Titel: Das letzte Geheimnis?; Kapitel 12
Disclaimer: Nein, ich verdiene immer noch kein Geld und das Harry Potter-Universum gehört auch immer noch nicht mir . . .
Zunächst mal wieder ein Dankeschön an alle fleißigen Reviewer! Und dieses Kapitel ist jetzt eine kleine Verschnaufpause, bevor es „richtig" losgeht. Ich geb zu, es ist etwas kitschig, aber mir war danach. Aber gewöhnt euch bloß nicht an diese schöne, heile Welt *warnend guckt*.
Und jetzt: viel Spaß!
****
Ein Kitzeln an seiner Nase weckte Harry am nächsten Morgen.
Als er verschlafen die Augen öffnete, erkannte er Ginny, die sich im Schlaf
soweit aufgesetzt hatte, dass ihre Haare den Weg zu seiner Nase gefunden
hatten.
Er lächelte kurz und pustete sich ihre Haare aus dem
Gesicht. Dann jedoch machte er eine ungeschickte Bewegung, die dazu führte,
dass sie aufwachte.
Zunächst schien sie überhaut nicht zu wissen, wo sie sich
befand, doch dann schlich sich ein Ausdruck der Erkenntnis in ihre Augen, als
sie bemerkte, dass sie in Harrys Armen lag. Hastig versuchte sie, sich
aufzusetzen, doch Harry hielt sie fest. Woher er den Mut dazu nahm, wusste er
selbst nicht genau.
„Guten Morgen.", flüsterte er, während er Ginny näher an
sich zog.
„Morgen.", erwiderte Ginny unsicher, die Augen zu Boden
gerichtet.
Harry legte ihr vorsichtig die Hand unters Kinn und zwang
sie sanft, ihn anzusehen. „Ist meine Gegenwart so schlimm?"
Ginny schaute ihn forschend an und erkannte in seinen grünen
Augen einen Ausdruck, den sie bisher noch nie gesehen hatte. Und obwohl sie
diesem Ausdruck keinen Namen geben konnte, fühlte sie, wie ihr gleichzeitig
heiß und kalt wurde.
„Nein.", murmelte sie und lehnte sich an ihn.
So saßen sie eine ganze Weile, sie ihren Kopf auf seiner
Schulter, seine Wange auf ihren roten Haaren, und hingen beide ihren eigenen
Gedanken nach.
„Ach nein, was haben wir denn da?", eine anzügliche Stimme
riss die beiden aus ihrer Traumwelt und sie fuhren erschrocken auseinander.
George stand an der Treppe.
„Wir haben nur . . .", begann Ginny stockend.
„ . . . geredet.", führte Harry ihren Satz zu Ende.
„So nennt man das also heute.", erwiderte George vieldeutig.
Harry stand auf und strich sich verlegen durch die Haare.
„Ich gehe zu Dumbledore.", erklärte er und wollte sich gerade auf den Weg
machen, als das Gemälde zur Seite klappte und jemand den Gemeinschaftsraum der
Gryffindors betrat.
Totenbleich, ein gehetzter Ausdruck in den schwarzen Augen
und dennoch unverkennbar.
„Sirius.", stieß Harry fassungslos aus.
Einen Moment lang herrschte ein greifbare Stille. Dann
begann George nach Hilfe zu rufen, während Ginny ihn zu beruhigen versuchte und
Harry auf Sirius zuging und ihn in die Arme schloss.
Die beiden bemerkten nicht, dass nun langsam die restlichen
Gryffindors, aufgeschreckt durch Georges Geschrei, den Raum betraten. Für Harry
existierte nur sein Pate, alles andere war unwichtig. Nach den Stunden, in
denen er sich immer wieder gefragt hatte, ob er vielleicht schon tot war und
nachdem er ihn nun lebend wiedersah, fühlte er eine solche Erleichterung wie
nie zuvor in seinem Leben.
„Haben sie es geglaubt?", flüsterte er.
Sirius nickte. „Ich bin unschuldig. Ich bin endlich für
jeden in dieser Welt unschuldig."
Ein leises Lächeln schlich sich auf Harrys Gesicht. Alle
Anspannung war von ihm abgefallen. Er hatte nun, da Sirius endlich frei war,
das Gefühl, ihm würde nichts mehr passieren können. Dass alles gut werden
würde.
Und mit einem Mal hatte er das Gefühl, einen Moment allein
sein zu müssen, um mit diesem Gefühl der Erleichterung fertig zu werde. Er
löste sich deshalb von Sirius und verließ den Gemeinschaftsraum.
Sirius war nun allein in einem Raum voller Gryffindors, die
noch nichts von seiner Unschuld wissen konnten. In diesem Moment traten Hermine
und Ron vor die anderen.
„Leute, ganz ruhig, wartete auf den Tagespropheten, dann
werdet ihr es schon verstehen.", forderte Ron.
„Der wird mich auch nicht überzeugen können!", fauchte Dean
giftig, während er Sirius wütend anfunkelte.
„Du solltest dir vielleicht erst später ein Urteil über ihn
bilden.", sagte Hermine nüchtern.
„Es ist okay, Hermine.", wehrte Sirius leise ab. „Ich kann
ihn verstehen."
Hermine wandte sich zu ihm um. „Vielleicht solltest du dich
um Harry kümmern, er braucht dich jetzt."
Sirius nickte und verließ ebenfalls den Raum.
„Das kann ja wohl alles nicht wahr sein.", stieß Lee
entsetzt aus.
„Und warum nicht?", erwiderte Ginny gereizt, die sich
ebenfalls zu Ron und Hermine gesellt hatte.
„Wie könnt ihr nur alle so blind sein?!"
„Liebe macht eben blind.", erklärte George mit einem Blick
auf seine Schwester, die daraufhin feuerrot wurde.
Ron und Hermine warfen ihr forschende Blicke zu, einigten
sich aber stillschweigend darauf, Ginny später aufzusuchen und zu fragen, was
George damit gemeint hatte.
„Ihr werdet es nicht verstehen, bevor ihr nicht den Tagespropheten gelesen habt. Und da der eigentlich jede Minute hier eintreffen müsste, werdet ihr so lange ja wohl auch noch warten können.", stellte Ron trocken fest.
****
In der Zwischenzeit hatte Sirius Harry eingeholt.
Er war an den See geflohen, wo Sirius sich langsam neben ihn
setzte.
„Geht's dir gut?", fragte Sirius vorsichtig.
Harry nickte, starrte aber weiterhin auf den See hinaus.
„Du solltest nicht allein hier draußen sein."
Jetzt richtete Harry seinen Blick auf ihn. Eine seltsame
Ruhe war in seine Augen getreten. „Mir geschieht schon nichts."
Sirius wollte widersprechen, doch Harry schnitt ihm mit
einer Handbewegung das Wort ab. „Wie geht's dir?"
