Titel: Das letzte Geheimnis?; Kapitel 13
Disclaimer: Nein, mir gehört immer noch nichts.
Tut mir Leid, dass ihr so lange warten musstet! Aber in den letzten Wochen ging bei mir allesdrunter und drüber und ich kam einfach nicht zum Hochladen.
Allen, die mir und meiner Geschichte trotzdem treu
geblieben sind wünsche ich Frohe Weihnachten und viel Spaß mit dem nächsten
Kapitel!
****
„Aufstehen!"
Harry riss erschrocken die Augen auf und sah direkt in Rons
Gesicht. Nach ein paar Sekunden ließ er sich zurück in die Kissen sinken.
„Gott, musst du mich so erschrecken!", grummelte er verschlafen und fuhr sich
mit der Hand über die Augen.
Ron grinste. „Es ist elf Uhr, du Schlafmütze! Ginny wartet
unten auf dich."
Harry setzte sich auf und war plötzlich hellwach. „Was?"
Ron grinste noch mehr. „Nein, sie schläft auch noch. Ich
wollte dich nur wach kriegen."
Harry schleuderte ihm ein Kissen entgegen, das Ron aber nur
lachend auffing. „Komm schon, nicht sauer sein."
Harry warf ihm einen erbosten Blick zu und stand auf.
„Was ist denn nun zwischen euch beiden?", Ron konnte seine
Neugier nicht länger zurückhalten.
„Was soll schon sein?", wich Harry aus, während er ins
Badezimmer schlurfte.
Ron folgte ihm auf den Fersen. „Seid ihr zusammen?", drängte
er.
„Keine Ahnung.", erwiderte Harry und spritzte sich kaltes
Wasser ins Gesicht. Leicht belustigt registrierte er Rons ungläubigen Blick.
„Wie, keine Ahnung?"
Als Harry nichts darauf antwortete runzelte Ron die Stirn.
„Habt ihr euch wenigstens geküsst?"
„Weißt du, dass du echt nervig sein kannst?", fragte Harry
zurück, doch die Röte, die sich über sein Gesicht legte, verriet ihn und Ron
grinste.
„Mehr wollte ich gar nicht wissen.", erklärte er
selbstzufrieden.
Nach weiteren zehn Minuten, in denen Ron zwar nichts mehr
gesagt hatte, Harry durch sein stetiges Grinsen aber schon mehr oder weniger
entnervt war, gingen die beiden nach unten in den Gemeinschaftsraum.
Hermine wartete dort bereits auf sie. „Guten Morgen!", sagte
sie fröhlich.
Harry und Ron erwiderten ihren Gruß und setzten sich zu ihr
vor den Kamin.
„Was machen wir heute?", fragte Ron.
„Ich denke, wir sollten anfangen, uns um Sorcery zu kümmern.
Es wird langsam Zeit, dass wir herausfinden, warum er deine Narbe zum Schmerzen
bringt.", erklärte Hermine ernst, während sie Harry ansah.
Harry nickte. „Aber ich hab keine Ahnung, wo wir etwas über
ihn finden könnten."
„Das hatten wir bis jetzt noch nie.", stellte Ron trocken
fest.
In diesem Moment trat Ginny in den Gemeinschaftsraum und
ließ suchend den Blick schweifen. Als sie Harry sah, huschte ein kurzes Lächeln
über ihr Gesicht, doch ihre Schritte auf ihn zu waren zögerlich. Harry stand
auf und ging langsam auf sie zu. Sie trafen sich in der Mitte des Raums und
obwohl natürlich jeder vorgab, etwas anderes zu tun, war die Aufmerksamkeit
aller Anwesenden auf die beiden gerichtet.
„Morgen.", sagte Harry leise.
„Morgen.", erwiderte Ginny und schaute zu ihm auf.
Harry legte kurz die Stirn in Falten, lächelte schließlich
und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Als sie sich nicht dagegen wehrte,
schloss er seine Finger um ihre Hand und ging mit ihr zusammen zu Hermine und
Ron zurück.
„Na endlich!", stöhnte Ron grinsend, als die beiden sich
setzten.
Hermine lächelte nur wissend.
„Was machst du heute, Ginny?", fragte Ron seine Schwester.
„Ich muss mit Michelle zu Hagrid. Wir haben uns
bereiterklärt, ihm bei der Vorbereitung unseres nächsten Themas zu helfen.",
erklärte sie.
„Was macht ihr denn?", wollte Hermine wissen.
„Wir werden demnächst Einhörner behandeln. Und Hagrid möchte
eines zur Demonstration fangen. Dummerweise ist er aber keine weibliche
Jungfrau.", sagte Ginny grinsend und warf Harry einen frechen Blick zu.
Harry lächelte zurück und wollte gerade etwas erwidern, als
auch schon die Stimme von George ertönte. „Wer weiß, wie lange du das noch
bist, kleine Schwester."
Ginny sah ihren Bruder, der sich mit Fred und Lee im
Schlepptau zu ihnen gesellte, gespielt böse an, konnte sich aber ein Lächeln
nicht verkneifen. „Tja, wer weiß das schon.", entgegnete sie spitz und lehnte
sich demonstrativ noch etwas mehr an Harry, der einen Arm um sie gelegt hatte.
So gingen die Frotzelein weiter, bis sich das Gespräch Ron
und Hermine zuwandte.
„Und was ist mit unserem jüngsten Bruder?", fragte Fred interessiert.
Ron wurde rot. „Nichts.", wehrte er ab.
Die anderen grinsten.
„Lass dich nicht ärgern", begann Hermine, „wenn sie sich
noch ein bisschen gedulden, bekommen sie vielleicht sogar das, was sie wollen."
Ron und die anderen sahen sie ungläubig an.
„Ich denke, wir sollten jetzt zum Mittagessen gehen.", warf
Harry ein. Wenn man diesen letzten Satz von Hermine so in der Luft stehen ließ,
würde das für die weitere Beziehung zwischen ihr und Ron vielleicht gar nicht
so schlecht sein.
Die anderen stimmten ihm zu und so begaben sich die Sieben
in die Große Halle. Die Halle war noch ziemlich leer, was daran lag, dass sich
die Schüler die Zeit ihres Mittagessens an den Sonntagen selbst aussuchen
konnten, soweit diese Zeiten zwischen zwölf und zwei Uhr lagen.
Als Harry, Ron und Hermine fertig gegessen hatten, machten
sich die Drei auf den Weg in die Bücherei. Natürlich nicht, ohne dass sich
Harry von Ginny verabschiedet hatte, die sich in der Einganshalle von ihnen
trennte, um mit ihrer Freundin Michelle zu Hagrid zu gehen, und ohne dass das
bei Ron theatralische Seufzer zur Folge hatte.
„Welch ein herzzerreißender Abschied!", seufzte er laut und
erntete dafür einen vernichtenden Blick von Harry.
Als sie in der Bibliothek angekommen waren, setzten sie sich
an ihren üblichen Tisch und Hermine ging zu einem Pult, auf dem Pergamente und
Federn für alle Schüler zugänglich aufbewahrt waren.
„Also, was haben wir?", fragte sie, während sie sich setzte
und das Pergament vor sich entfaltete.
„Meine Narbenschmerzen und seine Ähnlichkeit mit mir.",
antwortete Harry.
Hermine schrieb und sah dann nachdenklich auf. „Vielleicht sollten wir uns
Bücher suchen, die von dir und deiner Vergangenheit handeln.", schlug sie vor.
„Aber warum sollte er mit meiner Vergangenheit zu tun haben?
Gibt es Bücher über Durmstrang?", erwiderte Harry.
„Bestimmt, aber . . . was sollte uns das nützen?", fragte
Hermine stirnrunzelnd.
„Sorcery war auf Durmstrang. Wenn wir schon keine Ahnung
haben, welche Bücher wir lesen könnten, damit wir etwas über ihn selbst
rausfinden, sollten wir wenigstens wissen, was er uns an Wissen voraushat.",
erklärte Harry.
„Kenne deine Feinde so gut wie dich selbst.", sinnierte Ron.
Harry nickte.
„Gut.", sagte Hermine entschlossen. „Fangen wir an."
Die Drei arbeiteten sich den gesamten Nachmittag durch die
verschiedensten Bücher und hatten zum Schluss das Gefühl, absolut nichts mehr
in ihre Köpfe hinein zu bekommen.
„Ich glaube mittlerweile wirklich, jedes Buch hier gelesen
zu haben. So oft wie dieses Jahr waren wir noch nie in der Bibliothek. Und das
Jahr ist noch nicht mal vorbei!", stöhnte Ron, als sie die Bücherei verließen,
um zum Abendessen zu gehen.
„Und wir haben noch nicht mal wirklich etwas
herausgefunden.", fügte Harry hinzu.
Es stimmte. Durmstrang schien wirklich ein großes Geheimnis
um alles zu machen, was dort vor sich ging. Nirgendwo wurde der Ort, an dem die
Schule sich befand, auch nur ansatzweise erklärt, nirgendwo wurde erwähnt, was
die Schüler wirklich lernten. Abgesehen von Umschreibungen wie Alles was ein
Zauberer wissen muss und Methoden für Selbstverteidigung und Angriff hatten
sie nichts gefunden.
„Man könnte meinen, sie hüten ein Staatsgeheimnis.", schloss
Hermine. Auch sie war etwas enttäuscht über ihr mageres Ergebnis.
Der Tag endete schließlich mit einer Stinkbombe, die Fred
und George versehentlich in der Großen Halle hatten fallen lassen, worauf an
Essen natürlich nicht mal mehr zu denken war. Die Zwillinge wurden zum Direktor
gerufen, bekamen Strafarbeiten, die sich gewaschen hatten und begegneten im
Gemeinschaftsraum der Gryffindors schadenfrohen Blicken.
Sie hatten zwar alle etwas gegessen –die Haushelfen schickten die Mahlzeit
einfach in die Gemeinschaftsräume- doch wirklich Mitleid hatte niemand mit den
beiden.
Nach einer Partie Schach zwischen Hermine und Ron, in der
Hermine dieses Mal nur haarscharf verloren hatte und nachdem er und Ginny sich
endlich voneinander hatten losreißen können, ging Harry mit Ron in den
Schlafsaal.
„Morgen finden wir bestimmt was.", murmelte Ron, schon halb
im Schlaf versunken.
Harry antwortete ihm nicht. Ein Gedanke schlich sich wieder
in seinen Kopf und er fragte sich, ob er Hermine und Ron etwas davon erzählen
sollte. Doch als er immer mehr von Müdigkeit übermannt wurde, beschloss er, das
Nachdenken auf morgen zu verlegen.
