Meiner ersten Schätzung nach bekommt diese FF an die 30 Kapitel (und die
werden alle nicht sehr kurz)... da hab' ich also noch einiges zu tun!
PS: Liest eigentlich überhaupt jemand diese Geschichte???
*hilflosumherblickt* Ich kann mir ja auch weiter selber Reviews schreiben,
aber das ist irgendwie auch nicht sehr motivierend *schluchtz!*
Also, wer bis hierhin gelesen hat und noch nicht gereviewt hat, den flehe
ich auf Knien an: Tu es! biddebidde!
Aber nu geht's erst mal weiter mit dem neuen Kapitel *g* und das ist
ganzschön lang...
Die Späher
Es war... eine seltsame Situation. Cho konnte noch nicht wirklich glauben, was sie gerade mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatte. Ihr war natürlich klar, dass die gute Caprice ein eigenwilliges Wesen besaß und selten Rücksicht auf andere nahm, wenn sie ihre Entscheidungen fällte. Trotzdem war Cho auf eine solche Aktion von ihr nicht vorbereitet gewesen. Sie saß fassungslos da und fühlte sich, als wäre Caprice ihr in den Rücken gefallen, und das ganz bewusst. Slytherin. Sicher, wenn man es genau nahm, passte dieses Haus wie die Faust aufs Auge zu Caprices Persönlichkeit. Aber tief in ihrem Inneren hatte Cho sich etwas anderes erhofft... dass ihre beste Freundin in das Haus geschickt wurde, deren Mitglieder sie mehr als alles in der Welt verabscheute, konnte kein gutes Zeichen für dieses Jahr sein.
Was Cho jedoch noch viel mehr störte als Caprices Zugehörigkeit zu Slytherin, war die Tatsache, dass Caprice ihr während dem weiteren Verlauf der Begrüßungsfeier keinen einzigen Blick mehr gönnte. Sie hing stattdessen wie eine Klette an... Malfoy, diesem widerwärtigen Kerl, und es sah ganz so aus, als fände Caprice tatsächlich etwas an ihm... Es wurde Cho unbehaglich bei dem Gedanken, dass sie sich an ihn heranmachen würde. Nein, es war mehr als Unbehagen, das sie dabei überkam; es war Angst. Caprice wusste nicht, mit wem sie sich da einließ! Sie war und blieb ein... Muggel! Es war ihr wirklich nicht anzuraten, mit dem größten Muggelhasser dieses Universums zu turteln!
Mit einem tiefen Seufzer nahm Cho zur Beruhigung einen Schluck Kürbissaft. Sie machte sich wahrscheinlich viel zu viele Sorgen.
* * *
Die Feier neigte sich rasch ihrem Ende zu. Harry war mehr als ein mal der drängende Gedanke gekommen, hinüber zum Ravenclaw-Tisch zu gehen und Cho zu begrüßen, er ließ es dann aber. Cho sah seit dem etwas ausschweifenden Auftritt ihrer seltsamen Freundin sowieso nicht sonderlich gut gelaunt aus, und morgen war ja auch noch ein Tag.
Ron hatte einige Hände voll damit zu tun, Gwen aufzumuntern und sie davon zu überzeugen, dass er Caprice nie wieder schief anschauen würde. Harry und Hermine grinsten sich kopfschüttelnd an, während sie zuhörten- sie wussten, Ron konnte diese Versprechen, die er gerade ausschweifend abgab, sowieso nicht einhalten. Gwen müsste Ron schon Scheuklappen anlegen, um ihm seine Gewohnheiten auszutreiben.
Es wurde spät und die Gryffindors verschwanden die Treppen hinauf, um in ihre Schlafsäle zu gelangen. Ron und Gwen diskutierten noch, bis sie zum Gemeinschaftsraum gelangten, dann verschwand Gwen zusammen mit Hermine in Richtung Mädchenschlafsäle.
»Die is' vielleicht ne Nummer«, seufzte Ron und blickte seiner Freundin kopfschüttelnd nach. »Diese Eifersucht ist ja schon fast krankhaft!«
Harry nickte grinsend. »Vielleicht solltest du dir abgewöhnen, zu sagen, was du denkst, wenn dir ein Mädchen gefällt. Und du solltest den Mund früher zuklappen. Dann würde sie's nicht gleich merken.«
»War Cho damals auch so drauf?«, fragte Ron stirnrunzelnd, »Ich meine... vielleicht liegt das in der Familie.«
»Kann schon sein«, sagte Harry schulterzuckend. Mehr Kommentar unterließ er vorerst zu diesem Thema. Eifersucht mochte vielleicht tatsächlich eine Eigenschaft sein, die in der Familie Chang verbreitet war. Doch er musste sich eingestehen, dass er in dieser Hinsicht auch nicht viel besser war. An die Zeit nach seiner Trennung von Cho erinnerte er sich noch immer nicht gern; er sah dann Cho und Val händchenhaltend vor sich und spürte ein schmerzendes Kribbeln im Bauch.
Harry blieb noch eine ganze Weile wach, während Ron, Neville, Seamus und Dean schon keinen Laut mehr von sich gaben. Es gab eine Menge, worüber er nachdenken musste. Eine Menge komplizierter Dinge. Wieder einmal versuchte er vergeblich, sich darüber klar zu werden, ob nun Cho oder Ginny seine Gefühle gehörten. Und wieder einmal kam er zu keinem klaren Ergebnis. Er hatte das Gefühl, dass ihm diese Entscheidung ganz und gar nicht leicht fallen würde.
Harry wäre froh gewesen, wenn das momentan sein einziges Problem gewesen wäre. Unglücklicher Weise beschäftigte ihn seit einigen Tagen jedoch noch ein ganz anderes Thema mit einer ganz anderen Wirkung auf sein Gemüt. Genau genommen beschäftigte ihn dieses Thema schon seit seinem ersten Jahr in Hogwarts- seit er wusste, dass ein gewisser Zauberer namens Voldemort existierte. Doch jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem sich- zumindest begann Harry das ernsthaft zu befürchten- all seine bisher aufgestauten, schlimmsten Alpträume bewahrheiten könnten; all das, was in den vergangenen Jahren immer so haarscharf verhindert werden konnte... Dieshier war sein letztes Jahr auf Hogwarts. Er bezweifelte, dass es nur im positiven Sinn einen Höhepunkt darstellen würde.
Die ersten Grundsteine für die gewohnten Strapazen waren ja bereits gelegt; ein wunderbarer Traum von Tod und Verwüstung, ein Angriff auf die Winkelgasse, Botschaften von Voldemort im Wasser... Harrys Erfahrung nach steigerten sich diese schönen Dinge bis zum Ende des Schuljahres so weit, dass er entweder von abtrünnigen Lehrern beinahe umgebracht, beim Quidditch vom Besen geworfen, von Basilisken vergiftet, von Dementoren geküsst, auf Friedhöfe verschleppt oder von Werwölfen angefallen wurde. Ja, dachte Harry mit einer Art von schwarzem Sarkasmus, wie er ihn noch nie bei sich selbst entdeckt hatte, da bot sein Traum von Lucius Malfoy, der ihn erstach, mal eine ganz neue Möglichkeit... Und nicht zu vergessen mussten Unschuldige sterben, sämtliche Menschen, die ihm auf irgend eine Weise am Herzen lagen, gerieten in Lebensgefahr, und die gesamte Zaubererwelt sah sich dem Untergang gegenüber.
Harry fühlte, wie eine leichte Übelkeit in ihm aufkam. Aus diesem drastischen Blickwinkel hatte er die Dinge tatsächlich noch nie zuvor betrachtet. Doch er erkannte mit einer erschreckenden Gewissheit, dass es Zeit war, die Dinge so zu betrachten. Niemand konnte sich etwas vormachen. Egal, wie sehr Cornelius Fudge und so manch anderer verirrter Kopf im Ministerium es abstreiten wollte, Voldemort war wieder auf dem Höhepunkt seiner Macht. Bisher hatte er das bloß noch nicht gezeigt; im letzten Jahr hatte er offensichtlich Kräfte gesammelt und Pläne geschmiedet, wie Dumbledore eindringlich gewarnt hatte.
Eines war auf jeden Fall klar: Langweilen würde Voldemort dieses Jahr niemanden.
Während Harry so dalag und seinen Gedanken nachhing, fiel ihm plötzlich etwas ein. Es war wie ein leuchtender Geistesblitz in seinem Kopf und fegte die restlichen finsteren Bilder hinfort. Tatsächlich hätte er es beinahe vergessen: Das Buch der dunklen Künste. Hermine hatte es ihm vor zwei Jahren geschenkt, und seitdem lag es die meiste Zeit unter Harrys Bett und wartete darauf, gelesen zu werden. Harry hielt es so gut wie möglich geheim- Ron, Hermine und Dumbledore waren die einzigen, die offiziell davon wussten, und das war auch gut so. So manch einer mochte es falsch verstehen, wenn er erfuhr, dass Harry Potter ein Buch der dunklen Künste besaß... Dumbledore hatte es jedoch nicht zensiert, sondern hatte ihnen zugesprochen, sie sollten versuchen, das Wissen, das sich in diesem Buch über die dunklen Mächte befand, zu analysieren und dadurch Schwachstellen und Gegenzauber zu finden. Harry bewunderte heute noch das Vertrauen, das Dumbledore damit bewiesen hatte. Er war sich nicht sicher, ob er sich selbst so sehr vertraut hätte.
