3. Kapitel - Vom Regen in die Traufe

"4.934, 4.935, 4.936 ...", flüsterte sie leise.

Kaum herauszuhören neben den ganzen Geräuschen, die noch den Raum erfüllten. Chichis ständige "Wir werden sterben, ich weiß, wir werden sterben, aber ich bin noch zu jung zum Sterben ..."- Reden, die nur dann und wann von erstickten Schluchzern unterbrochen wurden, harmonisierten absolut nicht mit Kuririn, der nicht nur mit einem Blechbecher an den Gitterstäben hin und her ratterte, sondern - sehr zum Leidwesen seiner beiden weiblichen Mitgefangenen -auch noch "Jailhouse Rock" sang, und zwar in einer Version, die man nicht mal seinem ärgsten Feind zumuten wollte. Der Ex-Mönch wollte doch auch nicht sterben, hatte er doch noch nicht mal eine Freundin gehabt ...

"4.988, 4.989, 4.990 ...", redete Bulma weiter wie in Trance.

Chichis langsam heiser werdende Kehle zwang sie zu einer kurzen Pause, und so kam es, dass sie ihre Freundin zählen hörte. Ob sie nun völlig durchgedreht war? Gut möglich ...

"4.998, 4.999, 5.000 ... Jetzt reicht's!", erhob die Blauhaarige dann ihre Stimme zu einem schrillen Schrei, der Kuririn aus dem Rhythmus brachte und ihn verstummen ließ.

"Was hast du da gezählt, Bulma?", fragte Chichi stirnrunzelnd.

"Meine absterbenden Gehirnzellen! Was denn sonst?!", knurrte Bulma. "Wir müssen uns einen Fluchtplan überlegen, bevor diese Gorilla-Wache zurückkommt ..." Im Kopf der Blauhaarigen fügten sich schon einzelne bruchstückhafte Teilchen zu einem Plan zusammen, als sie rüde von Kuririn unterbrochen wurde.

"Zu spät."

Bulma, die als einzige mit dem Rücken zur Gittertür stand, drehte sich langsam um und musterte ihren Gefangennehmer noch einmal gründlich.

Er war von stattlicher Größe, beinahe riesig, und bestimmt doppelt so groß als Kuririn. Zackiges, schwarzes Haar umkränzte sein Haupt und fiel seinen Rücken bis zur Taille hinunter, es war eindeutig länger als Chichis, doch es war bestimmt nicht so seidig. Aber das konnte Bulma nur raten, anfassen wollte sie die borstig anmutenden Haare nicht, da sie gefährlich spitz aussahen. Nach seiner Aufmachung zu urteilen war er ein Krieger, dann konnten seine Haare gut auch eine Waffe sein, gewisse Ähnlichkeit mit Medusa hatte er ja - sie waren beim ersten Anblick erstarrt gewesen.

*Bestimmt rollt er sich bei Gefahr wie ein Igel zusammen und schießt dann giftige Haarpfeile ab, wie es bestimmt irgendeine außerirdische Kaktusart kann*, sinnierte Bulma, wobei sie dem Riesen in die dunklen Augen sah, und dabei einen steifen Nacken riskierte. *Aber dieser Theorie will ich eigentlich nicht weiter nachforschen.*

Bulma zuckte zusammen als ihr Wärter etwas in einer fremdartigen Sprache grunzte - wobei das Wort "grunzte" ein Bild eines Borstenschweins in ihren Kopf projizierte. *Der benimmt sich ja wie ein Tier! Aber vielleicht ist auch nur ihre Sprache so rückständig ...*

"Nein!", rief Chichi und versuchte sich - mit mäßigem Erfolg - hinter Kuririn zu verstecken. "Ich will nicht sterben! Was, wenn die hier so weit hinten sind, dass sie ihren komischen Göttern Menschenopfer bringen? Was, wenn sie uns vorgesehen haben? Oder noch schlimmer: Was, wenn sie Jungfrauen in weißen Gewändern an ihre Riesenschlangen verfüttern?"

*Was für eine Fantasie*, dachte Bulma bewundernd und sah zu, wie der Wärter ihre Zellentür aufsperrte.

"Das wäre schrecklich", stimmte Kuririn zu und umfasste Chichis Hände. "Weiß ist doch gar nicht meine Farbe!"

"Ich will nicht als Jungfrau sterben", klagte die Schwarzhaarige dramatisch und blickte auf ihren glatzköpfigen Jugendfreund hinab.