Sirius seufzte. „Es geht mir gut."
„Warum haben sie dich erwischt?", wollte Harry wissen.
„Ich war nicht vorsichtig genug. Ich hatte die ganze Zeit im
Hinterkopf, was du Ginny wohl gerade erzählen mochtest. Ich habe den Zauberer
nicht bemerkt, der mich schließlich an die Auroren verraten hat. Und als sie
kamen, hatte ich überhaupt keine Gelegenheit mehr, auch nur an Flucht zu
denken."
„Was haben sie mit dir gemacht?"
„Sie haben mich ins Ministerium gebracht. Fudge persönlich
hat mir verkündet, ich würde von den Dementoren geküsst werden, ohne jede
Verhandlung. Diesmal habe ich nicht geschwiegen, ich habe versucht, mich zu
verteidigen, aber Fudge hat mir nicht mal zugehört. Er ist meine Meinung nach
der unfähigste Minister, den wir jemals hatten.", knurrte Sirius abfällig.
Wider Willen musste Harry grinsen. „Und dann?"
„Ich habe die Nacht in einer kleinen Zelle verbracht und
habe jeden Augenblick damit gerechnet, dass die Dementoren kommen würden. Wer schließlich
kam, war Remus. Ich . . . ich habe ihn gebeten, mich umzubringen, aber er hatte
nur sein geheimnisvolles Lächeln im Gesicht. Er sagte, es würde alles gut
werden, ich sei in Sicherheit.", selbst jetzt noch klang Sirius verbittert und
Harry legte ihm vorsichtig die Hand auf den Arm.
„Schließlich kam Fudge und erklärte, ich sei frei und meine
Unschuld bewiesen. Ich habe ihn ganz einfach nur angestarrt, bis ich im
Hintergrund Dumbledore mit einem Rattenkäfig und Snape mit einem kleinen
Fläschchen Veritaserum erkannte.
Da dämmerte mir dann endlich, dass sie Peter wirklich
gefangen haben mussten. Dumbledore hat mir gesagt, du und Ginny hättet die
Ratte gefunden.", sagte Sirius und sah sein Patensohn aufmerksam an.
Harry nickte. „Ich wusste, dass Peter auf dem Gelände von
Hogwarts war. Ron, Hermine und ich haben es niemandem gesagt, weil wir dir
keine Hoffnungen machen wollten. Wir haben ihn nur in seiner Ratten-Gestalt
gesehen. Wir haben die ganze Zeit nach einem Aufrufezauber gesucht, aber keinen
gefunden. Bis wir schließlich die Karte des Rumtreibers benutzt haben, um Peter
zu kriegen."
„Du hättest es mir sagen sollen. Ich hätte ihn gefunden."
„Damit du dir vielleicht unsinnige Hoffnungen machst und dich bei der Suche nach ihm viel
zu auffällig benimmst? Das glaubst du ja wohl selbst
nicht.", schnaubte Harry und Sirius grinste.
In diesem Moment räusperte sich jemand hinter ihnen. Ginny
war zu ihnen gestoßen. „Ich will euch ja eigentlich nicht stören, aber Harry,
der Unterricht fängt gleich an."
Harry sah zu dem Mädchen auf, das die Augen gegen die Sonne
abschirmte und eine Welle der Zuneigung erfasste ihn. Er stand auf und legte
ihr sanft eine Hand in den Nacken. „Danke, Gin.", sagte er leise und fuhr mit
dem Daumen vorsichtig über ihre Wange.
Ginny blickte zu Boden, doch ein leises Lächeln lag auf
ihren Lippen.
Harry hätte in diesem Moment nichts lieber getan, als sie zu
küssen, doch ein demonstratives Husten hinter ihm brachte ihn zur Besinnung.
Harry wandte sich verlegen von Ginny ab und richtete sich wieder an Sirius.
Dieser trat nun ebenfalls einen Schritt auf Rons Schwester zu und legte eine
Hand auf ihre Schulter. „Ich weiß, dass du Harry geholfen hast, Peter zu
finden. Danke.", meinte er.
„Keine Ursache.", erwiderte sie fröhlich.
„Ihr zwei solltet jetzt lieber reingehen. Sonst verpasst ihr
noch irgendwelchen wichtigen Unterricht.", der sarkastische Unterton in Sirius'
Stimme war kaum zu überhören und Harry grinste.
„Wir haben Geschichte der Zauberei.", erklärte er.
„Und ich habe Zaubertränke.", informierte Ginny.
„Na dann mein herzliches Beileid an euch beide. Ich weiß
nicht, wen ich mehr bedauern soll.", meinte Sirius zynisch.
„Was machst du jetzt?", fragte Harry immer noch grinsend.
„Ich geh zu Dumbledore um alles weitere mit ihm zu
besprechen. Und danach sollte ich vielleicht so langsam damit anfangen, mir ein
neues Leben aufzubauen."
Harry nickte. „Gehen wir?", wandte er sich an Ginny.
Diese nickte und beide machten sich auf den Weg zum Schloss, während Sirius den beiden nachdenklich hinterher sah.
****
Beim Mittagessen verkündete Dumbledore Sirius' Unschuld und bis zum Abend hatte
jeder Schüler in Hogwarts mindestens einmal den Tagespropheten gelesen.
Für manche war Sirius nun der tragische Held und Harry
fühlte bei solchen Worten Zorn in sich aufsteigen. Noch vor wenigen Stunden
hatten sie Sirius bis aufs Blut gehasst, nun grenzte die Behandlung dieses
Themas bei manchen schon fast an Ehrfurcht. Wie leicht man Menschen doch
manipulieren konnte, wenn man nur die richtigen Worte fand, dachte Harry
manchmal bitter.
In Hogwarts kehrte wieder der Alltag ein, die nächsten
Wochen verliefen weitgehend friedlich. Immer mehr Schüler kamen aus der Großen
Halle zurück. Körperlich zwar geheilt, innerlich jedoch mit Wunden, die nie
ganz vergehen würden.
Fred war das beste Beispiel dafür. Als er eines Abends den
Gemeinschaftsraum der Gryffindors betrat, war er ungewöhnlich still, scheu und
zurückhaltend. George versuchte zwar, in aufzumuntern, doch es gelang ihm nicht
und schon bald gingen die beiden nach oben in den Schlafsaal.
Es würde nicht mehr so sein wie früher. Bei jedem hatte der
Angriff Spuren hinterlassen, ob er nun dabei verletzt wurde oder nicht.
Alles schien ruhig und friedlich und Harry, Ron und Hermine
erlaubten es sich, zumindest einige Zeit lang ein ereignisloses Leben zu
führen.
Bis zu Hermines Arithmantikstunde.
„Ich geh schon mal.", verkündete sie an diesem Tag beim
Mittagessen.