Das einzige Problem bei diesem Buch der dunklen Künste war auch gleichzeitig das größte Problem an der Sache. Tatsache war, dass es nur aus schwarzen, leeren Seiten bestand und kein Versuch, es mit Zauber lesbar zu machen, je Erfolg geerntet hatte. Seit zwei Jahren versuchte Harry fast jeden Abend, den Schlüssel zu dem Wissen zu finden, das sich in diesem Buch befand. Vergeblich. Selbst Hermine hatte es mittlerweile fast schon aufgegeben und Ron belächelte ihrer beiden Versuche bloß noch.
Über die Ferien ließ Harry das Buch immer hier in Hogwarts- vorsichtshalber- weil er nicht wollte, dass es an einen weniger sicheren Ort gelangte.
Und nun fiel Harry dieses verfluchte Ding wieder ein. Stirnrunzelnd setzte er seine Brille auf, drehte sich um und beugte sich nach unten, um es unter dem Bett hervorzuholen...
Da bemerkte er, dass das Leuchten, das er sich eben eingebildet hatte, nicht von seinem Geistesblitz gekommen war. Das Buch leuchtete. Schwach nur, aber es leuchtete, wie Kerzenlicht in etwa, und es flackerte auch genauso.
Harry starrte es für einen Moment nur verdutzt an, dann blickte er alarmiert zu den anderen Betten hinüber, griff hastig nach dem Buch und versteckte es unter seiner Decke, bevor einer der anderen etwas bemerkten konnte. Am liebsten hätte er ja Ron geweckt... aber nein, das musste er sich erst selbst genauer ansehen.
Als er sicher war, dass keiner seiner Zimmergenossen aufgewacht war, legte er das geschlossene Buch in dem schweren Lederband vor sich und betrachtete es vorsichtig. Es sah seltsam aus; fast, als würde es im ganzen glimmen und glühen, aber es war nicht heiß. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Harry überlegte scharf- hatte er irgendetwas gesagt? Ein Wort, einen Laut, irgendetwas, das eine Wirkung auf das Buch haben könnte? Wenn ja, erinnerte er sich nicht mehr daran. Nein- das Buch hatte von selbst angefangen zu leuchten.
Langsam und mit fast triumphierender Vorfreude schlug er es auf. Die Seiten waren nun weiß. Und eine Schrift erschien:
Athelstan Avon:
Das Buch der dunklen Künste
Seid gegrüßt, der ihr meiner Schriften Wissen findet,
und die Gunst meiner Familie auf eurer Seite habt.
Harry stutzte. Oh, dachte er und rümpfte verwirrt die Nase. Na toll. Die Gunst seiner Familie? Was soll das jetzt schon wieder heißen? Avon... den Namen hab' ich noch nie gehört.
Innerlich schulterzuckend blätterte er weiter um. Mit schwarzgrau schimmernder, winziger Schrift begann nun ein Vorwort, das sich über mindestens zwanzig Seiten zog, danach, wie ein Lexikon gegliedert, mindestens zweitausend hauchdünne Seiten mit unzähligen Begriffen, Formeln und Namen. OK, dazu hatte Harry nun wirklich keine Lust. Froh darüber, dass sich das blöde Ding nach zwei Jahren doch entschlossen hatte, sich wie ein Buch zu benehmen, klappte er es wieder zu und versteckte es wieder unter dem Bett, wobei er seinen Gryffindor-Schal benutzte, um das anhaltende Leuchten zu verbergen.
Dann fuhr Harry plötzlich herum. Er wusste nicht recht, wieso er es tat, auf jeden Fall blickte er im nächsten Moment in Richtung Fenster. Ihm war schon wieder ,als käme ein eisiger Hauch ins Zimmer, doch dieses Mal sah er selbst, dass das Fenster verschlossen war. Aber irgend etwas war, was nicht sein sollte... Harry spürte es, ein bekanntes Gefühl, das ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ... Hatte er aus den Augenwinkeln etwas dort draußen gesehen? Eine Bewegung oder irgend etwas?
Er bezwang den Impuls, sich für verrückt zu erklären und sich wieder hinzulegen, und stieg stattdessen aus dem Bett. Vor dem Fenster blieb er stehen und blickte nach draußen. Es war eine wolkenverhangene, graue Nacht, über den Wipfeln des Verbotenen Waldes konnte man keinen einzigen Stern leuchten sehen. Nichts regte sich. Harry verengte die Augen und sah genauer hin. Die Schatten der Bäume tanzten dunkel im Wind, doch waren es wirklich Schatten?
Harry konnte nichts genaueres erkennen, deswegen zog er sich resigniert vom Fenster zurück und ging wieder ins Bett. Er beschloss, nicht weiter herumzugrübeln. Das Resultat daraus wäre sicher sowieso nichts weiter als Kopfschmerzen bis zum Morgen. Also drehte er sich auf die Seite und versuchte, einzuschlafen. Er hatte noch genug Zeit, sich mit den Schriften dieses... Athelstan Avon zu befassen.
* * *
Der nächste Tag begann und Harry hatte es sich zum festen Vorsatz gemacht, mit Cho zu reden. Aber es kam, wie es kommen musste: Harry steuerte beim Frühstück auf den Ravenclaw-Tisch zu, hatte sich gerade einen guten Anfang für ein Gespräch ausgedacht, da bemerkte er, dass Cho nicht anwesend war. Das war ja mal wieder typisch.
Harrys fragender Blick veranlasste einen jüngeren Ravenclaw dazu, ihm ohne Aufforderung die Lage zu erklären: »Cho ist nicht hier. Sie hat gesagt, sie muss zusammen mit dieser Caprice Tyler die erste Tanzstunde vorbereiten.« Ein verstohlenes Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Jungen. »Ihr Siebtklässler habt es gut!«
»Was...?«, stammelte Harry fast erschrocken, »Soll das heißen,... wir haben gleich heute...«
»Tanzunterricht, ja. Mensch, ich will auch schon siebzehn sein... wollen wir tauschen?!«
Liebend gern, dachte Harry beklommen und trabte zu den Gryffindors zurück. Prinzipiell hielt er die Idee von einem Tanzkurs an Hogwarts witzig und durchaus nicht schlecht... Aber nach dem, was Caprice gestern hier vorgeführt hatte, musste es sich bei diesen Tänzen um solche handeln, wie sie "normale" Zauberer kaum kannten. Pop, Hip-Hop und solche Sachen... Na ja, andererseits war es sicherlich amüsant, Malfoy, Crabbe und Goyle auf solche Musik tanzen zu sehen. Harry bezweifelte nicht, dass er sich selbst in Grund und Boden blamieren würde. Trotzdem heiterte ihn das Bild vom unfähigen Malfoy durchaus auf.
Wenigstens würde er Cho sehen.
Nach dem Frühstück begann der erste Schultag mit dem allseits beliebten Fach Zaubertränke. Harry konnte sich nicht vorstellen, was die Schulleitung dazu geritten hatte, seinen Jahrgang seit nunmehr drei Jahren als Willkommensgruß in die muffigen Kerker zu schicken, doch er hatte sich nun fast schon daran gewöhnt. Snapes fanatischer Hass auf ihn war zwar noch immer nicht ganz abgeklungen, hielt sich aber seit geraumer Zeit in Grenzen.
Im Gegensatz dazu hatte sich eines ganz und gar nicht verändert: Das Verhältnis zwischen Gryffindors und Slytherins, und ganz besonders zwischen Harry und Draco Malfoy. Als Harry, Ron und Hermine den Kellerraum mit kaum einer Minute Verspätung betraten, brauchte Harry nicht einmal zu Malfoy hinübersehen um zu wissen, welchen Gesichtsausdruck er gerade aufsetzte, und dass Crabbe und Goyle herablassend den Kopf schüttelten.
Was in Feindschaft beginnt, endet in diesem Fall wohl auch in Feindschaft, dachte Harry resigniert. Doch das machte ihm auch nicht wirklich etwas aus.
Die Stunde verlief relativ langweilig, und Harry handelte sich fünf Strafpunkte für Gryffindor ein, weil er in Gedanken schon bei der Tanzstunde und bei Cho war.
Hermine stieß ihn daraufhin verärgert in die Seite.
Harry musste grinsen. Das würde sich wohl auch nie ändern.
Der Tanzunterricht fand nahe der Verbotenen Abteilung statt; in dem Raum, in dem früher der Spiegel Nerhegeb gestanden hatte.
Beim Aufstieg in den Turm äußerte Hermine erste Bedenken.
