OK, das "heiß hergehen" musste ich nun doch etwas verschieben... (tja meine Planung war schon immer chaotisch...:-).

@ Francis: Schön, dass endlich jemand Caprice anspricht! Ich hatte schon befürchtet, man hält sie für eine Art Mary-Sue... Die gute soll nämlich unsympathisch wirken, und im Laufe der Geschichte wird sich das noch steigern (sie wird ein richtiges Ekel *g*)

So nun also das achte Kapitel, mit Trailer das neunte...

Caprice-Fans muss ich hier leider enttäuschen, aber ab dem nächsten Kapitel ist sie wieder mit von der Partie...

Ach, ich rede zu viel *lol*



Noch ein Traum



Als Harry und Hermine nach dieser ziemlich beunruhigenden Unterhaltung mit Professor Lupin und Hagrid schließlich wieder in die Bibliothek gelangten, war die Mittagspause beinahe vorüber. Sie brauchten nicht einmal miteinander zu reden, um sich in einer Sache einig zu sein: Spätestens jetzt hatte es begonnen. Das alles würde auf ein verrücktes und vielleicht nicht sehr nettes Abenteuer hinauslaufen. Voraussichtlich würden sie ab heute kaum einen ruhigen Tag mehr erleben. Aufsätze und durchgebüffelte Nächte würden mal wieder nicht reichen, um das Schuljahr zu bestehen. Und das machte besonders Hermine zu schaffen, da sie es für nötig hielt, all ihre Energie für ihre schulischen Leistungen einzusetzen. Harry konnte den inneren Konflikt förmlich in ihren Augen lesen; das letzte und entscheidende Schuljahr war angebrochen, und wieder würde sie gezwungen sein, wertvolle Zeit für waghalsige Abenteuer zu verschwenden...

Ron wartete auf sie. Er saß noch am selben Platz, an dem er gesessen hatte, als Harry und Hermine ihn verlasen hatten. Er hatte den Kopf in eine Hand gestützt, mit der anderen trommelte er ungeduldig auf die Tischplatte.

»Ach, sieh an«, sagte er überrascht, »euch beiden hatte ich ja schon gar nicht mehr erwartet.«

Hermine rang sich ein entwaffnendes Lächeln ab, für das sie bei allen Lehrern Hogwarts gefürchtet war. So manche Strafarbeit hatte dabei schon kapituliert. »Entschuldige, Ron. Wir waren noch...«

»Beschäftigt?«, ergänzte Ron und hob die Brauen. »Schön, dass ihr alle so beschäftigt seid, wirklich, aber das nächste Mal lasst ihr mich bitte dran teilhaben.«

»Um genau zu sein, waren wir bei Professor Lupin«, erklärte Hermine. »Und ich denke, es wird dich interessieren, dass sich Dementoren im Verbotenen Wald herumtreiben.«

Ron vergaß für einen Moment seinen Groll. »Was?!«

»Hagrid hat sie gesehen«, sagte Harry. Sie konnten in normaler Lautstärke reden, da die meisten Schüler bereits auf dem Weg zum Nachmittagsunterricht waren. »Und ich auch, letzte Nacht.«

»Krass«, raunte Ron, mit der gewohnten Mischung aus Enthusiasmus und Erstaunen. »Dieses Schuljahr fängt ja echt vielversprechend an.«

Hermine schnaubte kopfschüttelnd. »Toll, dass du das so locker nimmst, Ron. Also mich belastet das schon ein wenig.« Sie sah auf die Uhr und erschrak. »Oh oh. Das belastet mich auch.«

Beeilung war angesagt, um noch rechtzeitig zum Nachmittagsunterricht zu gelangen, und Hermine verabschiedete sich hastig, denn sie musste zu ihrem geliebten Fach Arithmantik eine andere Richtung einschlagen als Ron und Harry. Die erklommen kurz darauf die Wendeltreppe im Nordturm, um sich mal wieder Professor Trelawneys Spinnereien anzuhören. Mittlerweile schlossen Harry und Ron gern Wetten ab, wie lang es dauern würde, bis ihr "inneres Auge" Harrys zutiefst finstere Zukunft vorhersagen würde.