****
Als Harry am nächsten Morgen aus dem Badezimmer kam und sich gerade einen
Pullover über den Kopf ziehen wollte, fiel sein Blick durch das Fenster nach
draußen.
Es war zwar, wie in den letzten Tagen auch, bewölkt, doch
etwas schien anders zu sein. Es war dunkler als sonst, das Licht wirkte stumpf.
Stirnrunzelnd ging Harry ans Fenster, schaute nach draußen und seine Augen
weiteten sich.
Es hatte geschneit! Über Nacht war die Umgebung von Hogwarts
in eine weiße, märchenhafte Welt verwandelt worden! Alles schien wie mit
Zuckerguss überzogen und immer noch rieselten leise Schneeflocken vom Himmel.
Und das am zweiten November! Harry konnte sich nicht erinnern, dass es schon
jemals so früh geschneit hatte.
Er ging zu Ron und schüttelte ihn an der Schulter. „Ron,
wach auf! Es hat geschneit!", sagte er drängend und nach ein paar Sekunden
öffnete Ron unwillig die Augen.
„Was? Harry, du träumst, lass mich weiterschlafen.",
murmelte er unwillig und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
„Erstens beginnt der Unterricht in einer Dreiviertelstunde
und zweitens träume ich nicht! Guck aus dem Fenster!"
Ron warf ihm einen sauren Blick zu, schlug die Bettdecke
zurück und tapste zum Fenster. „Wenn du das jetzt nur gesagt hast, damit . .
.", er unterbrach sich selbst, als er aus dem Fenster sah. „Es hat ja wirklich
geschneit!", stieß er aus.
„Was hab ich gesagt?", entgegnete Harry.
„Aber es ist doch erst Anfang November!"
„Vielleicht wird's dann nächstes Jahr früher warm.", mutmaßte
Harry. „Jetzt los, zieh dich an! Wir müssen zum Frühstück. Ich geh schon mal
nach unten."
Jetzt grinste Ron. „Siehst du Ginny heute sonst nicht mehr?"
Harry ignorierte seinen letzten Satz und verließ den Schlafsaal.
****
Nach dem Frühstück machten sich die Drei auf den Weg zu den Kerkern.
„Sag mal, hast du die Hausaufgaben verstanden, die Snape uns
aufgegeben hat?", fragte Ron.
Harry schüttelte den Kopf. „War mir zu hoch. Ich weiß immer
noch nicht, warum dasselbe herauskommt, wenn man Spinnen-Ragwurz mit
Sumpf-Porst und die Schachblume mit Dingel verbindet."
„Dann weißt du ja genauso viel wie ich.", atmete Ron
erleichtert auf.
Hermine sah sie vorwurfsvoll an. „Warum habt ihr mich denn
nicht gefragt?"
„Du lässt uns ohnehin nicht abschreiben.", entgegnete Ron.
„Ich hätte es euch aber erklären können."
„Lass mal, Hermine. Hauptsache ich weiß, dass dasselbe
rauskommt. Was interessiert es mich warum?"
Harry grinste bei dem säuerlichen Gesicht, das Hermine
daraufhin zog.
Als sie beim Klassenraum für Zaubertränke angekommen waren,
war die Tür bereits geöffnet.
Die Drei betraten den Raum und setzten sich auf ihre üblichen Plätze.
„Und was macht ihr, wenn ihr für den Trank heute wissen
müsst, warum die vier Pflanzen dasselbe ergeben?", wollte Hermine wissen.
Ron sah sie strafend an. „Das werden wir nicht."
Hermine runzelte abschätzig die Stirn, sagte aber nichts
mehr.
In diesem Moment betrat Snape den Klassenraum. Seine kalten
Augen schweiften einmal über die Schüler.
„Wir werden heute einen Trank brauen, dessen Wirkung zwar
erdenklich einfach ist, die Herstellung es allerdings im Entferntesten nicht
ist. Ich bezweifle, dass in dieser Klasse auch nur zwei Schüler ein
befriedigendes Ergebnis erzielen werden.", sagte er mit seiner öligen Stimme.
Großartige Motivation, dachte Harry sarkastisch, hütete sich
aber, es laut zu sagen.
Snape hatte mittlerweile begonnen, die Zutaten des Trankes
an die Tafel zu schreiben. Es sollte ein Geburtentrank werden. Sobald man
jemandem den Trank verabreichte, erkannte man, wann diese Person geboren wurde.
„Und was soll uns das bringen?", murrte Ron leise, als er
sich mit Harry die Zutaten und ihre Kessel aus dem Regal holte.
Harry zuckte die Schultern. „Frag doch Snape. Wahrscheinlich
wird er uns mal wieder beweisen wollen, was für Schwachköpfe wir sind."
Ron grinste. „Und wahrscheinlich wird er damit mal wieder
Erfolg haben."
Auch Harry grinste. „So sieht's aus."
Der Trank sollte am Ende eine pinkfarbene, leicht ins
gelblich gehende Farbe haben. Nachdem sein Trank allerdings den Ton eines
schlammigen Grüns hatte, nahm Harry an, dass er etwas falsch gemacht hatte.
Er spähte zu Ron hinüber. Dessen Trank sah auch nicht viel
besser aus und er wandte sich Hermine zu.
Ihr Trank hatte –soweit Harry das beurteilen konnte- die
richtige Farbe. Vielleicht eine Spur zu gelb, aber immerhin.
Snape war wir üblich durch die Reihen gegangen und hatte
nicht mit abfälligen Kommentaren gespart. Jetzt stand er wieder hinter den drei
Freunden und sein gehässiges Gesicht sprach Bände.
„Ich sagte ja, dass so gut wie niemand einen einwandfreien
und einsatzbereiten Trank zustande bekommen würde.", spottete er.
Dann ging er wieder nach vorne zu seinem Pult und ignorierte
die Tatsache, dass Hermines Trank beinah richtig war.
„Der Einzige, der ein richtiges Ergebnis erzielt hat, ist
Mister Sorcery. Kommen sie bitte mit einer Phiole voll von ihrem Trank nach
vorne.", forderte Snape und beinah sofort hallten die Schritte Sorcerys durch
den Kerker.
Im Vorübergehen streifte er kurz wie zufällig Hermine Arm,
worauf diese erneut einen Schauder über ihren Rücken rieseln fühlte.
„Trinken Sie es, Mister Sorcery.", forderte Snape, als der
Slytherin vorne angekommen war.
Sorcery führte die Phiole an die Lippen und schluckte den Inhalt. Nach wenigen
Sekunden löste sich aus seiner Brust ein durchscheinender Rauch, der sich
langsam zu den Ziffern 31.7.1980 bildete.
Harry sah ihn daraufhin entsetzt an und auch Ron und Hermine
neben ihm warfen Sorcery fassungslose Blicke zu.
„Nun, wie ihr seht, ist sein Geburtstag am 31. Juli 1980.
Stimmt das, Mister Sorcery?", fragte Snape, der die schockierten
Gesichtsausdrücke der drei Gryffindors nicht bemerkt hatte.
„Es ist vollkommen korrekt.", erwiderte Sorcery beinah
spöttisch.
„Fünfzehn Punkte für Slytherin. Sie können sich wieder
setzen."
Sorcery setzte sich wieder und nachdem die Schüler alles
wieder säuberlich aufgeräumt hatten, konnten sie den Kerker für heute
verlassen.
„Er hat am selben Tag Geburtstag wie du!", zischte Ron
leise, als sie die Treppen nach oben stiegen.
„Ich weiß es.", gab Harry angespannt zurück. Doch diese
Tatsache beunruhigte ihn mehr als er zugeben wollte.
„Ihr müsst etwas miteinander zu tun haben, eine
andere Möglichkeit gibt es jetzt gar nicht mehr.", stellte Hermine fest.
„Aber was sollen wir denn miteinander zu tun haben?", fragte
Harry, während sie zum Klassenraum für Zauberkunst
gingen.
„Wer sagt denn, dass Sorcery nicht mit dir verwandt sein
könnte?", fragte Ron plötzlich und bekam zwei ungläubige Blicke geschenkt.
„Ich habe keinen Bruder.", erklärte Harry.
„Das weißt du doch nicht. Deine Mutter muss ja nicht
gleichzeitig auch seine Mutter sein."
Harry sah ihn unbehaglich an. Jetzt war eigentlich der
Zeitpunkt, an dem er mit seinen Gedanken von gestern Abend herausrücken sollte.
Hermine bemerkte seinen Blick und sah ihn forschend an. „Was
ist los?"
„Ich müsste euch eigentlich noch etwas sagen.", begann er.
„Was denn?", drängte Ron.
Harry wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Hermine ihn
unterbrach: „Ist das etwas, worüber wir nachdenken müssen?"
Harry nickte.
„Dann erzähl es uns nach dem Mittagessen in der
Bibliothek.", forderte sie.
Ron starrte sie ungläubig an. „Du willst bis dahin warten?"
Hermine sah ihn spitz an. „Es ist ja nicht jeder so
ungeduldig wie gewisse andere Personen."
„Sie hat eigentlich Recht. Es ist besser, wenn wir später
darüber reden.", lenkte Harry ein.
Ron schnaubte. Doch er hatte keine Wahl. Er musste warten.
****
Nach dem Mittagessen begaben sich die Drei zum wiederholten Mal in die
Bibliothek.
Zuvor hatte Harry zehn Minuten gebraucht, um Ginny zu erklären, dass er den
Nachmittag nicht mit ihr verbringen konnte, was allerdings nicht daran gelegen
hatte, dass Ginny es nicht verstand.
Ron und Hermine hatten sich diskret in den Hintergrund
verzogen und erlaubten sich nur ein Lächeln, als Harry etwas außer Atmen zu
ihnen stieß.
„Können wir?", fragte Harry unschuldig.
„Wir haben nicht so lang gebraucht.", entgegnete Hermine,
doch sie lächelte nachsichtig.
Sie setzten sich in der Bücherei an ihren Stammplatz, was
ihnen einen misstrauischen Blick von Madam Pince einbrachte. Mittlerweile
wusste auch die Bibliothekarin, dass die Drei meist etwas ausheckten, wenn sie
so viel Zeit hinter Büchern verbrachten.
„Bevor wir uns dem eigentlichen Thema zuwenden: hast du vor,
Ginny alles zu erzählen?", fragte Hermine ernst.
„Was zu erzählen?", fragte Harry zurück.
Hermine wandte sich kurz um, um sich zu überzeugen, dass sie
nicht belauscht wurden. „Dass du der Sohn von Du-weißt-schon-wem bist."
„Ich weiß es nicht.", seufzte Harry nach ein paar Sekunden.
