Anmerkung: Schreibt mir bitte Feedback, wie euch dieses erste Kapitel
gefällt!!!
Es war kalt. Eiskalt.
Harry öffnete müde die Augen. Stille rauschte um ihn herum, und was er sah, war in schummrige Dunkelheit gehüllt. Es war noch mitten in der Nacht.
Gänsehaut kroch ihm über den ganzen Körper und Harry setzte sich stirnrunzelnd in seinem Bett auf. Was war hier los? Das Fenster seines Zimmers war verschlossen, wieso also war es so kalt? Nur eins war klar: In dieser Kälte konnte er unmöglich wieder einschlafen.
Mit der rechten Hand setzte er sich seine Brille auf, während er mit der anderen nach seinem Umhang griff, den er am Abend einfach auf dem Boden liegen gelassen hatte. Zwinkernd stieg er aus dem Bett, hüllte sich zitternd in den schwarzen Stoff und ging auf die Tür zu, die einen Spalt breit offen stand.
»Sirius?«, fragte er mit vor Kälte brüchiger Stimme. Mit Sicherheit hatte auch Sirius diese Kälte bemerkt und war aufgestanden- falls er überhaupt geschlafen hatte. Harry hatte sich schon daran gewöhnt, dass Sirius das Licht bis tief in die Nacht hinein brennen ließ, um an seinen Büchern zu arbeiten. Es störte ihn nicht mehr.
Diese Nacht war es nicht anders. Harry betrat leise das Wohnzimmer, und der matte Schein der Lampe, die auf Sirius' Schreibtisch stand, erfüllte den ganzen Raum. Sirius selbst saß auf seinem Drehstuhl, über seine Dokumente gebeugt, und schenkte Harry keine Beachtung. Im ganzen Zimmer lagen Zettel verstreut, teilweise zerknüllt oder zerrissen.... doch Harry merkte, dass es mehr waren als sonst. Und er bemerkte noch ganz andere Dinge. Die Möbel waren umgeworfen und teilweise zerstört worden, die Bücher waren reihenweise aus den Regalen gefegt. Die Fensterscheibe an der gegenüberliegenden Wand war zerbrochen und eisiger Wind zischte hindurch.
»Was...?«, sagte Harry verwirrt, »Sirius,... was ist hier passiert?«
Sirius antwortete ihm nicht. Harry ging vorsichtig auf ihn zu. Glasscherben knirschten unter seinen Füßen. Eine Woge von Kälte ließ ihn erschaudern.
»Sirius...«
Und dann hielt er inne. Plötzlich wurde ihm bewusst... dass Sirius tot war. Für einen Moment lang wusste Harry nicht, was er tun oder denken sollte. Aber er wusste es: Sirius war tot. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Und Sirius war nicht der einzige.
Wie in Trance ging Harry auf die Haustür zu, in der Gewissheit, etwas furchtbares zu erblicken, wenn er sie öffnen würde. Aber er musste es tun. Er würde sonst nie erfahren, wie Sirius gestorben war. Langsam drückte er die Klinke herunter, schob die Tür auf und ging auf die Straße. Der Vollmond stand zwischen den pechschwarzen Wolken und tauchte das Szenario in unheimliches Licht. Nichts rührte sich in den Gassen von Hideville. Fensterläden und Türen standen offen, wenn sie nicht beschädigt oder zerstört waren, und diese Stille... sie hatte den Nachklang eines Lachens, das der Ursprung dieser Kälte zu sein schien... Harrys Beine bewegten sich wie von allein. Er konnte jetzt nicht stehen bleiben, das wusste er. Aus den Augenwinkeln sah er die leblosen Körper jener Zauberer, die sich zur Stunde des Untergangs auf den Straßen befunden hatten... es waren viele... sicherlich hunderte...! Leere Augen schienen ihn anzustarren, von allen Seiten, mit einem Ausdruck des Vorwurfes, der Harry die Kehle zuschnürte...
Lauf schneller, Harry, dachte er, während das Grauen seinen Nacken hinauf kroch, lauf schneller, lauf weg!
Doch jeder Schritt, den er tat, schien die Straße vor ihm um zwei weitere Schritte zu verlängern, und es kam ihm vor, als liefe er rückwärts, nicht vorwärts, wobei er um jeden weiteren Meter weniger Luft bekam und langsamer wurde... Harry versuchte zu rennen, er wollte nur weg von diesem furchtbaren Ort der Zerstörung, weg von diesem Horror!
»Harry,... Harry... was hast du getan?«, hauchte eine Stimme rechts von ihm, und als Harry sich mit pochendem Herzen umdrehte, wich er vor Entsetzen zurück. Professor Lupin lag vor ihm auf dem Boden, mit vor Furcht geweiteten Augen, die gleich darauf leer wurden. Neben ihm, die erstarrten Körper von Ron, Hermine, Cho... und Ginny. Lupin hatte sie schützen wollen, doch es hatte nichts genützt...
»Nein!«, keuchte Harry und wich noch weiter zurück, stieß mit dem Fuß gegen den Arm eines weiteren Toten und drückte sich nach Luft ringend gegen eine Hauswand. Das konnte nicht sein! Was war bloß geschehen?!
»Harry... Harry Potter«, hörte er nun auch andere Stimmen, geisterhaft aus allen Richtungen kommend, »Was ist bloß geschehen...«
»Harry... nein... Was hast du getan, Harry...«
»Harry Potter... Warum hast du nichts unternommen, Harry...?«
»Du bist schuld... du ganz allein! Wie konntest du nur...?!«
Dashier ist ein Traum!, dachte er verzweifelt und schloss die Augen, um diese Stimmen zu verdrängen, nein...! Das ist ein Traum, weiter nichts,.. bitte... es muss ein Traum sein!
»Ein Traum, aus dem du nie wieder aufwachen wirst, Potter«.
Harry erschrak bis ins Mark und blieb stehen. Lucius Malfoy stand in seiner vollen Gestalt vor ihm, seine Augen waren voll gehässiger Siegessicherheit. »Es ist vorbei, siehst du?« Die finstere Gestalt breitete demonstrativ beide Arme aus. In der Linken prangte das Schwert Godrick Gryffindors, dessen Ende verdächtig rot glänzte. Malfoy blickte um sich und atmete genüsslich den Geruch des Todes ein, der ihn umgab. »Dies ist nun das vollendete Werk meines Meisters, Potter. Und natürlich das meine. Sie sind alle tot, Potter. Alle, die dir etwas bedeutet haben. Genau wie du selbst. Alles Gute zum Geburtstag, Potter.«
Harry taumelte rückwärts und wusste nicht, was Malfoy damit meinte... bis er merkte, dass warmes Blut seinen Umhang tränkte. Starr vor Entsetzen blickte er an sich herab... doch er wusste bereits, dass es zu spät war... Deshalb bekam er keine Luft mehr...! Das Blut an Godrick Gryffindors Schwert war das seine...!
»Nein...!« Er fiel auf die Knie, in der Gewissheit, dass Lord Voldemort es nach über sechzehn Jahren doch geschafft hatte, ihn zu töten...