»Fünf Minuten«, sagte Ron siegessicher. »Was sagst du?«

»Hmm«, machte Harry, »Sie hat mich so lange nicht mehr gesehen... ich denke... zwei Minuten.«

»Mutig,« grinste Ron.

Eigentlich hatte Harry im Moment ganz andere Sorgen. Er fühlte sich unwohl, weil er seinen Freunden etwas verschwieg: Die Sache mit dem Buch der dunklen Künste. Er fand es ein wenig seltsam, dass das Buch sich genau in der Nacht entschlüsselt hatte, in der Dementoren im Dienste von Voldemort nahe Hogwarts auftauchten... Stand das in einem Zusammenhang? Auf jeden Fall war es ein sehr zweifelhafter Zufall. Beim Abendessen musste er unbedingt mit Ron und Hermine darüber reden.

Doch erst einmal erklommen sie jetzt die silberne Trittleiter zu Professor Trelawneys kleinem Wahrsagezimmer. Sie kamen zum Glück nicht ganz zu spät; zwar waren alle anderen Schüler schon da, doch Trelawney fehlte.

Harry und Ron setzten sich zu Neville, der für alle Zeiten ein pummeliger, kleiner Junge zu bleiben schien, auf zwei freie Sitzkissen.

»Wo ist sie?«, fragte Ron verwundert.

Neville hob die Schultern. »Ich weiß nicht.«

Ron lachte verschmitzt und stoppte die Zeit. »Ha, das geht von deiner Zeit ab, Harry...«

»Um was wetten wir überhaupt?«, fragte Harry.

»Mh... wie wär's mit fünf Sickel?«

»Einverstanden.«

Zu Rons Missfallen erschien Professor Trelawney kaum zwei Sekunden später aus einer Hintertür. Ron sah auf die Uhr. Sie hatte jetzt noch anderthalb Minuten Zeit. Das wäre der neue Rekord.

»Guten Tag.« Ihre Stimme war noch rauchiger und leiser als gewöhnlich. Harry fiel sofort auf, dass ihr erster Blick nicht wie sonst ihm gehörte. Trelawney blickte stattdessen versonnen ins Nichts, als wäre sie tief in Gedanken. »Meine Lieben, nun ist also das letzte Schuljahr auf Hogwarts für euch angebrochen, und für viele meiner Visionen ist es Zeit, sich zu bewahrheiten...« Sie seufzte tief, als wolle sie die duftende Luft des Zimmers inhalieren. »Ich muss euch wohl nicht sagen, dass dies nicht nur erfreuliche Visionen waren... viele sind finster... und schrecklich.»

Endlich drehte sie den Kopf in Richtung Harry und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Furcht. Ron schielte auf die Uhr und biss sich auf die Unterlippe.

»Auch wenn einige von euch noch immer nicht recht an die Kraft des Wahrsagens und der spirituellen Kräfte glauben wollen,... ihr werdet sehen, dieses Jahr wird euch eines besseren belehren. Ich spüre... dass etwas auf und lauert... ganz deutlich, ich kann es fast schon sehen, vor meinem inneren Auge...« Sie schüttelte sich entsetzt, den Blick auf Harry gerichtet, als sie im Flüsterton fortfuhr: »Und meine schon lange gehegte Vermutung wird eintreten. Und zwar... schon sehr bald.«

Niemand sagte einen Ton. Auf vielen Gesichtern lagen versteckte Grinser, denn es war klar, was sie meinte. Aber da sich Trelawney seit drei Jahren solch große Mühe gab, Harrys Tod zu prophezeien, lachte niemand, um sie nicht zu kränken. Ihre Todesomen waren berüchtigt in Hogwarts, nicht nur bei den Schülern, aber ernst genommen wurden sie nie- da sie nie eintraten. Nur Harry selbst konnte sich in diesem Moment nicht beherrschen. Er entgegnete Trelawneys tragischen Blick, seufzte und hob mit einer Geste der Resignation die Schultern. »Tja. Da kann man nichts machen. Könnten sie mir vielleicht den genauen Tag sagen, damit ich's mir im Kalender vormerken kann? Wäre ziemlich blöd, wenn's in die Prüfungen fallen würde, Professor.«

Die Fassade brach zusammen. Ron und Neville grunzten, selbst Parvati und Lavender, zwei der wenigen, die Trelawney als einigermaßen ernstzunehmende Lehrkraft respektierten, kicherten.

