden hereingeführt.

„Guten Tag, Mylady! Guten Tag, Sir!", begrüßte Maximillano die beiden.

„Ich werde nur einen kleinen Teil ihrer kostbaren Zeit beanspruchen. Ich wollte sie nur fragen, ob sie es erlauben, dass mein Bruder Miguel und ich uns mit ihren beiden Töchtern treffen dürfen?"

Lady Anelia blinzelte in paar Mal.

„Nun ja, äh, ich glaube, dass wäre möglich, allerdings weiß ich nicht wirklich, wer sie beiden sind!"

Max tat, als wäre es ihm dies auch gerade erst aufgefallen und als wäre es ihm sehr peinlich.

„Oh, ja, entschuldigen Sie bitte! Es tut mir ja so leid! Also, darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Maximillano Evanez de Cataluña."

Er lächelte gewinnend. Miguel, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, trat jetzt vor und erklärte: „Unsere Mutter ist auch auf diesem Schiff. Leider ist sie krank und kann deshalb nicht am Essen oder den Veranstaltungen teilnehmen. Sie möchte Sie jedoch gerne einmal kennen lernen, sobald sie wieder gesund ist!", fügte er mit einem schleimigen Unterton hinzu.

Max begleitete seine Worte mit einem heftigen Nicken. Der Lord von Edinburgh stand auf.

„Es wäre uns eine Ehre, wenn sich unsere Töchter mit ihnen treffen dürften!", erklärte er.

Max musste sich zusammenreißen, um nicht triumphierend zu grinsen.

„Die Freude ist ganz unsererseits! Ich danke Ihnen, dass Sie uns einen Teil Ihrer wertvollen Zeit gewidmet haben!"

Mit einer Verbeugung verabschiedeten er und Miguel sich. Kaum waren Miguel und Max auf dem Gang, als sie auch schon im Laufschritt zur Suite von María und Liz düsten.           

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Liz und María waren natürlich außer sich vor Freude, als sie erfuhren, dass sie sich ab jetzt mit Max und Miguel treffen durften, wann sie wollten. Kurze Zeit später verließ Liz eingehakt bei Max ihre Suite, gefolgt von María und Miguel. Auf Deck trennten sie sich und gingen in zwei verschiedene Richtungen davon. Liz und Max suchten sich einen ruhigen Platz und begannen wild, sich zu küssen. Die Zeit verging wie im Flug, und kaum dass sie sich umsahen, ertönte auch schon der Gongschlag zum Zeichen des Mittagessens. Während des Essens ( das sie seltsamerweise wieder an dem gleichen Tisch wie am vorigen Tag einnahmen) tauchte plötzlich der Kapitän auf und bat um Ruhe.

Dann begann er mit tiefer Stimme zu sprechen: „Ladies und Gentlemen! Es tut mir außerordentlich leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir derzeit den Hafen von Dunkerque ansteuern. Leider gibt es einen technischen Defekt, der für das erste einmal nicht schlimm sein wird. Wenn wir jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg große Strecken zurücklegen, wird es weitere Probleme geben. Meine Kollegen waren so freundlich und haben für Sie Suiten auf anderen Schiffen gebucht. Diese haben selbstverständlich denselben Komfort wie unsere „Reina del Atlántico" und werden ungefähr zur selben Zeit in Huelva ankommen. Für den Schaden, falls welcher entstehen sollte, kommt selbstverständlich unsere Reederei auf! Die neuen Tickets und weitere Auskünfte erhalten sie an der Brücke beim Service. Wir werden heute Nachmittag um ca. 16.30 Uhr in Dunkerque ankommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit; es war uns zudem ein Vergnügen, Sie alle als Passagiere an Bord zu haben!"

Mit einer knappen Verbeugung verschwand der Kapitän wieder. Marías und Liz´ Mutter zog ihre Augenbrauen hoch und wandte sich ihren Töchtern zu.

„Das heißt, dass wir gleich packen müssen! Geht also nach dem Essen in eure Kabine und gebt den Zofen Bescheid!"

Liz und María nickten schnell und wandten sich dann wieder Max und Miguel zu.