»Harry! Oh mein Gott, Harry, wach doch auf! Wach auf!«
Irgendetwas schlug ihn mit voller Wucht ins Gesicht. Harry schreckte mit rasendem Herzen auf und wusste im ersten Moment nicht, wo er sich befand. Seine Wange brannte wie Feuer... doch es war wunderbar, alles war wunderbar im Gegensatz zu diesem furchtbaren Alptraum...!
Er schüttelte benommen den Kopf, schloss noch einmal kurz die Augen und erkannte dann Amanda, die sich mit todbleichem Gesicht über ihn beugte. Kaum einen Augenblick später erschien auch eine zweite Person in Harrys Blickfeld.
»Was ist denn hier los?«, fragte Sirius alarmiert. »Harry...! Amanda... ist alles in Ordnung mit ihm?!«
Sirius, dachte Harry und verspürte tiefe Erleichterung. Ihn zu sehen, gab ihm erst wirklich die Gewissheit, nur geträumt zu haben.
»Ich glaube, er hat schon wieder diese Halluzinationen«, wisperte Amanda, »Er hat geschrien und um sich geschlagen... Ich mache mir langsam wirklich Sorgen...!«
»Nein... mir geht's gut«, murmelte Harry verärgert. »Es war nur ein Traum...«
»Nur ein Traum!«, schnappte Amanda erbost, »Nur ein Traum?! Sieh dich doch an, Harry! Welche Art von Traum soll das bitte sein?!«
»Ist schon gut...«, sagte Sirius, legte seiner Frau beschwichtigend die rechte Hand auf die Schulter und schob sie sachte zurück.
Amanda ließ es sich gefallen, sie schüttelte jedoch verständnislos den Kopf. »Na gut, dann mache ich euch jetzt Frühstück«, brummte sie. Dann drehte sich um und ging mit wehendem Umhang aus dem Zimmer.
Harry sah ihr halbwegs erleichtert nach. Er mochte Amanda wirklich, aber wenn es darum ging, wegen den kleinsten Ungewöhnlichkeiten Panik zu machen, war sie noch viel schlimmer als Sirius.
Doch auch der bedachte Harry mit einem schiefen Blick. Harry seufzte in Gedanken. Er mochte es gar nicht, wenn sich sein Pate Sorgen um ihn machte. Das endete seiner Erfahrung nach nie sonderlich gut.
»Was ist?«, fragte Harry zitternd. Die Kälte schien er sich wohl doch nicht nur eingebildet zu haben.
»Nichts«, sagte Sirius, ohne es besonders überzeugend klingen zu lassen. »Ich habe mich nur gerade gefragt, was genau du geträumt hast.«
Harry brauchte zwei Sekunden, um zu realisieren, dass sein Pate daraufhin eine Aussage von ihm erwartete. Er senkte den Kopf und überlegte sich etwas glaubwürdiges...
»Ich... na ja... eigentlich... nichts besonderes...«
Sicher, es war falsch, Sirius immer wieder anzulügen, aber die Wahrheit würde bloß noch mehr übereilte Sorge nach sich ziehen, und das wollte Harry auf jeden Fall vermeiden.
»Du weißt schon... Todesser, Voldemort... solche Sachen.«
Sirius hob misstrauisch eine Augenbraue. »Nichts genaueres?«
»Ich weiß es nicht mehr«, log Harry. »Ähm... Hast du das Fenster heute Nacht aufgelassen?«, fügte er bibbernd hinzu.
»Nein«, sagte Sirius und verengte die Augen. »Aber selbst wenn,... es ist überhaupt nicht kalt draußen... Sicher, dass alles in Ordnung ist?« Harry nickte. »Ganz sicher.«
Es war ein Traum gewesen. Weiter nichts.
»Wie du meist«, sagte Sirius und ging.
Mein siebzehntes Lebensjahr startet ja sehr gut, dachte Harry mürrisch.
Erst, als er sich angezogen hatte und sich jetzt den Umhang über die Schultern hängte, verkroch sich die unheimliche Kälte aus seinen Gliedern. Im Gegensatz zu den Erinnerungen an das, was er geträumt hatte.
Alles Gute zum Geburtstag, Potter.
Dass die erste Geburtstagsgratulation den Tod seiner Freunde beinhaltete und ausgerechnet von Lucius Malfoy kam, war ein mehr als beängstigender Gedanke, an dem Harry nicht länger festhalten wollte. Nein- er musste an etwas anderes denken. Träume waren bloß Träume. Sie hatten keinerlei Bezug zur Realität.
»Kommst du, Harry?!«, klang Amandas Stimme aus der Küche. »Ich sehe schon Hedwig und Krival kommen!«
»Ja, gleich!«, rief Harry und bemühte sich, mit seiner linken Socke fertig zu werden. Es war doch immer das gleiche mit diesen Dingern. Endlich geschafft, stürzte er aus seinem Zimmer ins Wohnzimmer, wo ihn wie jeden Morgen das Wandbild über Sirius' Schreibtisch mit einem Knicks begrüßte, und von dort aus ging er in die kleine Küche der Blacks. Die bestand eigentlich nur aus einem Herd, einigen Schränken, einem Tisch mit drei Stühlen und einem Fenster. Die Küchengeräte vertrieben sich ihre Zeit vorzugsweise im Garten oder auf der Treppe zum Dachboden und waren auch an diesem Morgen nicht sonderlich zahlreich anwesend. Dafür saß Sirius bereits am Tisch und las den Tagespropheten, während Amanda den Toaster dazu zu überreden versuchte, das Brot nicht immer wieder auszuspucken.
Prinzipiell doch ein ganz normaler Morgen, dachte Harry erleichtert.
Als Sirius Harry hereinkommen hörte, legte er seine Zeitung weg und fiel ihm auf der Stelle quer über den Tisch um den Hals. »Erst einmal alles Gute zum Geburtstag, Harry!«
»Danke«, keuchte Harry, »nur erwürg' mich nicht, OK? Du bist schon fast so schlimm wie Hagrid!«
»Oh, Entschuldigung.« Grinsend ließ sich Sirius wieder auf seinen Stuhl fallen.
»Komm her, Harry«, sagte nun auch Amanda, die sich wohl dazu entschlossen hatte, ihre Sorgensmiene abzustellen, »Alles Gute auch von mir.«
Harry nahm es mit Würde hin und ließ sich von ihr knuddeln. Na gut, es war zugegeben nicht sonderlich angenehm, wie ein Zwölfjähriger behandelt zu werden, aber das nahm er in Kauf. Die Blacks waren zwei der wunderbarsten Menschen, die er kannte, und bei seinem Pate Sirius leben zu können, darauf hatte er ja fast drei Jahre lang warten müssen.
»Oh, sie sind da«, sagte Amanda und ließ Harry los, als mehrere flatternde Gestalten vor dem offenen Fenster erschienen. Harry erkannte sofort mit Vorfreude seine Schneeeule Hedwig, die mit Krival, Sirius' grauer Jungeule, munter voranflog. Dann war da noch Pig, das kleine Federknäuel der Weasleys und eine vierte Eule, die Harry noch nicht kannte.