»Du bist so ein Idiot, Harry«, gluckste Ron.

Trelawneys Gesicht zeigte keine Regung. Ihr Blick flackerte bloß eigentümlich und sie blickte starr an Harry vorbei. »Der einunddreißigste Oktober.«

Schlagartig herrschte Stille.

Lavender schlug entsetzt die Hand vor den Mund.

Ron blickte Harrys an- genau wie alle anderen. Doch er grinste immernoch. »Uhh, in der Halloween-Nacht«, hauchte er beschwörerisch. »Wie mysteriös...«

Aber Harrys Lachen verstummte. Jedes andere Datum hätte ihn weiterhin erheitert. Aber das... fand er nun nicht mehr lustig.

Und Ron hatte die Wette verloren.



* * *



Ehe sie es sich versahen, verstrich die erste Woche.

Ron und Hermine waren Feuer und Flamme, als Harry ihnen von dem Buch der dunklen Künste erzählte. Auch sie fanden keine Erklärung dafür, dass sich das Buch so plötzlich und ausgerechnet in dieser Nacht entschlüsselt hatte. Hermine schlug vor, Dumbledore einen Brief zu schicken und ihn um Rat zu fragen.

Professor McGonnagal verkündete zwei Tage nach der Dementorennacht ein absolutes Waldverbot für alle Schüler, und Hagrid, der sich in unmittelbarer Nähe zum Geschehen nicht wohl fühlte, bekam ein eigenes Büro und einen Raum für seinen Unterricht im Schloss. Während noch beraten wurde, was zu tun war, um die unerwünschten Gäste zu vertreiben, tat McGonnagal etwas, das Harry ganz und gar nicht gefiel: Sie untersagte das Quidditch-Training für die Zeit der Anwesenheit der Dementoren.

Auf Dumbledores Aufforderung hin (er musste weiterhin in London bleiben, weil er dort für die Debatten und Sitzungen des Ministeriums unerlässlich war) verdoppelten sich die Stunden in Verteidigung gegen die dunklen Künsten auf ihren Stundenplänen. Glücklicher Weise gab es nun zwei Lehrer für dieses Fach; so konnte Sirius die jüngeren Klassen übernehmen, Lupin die älteren.

In den zwei weiteren Tanzstunden, die sie diese Woche noch hatten, kam immer deutlicher zum Vorschein, wie Caprice mit Malfoy liebäugelte. Dabei war zu erkennen, dass Cho sich immer mehr von ihr distanzierte. Waren sie als beste Freundinnen hier angekommen, so schauten sie sich nach kaum einer Woche nicht mehr an. Es war unübersehbar, dass der Faktor Malfoy daran schuld war. Caprice war immer öfter nur noch zusammen mit ihm zu sehen, Cho jedoch wollte nach wie vor nichts mit ihm zu tun haben. Als Harry Cho einmal darauf ansprach, winkte sie bloß ab und wechselte das Thema. Harry wurde das Gefühl nicht los, dass es etwas gab, was Caprice betraf, das sie ihm nicht verriet. Und auch sonst niemandem.

Was Professor Trelawney anging, ihre Äußerung geriet, wie so vieles, das sie prophezeite, bald in Vergessenheit. Zumindest bei den anderen.

Harry begann sich zu fragen, ob das nicht vielleicht wenigstens eine Vorwarnung auf ein Geschehnis darstellte... Halloween- das war immerhin nicht irgend eine Nacht. Halloween. Vor einem Jahr war es die Nacht gewesen, in der er Voldemort getroffen hatte.

... deine erste Chance...

... hast du im letzten Jahr verspielt...

... in der Nacht zu Halloween...