»Ich kann mich mit diesem neuen Fach nicht anfreunden«, murrte sie naserümpfend. »Ich meine... tanzen... das kann man auch irgendwann anders lernen. Wieso opfert Dumbledore Schulzeit dafür?«
Ron hob die Schultern. »Schätze, das musst du ihn selbst fragen, wenn er aus London zurück kommt. Und so lange lernen wir eben tanzen.«
Hermine schnaubte verächtlich. »Also ich werde nicht so obszön herumhampeln wie diese selbsternannte Slytherin.«
Ron grunzte. »Ja, ich glaube, bevor du dich halbnackt auf Tischen räkelst, werden Crabbe und Goyle Jahresbeste.«
»Ich freu mich schon darauf, dir zuzusehen«, entgegnete Hermine grinsend.
Cho und Caprice erwarteten sie mit strahlenden Gesichtern, als sie den Raum betraten. Caprice geizte dabei auch heute wieder nicht gerade mit Reizen. Sie trug zwar einen langen Slytherin-Umhang, darunter jedoch wieder Minirock und ein schwarzes Top. Während Ron sie so unauffällig wie möglich anzugaffen versuchte, hatte Harry viel mehr Augen für Cho. Sie blickte ihm entgegen, als er eintrat, und winkte ihm beherzt lächelnd zu. Er winkte zurück. Eigentlich hätte er im Moment viel lieber Privatgespräche mit ihr geführt, als Tanzunterricht zu nehmen, aber das musste weiterhin warten.
Bald waren alle Siebtklässler eingetrudelt und standen in einem Halbkreis um die zwei Lehrkräfte herum.
»So,« sagte Cho grinsend und blickte in die Runden. »Das ist also eure erste Tanzstunde. Als erstes möchte ich sagen, dass wir euch hier sowohl auf die Bälle vorbereiten sowie euch im modernen Tanz einweisen werden. Das heißt, ihr müsst nicht nur soetwas machen, wie es uns Caprice gestern vorgeführt hat.«
Erleichtertes Gemurmel erhob sich bei den Schülern.
»Aber«, begann Caprice verschmitzt, »da uns erst einmal kein Ball ansteht, werden wir damit anfangen.«
Es folgte eine ziemlich amüsante Stunde. Zu Harry und Rons größter Erleichterung bat Caprice zuerst nur die Mädchen zu sich, die Jungs setzten sich derweil an die Wand und schauten interessiert zu. Hermine warf Harry und Ron einen hilfesuchenden Blick zu, und sie sah so bedauernswert dabei aus, dass die beiden lachen mussten. Doch es fiel nicht nur Hermine schwer, den Anweisungen der beiden "Lehrerinnen" zu folgen und sich auf Musik zu bewegen, die weder einen richtigen Takt noch Rhythmus zu haben schien. Nach einer Weile gaben Cho und Caprice es auf und verlegten den Schwerpunkt der Stunde dahinein, den Hüftschwung zu üben. Wobei Hermine endgültig verzweifelte.
Harry betrachtete die Szene mit mildem Interesse. Er war froh, nicht selbst da zu stehen und sich zu blamieren, doch er stellte schnell fest, dass manche Jungs durchaus so aussahen, als wollten sie sich ziemlich gern beteiligen. Erstaunlicher Weise war sogar Malfoy dabei. Harry merkte, dass seine ganze Aufmerksamkeit Caprice gehörte. Na so was, dachte er, Draco wird sich doch wohl nicht in jemanden mit Muggel-Kleidung verlieben...
Als die Stunde vorüber war, erhob sich Harry, folgte Ron aber nicht sofort zum Ausgang.
»Wo bleibst du?«, fragte Ron drängend, »Komm, dein Geburtstagsgeschenk wartet auf dich!«
»Dann lass es noch ein paar Minuten länger warten. Ich will noch schnell mit Cho reden.«
»Oh«, sagte Ron grinsend. »Schon klar. Wir warten in der Bücherei auf dich.« Damit verschwand er mit den letzten Nachzüglern aus dem Raum und Harry war mit Cho und Caprice, die sich um die CDs und die Stereoanlage kümmerten, allein.
Nein, nicht ganz allein.
»Oh, Potter, du bist ja auch noch hier. Hoffst du auf Autogrammkarten oder doch auf Einzelunterricht?«
Harry zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, Malfoy. Ich hatte es einfach nicht sehr eilig.«
Malfoy nickte und grinste sein Wieso-Sollte-Ich-Mich-Überhaupt-Mit-Etwas- Wie-Dir-Unterhalten-Grinsen. Er wandte sich ab und blickte zu Cho und Caprice hinüber. Caprice sah ihn, sprang auf, warf dabei achtlos einen Stapel CDs um und rannte auf ihn zu.
»Komm, wir gehen«, sagte Malfoy, warf einen überlegenen Blick zurück zu Harry und Cho und verschwand dann zusammen mit Caprice, die sich sofort bei ihm eingehakt hatte und scheinheilig grinste.
Harry und Cho blickten ihnen mit beinahe identischem Gesichtsausdruck nach. Dann gab sich Harry einen Ruck, ging auf Cho zu und half ihr, die CDs wieder einzusammeln. »Ist das mit den beiden schon offiziell?«, fragte er beifällig.
Cho hob lächelnd den Kopf und verdrehte die Augen. »Das ist eben Caprice«, sagte sie. »Lässt nichts anbrennen, was lecker aussieht.«
»Tja, das ist fast schon zu beneiden. Andere Leute gehen nicht mal das Risiko ein, sich was auf den Herd zu stellen.«
Cho lachte leise, und Harry fühlte sich für einen Moment verflucht gut. Er wusste, dass Cho seine selbstironischen Andeutungen mochte. Und ihr Lachen zeigte ihm, dass sie die Entschuldigung verstanden und angenommen hatte.
»Und, wie ist das Gefühl, Lehrerin zu sein?«, fragte er, um das Gespräch voranzutreiben.
»Ach, ganz in Ordnung«, antwortete Cho,. »Ich darf endlich brüllen, ausrasten, herumkommandieren... Und noch ein Jahr durch die Gänge vom alten Hogwarts schleichen. Das war mir eigentlich am wichtigsten. Wieder hier zu sein... ist ein wirklich schönes Gefühl. Ich hatte wirklich noch keine Lust, euch alle hinter mir zu lassen und ein Jahr zu warten, bis ihr auch von der Schule geht. Dashier... ist wie ein Zuhause für mich. Und alle, die hier sind...«
»Sind wie eine Familie.«
Cho senkte lächelnd den Kopf. »Genau so ist es. Und außerdem... fand ich, dass ich irgend etwas noch zuende bringen muss.«
Harry spürte, dass sie ihn wieder ansah.
»Ich wollte nicht einfach offen lassen, was zwischen uns war, Harry.« Ihre Stimme war leise, kaum mehr zu hören. »Da ist eine Lücke, verstehst du? Ich weiß einfach nicht ... was nun richtig ist. Es ist so schwierig...«
Sie suchte nach Worten. Harry war verblüfft- er hatte geglaubt, ihm lägen eine Menge unklarer Worte auf dem Gewissen, doch Cho ging es ganz ähnlich. Er wünschte, ihr helfen zu können, die Worte zu finden, die sie brauchte. Denn er war sich sicher, sie stimmten mit den seinen überein.
Und schließlich sagte sie tief einatmend: »Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde. Deswegen kann ich mich jetzt... auf nichts festlegen, nicht heute und auch nicht morgen. Ich weiß es einfach nicht.«
Endlich war es raus. Eine Spannung fiel von ihnen ab, die den ganzen Raum hätte füllen können. Harry war Cho unendlich dankbar, dass sie dieses Thema sofort aufgegriffen hatte. Er war sich sicher, hätte er das übernommen, dann hätte es bis Weihnachten gedauert.
Cho hob schüchtern den Blick, in Angst, etwas falsches gesagt zu haben. »Verstehst du das?«
Harry antwortete mit einem Lächeln, nahm Cho in die Arme du drückte sie liebevoll an sich. Ob nun Freundschaft oder mehr, diese Geste war jetzt nötig. »Ich verstehe«, sagte Harry. »Mir geht's genauso.«
Cho seufzte erleichtert und legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Dann haben wir ja noch ein Jahr, um das herauszufinden.«
* * *
Scheinbar befreit von allen Sorgen machte sich Harry auf den Weg zur Bücherei. Es war wunderbar, diesen Ballast los zu sein, und für den Augenblick war sich Harry völlig einig mit seinen Gefühlen. Wäre er jetzt vor die Entscheidung gestellt worden, ob er mit Cho in Freundschaft oder in einer Beziehung zusammensein wollte, dann hätte er sich für die Beziehung entschieden. Cho war ihm... so vertraut, es verbanden sie so viele gemeinsame Auffassungen... und sie war einfach ein unbeschreiblich tolles Mädchen.
Doch zum Glück wurde er gerade nicht vor diese Entscheidung gestellt. Denn Harry wusste, dass es morgen oder schon in zwei Stunden wieder ganz anders aussehen könnte. Und natürlich erschwerte der Faktor Ginny die Sache erheblich.
Es war noch nicht Zeit für eine Entscheidung.
Harry bog um die Ecke in Richtung Bücherei, als er eine Stimme hörte, die ihn aufmerksam machte. Einige Schüler liefen hier mit Büchern unter den Armen umher und unterhielten sich, oder waren gerade auf dem Weg zum Mittagessen. Doch die Stimme, die er hörte, gehörte zu keinem Schüler. Es war Hagrid.
