5. Separation


Nach dem Essen waren Liz und María zu ihrer Kabine gegangen und hatten Leandra erklärt, dass sie das Schiff wechseln müssten, so wie ihre Mutter es ihnen gesagt hatte. Leandra wusste jedoch schon davon und hatte auch schon die Tickets besorgt. Liz und María machten sich daran, den Zofen beim einpacken zu helfen. Kurz, bevor sie fertig waren, überbrachte ein Page ihnen eine Nachricht von Miguel und Max:   

Liebe Liz und liebe María!

Leider können wir uns auf diesem Schiff nicht mehr sehen, weil wir unserer Mutter beim einpacken und alles fertig machen helfen müssen. Aber auf dem anderen Schiff holen wir das dann nach!

 Viele Grüße, eure Max und Miguel             

Nachdem sie den Brief gelesen hatten, konnten María und Liz es kaum noch erwarten, endlich auf das andere Schiff zu kommen. Schließlich kamen einige Pagen, um ihr Gepäck zu holen. Schließlich erschienen ihre Eltern und Kyle und Alex und holten sie ab. Auf dem Kai standen schon einige Kutschen bereit, die sie zu ihrem neuen Schiff brachten.        

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Max, Miguel, Isabelle und ihre Mutter kamen gerade an Deck, als sie sahen, wie María, Liz und Alex in eine der kutschen stiegen.

„Schau, Mamaíta, da unten sind sie!"

Max deutete aufgeregt nach unten.

Miguel erklärte: „Die dunkelhaarige ist Elizabeth, die blonde ist María und der dunkelhaarige neben ihnen ist ihr Cousin Alexander!"

Ihre Mutter kniff die Augen zusammen.

„Ah, ihr wisst doch, dass ich so schlecht sehe! Aber ich glaube, ich komme heute Abend zum Essen! Schließlich muss ich diejenigen mal kennen lernen, von denen meine Söhne und meine Tochter unentwegt sprechen!", lachte sie.

Isabelle grinste breit. „Genau, mach das! Das wäre sehr schön!"

Sie ahnte nicht, dass weder Liz noch Alex noch María heute Abend anwesend sein würden.

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Das Schiff, mit dem Liz und María und ihre Familie weiter nach Huelva fahren würden, hieß „Olympe" und war ein bisschen kleiner als die „Reina del Atlántico". Die Suiten und der Bereich der ersten Klasse waren jedoch ungefähr genauso groß. Liz und María konnten es kaum erwarten, Max und Miguel wiederzusehen. Das hatte zur Folge, dass sie sofort an Deck gingen, nachdem sie ihre Kabinen bezogen hatten. Das Schiff würde jeden Moment ablegen und das Treiben auf dem Kai wurde hektischer.

„Glaubst du, Miguel und Max sind schon an Bord?", fragte María Liz, während sie sich umsah.

Liz starrte angestrengt in die wogende Menge unter ihr und versuchte, einen schwarzen Kopf der einer gewissen Person gehörte, auszumachen. Leider gab es zu viele Menschen mit schwarzen Haaren da unten.

„Ich denke schon!", antwortete sie und starrte weiter nach unten.

Eine Kutsche bahnte sich ihren Weg durch die Menschenmassen und steuerte ein in der Nähe vertäutes Schiff an. Unbewusst realisierte Liz, wie die Kutsche hielt und ein Lakai die Tür aufriss. María war ihrem Blick gefolgt und stieß einen kleinen Freudenschrei aus.

„Liz, schau mal, das ist Miguel!"

Es war tatsächlich Miguel. Er half gerade einer älteren Dame mit riesigem Hut, sodass man ihren Kopf nicht erkennen konnte, beim Aussteigen. Nach ihr sprang Max aus der Kutsche und half seiner Schwester heraus. Die vier wandten sich um und gingen auf das in der Nähe liegende Schiff zu. María packte Liz am Arm.

„Was machen die denn da? Das hier ist doch das Schiff, mit dem wir weiterfahren!"

Sie sah verwirrt auf die Personen unter ihr.

„Ich weiß auch nicht, aber.... Doch, jetzt weiß ich warum. Wir fahren auf diesem Schiff weiter, aber sie nicht! Der Kapitän sagte, wir würden auf Schiffe umsteigen. Wir sind getrennt worden!"