„Warum gehst du jetzt schon?", erwiderte Ron irritiert und sah
auf seine Uhr. Hermine hatte bis zum Beginn der Stunde noch fast eine halbe
Stunde Zeit.
„Ich möchte noch ein bisschen in dem Buch blättern, das
Professor Vector uns letzte Stunde gegeben hat.", mit diesen Worten stand sie
auf und verließ die Große Halle, die mittlerweile wieder für die Mahlzeiten
genutzt wurde.
„Manchmal ist sie echt unmöglich.", stellte Ron
kopfschüttelnd fest und Harry gab ihm grinsend Recht.
Hermine ging währenddessen zum Klassenzimmer für Arithmantik
und stellte sich vor dem verschlossenen Raum an ein Fenster. Die Mittagssonne
schien hell ins Schloss hinein und bis sich ihre Augen an die Helligkeit
gewöhnt hatten, schirmte sie sie mit den Händen ab. Dann begann sie, in dem
Buch zu lesen, gab es aber bald entnervt wieder auf, da ihr ständig Strähnen
ihres Haares ins Gesicht fielen. Seufzend kramte sie in ihrer Tasche nach einem
Haarband und fasste ihre Locken zu einem Zopf zusammen.
Sie hatte gerade wieder begonnen zu lesen, als hinter ihr
eine Stimme erklang.
„Nun treffen wir uns also doch noch alleine."
Hermine fuhr erschrocken herum. Sorcery stand an der
gegenüberliegenden Wand gelehnt und schaute sie lauernd an.
„Lass mich doch einfach in Ruhe, okay?", forderte sie
unwillig und wollte sich wieder abwenden, als das, was Sorcery als nächstes
sagte, sie in ihrer Bewegung erstarren ließ.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du schön bist?"
„Wie bitte?!", fragte Hermine vollkommen perplex.
„Ich habe dir nur eine Frage gestellt.", erwiderte Sorcery
ungerührt. „Du bist schön, intelligent, mutig, schlagfertig . . . eigentlich
sollten sämtliche männliche Wesen dieser Schule Schlange bei dir stehen."
Hermine warf ihm einen kalten Blick zu. „Was für ein Spiel
spielst du hier eigentlich, Sorcery?"
„Ich sage nur die Wahrheit. Und ich spiele nicht. Zumindest
nicht so offensichtlich, wie du es anscheinend
annimmst."
„Du solltest mich nicht unterschätzen.", Hermine versuchte,
ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, doch in den Augen ihres Gegenüber
stand ein solch verlangender und wilder Ausdruck, dass sie ihren Körper nur
sehr schwer unter Kontrolle hatte. Unter all dem war in dem tiefen Schwarz
seiner Augen jedoch auch ein Ausdruck von Amüsement zu erkennen. Schwach, aber
wahrnehmbar und das verlieh Hermine die Kraft, zumindest so zu tun, als wüsste
sie was sie tat.
„Ich unterschätze dich nicht. Sonst würde ich mich nicht mit
dir abgeben. Aber anscheinend unterschätzt du mich.", Sorcery stieß sich von
der Wand ab und kam so gefährlich langsam auf sie zu wie ein Raubtier, das sich
an seine Beute heranschlich.
Hermine gab einen abfälligen Laut von sich und wandte sich
wieder dem Fenster zu. Doch sie musste sich am Fensterbrett festhalten, um zu
verhindern, dass ihre Beine unter ihr nachgaben. Was machte er mit ihr?!
Sie spürte seine Präsenz hinter sich. Genau hinter sich. Zu
nah hinter sich. Und seine eiskalte Stimme direkt an ihrem Ohr: „Mögen andere
dich für überintelligent halten. Ich tue es nicht. Und genau das wird für dich
zur Gefahr.", sein Atem, der wie ein sanfter Windhauch über ihr Ohr, ihre Wange
strich. Ein Windhauch, der sich jeden Moment in einen reißenden Sturm
verwandeln konnte.
Doch Hermine konnte sich nicht losreißen, wehrte sich nicht
gegen seine Hände, die sich an ihren Seiten vorbei einen Weg zum Fensterbrett
bahnten und ihr damit jede Bewegungsfreiheit nahmen. Sie wehrte sich nicht
gegen seinen Körper, der sich näher an den ihren drückte, nicht gegen seinen
Atem, der über ihren Nacken strich.
Und sie wehrte sich nicht gegen seine Lippen, die einen
sanften, aber anzüglichen Kuss zwischen ihre Schulterblätter drückten.
Hermine lief eine Gänsehaut über den Rücken und sie schloss
mit einem gequälten Gesichtsausdruck die Augen. Was tat sie hier? Was tat er
mit ihr, um sie so um den Verstand zu bringen, dass sie sich nicht mehr zu
helfen wusste.
Sie bemerkte nicht das boshafte Lächeln, das sich auf sein
Gesicht gelegt hatte, nicht das gefährliche Glitzern seiner Augen.
Und plötzlich war er verschwunden. Etwas in ihr schrie, er
solle zurückkommen, doch diese Stimme wurde von dem lauten Geplapper der
anderen Schüler unterbrochen, die nun vor dem Klassenzimmer auftauchten.
Mit immer noch zitternden Beinen wandte Hermine sich langsam
um. Sorcery stand wieder an der gegenüberliegenden Wand, sein Gesicht eine
eisige Maske. Nur der letzte Hauch eines lasziven Ausdrucks in den
tiefschwarzen Augen konnte vielleicht noch von dem zeugen, was hier gerade
geschehen war.
Hermine war die Letzte, die an diesem Tag das Klassenzimmer betrat.
****
Nach dieser Stunde hatte Hermine sich zumindest wieder soweit beruhigt, dass
sie sich sicher war, mit Harry und Ron darüber reden zu können. Die Vernunft in
ihr sagte mit triefender Selbstironie: es war nur ein Kuss, ein einfacher,
nichtssagender Kuss. Du warst nicht umsonst letztes Jahr mit Victor Krum auf
diesem Ball, du weißt, was ein Kuss ist.
Aber er hat dich nicht so geküsst!, sagte eine kleine
teuflische Stimme in ihrem Kopf. Und gib zu, es hat dich nicht kalt
gelassen.
Na und, fauchte Hermine zurück, entschlossen, sich in
nächster Zeit gegen teuflische Stimmen zur Wehr zu setzen.
Als sie im Gemeinschaftsraum auf Harry und Ron stieß, saßen
die beiden gerade über einer Partie Zaubererschach.
„Hi.", sagte sie fröhlich und ließ sich neben die beiden Jungs
fallen.
Die beiden grummelten so etwas wie einen Gruß zurück.
Hermine sah mit einem Blick, dass Ron wahrscheinlich nur
noch wenige Züge brauchen würde, um Harry zu schlagen und sie hatte Recht. Nach
vier weiteren Zügen hatte Ron seinen Freund Schachmatt gesetzt.