Harry ging ein paar Schritte weiter und erblickte ihn nahe der Bücherei. Er stand abseits von den Schülern und unterhielt sich mit leiser, aber hitziger Stimme mit einem Lehrer, den Harry im nächsten Moment als Professor Lupin erkannte. Der zog bei jeden zweiten Wort von Hagrid die Brauen zusammen, und zwar mit einem Gesichtsausdruck, als wäre Voldemort persönlich gerade vor ihm aufgetaucht.
Das war ihm etwas zu verdächtig. Harry war sich ziemlich sicher, dass die beiden ihr Gespräch sofort unterbrechen würden, wenn er sie darauf ansprechen würde, auch obwohl Hagrid sowie Lupin zu den Leuten gehörten, mit denen er über fast alles reden konnte. Deswegen stellte er sich in sicherer Entfernung hinter eine der Ritterstatuen, sodass er zuhören konnte, ohne gesehen zu werden.
»... bist du dir ganz sicher, Hagrid?«, fragte Lupin zischend. Sein Gesicht war blass und fahl. »Ist dir klar, was du da erzählst?!«
»Natürlich bin ich mir sicher! Remus... ich habe sie gesehen, heute Nacht im Wald! Mit eigenen Augen. Firenze ist mein Zeuge. Ich täusche mich nicht!«
»Wer weiß bis jetzt davon? Sirius? Snape? Wer hat es noch bemerkt?«
»Ich weiß es nicht«, brummte Hagrid, »ich denke, dass ich der einzige bin. Von meiner Hütte aus bekomme ich doch noch etwas mehr mit als ihr vom Schloss... Sie steckten tief im Wald, fast unsichtbar zwischen den Schatten...«
»Dann müssen wir Dumbledore sofort aus London zurückrufen. Wenn du die Wahrheit sagst... haben wir ein ziemlich großes Problem. Verdammt, das ist keine gute Nachricht!«
Harry lauschte bedächtig. Das hörte sich gar nicht gut an. Fast unsichtbar zwischen den Schatten... Also hatte er letzte Nacht doch etwas gesehen. Doch worüber redeten die beiden? Was hatte Hagrid gesehen?
Die Antwort darauf bekam er nicht. In diesem Moment kam Hermine aus der Bücherei, sah Hagrid und Lupin, und musste natürlich sofort alles andere als unauffällig auf sie zu laufen. Hagrid und Lupin verstummten und drehten sich zu ihr um.
»Professor Lupin! Schön, dass ich sie hier treffe! Könnte ich ihnen meine Arbeiten über Vampire vielleicht jetzt schon geben? Ich möchte es nicht andauernd mit mir herumtragen.«
»Oh, ja, natürlich«, sagte Lupin überrascht und nahm einen Stapel Papiere von Hermine entgegen, »Ich werde sie gleich heute durchsehen, wenn meine Zeit reicht...«
Harry biss sich verärgert auf die Unterlippe. Mensch Hermine, dachte er, diese blöde Vampir-Aufgabe sollten wir doch erst zwei Wochen nach Schulbeginn abgeben...
Jetzt konnte er auch sein Versteck aufgeben. Möglichst unauffällig kam Harry hinter der Statue hervor und ging auf die kleine Gruppe zu.
Hermine sah ihn als erstes. »Da bist du ja endlich! Warum hat das so lange gedauert? Ron bekommt einen Tobsuchtsanfall, wenn er dir nicht gleich das Geschenk überreichen kann.«
»Tut mir leid«, sagte Harry verlegen. »Ich war noch... beschäftigt.«
»Oh, hallo Harry«, sagte Lupin, der seine Blässe mittlerweile gekonnt kuriert hatte, mit einem warmen Lächeln. »Wie geht es dir?«
Harry sah ihn an und fragte sich, ob er das Thema vielleicht nicht doch ansprechen sollte. Es brannte ihm jedenfalls wie Feuer auf der Zuge, und wenn es so wichtig war, vielleicht interessierten sich die beiden ja dafür, dass Hagrid nicht der einzige war, der letzte Nacht etwas bemerkt hatte...
»Mir geht's gut, danke«, sagte er schließlich, »Na ja,« fügte er leiser hinzu, »mit Ausnahme von der Tatsache, dass ich diese Nacht etwas im Wald gesehen habe, etwas zwischen den Schatten der Bäume...«
»Was?«, fragte Hermine.
Wie erwartet wurden Hagrid und Lupin sofort wieder blass. Sie sahen sich an, dann schwenkten ihre Blicke zu Harry und wieder zurück.
»Ich hab' euch vorhin reden gehört«, erklärte Harry. »Und ich habe auch etwas gesehen. Nur weiß ich nicht, was es war.«
Kurz herrschte Schweigen. Hermine hob verwirrt die Augenbrauen und blickte fragend in die Runde.
»Das ist...«, begann Lupin schließlich gepresst, »... ziemlich schlecht.«
Er wechselte wieder Blicke mit Hagrid, doch der hob nur ratlos die Schultern. Seinem Blick war abzulesen, was er dachte: Hätte ich bloß nichts gesagt...
Lupin seufzte und bedachte Harry mit einem ärgerlichen Blick. »Jetzt haben wir ein Problem. Und wir bekommen noch ein größeres, wenn ihr mal wieder auf die glorreiche Idee kommt, allein auf Antwortensuche zu gehen... Und wie ich dich kenne ist es unsinnig, dir einreden zuwollen, dass du dich getäuscht hast.«
Harry nickte. »Stimmt genau.«
Hermine trat einen Schritt vor. »Hätte jemand die Güte, mich aufzuklären?«
Alle überhörten sie.
»Und, was machen wir jetzt?«, fragte Hagrid mit bangem Blick. »Sagen wir's ihnen?«
»Ja«, sagte Lupin. »Ich denke, sie können es für sich behalten. Aber wir sollten an einen anderen Ort gehen, um zu reden. Kommt mit in mein Büro.«
* * *
Hermine erhob keinen Einwand, und so ließen sie Ron und sein Geschenk schon wieder warten.
In Lupins Büro setzten sie sich, dann begann Hagrid zu erzählen. »Letzte Nacht war s so verhangen draußen, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Nun ja, jedenfalls hörte ich Geräusche vom Wald und dachte, ein Tier hätte sich zum Waldrand verirrt... Ich ging nach draußen, um nachzusehen, und kaum eine Minute später kam mir Firenze entgegen.«
»Firenze?«, wiederholte Hermine ungläubig. »Wie kann das sein? Ich dachte, die Zentauren kommen nie bis zum Waldrand.«
»Ja, ja, so ist es normalerweise ja auch«, sagte Hagrid mit leiser werdender Stimme. »Aber Firenze kam zu mir. Ich habe noch nie einen Zentaur in einem solchen Zustand gesehen... panisch war er , verwirrt und verängstigt. Er sagte, es gäbe Eindringlinge im Wald, viele, zu viele, um sie zählen zu können, sagte er. Gestalten in Schwarz... in pechschwarzen Umhängen.« »Todesser?!«, hauchte Hermine entsetzt.
»Oh nein«, sagte Lupin. »Todesser hätten nie die Zentauren auf diese Weise einschüchtern können. Es sind keine Todesser.«
»Aber...«, begann Hermine und drehte sich hilfesuchend zu Harry um. Der spürte, wie ihm eine eisige Gänsehaut über den Rücken lief, allein bei dem Gedanken an seine Vermutung. Ihm fiel nur ein Wesen ein, das schrecklich genug war, um einen Zentaur zu erschrecken.
»Dementoren«, sagte er.
»Ja.« Hagrids Stimme glich einem Rasseln. In seinen Augen glomm Furcht. »Ich traute meinen Augen nicht. Einige von ihnen waren so dicht an die Schule gekommen, dass ich sie von der Hütte aus sehen konnte. ES war... schrecklich. Ich habe... noch nie so viele Dementoren auf einem Fleck gesehen. Wie eine... schwarze Traube von rasselndem Tod. Ihr Atem... man konnte ihn hören, und dieses Geräusch hörte nicht auf, die ganze Nacht über. Wir haben Dementoren im Verbotenen Wald.«
Das Entsetzen war für den Augenblick beinahe schon greifbar.