„Du solltest es ihr sagen. Sie wird es schon verkraften. Und
sie hat es verdient, die Wahrheit zu kennen.", sagte Ron.
Harry schwieg einen Moment. „Ihr habt Recht. Aber . . . ich
sollte auf den richtigen Moment warten.", erklärte er.
Ron und Hermine nickten.
„Und jetzt zu dem, was du uns schon heute morgen erzählen
wolltest.", forderte Ron.
Harrys Augen überzog wieder jener unbehagliche Ausdruck.
Doch er hatte angefangen und musste das jetzt zu Ende bringen.
„Ich habe euch etwas über Sorcery noch nicht gesagt.", fing
er zögerlich an.
Seine beiden Freunde sahen ihn neugierig und gespannt an.
„Erinnert ihr euch an das erste Mal, als wir ihn gesehen
haben?"
Die beiden nickten.
„Bei der Auswahl.", sagte Ron.
„Genau. Als ich ihn damals gesehen habe, hat er mich an
jemanden erinnert. Da war etwas in seinen Augen, in seinem Gesichtsausdruck,
das . . . er hat mich . . . er hat mich an Voldemort erinnert."
Stille.
„Was?", flüsterte Ron ungläubig.
„Ja. Es war dieses Kalte und Gewissenlose in seinem Blick.
Und seine Art, mit anderen umzugehen erinnert mich an Tom Riddle. Als ich ihm
in der Kammer des Schreckens gegenüberstand, hatte er genau denselben Ausdruck
in den Augen und in seinen Gesten, den Sorcery manchmal hat."
„Aber dann . . . dann hab ich . . .", stotterte Ron, doch er
wurde von Hermine unterbrochen, die sich gegen die Stirn schlug.
„Was ist denn?", fragte Harry erstaunt.
„Ich wusste, ich hab was vergessen! Ich bin nur nicht darauf
gekommen, was es ist! Ich bin gleich wieder da.", stieß sie aus und war fast im
selben Augenblick verschwunden.
„Was hat sie denn jetzt?", fragte Ron.
„Wahrscheinlich ist ihr was eingefallen.", schätze Harry.
„Wenn Sorcery wirklich was mit Du-weißt-schon-wem zu tun
hat, dann . . . du weißt doch, was das bedeutet, oder?", begann Ron nach ein
Weile.
Harry sah ihn ausdruckslos an, doch er wusste, was Ron
meinte.
Kurze Zeit später kam Hermine zurück, sie hatte ein Buch in
der Hand, das sie nun vor Harry und Ron auf den Tisch legte.
Hogwarts – Eine Geschichte, war auf dem Buchrücken zu
lesen.
Ron stöhnte. „Hermine, bekommst du denn aus diesem Buch auf
alles eine Antwort?"
Hermine lächelte nicht. „Wenn ich mit meiner Vermutung Recht
habe – und ich weiß, wie wir herausfinden, ob ich Recht habe – dann ist Sorcery
dein Bruder, Harry. Dann seid ihr beide Söhne von Du-weißt-schon-wem."
„Ich hab's doch gesagt.", triumphierte Ron nach ein paar
Sekunden. Doch er klang nicht sehr erfreut darüber.
„Wie hast du das jetzt herausgefunden?", fragte Harry mit
nüchterner Stimme.
„In diesem Buch wird jeweils ein Kapitel den vier Gründern
von Hogwarts gewidmet. Es hat etwas mit Salazar Slytherin zu tun.", begann
Hermine.
Natürlich, Slytherin, wer auch sonst, dachte Harry
resigniert.
„Was ist mit ihm?", fragte Ron ungeduldig.
„In dem Kapitel über ihn heißt es, er habe Visionen gehabt,
zum Beispiel eine über zwei Nachkommen von Du-weißt-schon-wem. Es wird zwar
nicht näher auf dieses Thema eingegangen, doch es wird auf ein Buch verwiesen,
in dem man genaueres nachlesen kann.", erklärte Hermine.
„Wo ist dieses Buch?", fragte Harry sofort.
„Genau das ist das Problem. Ich gehe zwar davon aus, das wir
dieses Buch hier finden würden, doch wenn, dann steht es in der Verbotenen
Abteilung."
„Moment mal, das geht mir etwas zu schnell. Slytherin war
ein Wahrsager?", fragte Ron irritiert.
„Nicht direkt.", antwortete Hermine. „Er hatte manchmal
Visionen, machte Prophezeiungen für die Zukunft, die dann tatsächlich
eingetroffen sind."
„Ich wusste schon immer, dass er krank im Kopf war.",
stellte Ron trocken fest.
„Wie kommen wir an dieses Buch?", warf Harry ein.
„Wir bräuchten einen Lehrer, der uns die Erlaubnis gibt.
Aber das Buch enthält teilweise sehr fortgeschrittene Schwarze Magie. Kein
Lehrer würde uns die Genehmigung erteilen.", entgegnete Hermine.
„Dann holen wir es ohne Genehmigung.", beschloss Harry, als
wäre es die einfachste Sache der Welt.
„Wollen wir nicht doch erst versuchen . . .", wandte Hermine
ein. Als Vertrauensschülerin hatte sie eigentlich vorgehabt, die Regeln nicht
mehr zu brechen.
„Ich will dieses Buch.", unterbrach Harry seine Freundin und
Hermine wagte es trotz seiner glitzernden Augen, ihm zu widersprechen:
„Dann frag' die Trelawney. In ihrem benebelten Zustand wird
sie dir die Erlaubnis bestimmt unterschreiben."
Harry schien einen Augenblick nachzudenken. „Gut, ich geh
sie fragen."
„Jetzt?", erwiderte Ron verblüfft.
„Ja, jetzt. Ich will wissen, ob Hermine Recht hat. Ob er wirklich
mein Bruder ist."
Ob dem entschlossenen Ausdruck in seinem Gesicht sagten Ron
und Hermine nichts mehr.
Noch einen Augenblick sah Harry seine beiden Freunde an,
dann stand er auf und verließ die Bibliothek.
„Das muss ihm echt nahe gehen.", stellte Ron mitfühlend
fest.
„Was würdest du tun, wenn du nach fünfzehn Jahren erfährst, dass du einen Bruder hast?"
****
Harry ging gedankenverloren durch die Flure von Hogwarts. Konnte es wirklich
wahr sein? Sorcery, sein Bruder? Und dann auch noch Teil einer Prophezeiung
Slytherins? Er fuhr sich mit den Fingern über seine Narbe. Wenn er wirklich
Teil einer Prophezeiung war, warum hatte Voldemort dann versucht ihn zu töten?
Es ergab einfach keinen Sinn.
Er stieg die Wendeltreppe zum Nordturm hinauf und stand
schließlich unter der Falltür, aus der Professor Trelawney am Anfang der
Stunden immer die kleine Leiter herunter ließ. Doch die Falltür war
verschlossen. Suchend blickte Harry sich um. Irgendwie musste er sich bemerkbar
machen.
Sein Blick fiel auf eine Stelle an der runden Turmwand. Dort
hing ein seltsames Gebilde und Harry ging langsam darauf zu. Es schien die Erde
darzustellen, doch es drehten sich nicht die Erde und die anderen Planeten um
die Sonne, alles drehte sich um die Erde.
Sie ist der Mittelpunkt des Universums, dachte Harry
sarkastisch.
Dann betrachtete er das seltsame Modell weiter. Es schien aus purem Gold zu sein. Am unteren Pol der Erde hing eine Schnur und Harry wagte es, daran zu ziehen. Nacheinander schlugen nun die Planeten an die Erde und verursachten somit Töne, die ihn ihrer Gesamtheit eine hohe und schrille Melodie ergaben.
Beinah sofort ging daraufhin die Falltür auf und die rauchige Stimme Professor
Trelawneys ertönte. „Wer möchte mich in meiner Einsamkeit besuchen?"
„Ähm . . . Harry Potter, Professor.", sagte Harry.
Ohne ein weiteres Wort wurde die Treppe hinunter gelassen
und Harry stieg vorsichtig nach oben.
Sofort, als er die Dachkammer betrat, wurde er beinah
erschlagen von der drückenden Wärme und dem aufdringlichen Gestank von Parfüm,
der ihm entgegen kam.
Auf ihrem üblichen Sessel am Kamin saß die Lehrerin für
Wahrsagen. Ihre durch die Brillengläser riesig wirkenden Augen sahen ihn ein
wenig entrückt an und die Armreife an ihrem Handgelenk klirrten, als die sie
Hand zum Gruß hob.
„Harry, mein Lieber. Setz dich und sage mir, was du von mir
zu erfahren wünschst."
Harry, der sich nach zwei Jahren an die seltsame Sprachweise
von Professor Trelawney gewöhnt hatte, ließ sich auf eines der roten
Sitzpolster nieder, die um die vielen kleinen Tische im Raum verteilt waren.
Er sandte einen hilfesuchenden Blick zum Fenster und sehnte
sich nach ein wenig frischer Luft, doch er ließ sich nicht anmerken, wie schwer
ihm das Atmen fiel. Stattdessen sah er die Professorin offen an und sagte:
„Ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, mir ein Buch aus
der Verbotenen Abteilung der Bibliothek ausleihen zu dürfen."
Professor Trelawney sah ihn mit einem seltsamen
Gesichtsausdruck an. „Eine Tasse Tee?", fragte sie.
Harry war ein wenig verwirrt von ihrer Frage, doch bei dem
Gedanken an einen heißen Tee, wo ihm ohnehin schon viel zu warm war, brauchte
er nicht lange zu überlegen und lehnte dankend ab.
„Tee kann uns helfen, unser inneres Gleichgewicht
wiederzufinden.", erklärte die Lehrerin und schenkte sich in eine ihrer
rosafarbenen Tassen ein wenig Tee ein.
„Um auf deine Frage zurückzukommen,", begann Professor
Trelawney nach einer Weile, „natürlich ist es eine schwerwiegende Entscheidung,
die ich treffen müsste, um dir dieses Buch zu gestatten. Um welches Buch
handelt es sich?"
Harry machte ein ein wenig dümmliches Gesicht. Er hatte
keine Ahnung, welchen Titel das Buch trug. „Äh . . . es handelt von
Prophezeiungen.", wich er deshalb aus.
„Prophezeiungen? Welcher Art?", die Professorin schien mit
einem Mal wirklich interessiert.
„Sie handeln von Salazar Slytherin."
„Ah, Slytherin. Beinah ein Urvater aller Propheten.
Zumindest hielt er sich dafür."
„Würden Sie es mir gestatten?", drängte Harry.