„Also, was willst du uns sagen?", fragte Ron, während er
sein Spielbrett und die Figuren zusammenpackte. Mittlerweile wussten er und
Harry, wann Hermine etwas von ihnen wollte.
Hermine Gesicht wurde ernst. „Es geht um Sorcery."
Harry und Ron rutschten näher an sie heran.
„Wir hatten vor Arithmantik eine kleine . . .
Auseinandersetzung.", erklärte Hermine.
„Hat er dir was getan?", wollte Harry wissen, während Ron
nur düster dreinschaute.
Hermine schüttelte eilig den Kopf. „Nein, er hat nur gesagt,
dass meine Intelligenz mir zur Gefahr werden könnte.", den Rest verschwieg sie
wohlweislich.
„Und wie meint er das?", fragte Ron stirnrunzelnd.
„Vielleicht hat er Angst, dass ich irgendwas über ihn heraus
finden könnte.", überlegte Hermine.
Ron nickte langsam. „Was uns daran erinnert, dass wir uns
langsam um dieses Problem kümmern sollten. Wir wissen immer noch nichts über
die Schmerzen in deiner Narbe.", sagte er zu Harry.
„Vielleicht sollten wir aber auch erst übermorgen damit
anfangen. Morgen ist der Halloween-Ball.", wand Harry ein.
Er hatte seinen Freunden mittlerweile erzählt, mit wem er
dorthin ging und die beiden grinsten sich nur vielsagend an.
„Was?", wollte Harry misstrauisch wissen.
„Hast du vor, morgen Abend dein Singleleben zu beenden?", fragte Hermine spitz zurück.
Harry und Ron sahen sie erstaunt an. Normalerweise hätte
solch eine Aussage eher zu Ron gepasst.
„Vielleicht?", konterte Harry und wurde angesichts der
grinsenden Gesichter seiner Freunde beinah so rot wie Rons Haare.
„Aha.", Rons Grinsen wurde noch breiter. „Meine kleine
Schwester, wer hätte das gedacht."
„Sie ist nicht einfach nur deine kleine Schwester!", fauchte
Harry. „Sie ist . . .", er brach jedoch ab, als er Rons und Hermines
interessierten Blick sah. „Gute Nacht.", fügte er stattdessen hinzu und stapfte
in den Schlafsaal.
„Ich finde das sehr amüsant.", grinste Ron.
„Eigentlich sind wir unfair.", wandte Hermine ein.
„Und?", gab Ron ungerührt zurück und Hermine begann ebenfalls zu grinsen.
****
Am nächsten Tag schien die Luft im ganzen Schloss zu vibrieren. Allen war klar,
dass der Ball aufgrund des Angriffs nicht in der Größe und Ausgelassenheit
stattfinden würde, in der er geplant gewesen war, doch nichtsdestotrotz war die
Aufregung groß.
Der Samstagmorgen verlief noch recht normal. Sie hatten
Verteidigung gegen die Dunklen Künste und Professor Lupin hatte in weiser
Voraussicht kein so bedeutendes Thema zur Sprache gebracht. Außerdem erwies er
sich als gnädig, wenn vor allem die Mädchen miteinander flüsterten.
Nach dieser Doppelstunde war der Unterricht beendet und
Harry war einer der Letzten, die den Raum verließen.
„Harry, warte bitte noch kurz.", forderte Professor Lupin.
Harry wandte sich um und sah seinen Lehrer überrascht an.
„Ja, Professor?"
Ein Lächeln huschte kurz über Lupins Gesicht. „Wenn wir
allein sind, kannst du mich ruhig Remus nennen. Sag das auch Ron und Hermine."
„Okay . . . ähm . . . Remus.", Harry stolperte ein wenig
über den Namen, doch er verstand die Beweggründe des Lehrers. Er war Sirius'
bester Freund, er war ein Freund seiner Eltern gewesen.
„Hast du in letzter Zeit etwas von Sirius gehört?", fragte
Remus.
Harry schüttelte den Kopf. „Nichts, außer einem kurzen
Brief, dass es ihm gut geht. Weißt du, wo er ist?"
„Er geht seiner früheren Arbeit nach. Ich glaube, Sirius
wird niemals ohne die Gefahr und den Nervenkitzel leben können.", seufzte Remus
und Harry lächelte.
„Es wird ihm schon nichts passieren. Sirius kann sehr gut
auf sich selbst aufpassen.", meinte er dann.
„Da hast du Recht. Darf ich fragen, mit wem du heute Abend
auf den Ball gehst?"
„Mit Ginny.", und diesmal wurde Harry nicht rot.
Remus lächelte. „Nun, dann wünsche ich dir viel Spaß."
„Danke."
„Wenn du Sirius einmal wiedersiehst, frag ihn nach unserem
Abschlussball. Er wird dir in den schillerndsten Farben davon berichten."
Harry grinste. Er konnte sich diesen Abschlussball lebhaft
vorstellen . . .
„Ich muss jetzt gehen. Bis heute Abend."
„Bis heute Abend, Harry."
Harry verließ das Klassenzimmer und stieß draußen auf Ron
und Hermine, die schon wieder auf dem besten Weg zu sein schienen, einen Streit
zu beginnen.
„Was ist denn jetzt los?", fragte Harry, während er die
Augenbrauen in die Höhe zog.
„Sie will sofort nach dem Mittagessen nach oben verschwinden, um sich für den Ball fertig zu machen. Und ich habe sie gefragt warum Mädchen immer so lange brauchen müssen.", erklärte Ron leicht abfällig.
„Das versteht ihr sowieso nicht!", brauste Hermine auf.
„Schon gut, schon gut. Wenn du meinst, es wäre nötig, dass
du mindestens sechs Stunden für mich aufwendest, kann mir das ja eigentlich nur
Recht sein.", grinste Ron und bekam dafür einen Schlag auf den Hinterkopf.
„Wir sollen gehen. Sonnst essen uns die anderen alles weg.",
meinte Harry und die Drei machten sich auf den Weg zur Großen Halle.
Wie bereits vorausgesagt, machte sich Hermine sofort nach
dem Mittagessen auf den Weg nach oben. Begleitet wurde sie von Ginny, die sich
daraufhin ebenfalls die spöttischen Kommentare ihrer Brüder anhören durfte.
„Das tut sie alles für dich, Harry.", feixte George.
„Ich will gar nicht wissen, mit was die beiden sich jetzt
alles einsprühen.", fügte Fred hinzu.
Doch die Neckereien der beiden konnten nicht über ihre
wirklich Gefühle hinwegtäuschen.
Angelina war tot, sie war das Mädchen gewesen, mit dem
George zum Ball hatte gehen wollen. Es machte Fred als Georges Zwillingsbruder
zu schaffen, dass er mit Alicia und Lee als der beste Freund der beiden mit
Katie ging, während George alleine war.