Den letzten Satz brachte sie nur mit Mühe hervor. Das konnte doch nicht sein! Ein weiteres Leben OHNE Max? Das ging doch nicht! Liz sah wieder zu Max. Er ging gerade zwischen einigen anderen Personen die Gangway des anderen Schiffes hoch. Kurz, bevor er die Tür passieren konnte, stockte der Zug, der die Gangway entlang marschierte. Max drehte sich um und sah, so kam es ihr auf jeden Fall vor, ihr direkt ins Gesicht. Dann setzte sich die Reihe jedoch wieder in Bewegung und er wurde weitergeschoben. Kurz darauf hatte die Tür ihn verschluckt. In Liz breitete sich ein Gefühl der Leere aus. Sie sah, wie auch Miguel, Isabelle und die ältere Dame mit Hut im Inneren des Schiffs verschwanden. Sie drehte sich zu María, in der Erwartung, das ihre Schwester ausflippen und sich aufführen würde, so wie sie es immer tat, wenn etwas schlimmes passierte. Doch ihre Schwester blickte starr vor sich hin auf das schwarze Loch, durch das Miguel eben verschwunden war. Sie bewegte stumm ihre Lippen und ihre Arme hingen schlaff an ihrer Seite. Liz nahm ihre Hand. Plötzlich ertönte laut ein Schiffshorn und das Schiff setzte sich in Bewegung.     

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Max versuchte währenddessen verzweifelt, sich, Miguel und Isabelle einen Weg durch die vielen Menschen an Bord zu bahnen und an Deck zu gelangen. Eben hatte er Liz und María an Bord eines anderen Schiffes gesehen. Anscheinend waren sie nicht auf dasselbe Schiff gekommen. Verbissen kämpfte er weiter, zog und schob, bis er und seine Geschwister schließlich ins Freie gelangten. Erstürzte zur Reeling, und sah gerade noch, wie das Schiff ablegte und wendete, sodass ihnen die Sicht auf die Stelle, wo María und Liz standen, versperrt wurde.

„Olympe!", hörte er Isabelle sagen.

„Wie bitte?", fragte Miguel irritiert.

„So heißt das Schiff, auf dem sie sind! Olympe!"

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Liz sah dem immer kleiner werdenden Schiff hinterher. María umklammerte ihre Hand und Liz spürte, dass sie zitterte.

„Hallo, ihr beiden, wieso starrt ihr denn die ganze Zeit auf die anderen Schiffe? Solltet ihr nicht eher das Schiff nach Max und Miguel absuchen? Ich suche nämlich auch gerade nach Isabelle!",

Alex tauchte neben ihnen auf und sah sie fragend an.

„Das kannst du dir sparen!", sagte Liz dumpf. „Sie sind auf einem anderen Schiff!"

„Waaaaas?", entfuhr es Alex. „Aber, wie, was, wisst ihr denn den Namen des Schiffs?"

Er klang vollends verzweifelt.

„Nein!"

Marías Stimme zitterte so heftig wie der Rest ihres Körpers. „Wir konnten ihn nicht sehen!"

Alex schüttelte heftig den Kopf. „Wartet, ich hab eine Idee!"

Liz und María sahen ihm verwundert nach, als er zum Deckoffizier stürzte. Kurz darauf kam er wieder.

„Der Deckoffizier sagte, der Name sei ' Alesaia' aber er war sich nicht sicher!", Niedergeschlagen lehnte er sich gegen die Reeling und sah starr auf den entschwindenden Hafen. Plötzlich erschienen neben ihnen ihre Eltern und Kyle.

„Na, was für ein Glück, dass wir gleich ein Anschlussschiff hatten, oder?", fragte ihr Vater gutgelaunt.

María, Liz und Alex antworteten nicht. Kyle runzelte die Stirn. Was war denn los? Wieso sagten sie nichts? Ihre Mutter mischte sich ein.

„Würdet ihr uns bitte antworten? Was ist denn mit euch los?"

Liz sah weiterhin aufs Meer, und als sie sprach, sah es so aus, als sei sie mit ihren Gedanken gar nicht anwesend.

„Maximillano, Miguel und Isabelle sind auf ein anderes Schiff gekommen!"

„Oh, das tut mir ja so leid für euch!", erklärte ihre Mutter, aber sie war eine schlechte Schauspielerin.

„Nun ja, wollt ihr nicht mitkommen? Es gibt hier ein fabelhaftes Café auf dem Schiff! Ihr werdet nicht mehr oft zu dem Genuss kommen, in ein Café zu gehen, wenn ihr erst mal in einem Kloster seid, oder?"