Diese Worte der Botschaft, die Voldemort ihm beim Angriff auf die Winkelgasse hatte zukommen lassen, waren klar vor ihm.

... doch an deiner Stelle...

... würde ich um eine zweite Chance...

... betteln...

Harry musste sich eingestehen, wenn ihm vor etwas graute, dann davor, vor eine zweite Chance gestellt zu werden. Er hatte kaum verarbeitet, was er bei seiner "ersten Chance" im letzten Jahr erlebt hatte und war sich gar nicht so sicher, das ein zweites Mal durchstehen zu können. Und das schließlich war es, wovor er seit Jahren am meisten Angst hatte: Voldemort gegenüber zu stehen und zu versagen. Nicht die Kraft dafür zu haben, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Trelawneys Vorhersage, er habe nur noch einen Monat zu leben, hing möglicher Weise eng damit zusammen. Wenn nicht, wäre es zumindest ein zweiter, sehr zweifelhafter Zufall.

Hermine nahm es auf sich, das Buch der dunklen Künste zu studieren. Da sie Vertrauensschülerin war, hinderte sie niemand daran, nachts in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors zu gehen und in dem Buch, das Harry vorm Schlafengehen dort versteckte, zu lesen. Sie verschlang den Wälzer regelrecht, und am Donnerstag, auf dem Weg in die Gewächshäuser, wusste sie bereits folgendes zu berichten.

»Also, Harry, Ron, passt auf«, sagte sie, mit dem gewohnten Eifer, der auftrat, wenn sie neues Wissen erlangt hatte. »Ich weiß jetzt, wer dieser Athelstan Avon ist.«

»Und?«, sagte Ron auffordernd.

»Also, nach seinen eigenen Beschreibungen war er vor etwa 500 Jahren ein sehr mächtiger, böser Zauberer. So wie Voldemort heute, in etwa.«

»Und?«, fragte auch Harry. »Was bedeutet "die Gunst seiner Familie"?«

»Mh, tja, so weit bin ich noch nicht... Ich weiß nur, dass er das Ziel anstrebte, die Welt von Muggeln zu befreien.«

»Und von Schlammblütern übrigens auch, wenn er schon einmal dabei war«, sagte eine kalte Stimme nah hinter ihnen. Und im nächsten Moment erschien Draco Malfoy neben ihnen. »Das solltest du nicht vergessen, Granger.«

»Oh, der Slytherin-Guru«, höhnte Ron. »Wir sprechen nicht von dir, Malfoy, tut uns Leid.«

Hermine verzog missbilligend das Gesicht, doch gleichzeitig wirkte sie verblüfft. »Du hast völlig Recht, Malfoy«, sagte sie überraschend freundlich. »Woher weißt du das?«

»Schätze, dieser Avon gehört zu seinem Club der Gleichgesinnten«, murrte Ron.

Malfoy erwiderte seinen Blick herausfordernd, bevor er mit einem herablassenden Schnauben stehen blieb, um auf Crabbe und Goyle zu warten, die abwechselnd und mit wenig Erfolg mit Pansy Parkinson flirteten.

Hermines Gesicht blieb nachdenklich.

»Was ist?«, fragte Harry.

»Ach, ich frage mich nur, woher er von Athelstan Avon weiß. Ich zumindest habe kein einziges Buch über ihn in der Bibliothek gefunden. Auch nicht in der verbotenen Abteilung.«

»Das ist verdächtig«, brummte Ron, eher ironisch als ernst gemeint.

Hermine nickte. »Du hast Recht.«

An diesem Abend machte sich Harry Pläne fürs Wochenende. Er hatte Ron versprochen, das er am Samstag Zeit finden würde, endlich sein Geschenk entgegen zu nehmen. Ron hätte es ihm ja auch einfach irgendwann in den Pausen oder abends geben können, aber er bestand darauf, es in einer Art "feierlichen Zeremonie" zu überreichen. Harry fragte sich langsam wirklich, worum es sich bei diesem Geschenk handelte.