Freudig schuhuend schwebten die vier durch das Fenster; Hedwig fand sofort ihren Weg auf Harrys Schulter, Krival landete nobel auf dem Fenstersims, Pig wich mit einiger Mühe dem Toaster aus und die fremde Eule ließ sich auf der Stuhllehne von Sirius nieder.
»Morgen, Hedwig«, sagte Harry und befreite sie von ihren Briefen.
»Oh, was ist das denn?« Sirius betrachtete den Brief, den die fremde Eule gebracht hatte. »Von Cho für Harry,« las er vor und hob eine Augenbraue. »... he, ich wusste gar nicht, dass ihr noch Kontakt habt...«
»Hey, das ist mein Brief!«, rief Harry und nahm Sirius den Brief ab.
»Wer ist denn Cho?«, fragte Amanda.
»Ihr seid viel zu neugierig,« sage Harry.
»Seid ihr etwa doch zusammen?«, feixte Sirius.
»Uns kannst du's doch sagen...«
»Ach, lasst mich doch in Ruhe«, grinste Harry, nahm seine Briefe und ging zurück in sein Zimmer
Lieber Harry, Erst einmal alles Gute zum Geburtstag. Ich hoffe, du hattest schöne Ferien, ich habe mich in Frankreich jedenfalls bestens amüsiert. Übrigens habe ich die Stelle als Tanzlehrerin bekommen! Was sagst du dazu? Meine Eltern haben einen riesigen Aufstand gemacht- du weißt ja, sie wollten, dass ich ins Ministerium gehe... aber ich mache eben was ich will... Außerdem war das Tanzen schon immer mein Traum.
Weißt du irgendetwas neues von Ron und Gwen? Meine Schwester redet ja neuerdings nicht mehr mit mir... aber ich mische mich eben zu gern in ihr Privatleben ein... nein, nein, ich würde ja nur gern wissen, ob sie noch mit ihm zusammen ist oder nicht. Letztes Jahr war einfach zu genial, und ich interessiere mich brennend dafür, wie sich alles weiterentwickelt hat. Um ehrlich zu sein würde ich alles dafür geben, noch ein Jahr auf Hogwarts verbringen zu dürfen, es ist einfach schade, dass wir uns jetzt nicht mehr so oft sehen. Vielleicht hätte ich mich doch um ein Referendariat bewerben sollen... Aber jetzt spinne ich vor mich hin. Wir können uns ja trotzdem irgendwann mal wieder treffen, oder? Ich meine, so wie in alten Zeiten... Lass von dir hören, Küsschen, Cho.
PS: Dein Geburtstagsgeschenk bekommst du in Hogwarts..
Harry faltete grinsend den Brief zusammen. Er hatte schon gefürchtet, überhaupt nichts mehr von Cho zu hören. Nun war er ziemlich erleichtert, dass sie ihm geschrieben hatte; sie hatte ihm damit die Bürde abgenommen, sich bei ihr zu entschuldigen. Gleichzeitig war Harry aber auch sauer auf sie. Toll- gerade hatte er geglaubt, Cho für einige Zeit vergessen zu können, und dann schrieb sie ihm einen Brief, in dem sie kein Wort von ihrem Streit erwähnte und ihm einfach so alles zu verzeihen schien... ganz nach ihrer wunderbaren Art. Küsschen, Cho. Dieses Mädchen war einfach furchtbar! Jetzt wusste Harry schon wieder nicht, ob er etwas für sie empfand oder nicht. Er wusste nur, dass ihn die Eifersucht fast rasend gemacht hatte, als Cho beim letzten Weihnachtsball zusammen mit Val Hakins erschienen war, dem neuen Sucher von Ravenclaw, dem größten Aufreißer, den mach sich vorstellen konnte. Und dabei war diese Eifersucht nicht einmal berechtigt gewesen, denn erst zwei Wochen for dem Weihnachtsball hatten sie sich erst getrennt, Cho und Harry, weil sich keiner von beiden über seine Gefühle im Klaren gewesen war. Und doch hatte nur Vals Schadenfreude Harrys Eifersucht übertreffen können. Schließlich hatte Vals Prahlerei dazu geführt, dass Cho mit ihm Schluss gemacht hatte, und Harry hätte Freudensprünge vollführen können. Doch dann war es geschehen- diese Sache... mit Ginny. Am letzten Schultag war es Ginny Weasley gewesen, die ihn umarmt und geküsst hatte, nicht Cho Chang. Die hatte in einiger Entfernung dabeigestanden und dreingeschaut, als wäre die Welt untergegangen.
Das darauffolgende Gespräch war im Desaster geendet
Cho verstand Harry falsch, Harry verstand Cho falsch und Ginny schrie sie beide an, sie sollten sich endlich überlegen, wie sie wirklich zueinander standen.
Dann war der Zug abgefahren und Harry hatte keine von ihnen in den Ferien getroffen.
Und jetzt faltete Harry den Brief doch noch einmal auseinander.
Ich meine, so wie in den alten Zeiten...
Was meinte sie damit? Die vielen Uneinigkeiten, die sie hatten? Oder hatte Cho doch gemerkt, dass sie wegen Ginny nicht eifersüchtig sein musste, und wollte einen Neuanfang? Nun ja, wunderbare Art hin- und her, Harry war sich nicht sicher, ob er das wollte.
Um sich von diesen Gedanken abzulenken, begann er, die anderen Briefe zu lesen. Der Brief von Hedwig enthielt eine Nachricht von Hermine.
Herzlichen Glückwunsch, Harry! Na, wie fühlt man sich mit siebzehn? Mir geht es jedenfalls prächtig- meine Eltern haben sich fast überschlagen, als sie meine ZAGs von letztem Jahr gesehen haben, und haben vor Freude eine Reise nach Australien mit mir gemacht (Sogar Mitch durfte mit!)
Harry grinste. Mitch war Hermines Freund, den sie vor einem Jahr kennengelernt hatte. ER war ein Muggel und laut Hermine ein absolutes Genie in allen Kategorien, die es gab. Harry stellte es sich äußerst schwer vor, eine Beziehung zwischen den zwei Welten zu führen, besonders, da Hermine ja kaum Kontakt zu ihrem Freund hatte, so lange sie Hogwarts besuchte. Aber Hermine kam ja bekanntlich mit allem klar.
Es war der beste Urlaub, den ich je hatte! Aber natürlich freue ich mich schon riesig auf Hogwarts- Harry, ist dir überhaupt bewusst, dass dies unser letztes Jahr als Schüler ist?! Das letzte Jahr Snape und Malfoy! Das siebt Jahr, Harry... ich hoffe, es wird so ruhig wie das sechste. Da hatten wir eine Menge Fun, oder? Meiner Meinung nach geht es auch mal ohne Dramatik und Abenteuer, bei denen man sich den Hals brechen kann. Und natürlich hoffe ich auf noch bessere ZAGs als letztes Jahr!
