Am Abend des Balls war Teela mit ihren Wachen im Besprechungsraum, um ihnen letzte Anweisungen zu geben.
"Sie wissen, es handelt sich um einen besonderen Anlaß. Ich will keine Zwischenfälle erleben. Haben alle das Programm? Gut. Sie können sich entfernen."
Teela hatte ihre Aufmerksamkeit schon wieder auf den Ablaufplan gerichtet, als ein junger Wächter den Arm hob und sagte: "Äh, Captain? Ich hätte da noch eine Frage - ."
Teela hob den Kopf. "Habe ich mich etwa nicht klar genug ausgedrückt?", schnauzte sie ihn an.
Erschrocken stotterte er: "Nein, Captain... nichts... ich gehe dann auf meinen Posten." Schnell verschwand er. Sofort tat Teela ihre unbeherrschte Reaktion leid. Sie wußte, daß sie schlechte Laune hatte, aber das war noch lange kein Grund, sie an ihren Leuten auszulassen.
Beim Hinausgehen warfen ihr die Wächter verwunderte Blicke zu. Derartige Ausbrüche waren sie von ihrem Captain nicht gewohnt.
Als sich der Raum geleert hatte blieb Teela noch eine Weile sitzen. Sie stützte den Kopf in die Hände. Ihr war klar, warum ihre Laune heute den Tiefpunkt erreicht hatte – irgendwie paßte es ihr nicht, daß Adam ab heute Abend mit Gwendolyn verlobt sein würde. Obwohl sie ihr noch nie begegnet war empfand sie tiefe Abneigung gegen sie.
Gegen Mittag war Lord Merkon mit seinem Gefolge angereist. Beim Anblick der sich nähernden Fahrzeuge hatte Teela es vorgezogen, sich zurückzuziehen, um nicht vorgestellt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich noch gesagt, daß sie Besseres zu tun hatte; aber wenn sie jetzt ehrlich zu sich selbst war, hatte sie nur Adams zukünftiger Gattin nicht begegnen wollen.
Sie verstand es selbst nicht, aber sie war eifersüchtig.
Immernoch in Gedanken versunken ging Teela auf ihr Zimmer. Kaum dort angekommen klopfte es auch schon an der Tür.
"Herein."
Die Tür öffnete sich und ihr Vater trat ein.
"Oh, hallo Vater."
"Teela, der Ball beginnt gleich. Willst du nicht doch kommen?"
"Nein, das geht nicht. Ich bin den ganzen Abend über beschäftigt."
"In Ordnung. Ich bin dann unten, falls du mich brauchst", sagte Duncan und dachte bei sich, daß es wahrscheinlich auch besser für Adam war, wenn Teela nicht auf dem Ball erschien.
Nachdem ihr Vater gegangen war, stand sie auf und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu wandern. Gleich begann der Ball, und bald darauf würde man Adams Verlobung bekannt geben. Danach würde man nichts mehr rückgängig machen können. Dann war es zu spät.
Zu spät wozu denn? Als sie die Wahl gehabt hatte, war sie der Meinung gewesen, daß sie in He-Man verliebt sei. Aber schon seit einiger Zeit nagte Ungewißheit an ihr was He-Man anging. Und jetzt, wo sie so kurz davor war, Adam zu verlieren – ja, verlieren, denn nichts anderes war es – war sie sich sicher, daß ihre Gefühle für He-Man nicht sehr viel mehr waren als Schwärmerei für den großen Helden.
Und Adam? Sie kannte ihn so gut wie sonst niemanden. Zwar war er ein fröhlicher – unbekümmerter – Mensch, aber sie hatte ihn auch immer als einfühlsame und aufmerksame Person erlebt. Außerdem war er überaus intelligent, auch wenn er dies oft hinter seiner Faulenzerei versteckte. Und es konnte auch niemand bestreiten, daß er ein gutaussehender junger Mann war.
Sie hatte sich immer auf ihn verlassen können – auch wenn er sich verändert hatte: Teela wußte, daß er nicht immer der junge Prinz gewesen war, der das Leben auf die leichte Schulter nahm. Und obwohl sie ihn gerne damit aufzog, wußte sie, daß dies auch nur zum Teil wahr war.
Seit sie denken konnte, war Adam immer da gewesen.
Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß eine andere Frau ihn ihr wegnehmen würde.
Denn eines war ihr nun klar geworden:
Sie liebte ihn.