»Aber...«, versuchte es Hermine auf ein Neues, jetzt jedoch war es nur noch ein Wispern, das sie hervorbrachte. »Wie kann das sein? Was... was wollen die Dementoren bei Hogwarts? Das... hat doch sicher nichts mehr mit Askaban zu tun, oder?«
Lupin lachte verächtlich. »Askaban? Nein. Die Dementoren hängen mittlerweile nicht mehr an Askaban. Sie haben höhere Wege eingeschlagen. Dumbledore hat das Ministerium gewarnt, aber Fudge wollte ja nicht hören. Jetzt hat er genau das, was Dumbledore prophezeit hat: Sie sind Anhänger von Voldemort.«
Jetzt war es Harry, der das Wort ergriff. »Aber sie werden uns nicht angreifen, oder? Das können sie nicht. Es gibt noch den Schutzbann.«
»So ist es.« Lupin blickte starr aus seinem Fenster. »Sie können uns nicht angreifen. Sie können bloß lauern und spähen und die ganze Schule mit Angst und Schrecken vergiften. Bis wir an anderen Stellen verwundbar werden. Deswegen sind sie hier. Und deswegen... müssen wir höchst vorsichtig sein.«
Die Späher
Es war... eine seltsame Situation. Cho konnte noch nicht wirklich glauben, was sie gerade mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatte. Ihr war natürlich klar, dass die gute Caprice ein eigenwilliges Wesen besaß und selten Rücksicht auf andere nahm, wenn sie ihre Entscheidungen fällte. Trotzdem war Cho auf eine solche Aktion von ihr nicht vorbereitet gewesen. Sie saß fassungslos da und fühlte sich, als wäre Caprice ihr in den Rücken gefallen, und das ganz bewusst. Slytherin. Sicher, wenn man es genau nahm, passte dieses Haus wie die Faust aufs Auge zu Caprices Persönlichkeit. Aber tief in ihrem Inneren hatte Cho sich etwas anderes erhofft... dass ihre beste Freundin in das Haus geschickt wurde, deren Mitglieder sie mehr als alles in der Welt verabscheute, konnte kein gutes Zeichen für dieses Jahr sein.
Was Cho jedoch noch viel mehr störte als Caprices Zugehörigkeit zu Slytherin, war die Tatsache, dass Caprice ihr während dem weiteren Verlauf der Begrüßungsfeier keinen einzigen Blick mehr gönnte. Sie hing stattdessen wie eine Klette an... Malfoy, diesem widerwärtigen Kerl, und es sah ganz so aus, als fände Caprice tatsächlich etwas an ihm... Es wurde Cho unbehaglich bei dem Gedanken, dass sie sich an ihn heranmachen würde. Nein, es war mehr als Unbehagen, das sie dabei überkam; es war Angst. Caprice wusste nicht, mit wem sie sich da einließ! Sie war und blieb ein... Muggel! Es war ihr wirklich nicht anzuraten, mit dem größten Muggelhasser dieses Universums zu turteln!
Mit einem tiefen Seufzer nahm Cho zur Beruhigung einen Schluck Kürbissaft. Sie machte sich wahrscheinlich viel zu viele Sorgen.
* * *
Die Feier neigte sich rasch ihrem Ende zu. Harry war mehr als ein mal der drängende Gedanke gekommen, hinüber zum Ravenclaw-Tisch zu gehen und Cho zu begrüßen, er ließ es dann aber. Cho sah seit dem etwas ausschweifenden Auftritt ihrer seltsamen Freundin sowieso nicht sonderlich gut gelaunt aus, und morgen war ja auch noch ein Tag.
Ron hatte einige Hände voll damit zu tun, Gwen aufzumuntern und sie davon zu überzeugen, dass er Caprice nie wieder schief anschauen würde. Harry und Hermine grinsten sich kopfschüttelnd an, während sie zuhörten- sie wussten, Ron konnte diese Versprechen, die er gerade ausschweifend abgab, sowieso nicht einhalten. Gwen müsste Ron schon Scheuklappen anlegen, um ihm seine Gewohnheiten auszutreiben.
Es wurde spät und die Gryffindors verschwanden die Treppen hinauf, um in ihre Schlafsäle zu gelangen. Ron und Gwen diskutierten noch, bis sie zum Gemeinschaftsraum gelangten, dann verschwand Gwen zusammen mit Hermine in Richtung Mädchenschlafsäle.
»Die is' vielleicht ne Nummer«, seufzte Ron und blickte seiner Freundin kopfschüttelnd nach. »Diese Eifersucht ist ja schon fast krankhaft!«
Harry nickte grinsend. »Vielleicht solltest du dir abgewöhnen, zu sagen, was du denkst, wenn dir ein Mädchen gefällt. Und du solltest den Mund früher zuklappen. Dann würde sie's nicht gleich merken.«
»War Cho damals auch so drauf?«, fragte Ron stirnrunzelnd, »Ich meine... vielleicht liegt das in der Familie.«
»Kann schon sein«, sagte Harry schulterzuckend. Mehr Kommentar unterließ er vorerst zu diesem Thema. Eifersucht mochte vielleicht tatsächlich eine Eigenschaft sein, die in der Familie Chang verbreitet war. Doch er musste sich eingestehen, dass er in dieser Hinsicht auch nicht viel besser war. An die Zeit nach seiner Trennung von Cho erinnerte er sich noch immer nicht gern; er sah dann Cho und Val händchenhaltend vor sich und spürte ein schmerzendes Kribbeln im Bauch.
Harry blieb noch eine ganze Weile wach, während Ron, Neville, Seamus und Dean schon keinen Laut mehr von sich gaben. Es gab eine Menge, worüber er nachdenken musste. Eine Menge komplizierter Dinge. Wieder einmal versuchte er vergeblich, sich darüber klar zu werden, ob nun Cho oder Ginny seine Gefühle gehörten. Und wieder einmal kam er zu keinem klaren Ergebnis. Er hatte das Gefühl, dass ihm diese Entscheidung ganz und gar nicht leicht fallen würde.
Harry wäre froh gewesen, wenn das momentan sein einziges Problem gewesen wäre. Unglücklicher Weise beschäftigte ihn seit einigen Tagen jedoch noch ein ganz anderes Thema mit einer ganz anderen Wirkung auf sein Gemüt. Genau genommen beschäftigte ihn dieses Thema schon seit seinem ersten Jahr in Hogwarts- seit er wusste, dass ein gewisser Zauberer namens Voldemort existierte. Doch jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem sich- zumindest begann Harry das ernsthaft zu befürchten- all seine bisher aufgestauten, schlimmsten Alpträume bewahrheiten könnten; all das, was in den vergangenen Jahren immer so haarscharf verhindert werden konnte... Dieshier war sein letztes Jahr auf Hogwarts. Er bezweifelte, dass es nur im positiven Sinn einen Höhepunkt darstellen würde.
Die ersten Grundsteine für die gewohnten Strapazen waren ja bereits gelegt; ein wunderbarer Traum von Tod und Verwüstung, ein Angriff auf die Winkelgasse, Botschaften von Voldemort im Wasser... Harrys Erfahrung nach steigerten sich diese schönen Dinge bis zum Ende des Schuljahres so weit, dass er entweder von abtrünnigen Lehrern beinahe umgebracht, beim Quidditch vom Besen geworfen, von Basilisken vergiftet, von Dementoren geküsst, auf Friedhöfe verschleppt oder von Werwölfen angefallen wurde. Ja, dachte Harry mit einer Art von schwarzem Sarkasmus, wie er ihn noch nie bei sich selbst entdeckt hatte, da bot sein Traum von Lucius Malfoy, der ihn erstach, mal eine ganz neue Möglichkeit... Und nicht zu vergessen mussten Unschuldige sterben, sämtliche Menschen, die ihm auf irgend eine Weise am Herzen lagen, gerieten in Lebensgefahr, und die gesamte Zaubererwelt sah sich dem Untergang gegenüber.
Harry fühlte, wie eine leichte Übelkeit in ihm aufkam. Aus diesem drastischen Blickwinkel hatte er die Dinge tatsächlich noch nie zuvor betrachtet. Doch er erkannte mit einer erschreckenden Gewissheit, dass es Zeit war, die Dinge so zu betrachten. Niemand konnte sich etwas vormachen. Egal, wie sehr Cornelius Fudge und so manch anderer verirrter Kopf im Ministerium es abstreiten wollte, Voldemort war wieder auf dem Höhepunkt seiner Macht. Bisher hatte er das bloß noch nicht gezeigt; im letzten Jahr hatte er offensichtlich Kräfte gesammelt und Pläne geschmiedet, wie Dumbledore eindringlich gewarnt hatte.
Eines war auf jeden Fall klar: Langweilen würde Voldemort dieses Jahr niemanden.
Während Harry so dalag und seinen Gedanken nachhing, fiel ihm plötzlich etwas ein. Es war wie ein leuchtender Geistesblitz in seinem Kopf und fegte die restlichen finsteren Bilder hinfort. Tatsächlich hätte er es beinahe vergessen: Das Buch der dunklen Künste. Hermine hatte es ihm vor zwei Jahren geschenkt, und seitdem lag es die meiste Zeit unter Harrys Bett und wartete darauf, gelesen zu werden. Harry hielt es so gut wie möglich geheim- Ron, Hermine und Dumbledore waren die einzigen, die offiziell davon wussten, und das war auch gut so. So manch einer mochte es falsch verstehen, wenn er erfuhr, dass Harry Potter ein Buch der dunklen Künste besaß... Dumbledore hatte es jedoch nicht zensiert, sondern hatte ihnen zugesprochen, sie sollten versuchen, das Wissen, das sich in diesem Buch über die dunklen Mächte befand, zu analysieren und dadurch Schwachstellen und Gegenzauber zu finden. Harry bewunderte heute noch das Vertrauen, das Dumbledore damit bewiesen hatte. Er war sich nicht sicher, ob er sich selbst so sehr vertraut hätte.