Das war wieder typisch Hermine- sie schrieb soetwas, obwohl sie genau wusste, dass ihre Leistungen kaum zu toppen waren. Aber Harry fühlte sich äußerst unwohl, während er diese Zeilen las. Für Hermine mochte das sechste Schuljahr vielleicht ruhig und erholsam gewesen sein, doch das konnte sie nur sagen, weil sie nichts von dem wusste, was Harry in der Nacht zu Halloween geschehen war. Niemand wusste das, nicht einmal Ron oder Sirius. Selbst Dumbledore hatte eine Ahnung. Harry schüttelte die Erinnerung weg, bevor sie richtig in ihm aufkommen konnte. Er wollte sich das Geschehene nicht zurück ins Gedächtnis rufen... denn er hatte Angst davor, eines Tages vielleicht doch seinen tiefsten Herzenswünschen nachzugeben und gegen seinen Verstand zu handeln. Die Folgen davon erschienen oft genug in seinen Träumen... Er wollte nicht auch noch den Tag damit verdunkeln. Also las er weiter.
Hast du etwas von Ron gehört? Lang her, dass er mir das letzte Mal geschrieben hat... was meinst du, ist er noch mit Gwen zusammen? Ach ja- und treffen wir uns wie gewohnt in der Winkelgasse? Alles Liebe, Hermine.
Harry runzelte amüsiert die Stirn. Erstaunlich, wie viele Leute sich um Rons Privatleben Gedanken machten!
Ach, und falls du mein Geschenk für dich vermisst, das kommt nachträglich!
Auch das fand er irgendwie verdächtig. Er durchsuchte seine restliche Polst und fand auch sonst keine Geschenke. Das war ungewöhnlich; normalerweise wurde Harry von Büchern, Besenpflege und Kuchen regelrecht bombardiert. Selbst Hagrid hatte ihm diesmal nichts geschickt- auch von ihm lag nur ein Brief vor, den sich Harry zugleich näher ansah.
Lieber Harry, jetzt ist es schon sechs Jahre her, seit sich dich damals vor den Dursleys gerettet habe... verdammt lange Zeit, stimmt's? Alles Gute natürlich von mir. Hab' leider nicht viel Zeit zum Schreiben, muss die Tierchen für die neuen Drittklässler füttern.
Wir seh'n uns in der Winkelgase,
Hagrid
PS: Auf dein Geschenk musst du noch'n bisschen warten, ist mehr Arbeit als erwartet!
Schließlich waren noch zwei Briefe übrig; einer kam von Hogwarts und klärte Harry wie jedes Jahr darüber auf, welche Bücher er für das kommende Schuljahr brauchte und wann der Hogwarts-Express vom Gleis 9 ¾ abfahren würde. Der letzte Brief kam von den Weasleys- das wusste Harry schon bevor er die ersten Zeilen las.
Hi Harry! Alles Gute zum Geburtstag!!! Na, schon bereit für unser großes Finale? Ich bin wirklich gespannt, was dieses Jahr so alles ab geht! Fred und George haben jedenfalls gesagt, das siebte Schuljahr wäre eine wahre Folter (wie du weißt haben sie bei den Prüfungen fast völlig versagt!) Aber ich will hier keine Horrorgeschichten erzählen. Meine beiden Idioten-Brüder haben es übrigens geschafft, ihren Geschenkartigelladen zu eröffnen, und Mum ist ganz aus dem Häuschen über ihre ersten Einnahmen. Vielleicht ändert sie ja doch noch ihre Einstellung zu der Sache...
Du fragst dich bestimmt gerade, warum du von niemandem Geschenke bekommen hast. Na ja, unser Geld war uns einfach zu schade für dich... nein, natürlich nicht. Hermine hatte die glorreichen Idee, dass wir dir dieses Jahr alle zusammen etwas schenken, mal etwas "ganz besonderes"... mehr verrat ich dich nicht, sonst drehen mir gewisse Leute den Hals um. Ich hoffe, wir seh'n uns wie immer in der Winkelgasse, bis dahin grüble schön über dein Geschenk nach und bestell deinen Paten viele Grüße von mir. Tschau, Ron.
PS: oh je, jetzt wird's kompliziert...! Ich soll dir von Gwen ausrichten, falls Cho dich etwas über sie graft hat, sollst du ihre sagen, sie sei eine neugierige Zicke und... ja ja, solche Dinge eben. Übrigens sind wir noch zusammen.
Aber Ron ist kurz davor, sich seine Beziehung zu ruinieren!
Oh shit, Ginny schreibt mit Fluchtinte! Na ja, dann siehst du halt, was sie so vor sich hin spinnt. Was soll's? Das nächste Mal belege ich meine Briefe mit einem Anti-Schwester-Zauber! Ach ja- und sie hat etwas verschlüsseltes auf die Rückseite gekritzelt. Du musst "Hallo Ginny" sagen, damit du es lesen kannst. Jetzt endgültig Tschau, Ron.
Harry schüttelte den Kopf und drehte grinsend das Blatt Pergament um. »Hallo Ginny«, sagte er.
Hallo, Harry,
erschien eine hellblaue Schrift auf dem Papier. Und dann:
Wie geht es dir? Und natürlich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen und reden, Harry. Du weißt schon wieso, oder...? Ich sage nur letzter Schultag... Wir sollten auf jeden Fall einige Dinge klar stellen. Und entschuldige, dass ich dich so angeschrien haben, dazu hatte ich wirklich kein Recht... Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich. Bis dann, deine Ginny.
OK, dachte Harry tief einatmend. Schon beim Gedanke an das Gespräch, das Ginny wollte, fehlten ihm die Worte. Nun gut, sie hatten sich geküsst, aber war das wirklich so viel Aufstand wert? Harry erinnerte sich an diesen Moment und merkte (mal wieder), dass es alles andere als unangenehm gewesen war... Etwas hatte eindeutig geknistert, zwischen ihm und Ginny, und dieses unbeschreibliche Gefühl hatte Harry für die Zeit dieses Kusses in seinen Bann gezogen und alle anderen Gefühle wird durcheinander gewirbelt. Harry hatte diesen Wirrwarr heute noch nicht richtig geordnet. Tatsache war, dass das, was Cho bei ihm auslöste, ganz ähnliche Auswirkungen hatte. War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Harry seufzte. Er hätte nie gedacht, dass seine ewige Verliebtheit in Co in solch komplizierte Bahnen verlaufen würde. Er war ja schon beinahe eifersüchtig auf Ron; der führte mit Gwen wenigstens eine vernünftige Beziehung, die schon fast drei Monate andauerte.
Ob mir sowas je passieren wird?, dachte Harry.
Bis jetzt hatte es immer irgend jemand oder- etwas geschafft, seine Beziehungen zu stören, ob nun mit Cho oder (*räusper*) aus grauer Vorzeit mit Hermine.
Schon erstaunlich, was nach sechs Jahren Hogwarts für Erinnerungen in Harry schlummerten, gute wie schlechte. Undenkbar, was passiert wäre, wenn Hagrid damals nicht die Tür zu den Dursleys eingetreten hätte...