Und sie machte den Fehler ihres Lebens, wenn sie nicht sofort hinunter in den Ballsaal ging und ihm genau das sagte... bevor es zu spät war.
Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als sie plötzlich zögerte. War es nicht vielleicht schon zu spät? Sie konnte doch nicht einfach dort unten hineinplatzen! Und wenn sie es doch tat, was wäre, wenn Adam ihre Erklärungen nicht mehr hören wollte und sie abwies?
Egal! Es war egal, auch wenn sie für Aufruhr sorgte und sich vielleicht komplett zum Narren machte, mußte sie es doch versuchen.
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Entschlossen öffnete Teela die Tür und lief den Gang hinunter zur Treppe, wo sie kurz anhielt und durchatmete. Mit festem Schritt ging sie die Treppe hinab, die zu einem Seiteneingang des Thronsaals führte. Vorsichtig schob Teela die Vorhänge ein wenig zur Seite und spähte in den Raum hinein. Der König hielt gerade die Eröffnungsrede. Da Teela das Programm des Abends kannte, wußte sie, daß die Bekanntmachung, die dort nur als ‚Festrede' notiert war, zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden würde.
Als ihr Blick durch den Saal wanderte, fiel ihr die festliche Kleidung der Gäste auf. Ihr wurde bewußt, daß ihre Uniform dem Anlaß wohl nicht ganz angemessen war und sie sich besser noch umziehen sollte, da ihr noch etwas Zeit blieb.
Gerade als Teela den Vorhang wieder zuziehen und gehen wollte, fiel ihr Blick auf eine junge, hübsche Frau mit blondem Haar, die neben Lord Merkon saß und einen selbstgefälligen Eindruck machte. Das mußte zweifellos Lady Gwendolyn sein. Sie tatsächlich mit eigenen Augen zu sehen bestärkte Teela nur noch mehr in ihrem Vorhaben.
Sie drehte sich um und beeilte sich, zurück in ihr Zimmer zu kommen. Dort nahm sie das Ballkleid aus dem Schrank, das ihr ihr Vater geschenkt hatte: Es war aus schwerer dunkelblauer Seide gefertigt, knöchellang, hatte schmale Träger und einen tiefen Rückenausschnitt. Schnell streifte sie es über; dann löste sie ihr Haar und bürstete es durch, so daß es leicht gelockt auf ihre Schultern fiel. Sie trug etwas Make-up auf und betupfte sich noch schnell mit Adams Parfum.
So eilte sie wieder hinunter zum Ballsaal, diesmal zum Haupteingang. Die diensthabenden Wachen sahen sie überrascht an und öffneten den Vorhang. Teela trat klopfenden Herzens ein. Jetzt war es soweit.
Kaum hatte sie den Saal betreten fühlte sie neugierige Blicke auf sich ruhen – darunter auch den von Lady Gwendolyn, die einige geflüsterte Worte mit ihrem Vater austauschte.
Teela blieb am Rand der Tanzfläche stehen und suchte nach Prinz Adam. Soeben hatte ein Lied geendet, und sie sah den Prinzen, der sich gerade mit einer Verbeugung bei seiner Tanzpartnerin bedankte. Sofort entdeckte er sie und ging überrascht zu ihr. Bei ihrem Anblick zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Warum war sie doch gekommen?
"Teela." In diesem Moment setzte die Musik erneut ein. "Darf ich dich um diesen Tanz bitten?"
Teela bejahte, und Adam führte sie auf die Tanzfläche. Er hätte ihr gerne gesagt, wie schön sie war, aber er war sich nicht sicher, ob das jetzt angebracht war. Langsam begannen sie zu tanzen.
Für einen kurzen Moment fühlte Teela sich an ihren Tanzunterricht erinnert, den sie als junges Mädchen gehabt hatte. Allerdings war sie bisher nicht sehr interessiert an gesellschaftlichen Ereignissen gewesen und hatte seither nur wenige male getanzt. Sie hielt sich daher für eine eher mittelmäßige Tänzerin; nach ein paar Takten bemerkte Teela, daß Adam sie fest im Arm hatte und sie sicher und elegant über das Parkett führte. Er war tatsächlich so ein ausgezeichneter Tänzer wie alle behaupteten. Und das gefiel ihr!