„Ich würde es gerne tun, mein Lieber. Doch zunächst muss ich
wissen, was du dir von diesem Buch versprichst.", forderte Professor Trelawney.
Harry suchte fieberhaft nach einer Antwort. „Ich . . .
möchte gerne mehr
über . . . die Hintergründe des Wahrsagens erfahren. Und wenn Sie von Slytherin
als dem Urvater sprechen . . ."
„Hast du in letzter Zeit Pfefferminzbonbons gegessen?",
erkundigte sich die Lehrerin zusammenhangslos.
Harry starrte sie an. „Nein.", erwiderte er tonlos. Wie
hatte er nur jemals glauben können, diese Angelegenheit würde normal ablaufen?!
„Du solltest es auch in nächster Zeit nicht tun. Ein Tod
durch Ersticken ist kein schöner Tod. Und wir haben noch so viel von dir zu
erwarten."
„Gut, ich werde mich daran halten, aber . . . das Buch . .
.", Harrys Satz blieb in der Luft hängen. Diese Frau mit ihrem seltsamen Blick
war wirklich anstrengend.
„Das Buch, sicher. Ich möchte dir etwas über die Gründer
erzählen. Es ist wirklich interessant und du solltest es wissen, wenn du dich
mit Salazar beschäftigst, der sicherlich der Faszinierendeste der Vier war."
Die nächsten Stunden durfte Harry sich die Vorträge
Professor Trelawneys darüber anhören, wie Slytherin, Gryffindor, Ravenclaw und
Hufflepuff sich kennen lernten, wie sie Hogwarts gründeten und wie schon von
Beginn an eine Feindschaft zwischen Gryffindor und Slytherin herrschte.
„Noch heute entzweit diese Fehde die beiden Häuser.
Überlieferungen zufolge stritten Salazar und Godric sich um Rowena Ravenclaw,
die intelligente und schöne Gründerin vom Hause des Adlers. Doch mein Inneres
Auge sagt mir, dass da mehr war zwischen den beiden Gegnern. Eine uralte
Prophezeiung, so heißt es, verstörte Godric und ließ ihn Salazar misstrauen."
Harry war in der Zwischenzeit in eine Art Halbschlaf
versunken. Ihm war schwummerig im Kopf und vor seinen Augen drehte sich bereits
alles. Bis zu diesem Augenblick. Als Trelawney anfing, von der Prophezeiung zu
sprechen, schreckte er auf und sah der Lehrerin ins Gesicht.
„Was war es für eine Prophezeiung?", fragte er angespannt.
„Das weiß niemand, mein Lieber.", sinnierte sie.
Harry rollte unmerklich die Augen zur Decke. Er hatte jetzt
endgültig genug. „Würden Sie mir die Erlaubnis unterschreiben, Professor? Ich
muss noch meine Hausaufgaben für Verwandlung erledigen."
„Die Erlaubnis, wie wahr. Sicher mein Junge.", sie nahm ein
Stück Pergament zur Hand und schrieb etwas darauf. Anschließend setzte sie ihre
Unterschrift darunter und reichte es Harry.
„Ich denke, deiner Beteiligung um Unterricht und der Schulung deines Inneren
Auges wird dieses Buch sehr gut tun."
Harry beeilte sich, ihr zu danken und verließ dann sehr
erleichtert das stickige Turmzimmer.
Als er auch die Wendeltreppe nach unten gestiegen war, atmete er einmal tief
durch und sah auf seine Uhr. Er hatte den ganzen Nachmittag bei dieser
verrückten Schachtel verbracht und jetzt war die Bibliothek geschlossen. Er
fluchte unterdrückt und machte sich auf den Weg zum Abendessen in der Großen
Halle.
Am Tisch der Gryffindors erwarteten ihn bereits Ron, Hermine
und Ginny.
Harry begrüßte seine Freundin mit einem Kuss und setzte sich
neben sie.
„Wo warst du so lange?", fragte Hermine.
„Die Trelawney hat mir stundenlange Monologe über die
Gründer von Hogwarts gehalten. Nach einer halben Stunde hab ich aufgehört, ihr
zuzuhören.", antwortete Harry.
„Erst nach einer halben Stunde?", wollte Ron wissen, während
er die Augenbrauen in die Höhe zog.
„Was wolltest du denn bei ihr?", fragte Ginny.
„Ich brauchte die Erlaubnis für ein Buch aus der Verbotenen
Abteilung."
„Hast du sie bekommen?"
Harry nickte, worauf Ron und Hermine zu strahlen begannen.
„Sie hat mir auch von einer Prophezeiung erzählt, die
Slytherin angeblich gemacht hat und woraufhin Gryffindor ihm misstraute. Ihrem Inneren
Auge zufolge haben sich die beiden Häuser auch deswegen entzweit.", die
Ironie in Harrys Stimme war kaum zu überhören.
„Hat sie dir auch wieder den Tod vorausgesagt?", erkundigte
sich Hermine spöttisch.
„Ja.", antwortete Harry trocken – und nahm sich ein Pfefferminzbonbon.
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Nach dem Abendessen hielt Ginny Harry in der Eingangshalle an der Hand zurück,
woraufhin Harry sie fragend ansah.
„Ich würde gerne einen Moment mit dir allein sein.", sagte
sie leise.
Harry lächelte und ließ sich von ihr durch ein paar wenige
Gänge in ein leeres Klassenzimmer ziehen.
Als Harry die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, trat Ginny
auf ihn zu und küsste ihn sanft auf den Mund.
„Darauf hab ich schon den ganzen Tag gewartet.", lächelte
sie und zog Harry mit sich.
Harry sah sie aufmerksam an, nachdem sie lachend gegen einen Tisch gestoßen
waren. „Du hast dich in den Ferien verändert, weiß du das?"
„Ich mochte meine langen Haare nicht mehr.", erwiderte sie
achselzuckend.
„Das mein ich nicht. Du bist . . . selbstbewusster
geworden."
Ginny lächelte erneut. „Ist das schlimm?"
Harry schüttelte den Kopf. „Nein. Ich frag mich nur, was
diese Veränderung herbeigeführt hat."
Ginny schwieg einen Moment. Ein undeutbares Funkeln stand in
ihren Augen. „Vielleicht bin ich eines Tages aufgewacht und habe mir gesagt,
ich mach mir nichts mehr aus Harry Potter. Vielleicht habe ich dann angefangen,
mit Lee Jordan Briefkontakt zu halten. Und vielleicht hat er mir dabei
geholfen, aus der scheuen kleinen Schwester deines besten Freundes das in
deinen Augen so veränderte Mädchen zu machen.", erklärte Ginny und strich ihm
über die Wange. Ihre Hand verweilte auf seinem Hinterkopf und sie zog ihn an
sich, um ihn zum wiederholten Male zu küssen.
Doch Harry wehrte sich dagegen. „Ginny, ich müsste dir noch
etwas sagen . . .", begann er, doch Ginnys Lippen auf den seinen unterbrachen
ihn.
„Nicht jetzt, bitte.", bat sie.
Und Harry gab sich geschlagen. Unter den sanften Berührungen
ihrer Finger in seinem Nacken und ihren fordernden Küssen wollte er nicht mehr
daran denken, was er ihr eigentlich sagen musste. Er legte seine Arme um Ginny
und zog sie dichter an sich, ohne den Kuss zu unterbrechen, der ihm langsam
aber sicher den Atem raubte.
Irgendwo in seinem Hinterkopf sagte eine Stimme, es sei kaum
zu glauben, dass dieses Mädchen erst vierzehn war, doch auch das drang nicht
mehr bis zu seinem vernünftigen Denken vor.
Und das aus dem einfachen Grund, weil sein vernünftiges Denken sich verabschiedet hatte.
****
Als Harry am nächsten Morgen zusammen mit Ron, Hermine und den anderen Schülern
in der Eingangshalle von Hagrid abgeholt wurden, um zum Unterricht Pflege
magischer Geschöpfe zu gehen, mussten sie sich zunächst über den
verschneiten Rasen kämpfen. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft und
ihre Nasen waren rot, bis sie bei Hagrids Hütte ankamen. Die Temperatur war in
den letzten drei Tagen unter den Nullpunkt gesunken, es war klirrend kalt. Der
Himmel war in düsteres Grau gekleidet, alles deutete darauf hin, dass es bald
wieder schneien würde.
Die drei Freunde hielten sich weiter hinten in der Gruppe
auf.
„Wo wart ihr beide gestern eigentlich noch so lange?",
fragte Ron seinen besten Freund leise, aber neugierig.
„Weg.", antwortete Harry knapp.
„Das haben wir auch gemerkt."
„Ron, lass ihn doch in Ruhe. Du kannst es dir doch ohnehin
vorstellen!", forderte Hermine genervt.
„Und das nach drei Tagen . . .", sagte Ron leicht
vorwurfsvoll.
Harry sah ihn sauer an. „Wir haben nicht . . .", fuhr er ihn
an, senkte dann jedoch seine Stimme. „Wir haben nicht das getan, was du
denkst!", fauchte er leise.
Ron hob beschwichtigend die Hände. „Ganz ruhig. War doch
nicht ernst gemeint."
Harry funkelte ihn noch einmal an, doch da sie jetzt bei
Hagrid angekommen waren, unterdrückte er jeden weiteren Kommentar.
„Da es nun geschneit hat, werden wir uns zunächst einem
anderen Thema zuwenden und die Demiguisen für eine Weile außer Acht lassen.",
begann Hagrid und die Klasse atmete unterdrückt auf. Ihnen allen waren die
affenähnlichen Tiere, mit denen sie die letzten Unterrichtseinheiten verbracht und
die sich ständig unsichtbar gemacht hatten, bereits auf die Nerven gegangen.
„Kann mir jemand sagen, welche Tiere nur beim ersten Schnee
eines jeden Jahres aus ihrem Schlaf erwachen?", fragte Hagrid.
Zu niemandes Verwunderung hob Hermine die Hand, doch auch
Parvati Patil meldete sich. Ob die Antwort jemandem von den Slytherins bekannt
war, war nicht herauszufinden. Sie boykottierten mittlerweile den Unterricht
und sagten nur dann etwas, wenn sie von Hagrid direkt angesprochen wurden.
„Parvati?"
„Ein Nivix.", antwortete sie.
„Sehr gut. Fünf Punkte für Gryffindor. Kann mir jemand
sagen, warum sie nur beim ersten Schnee ihre Höhlen verlassen?"
Wieder hob Hermine die Hand und diesmal war sie die Einzige.
„Hermine?"