Es war kalt. Eiskalt.
Harry öffnete müde die Augen. Stille rauschte um ihn herum, und was er sah, war in schummrige Dunkelheit gehüllt. Es war noch mitten in der Nacht.
Gänsehaut kroch ihm über den ganzen Körper und Harry setzte sich stirnrunzelnd in seinem Bett auf. Was war hier los? Das Fenster seines Zimmers war verschlossen, wieso also war es so kalt? Nur eins war klar: In dieser Kälte konnte er unmöglich wieder einschlafen.
Mit der rechten Hand setzte er sich seine Brille auf, während er mit der anderen nach seinem Umhang griff, den er am Abend einfach auf dem Boden liegen gelassen hatte. Zwinkernd stieg er aus dem Bett, hüllte sich zitternd in den schwarzen Stoff und ging auf die Tür zu, die einen Spalt breit offen stand.
»Sirius?«, fragte er mit vor Kälte brüchiger Stimme. Mit Sicherheit hatte auch Sirius diese Kälte bemerkt und war aufgestanden- falls er überhaupt geschlafen hatte. Harry hatte sich schon daran gewöhnt, dass Sirius das Licht bis tief in die Nacht hinein brennen ließ, um an seinen Büchern zu arbeiten. Es störte ihn nicht mehr.
Diese Nacht war es nicht anders. Harry betrat leise das Wohnzimmer, und der matte Schein der Lampe, die auf Sirius' Schreibtisch stand, erfüllte den ganzen Raum. Sirius selbst saß auf seinem Drehstuhl, über seine Dokumente gebeugt, und schenkte Harry keine Beachtung. Im ganzen Zimmer lagen Zettel verstreut, teilweise zerknüllt oder zerrissen.... doch Harry merkte, dass es mehr waren als sonst. Und er bemerkte noch ganz andere Dinge. Die Möbel waren umgeworfen und teilweise zerstört worden, die Bücher waren reihenweise aus den Regalen gefegt. Die Fensterscheibe an der gegenüberliegenden Wand war zerbrochen und eisiger Wind zischte hindurch.
»Was...?«, sagte Harry verwirrt, »Sirius,... was ist hier passiert?«
Sirius antwortete ihm nicht. Harry ging vorsichtig auf ihn zu. Glasscherben knirschten unter seinen Füßen. Eine Woge von Kälte ließ ihn erschaudern.
»Sirius...«
Und dann hielt er inne. Plötzlich wurde ihm bewusst... dass Sirius tot war. Für einen Moment lang wusste Harry nicht, was er tun oder denken sollte. Aber er wusste es: Sirius war tot. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Und Sirius war nicht der einzige.
Wie in Trance ging Harry auf die Haustür zu, in der Gewissheit, etwas furchtbares zu erblicken, wenn er sie öffnen würde. Aber er musste es tun. Er würde sonst nie erfahren, wie Sirius gestorben war. Langsam drückte er die Klinke herunter, schob die Tür auf und ging auf die Straße. Der Vollmond stand zwischen den pechschwarzen Wolken und tauchte das Szenario in unheimliches Licht. Nichts rührte sich in den Gassen von Hideville. Fensterläden und Türen standen offen, wenn sie nicht beschädigt oder zerstört waren, und diese Stille... sie hatte den Nachklang eines Lachens, das der Ursprung dieser Kälte zu sein schien... Harrys Beine bewegten sich wie von allein. Er konnte jetzt nicht stehen bleiben, das wusste er. Aus den Augenwinkeln sah er die leblosen Körper jener Zauberer, die sich zur Stunde des Untergangs auf den Straßen befunden hatten... es waren viele... sicherlich hunderte...! Leere Augen schienen ihn anzustarren, von allen Seiten, mit einem Ausdruck des Vorwurfes, der Harry die Kehle zuschnürte...
Lauf schneller, Harry, dachte er, während das Grauen seinen Nacken hinauf kroch, lauf schneller, lauf weg!
Doch jeder Schritt, den er tat, schien die Straße vor ihm um zwei weitere Schritte zu verlängern, und es kam ihm vor, als liefe er rückwärts, nicht vorwärts, wobei er um jeden weiteren Meter weniger Luft bekam und langsamer wurde... Harry versuchte zu rennen, er wollte nur weg von diesem furchtbaren Ort der Zerstörung, weg von diesem Horror!
»Harry,... Harry... was hast du getan?«, hauchte eine Stimme rechts von ihm, und als Harry sich mit pochendem Herzen umdrehte, wich er vor Entsetzen zurück. Professor Lupin lag vor ihm auf dem Boden, mit vor Furcht geweiteten Augen, die gleich darauf leer wurden. Neben ihm, die erstarrten Körper von Ron, Hermine, Cho... und Ginny. Lupin hatte sie schützen wollen, doch es hatte nichts genützt...
»Nein!«, keuchte Harry und wich noch weiter zurück, stieß mit dem Fuß gegen den Arm eines weiteren Toten und drückte sich nach Luft ringend gegen eine Hauswand. Das konnte nicht sein! Was war bloß geschehen?!
»Harry... Harry Potter«, hörte er nun auch andere Stimmen, geisterhaft aus allen Richtungen kommend, »Was ist bloß geschehen...«
»Harry... nein... Was hast du getan, Harry...«
»Harry Potter... Warum hast du nichts unternommen, Harry...?«
»Du bist schuld... du ganz allein! Wie konntest du nur...?!«
Dashier ist ein Traum!, dachte er verzweifelt und schloss die Augen, um diese Stimmen zu verdrängen, nein...! Das ist ein Traum, weiter nichts,.. bitte... es muss ein Traum sein!
»Ein Traum, aus dem du nie wieder aufwachen wirst, Potter«.
Harry erschrak bis ins Mark und blieb stehen. Lucius Malfoy stand in seiner vollen Gestalt vor ihm, seine Augen waren voll gehässiger Siegessicherheit. »Es ist vorbei, siehst du?« Die finstere Gestalt breitete demonstrativ beide Arme aus. In der Linken prangte das Schwert Godrick Gryffindors, dessen Ende verdächtig rot glänzte. Malfoy blickte um sich und atmete genüsslich den Geruch des Todes ein, der ihn umgab. »Dies ist nun das vollendete Werk meines Meisters, Potter. Und natürlich das meine. Sie sind alle tot, Potter. Alle, die dir etwas bedeutet haben. Genau wie du selbst. Alles Gute zum Geburtstag, Potter.«
Harry taumelte rückwärts und wusste nicht, was Malfoy damit meinte... bis er merkte, dass warmes Blut seinen Umhang tränkte. Starr vor Entsetzen blickte er an sich herab... doch er wusste bereits, dass es zu spät war... Deshalb bekam er keine Luft mehr...! Das Blut an Godrick Gryffindors Schwert war das seine...!
»Nein...!« Er fiel auf die Knie, in der Gewissheit, dass Lord Voldemort es nach über sechzehn Jahren doch geschafft hatte, ihn zu töten...