Als auch Ron und er aufgegessen hatten, schlichen sie
lustlos und nicht wissend, was sie mit ihrer Zeit anstellen sollten, durch das
Schloss. Sie durften nicht nach draußen.
„Meinst du, wir finden eine Erklärung für Sorcerys
Verhalten?", fragte Ron mit einem Mal.
Harry zuckte die Schultern. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er
irgendwie gefährlich sein soll, auch wenn meine Narbe schmerzt, wenn ich ihn
sehe. Ich meine, Dumbledore lässt ihn schließlich hier bleiben, oder?"
„Aber Dumbledore weiß auch nicht alles. Vielleicht hat er
einen Verdacht, aber er kann ihn nicht aufgrund eines Verdachts von der Schule
werfen."
Wieder zuckte Harry die Schultern und schwieg. Auch Ron entgegnete nichts mehr.
Nach einer Weile setzten sie sich in die Bibliothek, erledigten ihre
Hausaufgaben für Wahrsagen –mittlerweile benutzen sie schon sämtliche
Unglücksbücher der Bibliothek für ihre haarsträubenden Vorhersagen- und
übertrafen sich dabei beinah selbst an Ideen.
Gegen sechs Uhr brachen die beiden Jungen dann schließlich ebenfalls auf, um
sich für den Ball fertig zu machen.
****
„Bist du fertig?", fragte Ron, während er in seine Schuhe schlüpfte.
Harry, der schon seit zehn Minuten vor dem Spiegel stand und
vergeblich versuchte, seine Haare zu bändigen, warf ihm einen genervten Blick
zu.
„Kannst du mir mal erklären, warum ich es überhaupt noch
versuche?", erwiderte er und deutete auf seinen Kopf.
Ron grinste. „Das frag' ich mich allerdings auch."
Harry sah ihn strafend an. „Du hast einen neuen Umhang,
oder?", meinte er dann aber.
Ron schaute an sich herab. Der Umhang, den er trug, war
einfach geschnitten und von einem tiefen Nachtblau, bei schwachem Licht schien
er fast schwarz. „Ja. Fred und George haben ihn mir geschenkt. Anscheinend war
ich ihnen letztes Jahr zu peinlich."
Auf dem letzten Ball hatte Ron einen braunen Samtumhang mit
Rüschen an allen Ecken und Enden tragen müssen. Die Rüschen hatte er zwar
schlussendlich abgeschnitten, doch dementsprechend hatte das Ergebnis auch
ausgesehen.
„Jedenfalls sieht er gut aus."
Ron wurde leicht rot und konzentrierte sich wieder auf seine
Schuhe.
Harry gab es schließlich auf, mit seinen Haaren zu kämpfen
und warf einen letzen prüfenden Blick in den Spiegel. Der Umhang, den er trug,
war grün. Es war derselbe, den er auch letztes Jahr getragen hatte.
„Okay, können wir?", fragte er, als Ron aufgestanden war.
Ron nickte und gemeinsam gingen sie die Treppe zum
Gemeinschaftsraum hinunter. Unten herrschte bereits ein reges Treiben: Schüler
warteten auf ihre Begleitung, das Gemälde der Fetten Dame klappte ständig auf
und zu und überall waren angeregte Gespräche und leises Gelächter zu hören.
„Siehst du sie?", fragte Harry und Ron, als der größere von
ihnen, blickte einmal durch den Raum.
„Nein. Sie scheinen noch nicht da zu sein.", antwortete er
kopfschüttelnd.
„Sucht ihr mich?", sagte eine Stimme hinter ihnen.
Harry und Ron wandten sich um. Vor ihnen stand Hermine in
einem knöchellangen, bordeauxroten Kleid. Es war hoch geschnitten, hatte aber
am Rücken einen tieferen Ausschnitt, was die beiden später feststellen sollten.
Ihre Haare trug sie ebenso lockig wie sonst, einen Teil
davon hatte sie allerdings am Hinterkopf mit einer Klammer zusammengefasst.
„Du siehst hübsch aus.", sagte Ron und wurde zu Harrys
Erstaunen nicht rot dabei.
„Danke!", strahlte Hermine und nahm Rons Arm an, den er ihr
angeboten hatte.
„Wo hast du denn Ginny gelassen?", fragte Harry.
„Sie müsste eigentlich jeden Moment runterkommen.",
erwiderte Hermine stirnrunzelnd.
„Da ist sie doch.", sagte Ron und deutete auf die Treppe.
Ginny betrat gerade den Gemeinschaftsraum. Sie trug ein
ebenfalls knöchellanges Kleid in einem hellen Grünton, das mit Abbildungen von
Efeuranken bestickt war. Über dem eigentlichen Stoff des Kleides lag ein fast
durchscheinender Stoff, der es bei jeder Bewegung blau schimmern ließ und die
dünnen Träger waren mit kleinen funkelnden Steinen besetzt.
„Hi.", sagte sie mit einem strahlenden Lächeln, als sie bei
den anderen Drei angekommen war.
„Hey, Schwesterchen, man erkennt dich ja gar nicht wieder.",
sagte Ron anerkennend und musterte Ginny von oben bis unten.
Ginny wurde rot, sah Ron aber unverwandt an. „Du hast mich
nur noch nicht richtig angeschaut.", erwiderte sie herausfordernd, was Ron zu
einem Grinsen bewegte.
„Gehen wir?", fragte Hermine und sie und Ron begannen, sich
einen Weg durch den Raum zu bahnen.
Jetzt gelang es Harry endlich, sich von Ginnys Anblick
loszureißen und er bot Ginny den Arm an.
„Du siehst . . . wirklich toll aus.", brachte er dann hervor
und Ginny lächelte dankbar.
Den restlichen Weg zur Großen Halle schwiegen sie. Sie
hatten auch Ron und Hermine aus den Augen verloren, doch sie waren der Meinung,
man würde sich schon wiederfinden.
In der Eingangshalle trafen sie schließlich auf Malfoy, der, seine Begleitung
Pansy Parkinson ignorierend, an eine Säule gelehnt stand.
„Du hast es also endlich geschafft, Potter zu kriegen, Weasley.", stelle er
höhnisch fest. „Dein Lied zum Valentinstag hat also doch was genützt."
„Wenigstens muss ich mich nicht mit Leuten abgeben, die mich
nur wegen meines Reichtums wegen wollen.", konterte Ginny mit blitzenden Augen.
„Das liegt daran, weil du kein Geld hast."
„Fragt sich nur, was besser ist."
„Kannst du nicht wenigstens heute Abend vergessen, dass du
eine mieser kleiner Widerling bist, Malfoy?", fragte Harry.
Malfoy schien angestrengt nachzudenken. „Nein.", erwiderte
er schließlich.