„Sie ernähren sich von den ersten Schneeflocken, die von
Himmel fallen. Nachdem es aufgehört hat zu schneien, verschwinden sie wieder in
ihren Höhlen und schlafen bis zum ersten Schnee des nächsten Jahres. Außerdem
sind ihnen die Temperaturen im Herbst, Frühling und Sommer zu hoch."
„Sehr gut, weitere fünf Punkte für Gryffindor. Nun will ich
euch einen Nivix zeigen."
Hagrid verschwand kurz in seiner Hütte und kam mit einem
seltsamen Tier wieder zurück in den Garten.
Harry hörte, wie Malfoy ein kurzes Schnauben von sich gab,
doch er sagte nichts.
Ihr Boykott ist insoweit gut, dass Malfoy wenigstens nicht
seine dämlichen Kommentare abgibt, dachte Harry.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Tier zu, das
Hagrid an der Leine hielt. Es war etwa so groß wie ein normaler Feldhase und
sein Fell war weiß wie Schnee. Doch damit endeten die Ähnlichkeiten mir einem
Hasen auch schon wieder. Der Nivix hatte vier lange, dünne Beine, einen
riesigen runden Kopf mit abstehenden Ohren und das Gesicht schien nur aus einem
großen Mund mit dicken, fleischigen Lippen zu bestehen. Aus dem Kopf ragten
zwei glibberig aussehende Fühler, an deren Enden, ähnlich wie bei Schnecken,
rötlich-gelbe Augen saßen. Abgerundet wurde das Aussehen des Nivix mit einem
mindestens zwei Meter langen Schwanz, der ständig hin und her schlug.
Es war das mit Abstand hässlichste Tier, das Harry bisher
gesehen hatte. Und nach den Knallrümpfigen Krötern hatte er eigentlich
angenommen, es könnte nicht schlimmer werden.
Allerdings schien es immer noch eine Steigerung zu geben, wenn man bei einem
Mann Unterricht hat, der solche Monster heiß und innig liebte.
„Ich möchte euch bitten, herauszufinden, wie man diese Tiere
im Schnee finden kann.", forderte Hagrid.
„Aber . . . sie sind doch weiß, wie sollen wir sie im Schnee
finden?", fragte Dean Thomas.
„Genau das sollt ihr herausfinden.", erwidere Hagrid
vergnügt.
Harry sah, wie Hermine neben ihm die Augen gen Himmel
drehte, doch sie sagte nichts.
Als die Drei jedoch durch den Garten stöberten –immer unter
den wachsamen Augen Hagrids- konnte sie nicht mehr an sich halten: „Manchmal
frage ich mich wirklich, was Hagrid sich bei seinem Unterricht denkt."
„Es ist besser, als nach Affen zu suchen, die sich ständig
unsichtbar machen.", meinte Ron und schaute hinter einen Busch.
„Aber wenn du weißt, wie du es anstellst, machen sich
Demiguisen auch nicht unsichtbar! Und dann kann man mit ihnen wirklich was
anfangen! Diese Nivixe dagegen . . ."
„Hermine, sei doch einfach mal froh, wenigstens in einer
Stunde nichts lernen zu müssen."
Harry grinste.
Nach den folgenden zwei Stunden –sie hatten nicht
herausgefunden, wie man Nivixe im Schnee aufstöbert, all diejenigen, die ein
Tier gefunden hatten, waren mehr oder weniger durch Zufall darüber gestolpert-
brachte Hagrid die Slytherins zurück zum Schloss und begleitete dann die
Gryffindors zu ihrer nächsten Doppelstunde Kräuterkunde mit den Hufflepuffs.
Professor Sprout begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln.
Daraufhin lächelte ihr auch die Klasse entgegen, da zumindest die Gryffindors
hofften, wenigstens dieser Unterricht würde interessant werden.
Als sich aber herausstellte, dass sie Heilpflanzen für Madam
Pomfrey umtopfen mussten, verging ihnen das Lachen schnell wieder.
Vor allem, als sie erkannten, dass die Pflanzen sich sehr
dagegen sträubten, umgetopft zu werden. Sie bissen mit ihren bezahnten Blüten
nach den Schülern und schlugen mit den Blättern um sich, als verteilten sie
Peitschenhiebe.
„Viel schlimmer kann der Tag eigentlich nicht mehr werden.",
schnaufte Ron, während er sich mit einer widerspenstigen Blume abkämpfte.
Harry konnte ihm darin nur stillschweigend Recht geben.
****
Doch auch diese zwei Stunden vergingen und als der Gong zum Mittagessen
ertönte, wurden sie von Professor Sprout zur Großen Halle begleitet.
„Ich glaube, der Biss geht nie wieder weg.", stöhnte Ron und
betrachtete wehleidig seinen Daumen, in den eine Blume ihn gebissen hatte.
„Geh zu Madam Pomfrey.", riet Hermine.
„Damit ich einen ihrer bitteren Tränke schlucken muss?
Vergiss es!"
Hermine zog daraufhin ein beleidigtes Gesicht.
Sie setzen sich an den Gryffindortisch und taten sich
Spaghetti auf.
„Geheniriniebiliothek?", nuschelte Ron bald darauf mit
vollem Mund.
„Was?", fragte Harry und registrierte belustigt Hermines
leicht angewidertes Gesicht.
„Gehen wir in die Bibliothek?", wiederholte Ron.
„Natürlich gehen wir! Glaubst du, ich habe den Nachmittag
gestern umsonst bei der Trelawney verbracht?", entrüstete sich Harry.
Ron grinste. „Du bist wirklich zu bemitleiden", er klang
dabei nicht sehr glaubwürdig.
In diesem Moment setzte sich Ginny neben Harry, gefolgt von
ihrer Freundin Michelle, die sich neben Hermine setzte.
„Ich hasse Snape.", stieß Ginny aus.
Drei fragende Blicke waren die Antwort.
„Er hat Gryffindor dreißig Punkte abgezogen! Weil so
eine dämliche Hufflepuff-Tante Sean Sullivan ihren Trank über die Füße gekippt
hat! Sean hat daraufhin natürlich aufgeschrieen, der Trank war ja immerhin
heiß. Aber interessiert das Snape? Nein!", fauchte sie.
Sean Sullivan war ein Gryffindor aus Ginnys Jahrgangsstufe.
„Ist nicht so schlimm.", meinte Ron. „Uns zieht er auch
ständig Punkte ab."
„Geht es Sean wenigstens gut?", erkundigte sich
Hermine.
„Weiß ich doch nicht!", giftete Ginny.
„Snape hat ihm verboten, während des Unterrichts in den
Krankenflügel zu gehen. Er meinte, Sean solle sich nicht so anstellen.",
erklärte Michelle ruhig.
„Das hat er gesagt?", fragte Harry verblüfft.
Ginny und Michelle nickten.
„Und dabei sah Seans Fuß wirklich schlimm aus.", sagte Ginny
erbost.
„Kommt mal wieder runter, Leute. Madam Pomfrey wird Sean
schon wieder hinkriegen. Und Snape macht ohnehin was er will.", stellte Ron
fest.
„Was er da gemacht hat, war aber wirklich nicht okay.", gab
Harry zu Bedenken. „Wenn er Gryffindor Punkte abzieht, ist das zwar unfair, bei
ihm aber normal. Doch er hätte Sean in den Krankenflügel schicken müssen."
„Ich werde mit Snape reden.", meinte Hermine plötzlich.
Ron sah sie aus kugelrunden Augen an. „Bist du lebensmüde?"
„Nein. Aber ich bin Vertrauensschülerin und es ist meine
Pflicht.", damit schien das Thema für Hermine beendet.
Auch Ginny beruhigte sich im Laufe des Mittagessens wieder,
wozu auch wesentlich Seans Erscheinen mit gesunden Füßen beitrug.
Nach dem Essen machten sich Ron und Hermine schon auf den
Weg in die Bücherei, während Harry noch kurz mit Ginny redete.
„Ginny, wir müssen uns heute Abend unterhalten.", sagte er
leise.
„Okay.", erwiderte Ginny. „Ich gehe jetzt mit Michelle zu
Hagrid. Wegen den Einhörnern."
Harry nickte. Er küsste sie kurz auf den Mund und hielt sie
noch einen Moment fest an sich gedrückt, bevor sie sich von ihm löste.
„Wir sehen uns später.", sagte sie fröhlich und wandte sich
ab.
„Ginny!", rief er ihr hinterher und sie drehte sich noch
einmal um, einen fragenden Ausdruck im Gesicht.
Er wollte es eigentlich sagen. Diese magischen drei Worte.
Doch er brachte sie nicht über die Lippen. „Bis nachher.", meinte er deshalb
nur.
Ginny lächelte ihn noch einmal strahlend an, dann verließ
sie die Eingangshalle.
Nach einem kurzen Moment machte auch Harry sich auf in die Bibliothek.
****
Harry ließ sich neben Ron an den Tisch sinken.
„Habt ihr das Buch?", fragte er.
„Hermine holt es gerade. Du glaubst nicht, was für ein Akt
es war, Madam Pince davon zu überzeugen, dass Professor Trelawneys Unterschrift
keine Fälschung ist. Sie hat es tausendmal überprüft, bis sie Hermine endlich
in die Verbotenen Abteilung gelassen hat."
„Und jetzt hab ich es.", verkündete Hermine und setzte sich
den beiden Jungen gegenüber.
Sie legte ein dickes und verstaubtes Buch auf den Tisch. Es sah alt aus. Sehr
alt. Der Titel lautete Schwarze Magie – ein Buch zum Selbststudium.
„Klingt doch gar nicht so gefährlich.", meinte Ron
sarkastisch.
Hermine sah ihn strafend an. „Das Buch stammt aus der hintersten
Ecke der Verbotenen Abteilung. Es beinhaltet die ältesten Überlieferungen
Schwarzer Magie die überhaupt existieren und weltweit gibt es nur noch
drei weitere Exemplare dieses Buches. Eines auf Durmstrang, eines auf
Beauxbaton und das Dritte ist verschwunden, niemand weiß, wo es ist. Den
ältesten Eintrag –eine seiner Prophezeiungen- soll Salazar Slytherin persönlich
verfasst haben."
Harry und Ron sahen sie mit großen Augen an.
„So alt ist dieses Buch?", fragte Harry.
Hermine nickte. „Er soll es kurz vor seinem Tod geschrieben
haben und der Eintrag handelt angeblich von seiner letzten Vision."
„Und die ist noch nicht eingetroffen.", folgerte Ron
langsam.
Wieder nickte Hermine.
„Was hat sie mit mir und Sorcery zu tun?", wollte Harry
wissen.