»Harry! Oh mein Gott, Harry, wach doch auf! Wach auf!«
Irgendetwas schlug ihn mit voller Wucht ins Gesicht. Harry schreckte mit rasendem Herzen auf und wusste im ersten Moment nicht, wo er sich befand. Seine Wange brannte wie Feuer... doch es war wunderbar, alles war wunderbar im Gegensatz zu diesem furchtbaren Alptraum...!
Er schüttelte benommen den Kopf, schloss noch einmal kurz die Augen und erkannte dann Amanda, die sich mit todbleichem Gesicht über ihn beugte. Kaum einen Augenblick später erschien auch eine zweite Person in Harrys Blickfeld.
»Was ist denn hier los?«, fragte Sirius alarmiert. »Harry...! Amanda... ist alles in Ordnung mit ihm?!«
Sirius, dachte Harry und verspürte tiefe Erleichterung. Ihn zu sehen, gab ihm erst wirklich die Gewissheit, nur geträumt zu haben.
»Ich glaube, er hat schon wieder diese Halluzinationen«, wisperte Amanda, »Er hat geschrien und um sich geschlagen... Ich mache mir langsam wirklich Sorgen...!«
»Nein... mir geht's gut«, murmelte Harry verärgert. »Es war nur ein Traum...«
»Nur ein Traum!«, schnappte Amanda erbost, »Nur ein Traum?! Sieh dich doch an, Harry! Welche Art von Traum soll das bitte sein?!«
»Ist schon gut...«, sagte Sirius, legte seiner Frau beschwichtigend die rechte Hand auf die Schulter und schob sie sachte zurück.
Amanda ließ es sich gefallen, sie schüttelte jedoch verständnislos den Kopf. »Na gut, dann mache ich euch jetzt Frühstück«, brummte sie. Dann drehte sich um und ging mit wehendem Umhang aus dem Zimmer.
Harry sah ihr halbwegs erleichtert nach. Er mochte Amanda wirklich, aber wenn es darum ging, wegen den kleinsten Ungewöhnlichkeiten Panik zu machen, war sie noch viel schlimmer als Sirius.
Doch auch der bedachte Harry mit einem schiefen Blick. Harry seufzte in Gedanken. Er mochte es gar nicht, wenn sich sein Pate Sorgen um ihn machte. Das endete seiner Erfahrung nach nie sonderlich gut.
»Was ist?«, fragte Harry zitternd. Die Kälte schien er sich wohl doch nicht nur eingebildet zu haben.
»Nichts«, sagte Sirius, ohne es besonders überzeugend klingen zu lassen. »Ich habe mich nur gerade gefragt, was genau du geträumt hast.«
Harry brauchte zwei Sekunden, um zu realisieren, dass sein Pate daraufhin eine Aussage von ihm erwartete. Er senkte den Kopf und überlegte sich etwas glaubwürdiges...
»Ich... na ja... eigentlich... nichts besonderes...«
Sicher, es war falsch, Sirius immer wieder anzulügen, aber die Wahrheit würde bloß noch mehr übereilte Sorge nach sich ziehen, und das wollte Harry auf jeden Fall vermeiden.
»Du weißt schon... Todesser, Voldemort... solche Sachen.«
Sirius hob misstrauisch eine Augenbraue. »Nichts genaueres?«
»Ich weiß es nicht mehr«, log Harry. »Ähm... Hast du das Fenster heute Nacht aufgelassen?«, fügte er bibbernd hinzu.
»Nein«, sagte Sirius und verengte die Augen. »Aber selbst wenn,... es ist überhaupt nicht kalt draußen... Sicher, dass alles in Ordnung ist?« Harry nickte. »Ganz sicher.«
Es war ein Traum gewesen. Weiter nichts.
»Wie du meist«, sagte Sirius und ging.
Mein siebzehntes Lebensjahr startet ja sehr gut, dachte Harry mürrisch.
Erst, als er sich angezogen hatte und sich jetzt den Umhang über die Schultern hängte, verkroch sich die unheimliche Kälte aus seinen Gliedern. Im Gegensatz zu den Erinnerungen an das, was er geträumt hatte.
Alles Gute zum Geburtstag, Potter.
Dass die erste Geburtstagsgratulation den Tod seiner Freunde beinhaltete und ausgerechnet von Lucius Malfoy kam, war ein mehr als beängstigender Gedanke, an dem Harry nicht länger festhalten wollte. Nein- er musste an etwas anderes denken. Träume waren bloß Träume. Sie hatten keinerlei Bezug zur Realität.
»Kommst du, Harry?!«, klang Amandas Stimme aus der Küche. »Ich sehe schon Hedwig und Krival kommen!«
»Ja, gleich!«, rief Harry und bemühte sich, mit seiner linken Socke fertig zu werden. Es war doch immer das gleiche mit diesen Dingern. Endlich geschafft, stürzte er aus seinem Zimmer ins Wohnzimmer, wo ihn wie jeden Morgen das Wandbild über Sirius' Schreibtisch mit einem Knicks begrüßte, und von dort aus ging er in die kleine Küche der Blacks. Die bestand eigentlich nur aus einem Herd, einigen Schränken, einem Tisch mit drei Stühlen und einem Fenster. Die Küchengeräte vertrieben sich ihre Zeit vorzugsweise im Garten oder auf der Treppe zum Dachboden und waren auch an diesem Morgen nicht sonderlich zahlreich anwesend. Dafür saß Sirius bereits am Tisch und las den Tagespropheten, während Amanda den Toaster dazu zu überreden versuchte, das Brot nicht immer wieder auszuspucken.
Prinzipiell doch ein ganz normaler Morgen, dachte Harry erleichtert.
Als Sirius Harry hereinkommen hörte, legte er seine Zeitung weg und fiel ihm auf der Stelle quer über den Tisch um den Hals. »Erst einmal alles Gute zum Geburtstag, Harry!«
»Danke«, keuchte Harry, »nur erwürg' mich nicht, OK? Du bist schon fast so schlimm wie Hagrid!«
»Oh, Entschuldigung.« Grinsend ließ sich Sirius wieder auf seinen Stuhl fallen.
»Komm her, Harry«, sagte nun auch Amanda, die sich wohl dazu entschlossen hatte, ihre Sorgensmiene abzustellen, »Alles Gute auch von mir.«
Harry nahm es mit Würde hin und ließ sich von ihr knuddeln. Na gut, es war zugegeben nicht sonderlich angenehm, wie ein Zwölfjähriger behandelt zu werden, aber das nahm er in Kauf. Die Blacks waren zwei der wunderbarsten Menschen, die er kannte, und bei seinem Pate Sirius leben zu können, darauf hatte er ja fast drei Jahre lang warten müssen.
»Oh, sie sind da«, sagte Amanda und ließ Harry los, als mehrere flatternde Gestalten vor dem offenen Fenster erschienen. Harry erkannte sofort mit Vorfreude seine Schneeeule Hedwig, die mit Krival, Sirius' grauer Jungeule, munter voranflog. Dann war da noch Pig, das kleine Federknäuel der Weasleys und eine vierte Eule, die Harry noch nicht kannte.