„Natürlich, wäre ja auch zuviel verlangt.", giftete Harry.
„Komm, Ginny, lassen wir uns nicht die Laune verderben."
Die beiden betraten die Große Halle und waren einen kurzen
Moment überwältigt von ihrem Aussehen: in der Luft schwebten hunderte
ausgehöhlte Kürbisse, die durch Kerzen in ihrem Inneren ein sanftes Licht
verbreiteten. Die Decke wies tiefste Nacht auf, ein voller Mond, der immer
wieder von dünnen Wolkenfetzen verdeckt wurde, stand am Himmel. An der Wand
waren Fackeln entzündet, waberige Fäden, die aussahen wie Spinnenweben, hingen
zwischen ihnen. Echte Fledermäuse flatterten durch die Halle und lösten in den
verschiedensten Ecken erschrockene Schreie aus. Die großen Tische und Bänke
waren verschwunden, dagegen waren kleinere runde Tische als Sitzgruppen überall
verteilt worden. An der Fensterseite der Großen Halle standen lange Tische, auf
denen ein Büfett aufgebaut war und wo Getränke sich selbst ausschenkten.
Auf der gegenüberliegenden Wand waren jedoch auch an diesem
Abend die großen schwarzen Banner, die dort seit dem Angriff hingen, nicht
entfernt worden. Es hatte zwar keine öffentliche Trauerfeier gegeben, doch so
gut wie jeder Schüler konnte sich denken, dass Dumbledore eine solche Feier nur
aus dem Grund nicht hatte stattfinden lassen, um es ihnen allen leichter zu
machen, darüber hinwegzukommen.
Harry und Ginny wurden jetzt von Fred und Lee an einen
großen Tisch gezerrt.
„Wo wart ihr denn so lange? Ron und Hermine sind schon seit
zehn Minuten da!", sagte Lee vorwurfsvoll.
Die beiden saßen tatsächlich schon am Tisch und grinsten
Harry und Ginny unverhohlen an, als diese sich setzten.
„Wir haben nur Malfoy getroffen.", erklärte Harry schnell.
„Ist er wieder mit Pansy hier?", fragte Hermine.
Ginny nickte. „Und sie sieht wieder nicht viel besser aus
als letztes Jahr.", sagte sie sarkastisch.
Harry und Ron warfen ihr ob dieser Bemerkung erstaunte
Blicke zu, worauf Hermine anfing zu lachen. „Ihr kennt sie echt nicht.",
stellte sie kopfschüttend fest.
„Ist sie immer so?", fragte Ron irritiert. Er kannte Ginny
nur als seine zurückhaltende kleine Schwester.
„Schlimmer.", entgegnete Hermine trocken.
Ginny lächelte nur vielsagend.
Es dauerte noch etwa eine viertel Stunde, bis Dumbledore den
Ball für eröffnet erklärte und Musik wie aus dem Nichts erklang.
Es war ein anscheinend sehr bekanntes Lied, denn beinah sofort
füllte sich die Tanzfläche, die in der Mitte freigelassen worden war, mit den
ersten mutigen Pärchen.
„Das ist das neue Lied der Schicksalsschwestern.",
informierte Ron Harry und Hermine.
Hermine nickte und forderte Ron zum Tanzen auf.
„Die zwei sind echt niedlich.", stellte Ginny fest.
„Stimmt. Und jetzt haben sie sich Gott sei Dank gefunden.
Wenn man sich das Desaster vom letzten Jahr betrachtet . . ."
„Was haben du und Ron vorhin die ganze Zeit noch gemacht?"
„Unsere Wahrsage-Hausaufgaben.", erklärte Harry mit nicht
sehr begeisterter Stimme. „So langsam fallen uns keine Katastrophen mehr ein,
die uns zustoßen könnten."
Ginny grinste. „Du erledigst deine Hausaufgaben also genauso
wie ich."
„Wenn du dir auch nur Dinge aus den Fingern saugst, damit du
überhaupt irgendwas auf deinem Pergament stehen hast, dann ja.", meinte Harry
nüchtern und Ginny lachte.
„Gefällt dir das Lied?", fragte sie dann.
„Ja, es ist ganz gut. Die Schicksalsschwestern sind
in der Zaubererwelt am erfolgreichsten, oder?"
„Es gibt noch die Gruppe Wunschwelten, aber die
stehen eben nur auf dem zweiten Platz.", antwortete sie achselzuckend.
Eine Weile schwiegen sie. Als das nächste Lied erklang, nahm
Ginny Harry einfach bei der Hand und zog ihn auf die Tanzfläche.
„Ich bin kein sonderlich guter Tänzer.", wollte Harry noch
abwehren, doch Ginny ließ keine Ausreden zu. „Wenn Parvati es ausgehalten hat,
werde ich das ja wohl auch."
Also tanzten sie. Sie tanzten, bis sie keine Luft mehr hatten und schließlich meinte Harry:
„Ich geh uns was zum Trinken holen."
Ginny nickte und begab sich ein wenig an den Rand der
Tanzfläche. Es war ein langsames Lied erklungen, das Licht wurde abgedämpft und
Ginny musste lächeln, als sie ihren Bruder mit Hermine an sich vorbeitanzen
sah. Hermine hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt. Sie sahen im schwachen
Licht aus wie eine einzige Person. Selbst wenn an diesem Abend noch nichts aus
ihnen werden würde, der Grundstein war zumindest gelegt, dachte sie zufrieden.
Eine leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken: „Würdest du
mir diesen Tanz gestatten?"
Ginny schreckte auf und riss sich von dem Bild ihres Bruders
und Hermines los. Vor ihr stand Sorcery.
„Du bist in Slytherin, oder?", fragte sie misstrauisch. Sie
wusste noch genau, wie alle vollkommen erschrocken gewesen waren über die
Ähnlichkeit des Neuen zu Harry und wie das Entsetzen noch größer wurde, als
dieser Neue nach Slytherin kam.
„Ist das ein Problem?"
Ginny sah ihn immer noch prüfend an. Etwa genauso groß wie
Ron, schwarze Haare, ausdrucksvolle dunkle Augen, hohe Wangenknochen, eine
gerade Nase und ein schön geschwungner Mund. Er sah gut aus. Wäre da nicht
etwas gewesen, was Ginny nicht beschreiben konnte. Vielleicht war es der immer
leicht vorhandene Ausdruck an Verachtung in seinem Gesicht, vielleicht war es
auch der stechende Blick seiner Augen – Ginnys Rücken überlief eine eiskalte
Gänsehaut.
„Nein.", antwortete sie jedoch auf seine Frage. Sie wollte
ihm nicht zeigen, dass seine Erscheinung sie beunruhigte.
„Dann können wir ja anfangen.", sagte er leicht belustigt
und streckte seine Hand aus.
Lange, schlanke Finger schlossen sich um Ginnys Hand, als
diese die seine annahm.