„Ich les' es euch vor.", erwiderte Hermine und schlug das
Buch vorsichtig auf. Die vergilbten Seiten wirkten brüchig, als ob sie sich
jeden Moment in Luft auflösen könnten.
Auf der ersten Seite stand in schwarzer Schrift etwas
geschrieben, als wäre es sehr eilig dahingekritzelt worden. Die Buchstaben
waren an manchen Stellen verwischt und ein großer roter Fleck, der verdächtig
nach Blut aussah, bedeckte die obere rechte Ecke der Seite.
Hermine begann zu lesen:
Ich habe es gesagt . . . immer habe ich es gesagt . . . ich habe es gewusst
. . . und keiner schenkte mir Glauben . . . Doch ich habe euch übertrumpft! Ihr
alle werdet erschaudern unter dem, was ich im Schloss zum Leben erweckt habe. Besonders du, Godric. Ja, besonders
du. Meine Kreatur . . . die Schule wird gereinigt von allen Unwürdigen . . .
Mein Erbe wird die Kammer öffnen . . . nur mein Erbe . . . Mein Erbe! Das
perfekte Gleichgewicht zwischen Gut und Böse . . . mächtiger als alles andere .
. . gezeugt von meinem Erben . . . wenn die Zeit gekommen ist . . . ein Junge,
schwarz wie die Nacht, böse wie der Teufel
selbst . . . Perfektes Gleichgewicht . . . nicht ganz . . . der andere Junge
beinah gut, beinah ein Engel . . . doch mit dem Blut meines Erben . . . gezogen
auf die Dunkle Seite . . . Das fast perfekte Gleichgewicht . . . nicht ganz ein
Gleichgewicht wird die Welt ins Chaos stürzen . . . wird sie untergehen lassen
. . .
Todesengel in meinem Namen . . . Todesengel der Schwarzen Magie . . .
geboren um zu vernichten . . .
Hermine endete und schaute ihre beiden Freunde ernst an. „An dieser Stelle
endet Slytherins Text."
Harry und Ron starrten Hermine an.
„Und . . . was sagt uns das?", fragte Ron mit zugeschürter
Kehle. Er ahnte es, wusste es, doch er wollte es nicht wahrhaben.
„Ich denke, du und Sorcery seid die beiden Jungen, von den
Slytherin spricht.", sagte Hermine zu Harry.
Harry nickte. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Geboren
um zu vernichten . . .
„Lasst es mich erklären. Vielleicht wird Slytherins
Prophezeiung dann etwas klarer.", bat Hermine,
„Ja, mach das. Sein Gestammel war wirklich nicht sehr
hilfreich.", sagte Ron, doch der gewollte Spott in seiner Stimme gelang ihm
nicht recht.
Auch Harry nickte. Er hatte die Prophezeiung verstanden –
und er war sicher, dass auch Ron sie verstanden hatte- doch er wollte es noch
einmal hören. Klar und deutlich.
Hermine atmete einmal tief durch. Dann begann sie: „Mit
seinem Erben meint Slytherin natürlich Du-weißt-schon-wen, das haben wir in
unserem zweiten Jahr hier rausgefunden. Welche Kammer und welche Unwürdigen er
meint, ist damit wohl klar.
Wir nehmen an, dass Sorcery der Sohn von Du-weißt-schon-wem
ist. Seine Mutter ist wahrscheinlich auch ein Schwarze Hexe, womit er in dem
Gleichgewicht, von dem Slytherin spricht, den Teil des Bösen übernimmt.
Und wir wissen, dass du, Harry, ein weiterer Sohn von
Du-weißt-schon-wem bist. Deine Mutter Lily war ein Weiße Hexe, also übernimmst
du den Teil des Guten in dem Gleichgewicht.
Doch da dein Vater ein Schwarzer Magier ist, wirst du auf die
Dunkle Seite gezogen, wie Slytherin sich ausdrückt.
Und damit ist das Gleichgewicht nicht mehr perfekt. Denn das
wäre es nur, wenn du zu hundert Prozent gut wärst. Mit dem Blut von
Du-weißt-schon-wem in dir bist du das aber nicht.
Wenn du und Sorcery euch also zusammenschließt, ist das
Gleichgewicht, das zwischen Gut und Böse normalerweise herrscht, nicht mehr
gegeben. Und genau das wird für die Welt zur Gefahr.
Ihr beide seid Brüder. Ihr beide seid diejenigen, die diese
Prophezeiung erfüllen sollen. Und ihr beide seid diejenigen, die die Macht
haben, eine Welt, wie wir sie kennen, ins Chaos zu stürzen."
Harry schloss die Augen. Das durfte doch alles nicht wahr
sein . . .
„Warum weiß Dumbledore nichts davon?", hörte er auf einmal
Rons Stimme. „Er hätte Sorcery dieser Prophezeiung nach niemals aufnehmen
dürfen! Er hätte alles tun müssen, um ihn von Harry fernzuhalten!"
Wie durch einen dichten Nebelschleier klang Hermines Stimme
an sein Ohr.
„Ich weiß es nicht. Jeder hat Slytherin damals für einen schwachsinnigen
Irren gehalten. Zumindest was seine Visionen anging. Dumbledore weiß nicht,
dass Harrys Narbe immer noch schmerzt, sobald er ihn sieht. Und, wie du schon
vor ein paar Tagen gesagt hast, er kann Sorcery nicht aufgrund eines Verdachtes
von der Schule werfen."
„Er hätte ihn gar nicht erst aufnehmen dürfen!"
Harry, der die Augen mittlerweile wieder geöffnet hatte,
sah, wie Hermine hilflos die Schultern zuckte.
„Das heißt also, wenn ich mich der Dunklen Seite zuwende,
ist die Welt verloren?", fragte er nüchtern.
„Wenn du mit Sorcery zusammenarbeitest, dann ja.",
antwortete Hermine.
„Aber warum hat Du-weißt-schon-wer dann versucht ihn zu
töten? Das macht doch keinen Sinn! Wenn er ihn wie Sorcery aufgezogen hätte,
bräuchte er sich jetzt keine Gedanken um Harrys Loyalität machen!", warf Ron
ein.
„Dumbledore hat es mir erklärt.", erwiderte Harry tonlos.
„An dem Tag, als er mir erzählt hat, dass Voldemort mein Vater ist. Angeblich
hatte ich schon nach einem Jahre zu viele Eigenschaften meiner Mutter und James
in mir, um mich jemals der Dunklen Seite zuzuwenden."
„Also hatte er Angst vor dir.", stellte Ron fest.
„Vermutlich.", sagte Harry, doch er klang vollkommen
teilnahmslos.
„Du bist genauso mächtig wie Sorcery, Harry.", versuchte
Hermine zu erklären.
„Genaugenommen hat Du-weißt-schon-wer in eurer Zukunft gar nichts verloren. Ihr
beide seid diejenigen, die die Macht übernehmen sollen. Wenn ihr das tut, kann
Du-weißt-schon-wer einpacken. Aber wenn du dich dem widersetzt, und mit den
starken Eigenschaften von Lily und James hast du wahrscheinlich die Möglichkeit
dich zu widersetzen, hast du die Kraft, Sorcery und Du-weißt-schon-wem
gefährlich zu werden. Das hat Du-weißt-schon-wer vor vierzehn Jahren schon
gewusst und deshalb wollte er dich umbringen."
„Damit hätte er aber doch auch jede Chance auf eine
Erfüllung der Prophezeiung zunichte gemacht!", wandte Ron ein.
„Ja, aber du vergisst, wie mächtig Harry und Sorcery für
sich alleine sind. Wenn Du-weißt-schon-wer davon ausging, dass Harry auf der
Guten Seite bleibt, dann war es für ihn besser, einen möglichen starken Gegner
umzubringen, der ihm gefährlich werden könnte, als auf eine Erfüllung der
Prophezeiung zu hoffen. Er hielt es für besser, mit Sorcery immerhin noch einen
sehr starken Verbündeten zu haben, als Harry am Leben zu lassen und damit seine
eigene Macht zu riskieren."
„Aber Harry lebt. Und trotzdem hat Sorcery nie auch nur den
kleinsten Versuch getan, Harry auf die Dunkle Seite zu ziehen.",
„Aber er hat uns genug Hinweise gegeben um herauszufinden,
wer er ist. Er spielt mit uns. Wie eine Katze mit ihrer Beute.", sagte Harry
ruhig.
Ron sah ihn unbehaglich an.
„Wenn du dich nicht entscheidest, für die Dunkle Seite zu
kämpfen, dann hat die ganze Prophezeiung keinen Sinn. Slytherin hat nicht damit
gerechnet, wo du aufwachsen würdest und das es einen Zauberer wie Dumbledore
geben würde, der dich beschützt, wo er kann.", versuchte Hermine zu beruhigen.
„Vielleicht hilft das ja alles nichts. Vielleicht ist es
genau das, was alle wollen. Ich als das Gute soll im Guten aufwachsen und mich
später doch auf die Dunkle Seite stellen. Das sind doch perfekte
Vorraussetzungen, um das Gleichgewicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.",
erwiderte Harry bitter.
„Harry, du bist in Gryffindor, hast du das schon vergessen?
Du hast so viel Gutes getan, du hast so viele Eigenschaften deiner Eltern in
dir. Gute Eigenschaften!", drängte Hermine.
Harry sah sie an und plötzlich begannen seine Augen zu
funkeln. „Ja, ich habe Eigenschaften meiner Eltern in mir. Ich habe
Eigenschaften Voldemorts und genau das ist es, was die Prophezeiung voraussagt.
Dass mich diese Eigenschaften Voldemorts auf die Dunkle Seite bringen!",
zischte er.
„Aber doch nur, wenn du es zulässt!"
„Vielleicht lasse ich es ja eines Tages zu! Vielleicht lässt
meine Verbindung zu Voldemort ja eines Tages zu, dass ich mich manipulieren
lasse und auf die Dunkle Seite wechsle. Und ob ich das dann freiwillig tue oder
nicht, ist ja wohl vollkommen egal!"
Ron und Hermine sahen ihren Freund ratlos an. Sie wussten
nicht, was sie noch sagen sollten, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
„Harry, wir sind für dich da und das weiß du.", meinte
Hermine nach wenigen Augenblicke sanft, doch Harry reagierte nur mit einem
abfälligen Laut.
„Vielleicht solltet ihr euch zweimal überlegen, ob ich der
richtige Umgang für euch bin. Es könnte euch euer Leben kosten.", höhnte er ein
paar Sekunden später.
Hermine wollte etwas sagen, doch Ron legte ihr die Hand auf
den Arm und bedeutete ihr, zu schweigen.