Das einzige Problem bei diesem Buch der dunklen Künste war auch gleichzeitig das größte Problem an der Sache. Tatsache war, dass es nur aus schwarzen, leeren Seiten bestand und kein Versuch, es mit Zauber lesbar zu machen, je Erfolg geerntet hatte. Seit zwei Jahren versuchte Harry fast jeden Abend, den Schlüssel zu dem Wissen zu finden, das sich in diesem Buch befand. Vergeblich. Selbst Hermine hatte es mittlerweile fast schon aufgegeben und Ron belächelte ihrer beiden Versuche bloß noch.
Über die Ferien ließ Harry das Buch immer hier in Hogwarts- vorsichtshalber- weil er nicht wollte, dass es an einen weniger sicheren Ort gelangte.
Und nun fiel Harry dieses verfluchte Ding wieder ein. Stirnrunzelnd setzte er seine Brille auf, drehte sich um und beugte sich nach unten, um es unter dem Bett hervorzuholen...
Da bemerkte er, dass das Leuchten, das er sich eben eingebildet hatte, nicht von seinem Geistesblitz gekommen war. Das Buch leuchtete. Schwach nur, aber es leuchtete, wie Kerzenlicht in etwa, und es flackerte auch genauso.
Harry starrte es für einen Moment nur verdutzt an, dann blickte er alarmiert zu den anderen Betten hinüber, griff hastig nach dem Buch und versteckte es unter seiner Decke, bevor einer der anderen etwas bemerkten konnte. Am liebsten hätte er ja Ron geweckt... aber nein, das musste er sich erst selbst genauer ansehen.
Als er sicher war, dass keiner seiner Zimmergenossen aufgewacht war, legte er das geschlossene Buch in dem schweren Lederband vor sich und betrachtete es vorsichtig. Es sah seltsam aus; fast, als würde es im ganzen glimmen und glühen, aber es war nicht heiß. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Harry überlegte scharf- hatte er irgendetwas gesagt? Ein Wort, einen Laut, irgendetwas, das eine Wirkung auf das Buch haben könnte? Wenn ja, erinnerte er sich nicht mehr daran. Nein- das Buch hatte von selbst angefangen zu leuchten.
Langsam und mit fast triumphierender Vorfreude schlug er es auf. Die Seiten waren nun weiß. Und eine Schrift erschien:
Athelstan Avon:
Das Buch der dunklen Künste
Seid gegrüßt, der ihr meiner Schriften Wissen findet,
und die Gunst meiner Familie auf eurer Seite habt.
Harry stutzte. Oh, dachte er und rümpfte verwirrt die Nase. Na toll. Die Gunst seiner Familie? Was soll das jetzt schon wieder heißen? Avon... den Namen hab' ich noch nie gehört.
Innerlich schulterzuckend blätterte er weiter um. Mit schwarzgrau schimmernder, winziger Schrift begann nun ein Vorwort, das sich über mindestens zwanzig Seiten zog, danach, wie ein Lexikon gegliedert, mindestens zweitausend hauchdünne Seiten mit unzähligen Begriffen, Formeln und Namen. OK, dazu hatte Harry nun wirklich keine Lust. Froh darüber, dass sich das blöde Ding nach zwei Jahren doch entschlossen hatte, sich wie ein Buch zu benehmen, klappte er es wieder zu und versteckte es wieder unter dem Bett, wobei er seinen Gryffindor-Schal benutzte, um das anhaltende Leuchten zu verbergen.
Dann fuhr Harry plötzlich herum. Er wusste nicht recht, wieso er es tat, auf jeden Fall blickte er im nächsten Moment in Richtung Fenster. Ihm war schon wieder ,als käme ein eisiger Hauch ins Zimmer, doch dieses Mal sah er selbst, dass das Fenster verschlossen war. Aber irgend etwas war, was nicht sein sollte... Harry spürte es, ein bekanntes Gefühl, das ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ... Hatte er aus den Augenwinkeln etwas dort draußen gesehen? Eine Bewegung oder irgend etwas?
Er bezwang den Impuls, sich für verrückt zu erklären und sich wieder hinzulegen, und stieg stattdessen aus dem Bett. Vor dem Fenster blieb er stehen und blickte nach draußen. Es war eine wolkenverhangene, graue Nacht, über den Wipfeln des Verbotenen Waldes konnte man keinen einzigen Stern leuchten sehen. Nichts regte sich. Harry verengte die Augen und sah genauer hin. Die Schatten der Bäume tanzten dunkel im Wind, doch waren es wirklich Schatten?
Harry konnte nichts genaueres erkennen, deswegen zog er sich resigniert vom Fenster zurück und ging wieder ins Bett. Er beschloss, nicht weiter herumzugrübeln. Das Resultat daraus wäre sicher sowieso nichts weiter als Kopfschmerzen bis zum Morgen. Also drehte er sich auf die Seite und versuchte, einzuschlafen. Er hatte noch genug Zeit, sich mit den Schriften dieses... Athelstan Avon zu befassen.
* * *
Der nächste Tag begann und Harry hatte es sich zum festen Vorsatz gemacht, mit Cho zu reden. Aber es kam, wie es kommen musste: Harry steuerte beim Frühstück auf den Ravenclaw-Tisch zu, hatte sich gerade einen guten Anfang für ein Gespräch ausgedacht, da bemerkte er, dass Cho nicht anwesend war. Das war ja mal wieder typisch.
Harrys fragender Blick veranlasste einen jüngeren Ravenclaw dazu, ihm ohne Aufforderung die Lage zu erklären: »Cho ist nicht hier. Sie hat gesagt, sie muss zusammen mit dieser Caprice Tyler die erste Tanzstunde vorbereiten.« Ein verstohlenes Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Jungen. »Ihr Siebtklässler habt es gut!«
»Was...?«, stammelte Harry fast erschrocken, »Soll das heißen,... wir haben gleich heute...«
»Tanzunterricht, ja. Mensch, ich will auch schon siebzehn sein... wollen wir tauschen?!«
Liebend gern, dachte Harry beklommen und trabte zu den Gryffindors zurück. Prinzipiell hielt er die Idee von einem Tanzkurs an Hogwarts witzig und durchaus nicht schlecht... Aber nach dem, was Caprice gestern hier vorgeführt hatte, musste es sich bei diesen Tänzen um solche handeln, wie sie "normale" Zauberer kaum kannten. Pop, Hip-Hop und solche Sachen... Na ja, andererseits war es sicherlich amüsant, Malfoy, Crabbe und Goyle auf solche Musik tanzen zu sehen. Harry bezweifelte nicht, dass er sich selbst in Grund und Boden blamieren würde. Trotzdem heiterte ihn das Bild vom unfähigen Malfoy durchaus auf.
Wenigstens würde er Cho sehen.
Nach dem Frühstück begann der erste Schultag mit dem allseits beliebten Fach Zaubertränke. Harry konnte sich nicht vorstellen, was die Schulleitung dazu geritten hatte, seinen Jahrgang seit nunmehr drei Jahren als Willkommensgruß in die muffigen Kerker zu schicken, doch er hatte sich nun fast schon daran gewöhnt. Snapes fanatischer Hass auf ihn war zwar noch immer nicht ganz abgeklungen, hielt sich aber seit geraumer Zeit in Grenzen.
Im Gegensatz dazu hatte sich eines ganz und gar nicht verändert: Das Verhältnis zwischen Gryffindors und Slytherins, und ganz besonders zwischen Harry und Draco Malfoy. Als Harry, Ron und Hermine den Kellerraum mit kaum einer Minute Verspätung betraten, brauchte Harry nicht einmal zu Malfoy hinübersehen um zu wissen, welchen Gesichtsausdruck er gerade aufsetzte, und dass Crabbe und Goyle herablassend den Kopf schüttelten.
Was in Feindschaft beginnt, endet in diesem Fall wohl auch in Feindschaft, dachte Harry resigniert. Doch das machte ihm auch nicht wirklich etwas aus.
Die Stunde verlief relativ langweilig, und Harry handelte sich fünf Strafpunkte für Gryffindor ein, weil er in Gedanken schon bei der Tanzstunde und bei Cho war.
Hermine stieß ihn daraufhin verärgert in die Seite.
Harry musste grinsen. Das würde sich wohl auch nie ändern.
Der Tanzunterricht fand nahe der Verbotenen Abteilung statt; in dem Raum, in dem früher der Spiegel Nerhegeb gestanden hatte.
Beim Aufstieg in den Turm äußerte Hermine erste Bedenken.
»Ich kann mich mit diesem neuen Fach nicht anfreunden«, murrte sie naserümpfend. »Ich meine... tanzen... das kann man auch irgendwann anders lernen. Wieso opfert Dumbledore Schulzeit dafür?«
Ron hob die Schultern. »Schätze, das musst du ihn selbst fragen, wenn er aus London zurück kommt. Und so lange lernen wir eben tanzen.«
Hermine schnaubte verächtlich. »Also ich werde nicht so obszön herumhampeln wie diese selbsternannte Slytherin.«
Ron grunzte. »Ja, ich glaube, bevor du dich halbnackt auf Tischen räkelst, werden Crabbe und Goyle Jahresbeste.«
»Ich freu mich schon darauf, dir zuzusehen«, entgegnete Hermine grinsend.