Nachdem sie sich noch einige Augenblicke auf die ruhige Musik konzentriert hatte, begann sie zögernd: "Adam... ich muß dir etwas sagen... Mir ist etwas klar geworden... Ich habe einen Fehler gemacht... Mir ist klar geworden, wie wichtig du mir bist... Mir liegt sehr, sehr viel an dir... und ich will verdammt nochmal nicht, daß du eine andere Frau heiratest... Und was ich dir damit eigentlich nur sagen will, ist, daß ich dich liebe...". Sie hielt inne. "Und ich hoffe nur, daß ich damit nicht zu spät komme." Sie sah ihm direkt in die Augen.
Adam war von Teelas Eröffnung so überrumpelt, daß er kurz aus dem Tritt kam. Er fing sich jedoch rasch wieder und lächelte sie glücklich an, und all ihre Befürchtungen waren vergessen. Ihre Anspannung fiel von ihr ab und sie erwiderte sein Lächeln.
Adam fand als erster die Sprache wieder. "Teela, willst du meine Frau werden?"
"Ja."
"Teela, weißt du eigentlich, wie gerne ich dich jetzt küssen würde?" Er zog Teela näher zu sich heran und flüsterte: "Ich liebe dich."
Den Rest des Liedes über sprachen sie nichts mehr, sondern genossen einfach die gegenseitige Nähe. Nachdem der Tanz geendet hatte, lösten sie sich widerstrebend voneinander.
"Ich werde sofort mit meinen Eltern reden", sagte Adam.
"Meinst du, es wird Probleme geben?", fragte Teela zweifelnd.
"Ich glaube nicht", sagte Adam mit einem hoffnungsvollen Blick zu seiner Mutter. "Nichts, was nicht zu lösen wäre, hoffe ich."
Adam geleitete Teela zum Tisch ihres Vaters, der ihnen breit und zufrieden grinsend entgegensah, jedoch nichts sagte.
"Danke für den Tanz", sagte der Prinz lächelnd und gab seiner Teela einen formvollendeten Handkuß. Teela setzte sich auf den freien Platz neben Duncan, und dieser nahm beruhigend ihre Hand. "Es wird alles gutgehen."
Als Adam sich umdrehte und zum Tisch seiner Eltern gehen wollte, stand seine Mutter auf und kam auf ihn zu. Sie hatte das Geschehen die ganze Zeit über erleichtert beobachtet – und hatte ihren Mann schon wohlweislich gebeten, die Rede an seiner Stelle halten zu dürfen. Randor hatte überrascht zugestimmt. Die beiden entfernten sich ein Stück von der Menge.
"Mutter...", setzte Adam an.
Marlena unterbrach ihn. "Ich nehme an, es wird keine Verlobung mit Gwendolyn geben?"
Adam strahlte sie glücklich an. "Ja. Teela will mich heiraten."
"Gott sei Dank. Ich freue mich so für euch."
"Wird es mit Vater Probleme geben?"
"Nein, sicher nicht. Setz dich nur hin, ich kümmere mich um den Rest."
Sie gingen zurück zum Tisch des Königs und setzten sich. Marlena wartete, bis die Musik verklungen war, stand auf und stellte sich vor die Throne. Der König und der Prinz folgten ihr. Die Königin wartete, bis alle Tänzer sich wieder zu ihren Plätzen begeben hatten, und begann dann ihre Rede.
"Verehrte Gäste, auch ich darf sie hier noch einmal herzlich willkommen heißen..."
Adam gelang es nicht lange, der Ansprache seiner Mutter zu folgen, zu sehr war er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Sein Blick wanderte immer wieder zu Teela.
"... Ich habe die Ehre, ihnen heute Abend die Verlobung unseres Sohnes, des Prinzen Adam von Eternia, bekanntgeben zu dürfen." Ein überraschtes Murmeln ging durch die Menge und kurzer Applaus kam auf. "Adam, bitte hol doch deine Verlobte zu uns nach vorne."
Lächelnd ging er auf Teela zu, ohne den verstörten Gesichtsausdruck Lady Gwendolyns wahrzunehmen. Der Prinz nahm glücklich Teelas Hand und führte sie zu seinen Eltern, wobei ihnen die Blicke aller Anwesenden folgten.
Randor erholte sich erstaunlich schnell von seiner Überraschung und sagte feierlich: "Darf ich ihnen die zukünftige Kronprinzessin von Eternia vorstellen: Lady Teela, Tochter unseres Waffenmeisters und Befehlshaberin der königlichen Wache."