Was er sich auch fragte war, ober Cho vielleicht fragen sollte, ob sie mit ihm nach Hogsmeade gehen würde, am Samstag Abend, oder vielleicht schon am Freitag... ein einfaches Rendezvous so wie damals im fünften Schuljahr... Oder auch nicht? Vielleicht ging das Cho zu schnell... aber wenn, konnte sie ja nein sagen, das würde ihm auch nichts ausmachen... oder doch? Tja, das war alles gar nicht so einfach.

Hermine saß auch in diesem Augenblick wieder unten im Gemeinschaftsraum und las. Es war stockfinster draußen; das Wetter hatte sich seit dem ersten Schultag kaum verändert. Harry lag auch heute wieder wach, vergaß die Zeit, und während er an Cho und an Rendezvous dachte, saßen die Dementoren noch immer draußen im Wald. McGonnagal hatte allen Schülern den Grund für die neuen Verbote erklärt, und seitdem war die Stimmung im ganzen Schloss gedrückt. Noch war es nicht sehr schlimm, aber wenn man so wie Harry jetzt wach lag und sich auf nichts anderes konzentrierte, konnte man die Dementoren spüren, wie sie scheinbar näher rückten und einen kalten Schauder mitbrachten, der ganz langsam in alle Ritzen, durch alle Fenster in alle Zimmer von Hogwarts drang.

Harry lauschte in die Stille , und wenn er Nevilles Schnarchen außer Acht ließ, glaubte er, den rasselnden Atem der Dementoren zu hören, das Todesröcheln, kaum merkbar, aber präsent.

Dieses Röcheln war es, mit dem er schließlich einschlief, und wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass er keinen ruhigen Schlaf fand.



* * *



Es war kalt.

Eiskalt.

Oh nein. Harry spürte, wie sich sein Magen unangenehm zusammenzog und schloss tief durchatmend die Augen. Ich wache in diesem Moment nicht auf. Das bilde ich mir ein. In Wahrheit schlafe ich. Wach auf! Ich träume!

»Ein Traum, aus dem du nie wieder aufwachen wirst, Potter.«

Er öffnete die Augen. Er lag nicht mehr in seinem Bett. Er stand auf den Straßen von Hideville, rechts und links von ihm lagen reglose Körper von Zauberern, die er kannte. Das bekannte Bild, doch es verlor keinesfalls an Schrecken, je öfter er es sah. Und vor ihm stand Lucius Malfoy. Mal wieder.

»Es ist vorbei, siehst du?« Die finstere Gestalt breitete demonstrativ beide Arme aus. In der Linken prangte das Schwert Godrick Gryffindors. »Dies ist nun das vollendete Werk meines Meisters, Potter. Und natürlich das meine. Sie sind alle tot, Potter. Alle, die dir etwas bedeutet haben. Genau wie du selbst.«

Malfoy machte einen Schritt auf ihn zu und hob das Schwert, um einen tödlichen Schlag zu führen.

Nein, diesmal nicht, dachte Harry. Er hatte es satt. Ein Gefühl flammte in ihm auf, das stärker war als alles, was Lucius Malfoy ihm antun konnte. Hass. Ein dunkles... fremdes Wesen schien plötzlich Kontrolle über ihn zu haben, doch Harry konnte nichts dagegen tun, er war machtlos... Nein, so war es nicht. Er wollte nichts dagegen tun. Denn es war ein gutes Gefühl, Macht zu haben.

Sein Zauberstab war plötzlich auf Lucius Malfoy gerichtet. Harry wusste mit größtem Entsetzen, was er vorhatte.

Nein!

»Avada Kedavra!«

Er war es nicht, der das sagte! Oder doch?

Ein grüner Lichtblitz blendete ihn.

Und im nächsten Moment war ihm klar, was aus ihm geworden war: Er hatte die zweite Chance ergriffen.

Voller Abscheu blickte er auf Malfoy herab, dessen Augen vor Verblüffung weit offen standen, doch alles Leben war aus ihnen gewichen. Er spürte kein Mitleid, und erst Recht keine Reue. Dieser Mistkerl hatte es verdient. Genau wie alle anderen.