Cho und Caprice erwarteten sie mit strahlenden Gesichtern, als sie den Raum betraten. Caprice geizte dabei auch heute wieder nicht gerade mit Reizen. Sie trug zwar einen langen Slytherin-Umhang, darunter jedoch wieder Minirock und ein schwarzes Top. Während Ron sie so unauffällig wie möglich anzugaffen versuchte, hatte Harry viel mehr Augen für Cho. Sie blickte ihm entgegen, als er eintrat, und winkte ihm beherzt lächelnd zu. Er winkte zurück. Eigentlich hätte er im Moment viel lieber Privatgespräche mit ihr geführt, als Tanzunterricht zu nehmen, aber das musste weiterhin warten.
Bald waren alle Siebtklässler eingetrudelt und standen in einem Halbkreis um die zwei Lehrkräfte herum.
»So,« sagte Cho grinsend und blickte in die Runden. »Das ist also eure erste Tanzstunde. Als erstes möchte ich sagen, dass wir euch hier sowohl auf die Bälle vorbereiten sowie euch im modernen Tanz einweisen werden. Das heißt, ihr müsst nicht nur soetwas machen, wie es uns Caprice gestern vorgeführt hat.«
Erleichtertes Gemurmel erhob sich bei den Schülern.
»Aber«, begann Caprice verschmitzt, »da uns erst einmal kein Ball ansteht, werden wir damit anfangen.«
Es folgte eine ziemlich amüsante Stunde. Zu Harry und Rons größter Erleichterung bat Caprice zuerst nur die Mädchen zu sich, die Jungs setzten sich derweil an die Wand und schauten interessiert zu. Hermine warf Harry und Ron einen hilfesuchenden Blick zu, und sie sah so bedauernswert dabei aus, dass die beiden lachen mussten. Doch es fiel nicht nur Hermine schwer, den Anweisungen der beiden "Lehrerinnen" zu folgen und sich auf Musik zu bewegen, die weder einen richtigen Takt noch Rhythmus zu haben schien. Nach einer Weile gaben Cho und Caprice es auf und verlegten den Schwerpunkt der Stunde dahinein, den Hüftschwung zu üben. Wobei Hermine endgültig verzweifelte.
Harry betrachtete die Szene mit mildem Interesse. Er war froh, nicht selbst da zu stehen und sich zu blamieren, doch er stellte schnell fest, dass manche Jungs durchaus so aussahen, als wollten sie sich ziemlich gern beteiligen. Erstaunlicher Weise war sogar Malfoy dabei. Harry merkte, dass seine ganze Aufmerksamkeit Caprice gehörte. Na so was, dachte er, Draco wird sich doch wohl nicht in jemanden mit Muggel-Kleidung verlieben...
Als die Stunde vorüber war, erhob sich Harry, folgte Ron aber nicht sofort zum Ausgang.
»Wo bleibst du?«, fragte Ron drängend, »Komm, dein Geburtstagsgeschenk wartet auf dich!«
»Dann lass es noch ein paar Minuten länger warten. Ich will noch schnell mit Cho reden.«
»Oh«, sagte Ron grinsend. »Schon klar. Wir warten in der Bücherei auf dich.« Damit verschwand er mit den letzten Nachzüglern aus dem Raum und Harry war mit Cho und Caprice, die sich um die CDs und die Stereoanlage kümmerten, allein.
Nein, nicht ganz allein.
»Oh, Potter, du bist ja auch noch hier. Hoffst du auf Autogrammkarten oder doch auf Einzelunterricht?«
Harry zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, Malfoy. Ich hatte es einfach nicht sehr eilig.«
Malfoy nickte und grinste sein Wieso-Sollte-Ich-Mich-Überhaupt-Mit-Etwas- Wie-Dir-Unterhalten-Grinsen. Er wandte sich ab und blickte zu Cho und Caprice hinüber. Caprice sah ihn, sprang auf, warf dabei achtlos einen Stapel CDs um und rannte auf ihn zu.
»Komm, wir gehen«, sagte Malfoy, warf einen überlegenen Blick zurück zu Harry und Cho und verschwand dann zusammen mit Caprice, die sich sofort bei ihm eingehakt hatte und scheinheilig grinste.
Harry und Cho blickten ihnen mit beinahe identischem Gesichtsausdruck nach. Dann gab sich Harry einen Ruck, ging auf Cho zu und half ihr, die CDs wieder einzusammeln. »Ist das mit den beiden schon offiziell?«, fragte er beifällig.
Cho hob lächelnd den Kopf und verdrehte die Augen. »Das ist eben Caprice«, sagte sie. »Lässt nichts anbrennen, was lecker aussieht.«
»Tja, das ist fast schon zu beneiden. Andere Leute gehen nicht mal das Risiko ein, sich was auf den Herd zu stellen.«
Cho lachte leise, und Harry fühlte sich für einen Moment verflucht gut. Er wusste, dass Cho seine selbstironischen Andeutungen mochte. Und ihr Lachen zeigte ihm, dass sie die Entschuldigung verstanden und angenommen hatte.
»Und, wie ist das Gefühl, Lehrerin zu sein?«, fragte er, um das Gespräch voranzutreiben.
»Ach, ganz in Ordnung«, antwortete Cho,. »Ich darf endlich brüllen, ausrasten, herumkommandieren... Und noch ein Jahr durch die Gänge vom alten Hogwarts schleichen. Das war mir eigentlich am wichtigsten. Wieder hier zu sein... ist ein wirklich schönes Gefühl. Ich hatte wirklich noch keine Lust, euch alle hinter mir zu lassen und ein Jahr zu warten, bis ihr auch von der Schule geht. Dashier... ist wie ein Zuhause für mich. Und alle, die hier sind...«
»Sind wie eine Familie.«
Cho senkte lächelnd den Kopf. »Genau so ist es. Und außerdem... fand ich, dass ich irgend etwas noch zuende bringen muss.«
Harry spürte, dass sie ihn wieder ansah.
»Ich wollte nicht einfach offen lassen, was zwischen uns war, Harry.« Ihre Stimme war leise, kaum mehr zu hören. »Da ist eine Lücke, verstehst du? Ich weiß einfach nicht ... was nun richtig ist. Es ist so schwierig...«
Sie suchte nach Worten. Harry war verblüfft- er hatte geglaubt, ihm lägen eine Menge unklarer Worte auf dem Gewissen, doch Cho ging es ganz ähnlich. Er wünschte, ihr helfen zu können, die Worte zu finden, die sie brauchte. Denn er war sich sicher, sie stimmten mit den seinen überein.
Und schließlich sagte sie tief einatmend: »Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde. Deswegen kann ich mich jetzt... auf nichts festlegen, nicht heute und auch nicht morgen. Ich weiß es einfach nicht.«
Endlich war es raus. Eine Spannung fiel von ihnen ab, die den ganzen Raum hätte füllen können. Harry war Cho unendlich dankbar, dass sie dieses Thema sofort aufgegriffen hatte. Er war sich sicher, hätte er das übernommen, dann hätte es bis Weihnachten gedauert.
Cho hob schüchtern den Blick, in Angst, etwas falsches gesagt zu haben. »Verstehst du das?«
Harry antwortete mit einem Lächeln, nahm Cho in die Arme du drückte sie liebevoll an sich. Ob nun Freundschaft oder mehr, diese Geste war jetzt nötig. »Ich verstehe«, sagte Harry. »Mir geht's genauso.«
Cho seufzte erleichtert und legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Dann haben wir ja noch ein Jahr, um das herauszufinden.«
* * *
Scheinbar befreit von allen Sorgen machte sich Harry auf den Weg zur Bücherei. Es war wunderbar, diesen Ballast los zu sein, und für den Augenblick war sich Harry völlig einig mit seinen Gefühlen. Wäre er jetzt vor die Entscheidung gestellt worden, ob er mit Cho in Freundschaft oder in einer Beziehung zusammensein wollte, dann hätte er sich für die Beziehung entschieden. Cho war ihm... so vertraut, es verbanden sie so viele gemeinsame Auffassungen... und sie war einfach ein unbeschreiblich tolles Mädchen.
Doch zum Glück wurde er gerade nicht vor diese Entscheidung gestellt. Denn Harry wusste, dass es morgen oder schon in zwei Stunden wieder ganz anders aussehen könnte. Und natürlich erschwerte der Faktor Ginny die Sache erheblich.
Es war noch nicht Zeit für eine Entscheidung.
Harry bog um die Ecke in Richtung Bücherei, als er eine Stimme hörte, die ihn aufmerksam machte. Einige Schüler liefen hier mit Büchern unter den Armen umher und unterhielten sich, oder waren gerade auf dem Weg zum Mittagessen. Doch die Stimme, die er hörte, gehörte zu keinem Schüler. Es war Hagrid.
Harry ging ein paar Schritte weiter und erblickte ihn nahe der Bücherei. Er stand abseits von den Schülern und unterhielt sich mit leiser, aber hitziger Stimme mit einem Lehrer, den Harry im nächsten Moment als Professor Lupin erkannte. Der zog bei jeden zweiten Wort von Hagrid die Brauen zusammen, und zwar mit einem Gesichtsausdruck, als wäre Voldemort persönlich gerade vor ihm aufgetaucht.