Freudig schuhuend schwebten die vier durch das Fenster; Hedwig fand sofort ihren Weg auf Harrys Schulter, Krival landete nobel auf dem Fenstersims, Pig wich mit einiger Mühe dem Toaster aus und die fremde Eule ließ sich auf der Stuhllehne von Sirius nieder.
»Morgen, Hedwig«, sagte Harry und befreite sie von ihren Briefen.
»Oh, was ist das denn?« Sirius betrachtete den Brief, den die fremde Eule gebracht hatte. »Von Cho für Harry,« las er vor und hob eine Augenbraue. »... he, ich wusste gar nicht, dass ihr noch Kontakt habt...«
»Hey, das ist mein Brief!«, rief Harry und nahm Sirius den Brief ab.
»Wer ist denn Cho?«, fragte Amanda.
»Ihr seid viel zu neugierig,« sage Harry.
»Seid ihr etwa doch zusammen?«, feixte Sirius.
»Uns kannst du's doch sagen...«
»Ach, lasst mich doch in Ruhe«, grinste Harry, nahm seine Briefe und ging zurück in sein Zimmer
Lieber Harry, Erst einmal alles Gute zum Geburtstag. Ich hoffe, du hattest schöne Ferien, ich habe mich in Frankreich jedenfalls bestens amüsiert. Übrigens habe ich die Stelle als Tanzlehrerin bekommen! Was sagst du dazu? Meine Eltern haben einen riesigen Aufstand gemacht- du weißt ja, sie wollten, dass ich ins Ministerium gehe... aber ich mache eben was ich will... Außerdem war das Tanzen schon immer mein Traum.
Weißt du irgendetwas neues von Ron und Gwen? Meine Schwester redet ja neuerdings nicht mehr mit mir... aber ich mische mich eben zu gern in ihr Privatleben ein... nein, nein, ich würde ja nur gern wissen, ob sie noch mit ihm zusammen ist oder nicht. Letztes Jahr war einfach zu genial, und ich interessiere mich brennend dafür, wie sich alles weiterentwickelt hat. Um ehrlich zu sein würde ich alles dafür geben, noch ein Jahr auf Hogwarts verbringen zu dürfen, es ist einfach schade, dass wir uns jetzt nicht mehr so oft sehen. Vielleicht hätte ich mich doch um ein Referendariat bewerben sollen... Aber jetzt spinne ich vor mich hin. Wir können uns ja trotzdem irgendwann mal wieder treffen, oder? Ich meine, so wie in alten Zeiten... Lass von dir hören, Küsschen, Cho.
PS: Dein Geburtstagsgeschenk bekommst du in Hogwarts..
Harry faltete grinsend den Brief zusammen. Er hatte schon gefürchtet, überhaupt nichts mehr von Cho zu hören. Nun war er ziemlich erleichtert, dass sie ihm geschrieben hatte; sie hatte ihm damit die Bürde abgenommen, sich bei ihr zu entschuldigen. Gleichzeitig war Harry aber auch sauer auf sie. Toll- gerade hatte er geglaubt, Cho für einige Zeit vergessen zu können, und dann schrieb sie ihm einen Brief, in dem sie kein Wort von ihrem Streit erwähnte und ihm einfach so alles zu verzeihen schien... ganz nach ihrer wunderbaren Art. Küsschen, Cho. Dieses Mädchen war einfach furchtbar! Jetzt wusste Harry schon wieder nicht, ob er etwas für sie empfand oder nicht. Er wusste nur, dass ihn die Eifersucht fast rasend gemacht hatte, als Cho beim letzten Weihnachtsball zusammen mit Val Hakins erschienen war, dem neuen Sucher von Ravenclaw, dem größten Aufreißer, den mach sich vorstellen konnte. Und dabei war diese Eifersucht nicht einmal berechtigt gewesen, denn erst zwei Wochen for dem Weihnachtsball hatten sie sich erst getrennt, Cho und Harry, weil sich keiner von beiden über seine Gefühle im Klaren gewesen war. Und doch hatte nur Vals Schadenfreude Harrys Eifersucht übertreffen können. Schließlich hatte Vals Prahlerei dazu geführt, dass Cho mit ihm Schluss gemacht hatte, und Harry hätte Freudensprünge vollführen können. Doch dann war es geschehen- diese Sache... mit Ginny. Am letzten Schultag war es Ginny Weasley gewesen, die ihn umarmt und geküsst hatte, nicht Cho Chang. Die hatte in einiger Entfernung dabeigestanden und dreingeschaut, als wäre die Welt untergegangen.
Das darauffolgende Gespräch war im Desaster geendet
Cho verstand Harry falsch, Harry verstand Cho falsch und Ginny schrie sie beide an, sie sollten sich endlich überlegen, wie sie wirklich zueinander standen.
Dann war der Zug abgefahren und Harry hatte keine von ihnen in den Ferien getroffen.
Und jetzt faltete Harry den Brief doch noch einmal auseinander.
Ich meine, so wie in den alten Zeiten...
Was meinte sie damit? Die vielen Uneinigkeiten, die sie hatten? Oder hatte Cho doch gemerkt, dass sie wegen Ginny nicht eifersüchtig sein musste, und wollte einen Neuanfang? Nun ja, wunderbare Art hin- und her, Harry war sich nicht sicher, ob er das wollte.
Um sich von diesen Gedanken abzulenken, begann er, die anderen Briefe zu lesen. Der Brief von Hedwig enthielt eine Nachricht von Hermine.
Herzlichen Glückwunsch, Harry! Na, wie fühlt man sich mit siebzehn? Mir geht es jedenfalls prächtig- meine Eltern haben sich fast überschlagen, als sie meine ZAGs von letztem Jahr gesehen haben, und haben vor Freude eine Reise nach Australien mit mir gemacht (Sogar Mitch durfte mit!)
Harry grinste. Mitch war Hermines Freund, den sie vor einem Jahr kennengelernt hatte. ER war ein Muggel und laut Hermine ein absolutes Genie in allen Kategorien, die es gab. Harry stellte es sich äußerst schwer vor, eine Beziehung zwischen den zwei Welten zu führen, besonders, da Hermine ja kaum Kontakt zu ihrem Freund hatte, so lange sie Hogwarts besuchte. Aber Hermine kam ja bekanntlich mit allem klar.
Es war der beste Urlaub, den ich je hatte! Aber natürlich freue ich mich schon riesig auf Hogwarts- Harry, ist dir überhaupt bewusst, dass dies unser letztes Jahr als Schüler ist?! Das letzte Jahr Snape und Malfoy! Das siebt Jahr, Harry... ich hoffe, es wird so ruhig wie das sechste. Da hatten wir eine Menge Fun, oder? Meiner Meinung nach geht es auch mal ohne Dramatik und Abenteuer, bei denen man sich den Hals brechen kann. Und natürlich hoffe ich auf noch bessere ZAGs als letztes Jahr!