Ein leises Wimmern drang zu ihm herauf. Harry drehte sich um. Doch plötzlich... war er allein. Niemand lag mehr auf den Straßen. Selbst Malfoy war verschwunden. Doch das Wimmern war trotzdem da. Die Stimmen von Ginny, Hermine, Ron, Sirius, Cho...

»Was hast du getan?«

»Harry... wieso hast du das getan?«

»Wie konntest du nur...«

»Harry... Harry Potter...«

»Was ist bloß mit dir geschehen...?«

Harry drehte sich suchend im Kreis, doch die Stimmen kamen aus allen Richtungen.

»Harry....Harry Potter...«

Er hielt sich die Ohren zu. Das hielt er nicht aus!

»Wir haben dir vertraut, Harry...«

»Wie konntest du nur...?«

»Was ist nur in dich gefahren?!«

»Lasst mich in Ruhe!«, schrie er verzweifelt. »Verschwindet!«

Und sie verschwanden.

Doch jetzt stand Harry in einem finsteren Raum, direkt vor Voldemort, Angesicht zu Angesicht zu seinem Feind... nein. Auch das war falsch. Alle Feinde waren vernichtet.

Ein zufriedenes Lächeln lag auf dem hässlichen, furchtbaren Gesicht. »Gut gemacht, Harry. Jetzt brauche ich dich nicht mehr. Avada Kedavra!«

Harry schlug die Augen auf. Und seine Narbe brannte wie Feuer.



* * *



»Was ist mit dir?«, fragte Hermine besorgt.

Harry versteckte seine Hand unter dem Tisch, als er merkte, dass sie zitterte.

»Geht's dir nicht gut?«

»Doch, alles bestens«, sagte Harry. »Ich... träume nur in letzter Zeit... seltsame Dinge.«

»Was für Dinge?«

»Ich will nicht darüber reden.«

Hermine biss stirnrunzelnd ein Stück Toast ab. »Das solltest du aber. Ich denke, die Dementoren machen dir zu schaffen. Und die Sache mit Trelawney. Ich seh' das doch.«

Natürlich hatte Hermine ihn mal wieder voll und ganz durchschaut. Harry wurde seine Nervosität nicht nur beim Frühstück, sondern auch während des gesamten Freitagvormittags nicht los. Und als Professor McGonnagal ihm in Verwandlung ein Minus wegen gravierenden Versagens beim Verhexen eines Mitschülers aufschrieb (Ron's Hand blieb nicht wie geplant fünf Minuten lang eine Teetasse, sondern verweilte bis zum Ende der Stunde in diesem Zustand), gab er sich den Ruck und nahm sich vor, jemandem von seinen skurrilen Träumen zu erzählen.

Nur wem?

Nun, um ehrlich zu sein, brauchte Harry nicht wirklich lange für diese Entscheidung.

Gryffindors und Hufflepuffs verließen den Raum von Professor McGonnagal, und Ron rieb sich seine rechte Hand, froh darüber, sie wieder zu haben. Das Mittagessen kam Harry wie eine Folter vor (nicht nur aus dem Grund, dass er Rosenkohl hasste). Er hielt Blickkontakt mit Sirius und gab seinem Paten so zu verstehen, dass er mit ihm reden wollte. Sirius nickte unmissverständlich und verschwand bald vom Lehrertisch. Hermine warf Harry schon wieder einen besorgten Blick zu, als er seinen Teller schließlich kaum beachtet von sich weg schob und aufstand.

»Ich gehe hoch zu Sirius«, sagte er zu Ron und Hermine. »Ich muss was mit ihm bereden.«

»Tu das«, sagte Hermine triumphierend. »Wir seh'n uns später.«

Ron hatte keine Zeit mehr, Fragen zu stellen, denn schon verschwand Harry aus der großen Halle.











So, in diesem Kapitel sind jetzt nicht sooo berauschende Dinge geschehen... liegt daran, dass es einst vieeeel länger war und ich dachte, na gut, dann mach ich eben doch zwei Kapitel draus...

Hoffe natürlich, es hat trotzdem gefallen,

eure J-Lee