"Ich auch nicht", entgegnete dieser und erwiderte den Blick.

"Ich glaub mir wird schlecht", murmelte Bulma.

Chichi zog die Augenbrauen zusammen und ihre Handlung spiegelte sich auch auf Kuririns Gesicht wider. "Na ja, vielleicht ist es ja doch nicht das Ende der Welt als Jungfrau zu sterben ..."

"Jepp."

Der Wärter bellte wieder etwas in dieser exotischen Sprache und stieß die drei Freunde nacheinander auf den Gang hinaus. Keiner wagte es, sich ihm zu widersetzen, da sie am Vorabend bereits eine Kostprobe seiner Grillfähigkeiten gesehen hatten.

"Ja, ja, ich geh ja schon schneller", brummte Bulma, als sie erneut angestoßen wurde.

Der Gang, den sie entlangmarschierten, war recht schmal, dafür hoch. Das erste Mal, das sie ihn gegangen waren, hatten sie nicht viel gesehen, da es zu hell war. Nachdem die Capsule 3 gelandet war und die Insassen von diesem einen Krieger gefangen genommen wurden, war es rasend schnell heißer und auch heller geworden. Es schien fast so, als hätte der Planet, auf dem sie gelandet waren, mehrere Sonnen, und vielleicht war das auch der Fall, aber wenn, dann mussten sie eng beieinander liegen. Doch Bulma wusste genau, dass die Möglichkeit eines multisolaren Systems sehr gering war, und wenn es doch eines war, würde der Planet bald nicht mehr existieren. Auch wenn das Volk wie es schien dem Menschen in geistigen und kommunikativen Bereichen hinterherhinkte, konnte doch nicht bestritten werden, dass sie - soweit man an dem einen Exemplar, dem sie begegnet waren, feststellen konnte - eine intelligente Rasse war. Das ließ vermuten, dass eine Evolution ähnlich die der Erde stattgefunden hatte, und solch ein Entwicklungsstand dauerte gewöhnlich Millionen von Jahren. Ein Solarsystem hatte für gewöhnlich von Anfang an die vorbestimmte Anzahl von Sonnen, und dadurch wurde es beinahe unmöglich, dass es hier mehr als eine solare Energiequelle geben konnte, da ein System von mehr als einer Sonne eine im Vergleich extrem kurze Lebensdauer hatte.

Wieder ein Bellen - oder war es ein Grunzen? - und sie erreichten den Ein- bzw. Ausgang ihres temporären Gefängnisses.

Die Veränderung war verblüffend. Selbst Kuririn und Chichi - trotz ihres Jungfrau-Dilemmas - schnappten überwältigt nach Luft, als sie wieder ans Freie traten. Kühle Nachtluft wehte durch die Luft, es war nicht kalt, eher angenehm, wenn man die Hitze des Tages noch im Hinterkopf hatte. Der Himmel war übersät von unzähligen, leuchtenden Sternen, die glitzernden Punkte bildeten Formationen, die noch keiner der drei Menschen je gesehen hatte, was jedoch ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Obwohl es eigentlich stockdunkel sein sollte, war es hell genug, ausreichend zu sehen. Fahlgelbes Licht beleuchtete die Wüste, die sich so weit das Auge reichte, ausbreitete.

*Wir sind lange gegangen*, dachte Kuririn stirnrunzelnd. Er war sich nicht sicher, ob sie den Weg zurück zu ihrem Raumschiff finden konnten - und ob ihnen das etwas brächte. *Eher nicht ...*

Chichi blieb kurz stehen, um sich den Sand aus den Schuhen zu schütten, und wurde grob von dem Riesen angefahren. "Oh, halt die Schnauze!", schrie sie zurück. "Ich kann doch nicht wie auf Glassplittern gehen!" Grummelnd zog sie sich den Stiefel wieder an und marschierte weiter. Auch wenn sie Kampfsportlerin war, hieß das noch lange nicht, dass sie sicheren Selbstmord begehen wollte, indem sie sich dem Riesen widersetzte. In einer Stunde würde sie den zweiten Stiefel ausleeren. Bis dahin humpelte sie eben einseitig.