Das war ihm etwas zu verdächtig. Harry war sich ziemlich sicher, dass die beiden ihr Gespräch sofort unterbrechen würden, wenn er sie darauf ansprechen würde, auch obwohl Hagrid sowie Lupin zu den Leuten gehörten, mit denen er über fast alles reden konnte. Deswegen stellte er sich in sicherer Entfernung hinter eine der Ritterstatuen, sodass er zuhören konnte, ohne gesehen zu werden.
»... bist du dir ganz sicher, Hagrid?«, fragte Lupin zischend. Sein Gesicht war blass und fahl. »Ist dir klar, was du da erzählst?!«
»Natürlich bin ich mir sicher! Remus... ich habe sie gesehen, heute Nacht im Wald! Mit eigenen Augen. Firenze ist mein Zeuge. Ich täusche mich nicht!«
»Wer weiß bis jetzt davon? Sirius? Snape? Wer hat es noch bemerkt?«
»Ich weiß es nicht«, brummte Hagrid, »ich denke, dass ich der einzige bin. Von meiner Hütte aus bekomme ich doch noch etwas mehr mit als ihr vom Schloss... Sie steckten tief im Wald, fast unsichtbar zwischen den Schatten...«
»Dann müssen wir Dumbledore sofort aus London zurückrufen. Wenn du die Wahrheit sagst... haben wir ein ziemlich großes Problem. Verdammt, das ist keine gute Nachricht!«
Harry lauschte bedächtig. Das hörte sich gar nicht gut an. Fast unsichtbar zwischen den Schatten... Also hatte er letzte Nacht doch etwas gesehen. Doch worüber redeten die beiden? Was hatte Hagrid gesehen?
Die Antwort darauf bekam er nicht. In diesem Moment kam Hermine aus der Bücherei, sah Hagrid und Lupin, und musste natürlich sofort alles andere als unauffällig auf sie zu laufen. Hagrid und Lupin verstummten und drehten sich zu ihr um.
»Professor Lupin! Schön, dass ich sie hier treffe! Könnte ich ihnen meine Arbeiten über Vampire vielleicht jetzt schon geben? Ich möchte es nicht andauernd mit mir herumtragen.«
»Oh, ja, natürlich«, sagte Lupin überrascht und nahm einen Stapel Papiere von Hermine entgegen, »Ich werde sie gleich heute durchsehen, wenn meine Zeit reicht...«
Harry biss sich verärgert auf die Unterlippe. Mensch Hermine, dachte er, diese blöde Vampir-Aufgabe sollten wir doch erst zwei Wochen nach Schulbeginn abgeben...
Jetzt konnte er auch sein Versteck aufgeben. Möglichst unauffällig kam Harry hinter der Statue hervor und ging auf die kleine Gruppe zu.
Hermine sah ihn als erstes. »Da bist du ja endlich! Warum hat das so lange gedauert? Ron bekommt einen Tobsuchtsanfall, wenn er dir nicht gleich das Geschenk überreichen kann.«
»Tut mir leid«, sagte Harry verlegen. »Ich war noch... beschäftigt.«
»Oh, hallo Harry«, sagte Lupin, der seine Blässe mittlerweile gekonnt kuriert hatte, mit einem warmen Lächeln. »Wie geht es dir?«
Harry sah ihn an und fragte sich, ob er das Thema vielleicht nicht doch ansprechen sollte. Es brannte ihm jedenfalls wie Feuer auf der Zuge, und wenn es so wichtig war, vielleicht interessierten sich die beiden ja dafür, dass Hagrid nicht der einzige war, der letzte Nacht etwas bemerkt hatte...
»Mir geht's gut, danke«, sagte er schließlich, »Na ja,« fügte er leiser hinzu, »mit Ausnahme von der Tatsache, dass ich diese Nacht etwas im Wald gesehen habe, etwas zwischen den Schatten der Bäume...«
»Was?«, fragte Hermine.
Wie erwartet wurden Hagrid und Lupin sofort wieder blass. Sie sahen sich an, dann schwenkten ihre Blicke zu Harry und wieder zurück.
»Ich hab' euch vorhin reden gehört«, erklärte Harry. »Und ich habe auch etwas gesehen. Nur weiß ich nicht, was es war.«
Kurz herrschte Schweigen. Hermine hob verwirrt die Augenbrauen und blickte fragend in die Runde.
»Das ist...«, begann Lupin schließlich gepresst, »... ziemlich schlecht.«
Er wechselte wieder Blicke mit Hagrid, doch der hob nur ratlos die Schultern. Seinem Blick war abzulesen, was er dachte: Hätte ich bloß nichts gesagt...
Lupin seufzte und bedachte Harry mit einem ärgerlichen Blick. »Jetzt haben wir ein Problem. Und wir bekommen noch ein größeres, wenn ihr mal wieder auf die glorreiche Idee kommt, allein auf Antwortensuche zu gehen... Und wie ich dich kenne ist es unsinnig, dir einreden zuwollen, dass du dich getäuscht hast.«
Harry nickte. »Stimmt genau.«
Hermine trat einen Schritt vor. »Hätte jemand die Güte, mich aufzuklären?«
Alle überhörten sie.
»Und, was machen wir jetzt?«, fragte Hagrid mit bangem Blick. »Sagen wir's ihnen?«
»Ja«, sagte Lupin. »Ich denke, sie können es für sich behalten. Aber wir sollten an einen anderen Ort gehen, um zu reden. Kommt mit in mein Büro.«
* * *
Hermine erhob keinen Einwand, und so ließen sie Ron und sein Geschenk schon wieder warten.
In Lupins Büro setzten sie sich, dann begann Hagrid zu erzählen. »Letzte Nacht war s so verhangen draußen, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Nun ja, jedenfalls hörte ich Geräusche vom Wald und dachte, ein Tier hätte sich zum Waldrand verirrt... Ich ging nach draußen, um nachzusehen, und kaum eine Minute später kam mir Firenze entgegen.«
»Firenze?«, wiederholte Hermine ungläubig. »Wie kann das sein? Ich dachte, die Zentauren kommen nie bis zum Waldrand.«
»Ja, ja, so ist es normalerweise ja auch«, sagte Hagrid mit leiser werdender Stimme. »Aber Firenze kam zu mir. Ich habe noch nie einen Zentaur in einem solchen Zustand gesehen... panisch war er , verwirrt und verängstigt. Er sagte, es gäbe Eindringlinge im Wald, viele, zu viele, um sie zählen zu können, sagte er. Gestalten in Schwarz... in pechschwarzen Umhängen.« »Todesser?!«, hauchte Hermine entsetzt.
»Oh nein«, sagte Lupin. »Todesser hätten nie die Zentauren auf diese Weise einschüchtern können. Es sind keine Todesser.«
»Aber...«, begann Hermine und drehte sich hilfesuchend zu Harry um. Der spürte, wie ihm eine eisige Gänsehaut über den Rücken lief, allein bei dem Gedanken an seine Vermutung. Ihm fiel nur ein Wesen ein, das schrecklich genug war, um einen Zentaur zu erschrecken.
»Dementoren«, sagte er.
»Ja.« Hagrids Stimme glich einem Rasseln. In seinen Augen glomm Furcht. »Ich traute meinen Augen nicht. Einige von ihnen waren so dicht an die Schule gekommen, dass ich sie von der Hütte aus sehen konnte. ES war... schrecklich. Ich habe... noch nie so viele Dementoren auf einem Fleck gesehen. Wie eine... schwarze Traube von rasselndem Tod. Ihr Atem... man konnte ihn hören, und dieses Geräusch hörte nicht auf, die ganze Nacht über. Wir haben Dementoren im Verbotenen Wald.«
Das Entsetzen war für den Augenblick beinahe schon greifbar.
»Aber...«, versuchte es Hermine auf ein Neues, jetzt jedoch war es nur noch ein Wispern, das sie hervorbrachte. »Wie kann das sein? Was... was wollen die Dementoren bei Hogwarts? Das... hat doch sicher nichts mehr mit Askaban zu tun, oder?«
Lupin lachte verächtlich. »Askaban? Nein. Die Dementoren hängen mittlerweile nicht mehr an Askaban. Sie haben höhere Wege eingeschlagen. Dumbledore hat das Ministerium gewarnt, aber Fudge wollte ja nicht hören. Jetzt hat er genau das, was Dumbledore prophezeit hat: Sie sind Anhänger von Voldemort.«
Jetzt war es Harry, der das Wort ergriff. »Aber sie werden uns nicht angreifen, oder? Das können sie nicht. Es gibt noch den Schutzbann.«
»So ist es.« Lupin blickte starr aus seinem Fenster. »Sie können uns nicht angreifen. Sie können bloß lauern und spähen und die ganze Schule mit Angst und Schrecken vergiften. Bis wir an anderen Stellen verwundbar werden. Deswegen sind sie hier. Und deswegen... müssen wir höchst vorsichtig sein.«