Das war wieder typisch Hermine- sie schrieb soetwas, obwohl sie genau wusste, dass ihre Leistungen kaum zu toppen waren. Aber Harry fühlte sich äußerst unwohl, während er diese Zeilen las. Für Hermine mochte das sechste Schuljahr vielleicht ruhig und erholsam gewesen sein, doch das konnte sie nur sagen, weil sie nichts von dem wusste, was Harry in der Nacht zu Halloween geschehen war. Niemand wusste das, nicht einmal Ron oder Sirius. Selbst Dumbledore hatte eine Ahnung. Harry schüttelte die Erinnerung weg, bevor sie richtig in ihm aufkommen konnte. Er wollte sich das Geschehene nicht zurück ins Gedächtnis rufen... denn er hatte Angst davor, eines Tages vielleicht doch seinen tiefsten Herzenswünschen nachzugeben und gegen seinen Verstand zu handeln. Die Folgen davon erschienen oft genug in seinen Träumen... Er wollte nicht auch noch den Tag damit verdunkeln. Also las er weiter.
Hast du etwas von Ron gehört? Lang her, dass er mir das letzte Mal geschrieben hat... was meinst du, ist er noch mit Gwen zusammen? Ach ja- und treffen wir uns wie gewohnt in der Winkelgasse? Alles Liebe, Hermine.
Harry runzelte amüsiert die Stirn. Erstaunlich, wie viele Leute sich um Rons Privatleben Gedanken machten!
Ach, und falls du mein Geschenk für dich vermisst, das kommt nachträglich!
Auch das fand er irgendwie verdächtig. Er durchsuchte seine restliche Polst und fand auch sonst keine Geschenke. Das war ungewöhnlich; normalerweise wurde Harry von Büchern, Besenpflege und Kuchen regelrecht bombardiert. Selbst Hagrid hatte ihm diesmal nichts geschickt- auch von ihm lag nur ein Brief vor, den sich Harry zugleich näher ansah.
Lieber Harry, jetzt ist es schon sechs Jahre her, seit sich dich damals vor den Dursleys gerettet habe... verdammt lange Zeit, stimmt's? Alles Gute natürlich von mir. Hab' leider nicht viel Zeit zum Schreiben, muss die Tierchen für die neuen Drittklässler füttern.
Wir seh'n uns in der Winkelgase,
Hagrid
PS: Auf dein Geschenk musst du noch'n bisschen warten, ist mehr Arbeit als erwartet!
Schließlich waren noch zwei Briefe übrig; einer kam von Hogwarts und klärte Harry wie jedes Jahr darüber auf, welche Bücher er für das kommende Schuljahr brauchte und wann der Hogwarts-Express vom Gleis 9 ¾ abfahren würde. Der letzte Brief kam von den Weasleys- das wusste Harry schon bevor er die ersten Zeilen las.
Hi Harry! Alles Gute zum Geburtstag!!! Na, schon bereit für unser großes Finale? Ich bin wirklich gespannt, was dieses Jahr so alles ab geht! Fred und George haben jedenfalls gesagt, das siebte Schuljahr wäre eine wahre Folter (wie du weißt haben sie bei den Prüfungen fast völlig versagt!) Aber ich will hier keine Horrorgeschichten erzählen. Meine beiden Idioten-Brüder haben es übrigens geschafft, ihren Geschenkartigelladen zu eröffnen, und Mum ist ganz aus dem Häuschen über ihre ersten Einnahmen. Vielleicht ändert sie ja doch noch ihre Einstellung zu der Sache...
Du fragst dich bestimmt gerade, warum du von niemandem Geschenke bekommen hast. Na ja, unser Geld war uns einfach zu schade für dich... nein, natürlich nicht. Hermine hatte die glorreichen Idee, dass wir dir dieses Jahr alle zusammen etwas schenken, mal etwas "ganz besonderes"... mehr verrat ich dich nicht, sonst drehen mir gewisse Leute den Hals um. Ich hoffe, wir seh'n uns wie immer in der Winkelgasse, bis dahin grüble schön über dein Geschenk nach und bestell deinen Paten viele Grüße von mir. Tschau, Ron.
PS: oh je, jetzt wird's kompliziert...! Ich soll dir von Gwen ausrichten, falls Cho dich etwas über sie graft hat, sollst du ihre sagen, sie sei eine neugierige Zicke und... ja ja, solche Dinge eben. Übrigens sind wir noch zusammen.
Aber Ron ist kurz davor, sich seine Beziehung zu ruinieren!
Oh shit, Ginny schreibt mit Fluchtinte! Na ja, dann siehst du halt, was sie so vor sich hin spinnt. Was soll's? Das nächste Mal belege ich meine Briefe mit einem Anti-Schwester-Zauber! Ach ja- und sie hat etwas verschlüsseltes auf die Rückseite gekritzelt. Du musst "Hallo Ginny" sagen, damit du es lesen kannst. Jetzt endgültig Tschau, Ron.
Harry schüttelte den Kopf und drehte grinsend das Blatt Pergament um. »Hallo Ginny«, sagte er.
Hallo, Harry,
erschien eine hellblaue Schrift auf dem Papier. Und dann:
Wie geht es dir? Und natürlich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen und reden, Harry. Du weißt schon wieso, oder...? Ich sage nur letzter Schultag... Wir sollten auf jeden Fall einige Dinge klar stellen. Und entschuldige, dass ich dich so angeschrien haben, dazu hatte ich wirklich kein Recht... Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich. Bis dann, deine Ginny.
OK, dachte Harry tief einatmend. Schon beim Gedanke an das Gespräch, das Ginny wollte, fehlten ihm die Worte. Nun gut, sie hatten sich geküsst, aber war das wirklich so viel Aufstand wert? Harry erinnerte sich an diesen Moment und merkte (mal wieder), dass es alles andere als unangenehm gewesen war... Etwas hatte eindeutig geknistert, zwischen ihm und Ginny, und dieses unbeschreibliche Gefühl hatte Harry für die Zeit dieses Kusses in seinen Bann gezogen und alle anderen Gefühle wird durcheinander gewirbelt. Harry hatte diesen Wirrwarr heute noch nicht richtig geordnet. Tatsache war, dass das, was Cho bei ihm auslöste, ganz ähnliche Auswirkungen hatte. War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Harry seufzte. Er hätte nie gedacht, dass seine ewige Verliebtheit in Co in solch komplizierte Bahnen verlaufen würde. Er war ja schon beinahe eifersüchtig auf Ron; der führte mit Gwen wenigstens eine vernünftige Beziehung, die schon fast drei Monate andauerte.
Ob mir sowas je passieren wird?, dachte Harry.
Bis jetzt hatte es immer irgend jemand oder- etwas geschafft, seine Beziehungen zu stören, ob nun mit Cho oder (*räusper*) aus grauer Vorzeit mit Hermine.
Schon erstaunlich, was nach sechs Jahren Hogwarts für Erinnerungen in Harry schlummerten, gute wie schlechte. Undenkbar, was passiert wäre, wenn Hagrid damals nicht die Tür zu den Dursleys eingetreten hätte...