Als er Teelas Namen hörte, horchte Cringer erstaunt auf, und Orko begann sofort, begeistert zu klatschen. Nach einem kurzen Moment fielen die Gäste mit ein, und jetzt war der Applaus deutlich stürmischer als zuvor.
Lady Gwendolyn hatte ein wenig gebraucht, um ihren Schock zu überwinden; aber jetzt war sie im Begriff, aufzuspringen und zu protestieren. Doch ihr Vater hielt sie zurück. "Bleib sitzen, Gwendolyn. Es ist schon in Ordnung so. Siehst du nicht, wie glücklich die beiden sind?"
"Aber...", wollte sie empört einwenden. Er sah sie ruhig an, und sie gab auf.
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Das Orchester fing wieder an zu spielen, und das frisch verlobte Paar eröffnete den Tanz.
Nachdem sie eine Weile getanzt hatten meinte Adam: "Ich bin froh, daß ich Gwendolyn nicht heiraten muß."
"Wieso?", fragte Teela neugierig.
"Sie kann nicht tanzen."
Als Antwort auf diese geistreiche Aussage kniff Teela ihm in den Arm.
Adam wurde aber gleich wieder ernster. "Was ist denn eigentlich mit He-Man?"
"War es so offensichtlich?", fragte Teela erstaunt.
"Für mich war es nicht zu übersehen." Gespannt sah er Teela an.
"He-man hat durchaus viele bewundernswerte Eigenschaften – aber ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will", erwiderte sie ehrlich.
Erleichtert atmete Adam auf. Hier war Teela, und sie wollte ihn um seiner selbst willen, nicht weil sie He-Man für unerreichbar hielt und er zweite Wahl war, und auch nicht nur, weil sie wußte, daß sie die gleiche Person waren.
Irgendwann würde er ihr alles erzählen.
Sanft zog er sie näher zu sich heran. Für Adam gab es in diesem Moment nur die Frau in seinen Armen. Gedankenverloren sagte er: "Das ist das Parfum, das ich dir zum Geburtstag geschenkt habe, nicht wahr?"
"Ja genau, wie kommst du jetzt darauf?" Sie erinnerte sich daran, daß jemand anderes – He-Man – sie vor ein paar Tagen genau das gleiche gefragt hatte.
"Woher hat er das nur gewußt?", murmelte Teela.
"Wer hat was gewußt?", wollte Adam wissen.
"He-Man...". Teela sah Adam durchdringend an. Und plötzlich erschien es ihr, als hätte sie den Helden Eternias vor sich. Ungläubig weitete sie die Augen. "Ist es möglich...".
"Teela, was hast du?"
"All die Jahre, und du hast nichts davon erzählt. Auch mir nicht!"
Damit hatte Adam nicht gerechnet, aber augenblicklich wurde ihm eine große Last von den Schultern genommen. "Ich hätte es dir so gerne schon früher erzählt."
"Laß uns später darüber sprechen. Ich bin einfach nur glücklich, hier bei dir zu sein."
Zufrieden ließ Teela ihren Kopf gegen Adams Brust sinken, und schweigend tanzten sie weiter.
Nach einer Weile fiel Adams Blick auf eine Gestalt im Fenster, die scheinbar schon die ganze Zeit dagewesen war. Zoar.
Ich freue mich sehr für euch beide. Es macht mich froh, meine Tochter so glücklich mit dir zu sehen, hörte er die telepathische Stimme der Sorceress in seinem Geist.
Danke, Sorceress. Ich hoffe, es ist in Ordnung, daß Teela jetzt bescheid weiß?
Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich war es, die den Bann des Schwertes über Teela aufgehoben hat, der auch verhindert, daß andere dich erkennen.
Danke.
Und Adam... ich kann mir niemanden vorstellen, den ich lieber als Schwiegersohn hätte als dich.
Damit drehte sich der Falke um und flog davon.
Adam wandte seine Aufmerksamkeit wieder Teela zu. Als sie in die Nähe des Balkons kamen, zog er sie mit sich hinaus. Dort waren sie ungestört. Adam hielt Teela liebevoll vor sich in den Armen; gemeinsam sahen sie zu den beiden Monden hinauf und lauschten der Musik, die leise zu ihnen nach draußen drang.
Nach einer Weile drehte er sie herum und zog sie an sich. Und zum ersten mal küßten sie sich zärtlich im silbrigen Licht der Monde.
ENDE