Er führte sie auf die Tanzfläche und zog sie an sich, die rechte Hand auf ihrer
Taille, die linke Hand in ihrer Rechten.
„Du bist mit Harry hier?", fragte er.
Ginny nickte und zwang sich, zu ihm aufzublicken. „Er ist
uns etwas zu Trinken holen.", sie versuchte, selbstsicher zu klingen.
„Bei den Getränken steht eine ziemlich lange Schlange. Es
dürfte wohl noch eine Weile dauern, bis er wiederkommt."
„Warum tanzt du eigentlich mit mir? Hat das für dich
irgendeinen Vorteil?", fragte Ginny. Angriff war schließlich immer noch die
beste Verteidigung.
„Es hat den Vorteil, dass ich mit dir zusammen bin. Ist das nichts?",
er hatte fragend die Augenbrauen in die Höhe gezogen und klang absolut
unschuldig.
Er ist gefährlich!, zuckte plötzlich eine warnende
Stimme durch ihren Kopf. Sie wusste nicht, woher dieses Gefühl auf einmal kam,
warum es ausgerechnet jetzt, bei dieser scheinbar so harmlosen Frage in ihr
auftauchte. Doch mit einem Mal hatte sie Angst vor ihm. Angst vor seinen
Händen, die sie so unbarmherzig festhielten, Angst vor den Abgründen in seinen
Augen.
Sie versuchte, sich von ihm loszumachen, doch er hinderte
sie daran.
„Man sollte einen Tanz nicht einfach abbrechen, meine
Liebe.", hauchte er und in seiner Stimme war nichts mehr von der falschen
Sanftheit zu vernehmen. Sie war schneidend scharf.
„Lass sie los, Sorcery."
Ginny konnte ein erleichtertes Aufatmen nicht unterdrücken.
Harry war wieder zurück.
„Warum regst du dich so auf, Harry? Es war nur ein einziger
Tanz.", entgegnete Sorcery spöttisch.
„Lass sie los.", wiederholte Harry. Man sah ihm an, dass er
sich nur schwer unter Kontrolle hatte.
„Ich denke, sie kann eigentlich selbst entscheiden, mit wem
sie tanzen will.", Sorcery löste sich von Ginny. „Aber vielleicht solltest du
dir ja doch Sorgen machen.", sagte er zweideutig und mit einem kaum zu
überhörenden unheilvollen Ausdruck in der Stimme. Während seiner Worte hatte er
die Fingerspitzen seiner rechten Hand sanft über Ginnys Oberarm streichen
lassen, sein Blick jedoch war fest auf Harry fixiert gewesen.
Ein Bild durchzuckte Harrys Kopf: die Weiße Birke, unten bei
Hagrids Hütte, schneebedeckt. Doch beinah sofort war das Bild wieder
verschwunden.
Trotzdem fühlte Harry, wie er unwillkürlich erschauderte. Er
griff nach Ginnys Hand und zog sie zu sich.
„Wag es ja nicht, ihr noch mal zu nah zu kommen.", er klang
selbstbewusster, als er sich eigentlich fühlte.
Ein höhnisches Lächeln schlich sich auf Sorcerys Lippen.
„Als ob du mir drohen könntest."
Mit diesen Worten wandte er sich ab und verschwand in der
Menge.
Harry richtete sich an Ginny. „Hat er dir was getan?"
Ginny schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben nur zusammen
getanzt."
„Warum hast du ihn nicht einfach zum Teufel geschickt?",
fragte Harry und konnte einen ärgerlichen Tonfall nicht ganz aus seiner Stimme
verbannen.
Ginny zuckte hilflos die Achseln. Sie wusste es selbst
nicht, wie sollte sie es ihm erklären?
Das langsame Lied war inzwischen verklungen und ein
schnelleres hatte eingesetzt.
„Ich würde mich gerne einen Moment setzen.", verlangte Ginny
und die beiden gingen zurück zu ihrem Tisch.
„Geht es dir gut?", fragte Harry, als er Ginnys immer noch
unbehaglichen Blick sah.
„Ja . . . es ist nur . . . nein, ist schon okay.", wehrte
sie ab.
„Hat er wirklich nichts gesagt? Hat er dir gedroht?"
„Es ist nicht das, was er gesagt hat, sondern . . . wie er
es gesagt hat . . . und wie er dabei geschaut hat.", versuchte Ginny zu
erklären.
Harry nickte. „Wir sollten wirklich anfangen,
herauszufinden, wer er ist."
Ginny schaute ihn an und konnte Entschlossenheit auf seinem
Gesicht lesen. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.", sagte sie trotzig.
Harry sah sie ein wenig zweifelnd an, was zu einem zornigen
Aufblitzen in Ginnys Augen führte.
„Nur, weil du nach drei Jahren erkannt hast, dass ich nicht
nur die kleine Schwester deines besten Freundes bin, heißt das noch lange
nicht, dass du mich wie ein Kleinkind behandeln kannst! Ich weiß selbst, was
ich tue, okay?!", brauste sie auf.
Harry hob beschwichtigend die Hände. „Schon gut! Ich mache
mir nur Sorgen."
„Das musst du nicht!", erwiderte sie bestimmt.
„Was ist denn hier los? Streitet sich das Traumpaar etwa?",
fragte Fred, der mit Alicia im Arm zu ihrem Tisch stieß.
Er erntete dafür tödliche Blicke sowohl von Ginny als auch
von Harry.
„Jetzt seit ihr euch wenigstens wieder einig.", grinste
Alicia und die beiden setzen sich.
Als nächstes kehrten auch Ron und Hermine an den Tisch
zurück, bald darauf folgten Lee und Katie.
„Wisst ihr was?", fragte Lee auf einmal.
Sieben fragende Augenpaare richteten sich auf ihn.
„Ich habe Snape tanzen sehen.", sagte er todernst.
„Nein.", erwiderte Alicia ungläubig.
„Bist du sicher, dass du nicht einen Besenstiel mit einem
schleimigen und verklebten Wischmopp am oberen Ende gesehen hast?", fragte Fred
interessiert.
Angesichts dieser Bemerkung brachen alle in lautes Gelächter
aus. Harry fiel auf, dass langsam ein Weg zurück in die Normalität zu erkennen
war. Natürlich trauerten sie, natürlich würden sie die anderen nie vergessen.
Doch sie erlaubten es sich wieder, fröhlich zu sein, Scherze zu machen und zu
lachen. Sie gestatteten es sich, ihr früheres Leben wieder aufzunehmen.
„Nein, es war wirklich Snape. Er hat mit der McGonagall
getanzt.", brachte Lee mühsam zwischen einem seiner Lachanfälle hervor.
„Ich frage mich, was er ihr dafür gegeben hat.", überlegte
Ginny und runzelte gespielt angestrengt die Stirn.