Bulma lief unterdessen schweigend und mit verschränkten Armen, ihren Blick hatte sie verloren auf einen der Trabanten des Planeten geheftet. Er war ähnlich geformt wie der der Erde, nur war er ein wenig kleiner und das Licht, das er aussandte, war noch blasser als das vom Mond. Der Satellit, der links daneben am Himmel hing, war nicht nur weitaus kleiner als der andere, sondern auch in seiner Form unterlegen. Er sah aus, wie ein Felsklumpen, den man einmal zu hoch geworfen hatte, und dann an der Sternendecke hängen geblieben war. Es war eindeutig, dass der Mond noch nicht lange in dieser Umlaufbahn fuhr, andernfalls hätte die Zentrifugalkraft eine Abplattung ähnlich wie die seines Zwillings verursacht.

*Wahrscheinlich ist es ein Meteor, der dem Planeten einmal zu nahe gekommen war und dann eingefangen wurde*, überlegte Bulma. *Dann muss der Planet hier größer sein als die Erde ... Die hätte einen Meteor dieser Größe mit seiner geringen Gravitation kaum anziehen können ... Einen Moment mal ...* Nachdenklich runzelte sie die Stirn und verlangsamte ihren Schritt. *Die Schwerkraft auf diesem Planeten hier ... ich kann nicht behaupten, dass sie höher ist als auf der Erde ... Merkwürdig ...* - "Ouch!" Mit blitzenden Augen sah sie ihren Wärter an, der sie gerade mit einem kleinen Energiestrahl vor den Füßen darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie zu langsam war. Leise fluchend marschierte Bulma weiter und wurde mit einem neuerlichen Strahl bestraft, der sie nur knapp verfehlte. Eigentlich hätte sie schon wissen müssen, dass dieser Kerl es nicht mochte, wenn man sprach. Außerdem stand er anscheinend total auf seinen "strahlenden" Finger. Nicht nur, dass er ihnen damit Feuer unterm Hintern machte, nein, er hatte auch noch die letzten Überreste ihrer Raumkapsel pulverisiert. Gastfreundschaft war wohl keine Tugend dieser Rasse.

*~^~*

Vegeta lief unruhig in seinem Gemach auf und ab, wobei der blutrote Teppich die Geräusche seiner Stiefel verschluckte. Ein schwerer Eichentisch stand an einer Seite der Wand und war mit Dutzenden von Papierstapeln beladen. Schwere, in einfachen Mustern und Farben gehaltene Wandteppiche nahmen dem Raum etwas von seiner Bedrohlichkeit. Ein Rundbogen führte in den Schlafteil des Zimmers, das von einem massiv gearbeiteten, auf vier Pfosten aufgestellten Bett beherrscht wurde. Blaue Satinlaken und das über dem Bett angebrachte Emblem wiesen auf den königlichen Okkupanten hin, der sich des nachts in sein Gemach zurückzog.

Doch dieses Mal war es nicht zum Ausruhen. Er hatte von Radditz, der auf einem Außenposten postiert war um etwaige unangemeldete Besucher - insbesondere Freezer - rechtzeitig ankündigen zu können, eine Botschaft erhalten, dass ein UFO gelandet war. Drei humanoide Lebensformen, die in ihrer Physik den Saiyajin zu ähneln schienen, doch nicht an ihre Kraft herankamen, und eine davon hatte eine seltsame Färbung.

Vegeta stoppte seine unnutze Herumlauferei und sah durch das Fenster, das ihm einen geraden Ausblick auf den kleineren der zwei Monde von Vegeta-sei bot.

"Kuso!", fluchte der Prinz und versuchte den Trabanten allein durch seinen Blick zum Explodieren zu bringen. Er hasste diesen Mond und seit geraumer Zeit war er dazu übergegangen, ihm für alles die Schuld zu geben.

Vegeta schritt in den zweiten Teil seines Zimmers und setzte sich vollbekleidet auf sein Bett. Er hatte nicht die geringste Lust, sich noch an diesem Abend mit den Gefangenen abzugeben. Seine Zeit war knapp bemessen und würde nicht an unwichtige Kreaturen vergeudet werden, die er nicht mal beschimpfen konnte - nun, eigentlich schon, nur machte es keinen Spaß, wenn der Gegenüber einen nicht verstand.

Radditz hatte seine Befehle und würde die drei in den Palastkerker werfen. Dort würden sich die Zwillinge schon ihrer annehmen. Und wenn er einmal etwas Zeit übrig hatte, würde er sich die Aliens ansehen gehen.

Es war schon einige Zeit vergangen, seit er zuletzt bei einem Zirkus gewesen war, und eine blauhaarige Weibliche war vielleicht einen Blick wert.