Ihr Vater lachte dröhnend. Liz und María sahen sich an. Das Kloster! Das hatten sie ja ganz vergessen! Ihr Vater hatte seine Meinung also immer noch nicht geändert! Stumm folgten sie ihren Eltern ins Café.         

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Der Rest ihrer Reise bis Huelva verlief relativ ereignislos. Später konnte Liz sich kaum noch an die Tage erinnern, es war, als hätte sie in einem Traum gelebt. Am Tag vor ihrer Ankunft in Huelva baute sich María vor Liz auf, die Trübsinnig im Salon ihrer Suite in einem Sessel saß und vor sich hinsah. Als María vor ihr stand, blickte sie auf.

„Was ist?", fragte sie María verdutzt, als ei deren entschlossenes Gesicht sah. María fing an, im Zimmer auf und ab zu laufen.

„Es ist höchste Zeit, unsere Flucht zu planen! Oder willst du ins Kloster gesteckt werden? Also, ich habe mir das ungefähr so vorgestellt: Wir erkundigen uns an der Hafenauskunft, wann das Schiff 'Alesaia' einläuft. Wenn das noch morgen passiert, werfen wir unseren Fluchtplan über den Haufen. Wenn nicht, verkleiden wir uns wie gesagt als Zofen, nehmen Proviant, Geld und Schmuck mit und verschwinden!"

María blieb stehen und kniff die Augen zusammen. „Was meinst du dazu?"

Liz nickte gedankenverloren mit dem Kopf. „Doch, das ist ein guter Plan! Und wir schreiben Alex und Kyle einen Abschiedsbrief. Und wohin wollen wir abhauen?"

María zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, erst mal weg!"

Liz fiel etwas ein. „Wir könnten nach San Fernando gehen, und von dort aus vielleicht nach Cádiz!"

María nickte begeistert.

„Ja, gut, sehr gut! Also, machen wir es so!"

Plötzlich ertönte ein dumpfer Schlag, als wäre jemanden etwas heruntergefallen. Liz war mit einem Satz an der Tür und riss sie auf. Davor stand Leandra. Sie zitterte.

„Es...es tut mir leid, ich wollte nicht lauschen, aber...!"

Liz zog sie schnell ins Zimmer. „Schwöre mir, dass du niemandem davon erzählst!"

Auch wenn sie es nicht glaubte, wollte sie doch sichergehen, dass Leandra es niemandem erzählte, was sie gerade gehört hatte. Leandra richtete sich auf.

„Nehmt mich mit!"

María sah ihre Zofe und Freundin verwundert an.

„Aber wieso denn? Liz und ich gehen für immer hier weg, und du liebst doch Kyle und du kannst ihn doch nicht verlassen!"

Leandra lachte kurz spöttisch auf.

„Oh, doch, das muss ich wohl!", sagte sie bitter. „Denn eure Mutter hat etwas gegen unsere Verbindung und hat mir gedroht, meinem Vater die Arbeit zu kündigen und dafür zu sorgen, dass er auch keine mehr bekommt. Er arbeitet doch auf euren Ländereien als Verwalter, und meine Familie braucht das Geld! Meine Mutter ist immer noch schwer krank, und mit dem Geld, das mein Vater verdient kommen wir gerade so über die Runden! Ich darf es auch Kyle nicht sagen oder sonst jemandem!"

Liz konnte es nicht fassen. Ihre Stiefmutter war echt das letzte. Den Flüchen, die aus Marías Richtung kamen, dachte sie genauso. Leandra hob den Kopf.

„Ich bitte euch, mich mitzunehmen! Ich würde es in der Nähe von Kyle nicht aushalten, ohne mit ihm zusammensein zu dürfen! Ansonsten müsste ich euch erpressen, und das will ich nicht!"

Liz sah María an. Die nickte.

„Gut," sagte sie. „du darfst mitkommen!"

Auf Leandras Gesicht erschien ein Lächeln.

„Wenn ihr wollt, kann ich mich auch um die Auskünfte um Das Schiff 'Alesaia' kümmern! Und um die Zofenmäntel!"

Sie hastete aus dem Raum. Liz sah María an und schluckte.

„Wollen wir noch mal zu Alex und Kyle gehen? Wir werden sie ja bald nicht mehr sehen!"