„Oder mit was er sie erpresst hat.", fuhr Ron grinsend fort.
Hermine bemühte sich krampfhaft, ein ernstes Gesicht
aufzusetzen, als sie sagte: „Seid nicht zu fies zu dem armen Mann, okay?"
„Arm?!", wiederholte Fred fassungslos. „Unfair und gemein
würde wohl eher treffen!"
„Mach dir nichts draus, so ist sie eben. Immer neutral.", erklärte Harry
nüchtern und erntete dafür einen Rippenstoß.
„Jedenfalls haben die beiden getanzt und ob ihrs glaubt oder
nicht, Snapes Gesicht war nicht ganz so säuerlich wie sonst.", warf Lee ein.
„Wo hatte er seine Hände?", fragte Fred trocken.
Wieder brach die ganze Gruppe in Gelächter aus.
„Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle die Unterhaltung
abbrechen.", prustete Katie, griff nach der Hand von Lee und zog ihn hinter
sich her auf die Tanzfläche.
„Sie hat Recht.", sagte Alicia und auch sie ging mir Fred
zum Tanzen.
„Jetzt wissen wir immer noch nicht, ob Lee die Wahrheit
gesagt hat.", grinste Ginny.
„Ich kann mir Snape nicht beim Tanzen vorstellen.",
erwiderte Harry.
„Die McGonagall aber genauso wenig.", fügte Ron respektlos
hinzu.
„Und zusammen ist die Vorstellung irgendwie . . .
gräußlich.", schloss Ginny mit einem leicht angeekelten Gesichtsausdruck.
„Nehmt doch mal an, sie haben sich gesucht und gefunden.
Gönnt ihnen doch ihr Glück!", forderte Hermine.
Drei ungläubige Augenpaare sagen sie an.
„Du solltest ganz schnell von solchen Gedanken abgelenkt
werden.", stellte Ron fest und forderte Hermine erneut zum Tanzen auf.
„Jetzt sitzen wir hier wieder allein.", meinte Ginny.
„Tja, vielleicht sollten wir auch tanzen. Der Ball dürfte
bald vorbei sein.", entgegnete Harry.
Ginny nickte. Harry nahm ihre Hand und fühlte dabei ein warmes Kribbeln sein
Arm hinauf laufen.
Als sie auf der Tanzfläche angekommen waren, setzte ein
langsames Lied ein und obwohl es ihn sehr viel Überwindung kostete, zog Harry
Ginny an sich und schloss die Arme um ihre Taille. Er fühlte ihre Hände, die
sich um seinen Nacken legten und ihren Kopf, der sich gegen seine Schulter
sinken ließ und erkannte dabei Gefühle in sich, die er noch nie gespürt hatte.
Noch nicht einmal bei Cho.
Sein Herz raste und die Gedanken überschlugen sich in seinem
Kopf. Er schloss die Augen, um nicht die neugierigen Blicke der anderen Schüler
–vorzugsweise die der Weasleys und Hermines- mitbekommen zu müssen.
Es kam ihm so unwirklich vor. So irreal und zerbrechlich.
Als das Lied geendet hatte lösten sich die beiden
voneinander und ein Blick in ihre grauen Augen ließ Harry erschaudern.
„Gehen wir?", fragte sie leise, anscheinend unsicher, ob sie
das Richtige sagte.
Harry aber nickte, nahm ihre Hand und verließ mit ihr die
Große Halle.
Ginny fühlte die fragenden und interessierten Blicke der
anderen Schüler, die ihnen folgten, doch sie störte sich nicht daran.
Langsam gingen sie durch die Gänge. Sie schwiegen, doch
Ginny hatte sich noch nie so verbunden mit einem Menschen gefühlt wie in diesem
Moment.
Im Gemeinschaftsraum angekommen blieben sie vor der Treppe
stehen, die zu den Schlafsälen der Mädchen führte.
„Danke.", sagte Harry leise.
Ginny sah ihn erstaunt an. „Wofür?"
„Für diesen Abend.", antwortete er schlicht.
Sie lächelte kurz. „Dann muss ich dir ebenfalls danken. Es
war wunderschön."
Zögernd hob Harry die Hand und strich ihr vorsichtig eine
Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Hand verweilte in ihrem Nacken, sein Daumen
strich sanft über ihre Schläfe. Prüfend schaute er ihr in die Augen, suchte
nach einem Hinweis dafür, ob er das tun konnte, was er tun wollte.
Das Gefühl der Unsicherheit, das ihn selbst befiel,
versuchte er, zu ignorieren.
Als er neben der stummen Zustimmung in ihren Augen auch ein
ängstlichen Ausdruck lesen konnte, huschte ein kurzes, beruhigendes Lächeln
über sein Gesicht. Er hoffte zumindest, dass es ruhiger war, als er sich
fühlte.
Langsam beugte er sich zu ihr hinunter und sah noch, dass
sie die Augen schloss und den Kopf etwas in den Nacken legte. Dann schloss auch
er die Augen und ihre Lippen trafen sich zu einem scheuen, zaghaften Kuss.
Es war der erste Kuss seines Lebens und Harry hatte das
Gefühl, dass in seinem Magen ein kleines Feuerwerk explodierte. Schmetterlinge
schienen sich einen Weg aus seinem Körper zu suchen und dieses neue, aufregende
Gefühl, das sie und ihr Kuss in ihm auslösten, war einfach nur atemberaubend.
Nach wenigen Sekunden lösten sie sich jedoch wieder
voneinander und in ihren Augen konnte Harry eine so große Zuneigung lesen, dass
er darüber fast ein wenig erschrocken war.
Ginny lächelte ihn selig an und fuhr zärtlich über seine Wange. „Weißt du, dass
ich gar nicht glauben kann, dass das wahr ist?"
„Du kannst es ruhig glauben, es war kein Traum.", entgegnete
er leise.
Einen Moment lang spielte sie noch mit seinen Haaren, dann
stellte sie sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen weiteren Kuss auf
die Lippen.
„Gute Nacht.", flüsterte sie, wandte sich ab und stieg die
Treppe zu ihrem Schlafsaal nach oben.
Harry blieb stehen, sah ihr nach und versuchte zu
registrieren, was hier gerade geschehen war. Langsam machte er sich ebenfalls
auf den Weg zu seinem Schlafsaal und als er sich in sein Bett fallen ließ,
hatte sich ein glückliches Lächeln auf sein Gesicht gestohlen.
Mit dem Gedanken daran, sie morgen wieder in die Arme
schließen zu können, fielen ihm die Augen zu und er sank fast sofort in einen
ruhigen und tiefen Schlaf.
****
So, und wenn ihr mir jetzt ein kleines Review schreibt, wie ihr das Kapitel fandet, dann kriegt ihr auch ganz schnell das nächste *lieb guckt*
Grüßlis!