„Harry", begann er, „vielleicht solltest du zu Dumbledore
gehen und ihm sagen, was wir herausgefunden haben. Er kann sicherlich etwas
tun, um dir zu helfen."
„Mir so zu helfen, wie er es vor fünfzehn Jahren getan hat,
als er mich verhexte um mich so werden zu lassen, wie ich heute bin?",
schnappte Harry.
„Harry, du weißt . . .", begann Hermine, wurde aber wieder
von Rons Blick unterbrochen.
Harry wusste, dass das was er sagte, nicht der Wahrheit
entsprach. Doch er sah momentan keinen anderen Weg, mit seiner Verwirrung und
seiner Angst fertig zu werden und das ahnte Ron.
„Ich gehe. Mal sehen, was Dumbledore sagt, wenn ich ihm
eröffne, dass ich einen Bruder habe.", sagte Harry bitter und verließ die
Bibliothek.
„Warum muss sich das Schicksal immer dasselbe Leben aussuchen,
um darauf herumzutrampeln?", fragte Ron resigniert.
Hermine zuckte die Schultern. „Wir können nur versuchen, ihm dabei zu helfen, es zu akzeptieren."
****
Harry ging durch die Gänge. Er sah nicht, wo er hinlief. Er wirkte vollkommen
apathisch.
Es war zwar nicht so wie zu dem Zeitpunkt, als er erfahren hatte, wer sein
wirklicher Vater war, doch wenn er es genau betrachtete, war das hier sogar
schlimmer. Als er wusste, dass er Voldemorts Sohn war, war er sich immer noch
sicher gewesen, nie auf die Dunkle Seite zu wechseln.
Doch jetzt nagten zerstörerische Zweifel an ihm. Es war
alles vorausgeplant. Sein Einsatz für das Gute, seine guten Eigenschaften – und
schlussendlich siegten doch die Eigenschaften, die er von Voldemort geerbt
hatte. Wie vorgesehen. Er zweifelte mit einem Mal an seiner eigenen
Standhaftigkeit.
„Hast du es also endlich herausgefunden?", ertönte plötzlich
eine Stimme und Harry schreckte aus seinen Gedanken auf.
„Sorcery.", stellte er resigniert fest, als er den Slytherin
in einer Fensternische stehen sah.
Sorcery lächelte ihn kalt an. „Eigentlich solltest du
erfreuter sein, wenn du Familienmitglieder wiedersiehst, Bruderherz."
„Du hast es von Anfang an gewusst!", zischte Harry.
„Natürlich habe ich es gewusst.", entgegnete Sorcery
ungerührt. „Sonst wäre ich ja nicht hier."
Harry sah seinen Gegenüber herausfordernd an. Wenn er
spielen wollte, würde er es nicht verhindern. „Warum bist du denn hier?"
Ein amüsiertes Aufleuchten trat in Sorcerys Augen.
„Voldemorts Sohn hier in Hogwarts, noch dazu in Gryffindor.", begann er
scheinbar zusammenhangslos. „Harry Potter, der Held einer ganzen Nation, ein
Verräter. Ein Wörtchen zu Malfoy würde genügen und morgen wüsste es die ganze
Schule. Und ich brauche dir ja wohl nicht zu erklären, was dann hier los
wäre.", er fixierte Harry mit seinen schwarzen Augen.
Doch Harry ließ sich jetzt nicht mehr einschüchtern. „Ich
lasse mich nicht von dir erpressen!"
„Ich würde dich niemals erpressen, Harry. Nimm es als
Warnung deines Bruders, der es gut mit dir meint."
Harry lächelte spöttisch. „Ja, sicher. Und morgen geht die
Welt unter."
„Sag das nur nicht so laut. Es könnte der Wahrheit
entsprechen."
„Ich weiß von der Prophezeiung. Du brauchst nicht in Rätseln
sprechen. Aber ich weiß auch, dass ohne mich überhaupt nichts funktioniert. Du
brauchst mich. Aber du wirst mich nicht kriegen."
Sorcerys Augen funkelten gefährlich. „Ich habe die Macht,
dir alles zu nehmen, was dir wichtig ist, Harry. Du solltest deine
Entscheidungen nicht zu übereilt treffen."
Harry sah ihn an und erkannte das niederträchtige und
boshafte Glitzern im Blick seines Bruders. Vielleicht war jetzt der Moment
gekommen, an dem er die von Dumbledore geforderte Entscheidung zwischen der
Dunklen Seite und der Sicherheit seiner Freunde treffen musste. Und noch hatten
Voldemort und Sorcery nicht die Macht über ihn, die sie gerne hätten. Er
zögerte nur einen winzigen Augenblick. „Nichts, was du sagst, wird mich dazu
bringen, irgendetwas für die Dunkle Seite zu tun, Sorcery. Meine Entscheidung
steht fest. Ich werde niemals auf deine und Voldemorts Seite wechseln. Ich
würde lieber sterben, als das zu tun."
Der Ausdruck in Harrys grünen Augen war kalt, als er Sorcery
fest ansah. Nach ein paar Sekunden wandte er sich ab und ging.
Er hörte nicht mehr, was Sorcery als nächstes sagte:
„Keine Angst, Harry. Du wirst nicht sterben . . ."
****
„Verdammt!", stieß Ginny aus, die sich mit Michelle zusammen durch den Schnee
in Richtung Schloss vorkämpfte.
„Was ist denn?", kam es gedämpft von Michelle, die einen
Schal um ihr Gesicht gewickelt hatte, um es vor der Kälte zu schützen.
„Ich hab meine Handschuhe bei Hagrid vergessen. Geh schon
mal vor, ich komm' gleich.", sagte Ginny und wandte sich um.
Michelle sah ihr noch einen Augenblick nach, dann ging sie weiter auf das Schloss zu, bis sie das Eingangstor erreichte und in die Wärme der Eingangshalle trat.
****
Harry war erleichtert, dass Dumbledore seine Passwörter nicht einmal pro Woche
änderte. Es lautete immer noch Zitronebrausebonbon und der Wasserspeier
war widerstandslos zu Seite geglitten.
Ein wenig nervös stieg er die Treppe hoch und klopfte schließlich an die Tür des Direktors.
Von innen erklang ein freundliches „Herein", worauf Harry
die Tür öffnete.
„Guten Tag, Professor Dumbledore.", grüßte er.
„Harry. Komm doch rein, setz dich.", forderte der Direktor,
der am Fenster stehend gerade dabei gewesen war, seine Brille zu putzen.
Harry folgte seiner Anweisung und ließ sich auf einem Sessel
vor Dumbledores Schreibtisch nieder.
Auch Dumbledore setzte sich jetzt und sah Harry aufmerksam
an. „Was führt dich zu mir, Harry?"
Harry atmete einmal tief durch und zwang sich, klar zu
denken. Er zwang sich, nicht an das Zusammentreffen mit Sorcery zu denken,
nicht an die Prophezeiung, nicht an die Eigenschaften Voldemorts in ihm. Er
brauchte einen klaren Kopf, wenn er Dumbledore alles erklären wollte.
„Es geht um Malidotus Sorcery, Professor.", sagte er entschlossen.
****
Als Ginny Hagrids Hütte wieder verließ, fiel ihr beinah sofort die unheimliche
Ruhe auf, die sich über die Umgebung gelegt hatte. Keine Wind, der die Blätter
der Bäume rauschen lassen, keine Vögel, die fröhlich zwitscherten. Nichts.
Wie die Ruhe vor dem Sturm, zuckte es Ginny durch die Kopf.
Fröstelnd zog sie sich die Handschuhe an und ging auf das
Schloss zu. Als sie sich noch einmal umwandte, konnte sie Hagrids Hütte bereits
nicht mehr sehen. Die Luft war zwar klar, obwohl der Himmel voller Wolken
stand, doch der kleine Hügel, den sie zuletzt erklommen hatte, verdeckte ihr
die Sicht.
Der Schnee lag mittlerweile fast einen Meter hoch, in der
letzten Nacht hatte es wieder geschneit. Mitleidig dachte sie an die armen
Einhörner, die sie heute auf einer Lichtung im Wald gesehen hatten. Mit ihrem
dünnen Fell musste ihnen furchtbar kalt sein. Doch gleich darauf fiel ihr ein,
dass es magische Wesen waren und sie wahrscheinlich alle Möglichkeiten hatten,
sich warm zu halten.
„Hallo, Ginny."
Ginny fuhr erschrocken herum, als diese wohlbekannte Stimme
hinter ihr erklang.
Keine fünf Meter von ihr entfernt stand Sorcery, die Hände lässig in den Taschen seines Umhangs versteckt und mit einem berechnenden Lächeln auf den Lippen.
****
„Hast du ein Problem mit ihm, Harry? Ist es wegen deiner Narbe?", wollte
Dumbledore besorgt wissen.
„In gewisser Weise schon.", erklärte Harry. „Meine Narbe
schmerzt, sobald ich ihn sehe. Mal mehr, mal weniger. Und . . . Ron, Hermine
und ich haben etwas herausgefunden."
Dumbledore sah ihn streng an. „Was ist es, Harry?"
„Wir glauben, dass Sorcery mein Bruder ist und wir beide
Teil einer Prophezeiung von Salazar Slytherin sind."
Für Sekundenbruchteile glitt ein fassungsloser Ausdruck über
Dumbledores Gesicht, doch er hatte sich beinah sofort wieder unter Kontrolle.
„Woher wisst ihr davon?"
„Wir haben es aus einem Buch in der Bibliothek. Nachdem
Hermine in Hogwarts-Eine Geschichte eine Andeutung gefunden hatte, sind
wir auf dieses Buch in der Verbotenen Abteilung gestoßen. Professor Trelawney
hat uns die Erlaubnis gegeben, es zu lesen."
„Ihr habt es aus der Bibliothek?", wiederholte Dumbledore
und nun wirkte er wirklich ungläubig.
Harry nickte. „Warum?"
Dumbledore stützte den Kopf in die Hände und massierte mit
den Zeigefingern seine Schläfen. Er seufzte, bevor er Harry ansah. „Weil es
dieses Buch in der Bibliothek eigentlich nicht geben dürfte."
Harry warf dem Direktor einen verständnislosen Blick zu.
„Um dir das zu erklären, muss ich wohl weiter ausholen. Als
Mister Sorcery nach Hogwarts kam, habe ich mir zunächst nichts dabei gedacht.
Bis du mir von deinen Narbenschmerzen erzählt hast. Dann fiel mir ein, dass in Hogwarts-Eine
Geschichte von einer Prophezeiung Slytherins die Rede war.
Ich schickte Sirius in den Unterricht, den du zusammen mit
den Slytherins hattest, damit er ein Auge auf euch beide haben kann, doch
nachdem ihm nichts aufgefallen war, habe ich hin wieder abgezogen. Es war zu
gefährlich für ihn.
Währendessen habe ich mich auf die Suche nach dem Buch
gemacht, auf das Hogwarts-Eine Geschichte verweist. Es gibt davon nur
vier Exemplare, eines in Durmstrang, eines in Beauxbaton und eines auf einer
chinesischen Schule für Hexerei und Zauberei. Das vierte Exemplar jedoch war
verschwunden. Man sollte meinen, Hogwarts besitze ein Buch, wo es doch von
Slytherin selbst handelt, und dem war auch so. Bis es vor einigen Jahrhunderten
spurlos aus unserer Bibliothek verschwand.
Ich habe mich also in Russland, Frankreich und China
umgehört und sie gebeten, mir ein Buch zu schicken, da ich die genaue
Prophezeiung Slytherins nicht im Kopf hatte und mehr darüber wissen wollte.
Doch wie es manchmal so ist, dauert es eine Weile, bis man Dinge bekommt, die
man dringend bräuchte.
Und nun findet ihr eines dieser Bücher in unserer
Bibliothek, wo es eigentlich gar nicht existieren dürfte.", schloss Dumbledore.
Harry sah den Direktor mit offenem Mund an. Konnte das sein?
Konnte es sein, dass Sorcery ihre Suche sogar soweit manipuliert und ihnen das
vierte, verschwundene Band in die Hände gespielt hatte? War es Zufall, dass er
ihm vorhin im Gang begegnet war?
„Das ist . . . das ist . . . wirklich seltsam.", stotterte
er.
„Es ist mehr als seltsam, Harry. Und äußerst beunruhigend.
Erzähl mir jetzt bitte genau, was du über die Prophezeiung weißt."
Jetzt war es an Harry, zu erklären. Er versuchte, sich an
Hermines Worte zu erinnern, da sie ihm sehr logisch und leicht verständlich
erschienen waren.
Als er geendet hatte, hatte sich Dumbledores Stirn in
besorgte Falten gelegt. Das Funkeln seiner Augen war verschwunden.
„Harry, ich würde dir gerne widersprechen, doch ich fürchte,
das kann ich nicht. Nach allem, was du mir jetzt erzählt hast und was ich
selber weiß, fürchte ich, dass du und Mister Sorcery wirklich die Erfüllung
dieser Prophezeiung darstellt."
Harry wusste nicht, was er erwartete hatte, doch das war es
nicht. Diese widerspruchslose Zustimmung. Vielleicht hatte er gehofft,
Dumbledore würde noch einen Trumpf aus dem Ärmel zaubern, der alles widerlegen
würde, was sie herausgefunden hatten. Doch es war nicht so.
Harry fühlte sich mit einem Mal allein. Furchtbar
allein.
Dumbledore schwieg eine Weile und sah Harry währenddessen
ernst an.
„Harry, ich muss dich jetzt bitten, zu gehen. Ich muss
einige wichtige Gespräche führen, die jetzt nicht mehr warten können. Ich werde
auch Sirius benachrichtigen, dann wird er spätestens morgen hier sein.", sagte
er schließlich.
Harry nickte und stand auf. Er wollt etwas sagen, doch die
Worte blieben ihm im Halse stecken. Seine Beine waren ungewohnt schwach. Er
schleppte sich bis zur Tür, öffnete sie und trat hinaus.
Ich sollte in den Gryffindor-Turm gehen, dachte er noch, doch sein Gehirn registrierte nicht, ob der Weg, den er wählte, ihn wirklich dorthin bringen würde.
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„Was willst du von mir?", fragte Ginny und wich einige Schritte zurück.
Sorcery jedoch folgte ihr, ein süffisantes Lächeln auf den
Lippen. „Ich will nur mit dir reden, du brauchst keine Angst haben."
„Ich wüsste nicht, worüber wir beide reden sollten.", gab
Ginny giftig zurück und wollte weiter zum Schloss gehen.
„Zum Beispiel über Harry.", sagte Sorcery und das
veranlasste Ginny, wieder stehen zu bleiben und sich zu ihm umzudrehen.
„Was hat Harry damit zu tun?", fragte Ginny misstrauisch.
Sorcery lächelte. „Sehr viel. Ich frage mich . . . ja, ich
frage mich wirklich ob er es dir erzählt hat."
„Mir was erzählt hat?", beinah sofort biss sich Ginny für
diese Frage selbst auf die Lippen.
„Hat er dir nie von seinen Eltern erzählt?", fragte Sorcery
lauernd.
„Er redet nicht gerne über seinen Eltern.", Ginny wusste
nicht, warum sie ihm das alles erzählte, warum sie sich überhaupt mit ihm
abgab. Warum sie sich nicht einfach umdrehte und weiter ging. Doch etwas hielt
sie zurück.
„Das würde ich auch nicht wenn ich Voldemorts Sohn wäre.",
sagte Sorcery boshaft.
Ginny fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Schlag ins
Gesicht versetzt. Sie taumelte zurück. „Was?", flüsterte sie entsetzt.
„Harry ist Voldemorts Sohn. Hat er dir das nicht gesagt? Oh,
tut mir leid, wenn ich da jetzt irgendetwas ausgeplaudert habe."
Ginny ignorierte seine Bemerkung. Sie sah ihn vollkommen
fassungslos an. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht wahr sein! Harry, Voldemorts Sohn?! Er
hätte es ihr doch erzählt!
„Du lügst.", sagte sie mit zitternder Stimme.
„Warum sollte ich lügen? Würde mir das etwas bringen? Ich
glaube nicht.", Sorcery kam ihr langsam immer näher. „Du solltest nicht soviel
Vertrauen in andere Leute setzen, Ginny. Vertrauen bedeutete immer auch
Abhängigkeit.", flüsterte er kalt.
„Harry liebt mich.", gab Ginny leise zurück.
„Hat er dir das je gesagt?", fragte Sorcery.
Ginny schüttelte den Kopf. „Aber ich weiß, dass er es tut."
„Sicher.", sagte Sorcery abfällig. „Zur Liebe gehört auch,
keine Geheimnisse voreinander zu haben. Und das hat er ja eindrucksvoll
bewiesen . . ."
„Er wollte es mir sagen. Gestern Abend, er . . .", begann Ginny, doch Sorcery unterbrach sie:
„Oh bitte, Ginny. Wie gutgläubig bist du? Glaubst du, er
erzählt dir freiwillig, was für einen Abschaum er zum Vater hat?"
Ginny zitterte. Hatte sie gestern Abend nicht noch
behauptet, selbstbewusst zu sein? Nun, Sorcery hatte etwas, das dieses
Selbstbewusstsein verschwinden lies. Sie wollte einfach nur noch weg. Weg von
ihm und seiner schmeichelnden Stimme, die ihr so grauenhaft gleichgültig all
diese Dinge an den Kopf warf.
Sorcery stand mittlerweile direkt vor ihr. „Das Leben ist
nicht so schön, wie man immer annimmt, nicht wahr?", fragte er leise und stich
Ginny eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr.
Ginny erwiderte nichts. Sie erschauderte unter der sanften Berührung
von Sorcerys Fingern. Er schien so vorsichtig zu sein, so zärtlich. Doch Ginny
hatte sein Spiel durchschaut. Er war eiskalt, ohne jegliches Gefühl und
Gewissen. Er setzte alles ein, um seine Ziele zu erreichen und die Opfer auf
dem Weg dorthin waren ihm egal.
„Es wäre also nicht so tragisch, wenn es jetzt schon vorbei
wäre.", fuhr er erbarmungslos fort.
„Bitte, lass mich in Ruhe.", flehte Ginny leise. Sie hatte
Angst vor ihm. Furchtbare Angst.
Sorcery zögerte einen Moment. Dann huschte ein kurzes
Lächeln über sein Gesicht. „Ich denke nicht."
Ginny gab keine Antwort. Sie spürte eine stumme Träne über
ihre Wange laufen.
Sorcery wischte sie mit dem Daumen weg. „Weine nicht, Ginny.
Es ist bald vorbei. Glaubst du, Harry wäre sehr besorgt, wenn du auf einmal
verschwunden wärest?", er klang absolut ungerührt, beinah teilnahmslos.
Ginny weinte nun. Sie bemühte sich nicht mehr, es zu
verbergen. Sie würde sterben, sie wusste es. Sorcerys kalte, schwarze Augen und
seine sich so harmlos anhörenden Worte verrieten es ihr.
Sorcery legte nun seine Hände um Ginnys Wangen und ihren
Nacken. Er schaute ihr fest in die Augen und ein gehässiger Ausdruck schlich
sich in die seinen, als er ihre Unsicherheit und ihre Angst bemerkte.
„Möchtest du mir noch etwas sagen?", fragte er leise.
Ginny schüttelte schluchzend den Kopf. Sie wollte nicht
mehr, ertrug es nicht länger.
„Ich aber habe noch etwas zu sagen.", langsam beugte er sich
zu ihrem rechten Ohr und flüsterte: „Angenehme Träume."
Als sein warmer Atem über ihr Ohr strich, lief ein eiskalter
Schauder über ihren Rücken und sie wünschte sich, er würde endlich aufhören,
mit ihr zu spielen wie mit einer Marionette.
Als er sich wieder von ihrem Ohr entfernte, fuhr er mit seinen Lippen sacht,
fast unmerklich über ihre Wange und erneut entfuhr ihr ein Schluchzer. Warum
hörte er nicht einfach auf, warum quälte er sie so?
Sie spürte, wie er seine Lippen auf die ihren senkte und ihr
einen sanften Kuss gab. Es sollte der letzte Kuss ihres Lebens sein.
Noch ein Mal sah Sorcery Ginny in die gehetzten,
verängstigten Augen.
Und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, drehte er ihren Kopf
ruckartig zur Seite und man hörte das grauenerregende Geräusch eines brechenden
Knochens.
Ihr Körper sackte leblos in sich zusammen und Sorcery ließ
sie zu Boden gleiten wie eine wertlos gewordene Puppe.
Ginny war
tot.
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tbc . . .
****
Ok, ich geb's zu, es ist ein ein wenig . . . schockierendes Weihnachtsgeschenk, aber hey: wer hat behauptet, dass diese Story gut ausgeht? Und außerdem erfinde ich gerne solche bösartigen Mistkerle wie Sorcery *evil grin*.
Trotz allem wünsch ich euch frohe Feiertage und wenn ihr mir auch ein kleines Geschenk machen wollt: klickt einfach auf den Reviewbutton *gg*
