Disclaimer: Gehört alles Tolkien. Aber irgendwer muss ja zu Papier bringen, was ungesagt blieb!
Summary: Ein einziger Tag verändert für immer das Leben der jungen Gilraen, und bald muss auch der Elbenherr Elrond erkennen, was diese Veränderung für ihn bedeutet.
Hier auch gleich das erste Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch! Auf Reviews antworte ich auch gern in den nächsten Kapiteln, also schreibt mir ruhig, was auch immer euch durch den Kopf geht!
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Veränderungen
Kapitel 1
Ein kühler und kräftiger Wind wehte an diesem Abend im Frühjahr, trieb niedrig hängende Wolken über einen grauen Himmel, ließ die leeren Äste der spärlich wachsenden Bäume knarren und beugte die Tannenspitzen im nahen Wald.
Gilraen, die festen Schrittes durch die Zeltreihen der kleinen Siedlung ging, zog ihren grauen Mantel fest um sich, um den Wind davon abzuhalten, ihr die Körperwärme aus den Kleidern zu wehen. Ihre dunklen Haare hatte sie unter der Kapuze verborgen, und ihr schönes und noch immer fast jugendliches Gesicht zeigte kein Lächeln. Sie war müde und erschöpft. Zusammen mit anderen Frauen hatte sie den ganzen Vormittag lang geholfen, von Bauernhöfen gekaufte Waren vom Wagen in das Lager zu schleppen, und dann war sie noch gerufen worden, weil der alte Kerumon im Sterben lag. Sie war in seinen letzten Stunden bei ihm geblieben. Er hatte kein Wort mehr zu ihr gesprochen, doch in seinen Augen war Dankbarkeit über ihre Anwesenheit gewesen, und sie hatte seine Hand gehalten, bis seine Augen sich zum letzten Mal geschlossen hatten. Nun bahnte sie sich ihren Weg heim durch die Kälte, doch trotz der Müdigkeit und des garstigen Wetters war ihr Gang nicht sonderlich eilig, sondern gemäßigt. Sie war tief in Gedanken.
Vereinzelt brannten Feuer vor den Zelten an denen sie vorbeiging, und Funken stoben, wenn der Wind in die Flammen schlug. Nur wenige Menschen begegneten der jungen Frau, doch alle, die sie sahen, nickten mit dem Kopf oder grüßten sie mit einigen Worten, denn sie war die Frau des Stammesführers der Dúnedain, und trotz ihrer Jugend brachte man ihr den größten Respekt entgegen. Gilraen grüßte jeden einzelnen zurück, zumeist waren es Frauen oder ältere Männer, denn die meisten der jungen Männer des Stammes waren in den Wäldern verstreut, allein oder in kleinen Gruppen, und sie kehrten nur sporadisch zu dem momentanen Standpunkt der Siedlung zurück. Sie waren Waldläufer und lebten in der Natur, in den Wäldern, Wiesen und Bergen des nördlichen Teils von Mittelerde.
Die Dúnedain waren ein auseinander gerissenes Volk, was von ihnen übrig war lebte in kleinen Sippen und Stammesverbänden und wanderte umher. Die Frauen, Kinder und Greise lebten unterschiedlich lange getrennt in kleine provisorische Siedlungen überall in Eriador und Rhudaur, und selten blieben sie länger als ein oder zwei Jahre an einem Ort. Diese Siedlung, in der Gilraen lebte, war die Größte aller verbliebenen.
Ihre Männer sahen die Frauen selten, wenn diese einzeln oder in kleinen Verbänden durch die Lande der Welt zogen. Denn obwohl niemand es diesem Volk ansah, so waren die Dúnedain doch die Abkömmlinge von Königen, die letzten Nachkommen der hohen Menschen aus Westerniss. Doch obwohl sie selbst die Erinnerung an vergangene Zeiten pflegten, so waren sie doch in den Köpfen der fest angesessenen Menschen in den Dörfern dieser Lande nichts als Legenden, und niemand sah gerne einen der „Rumtreiber" in der Nähe seiner Gehöfte oder Stadttore. Nicht mal in Bree, einem Ort, wo sich allerlei Gesindel traf und zudem die unterschiedlichsten Lebewesen zusammen wohnten, nicht mal dort waren sie wirklich willkommen. Da die Dúnedain aber selten in der Nähe von Städten oder Höfen siedelten, traf sie diese Abneigung weniger. Sie wussten, dass sie nicht gern gesehen waren und hielten sich fern, doch oft war es in den Wintermonaten nicht einfach für die Frauen in den Siedlungen, wenn sie zu den Bauernhöfen und in die Städte fahren mussten, um Nahrung zu besorgen, wenn die eigenen Vorräte nicht reichten.
Doch hatten die Männer viel öfter als der Stammesverband damit zu kämpfen, nicht willkommen zu sein, wenn sie auf ihren Reisen, von ihren Mühen erschöpft und abgerissen, einkehrten in die Gasthäuser der Dörfer. Und das mussten sie ab und zu, denn trotz aller Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlug, wussten sie um ihre Abstammungen und ihre Pflichten und versahen sie achtsam, und noblen Herzens waren sie, auch wenn sie nicht immer danach aussahen. Sie beschützten, wer oder was Schutz brauchte, und arbeiteten oft im Verborgenen und Geheimen, und selten bekamen sie Anerkennung für ihre Mühen von denen, die sie beschützten, doch das hielt sie nicht ab. Sie waren ehrenvolle und gebildete Menschen, und doch hielten sie sich absichtlich im Abseits und nutzen ihre Anonymität oder auch ihren schlechten Ruf, um ihren Pflichten ungestört und unauffällig nachgehen zu können. Sie blieben unsichtbar im Dunkel von Nacht und Wald, und mancher hätte ihnen Dank geschuldet, ohne es je zu erfahren.
An diesem Abend war Gilraen, die Frau von Arathorn, Aradors Sohn, dem Anführer aller verbliebenen Dúnedain, unruhig und in Gedanken versunken. Kerumons Tod hatte sie schwer getroffen, denn er war der engste Freund und Berater ihres Schwiegervaters Arador gewesen, der vor ein paar Jahren in den Trollhöhen umgekommen war, und für Gilraen war er eine Stütze gewesen, wenn sie manches Mal nicht weiter gewusst hatte. Sie trauerte um ihn. Zudem hatte sie der Wetterumschwung beunruhigt, und der kalte Wind verfinsterte ihr Gemüt, ohne, dass sie hätte erklären können, warum.
Der Boden, über den sie schritt, war erdig und weich, das wenige Gras fast verschwunden über den Winter, niedergetrampelt und von der Kälte geplagt, und fast wäre Gilraens Blick gedankenverloren auf dem Boden verblieben, wenn nicht ein Geruch sie abgelenkt hätte, ein Geruch, der anders war als der nach verbranntem Holz der Feuerstätten oder der von drohendem Schnee in der Luft. Schwer war er, und kräftig, und ein Hauch eines nussigen Duftes stieg ihr in die Nase.
Sie blieb stehen und wandte sich um, die Quelle des Wohlgeruchs suchend, als aus dem Zelt hinter ihr eine ältere Frau trat. Wärme und Freundlichkeit sprachen aus deren Blick, als sie Gilraen sah und sie heranwinkte. Gilraen ging zu ihr und lächelte. „Herwa! Wie schön euch zu sehen, meine mütterliche Freundin!" Sie ergriff die Hände der Frau und umschlang sie liebevoll mit ihren Eigenen. Die Frau namens Herwa lächelte sie gütig an. „Ich sah einen Schatten vorbeieilen, und ich hatte mir fast gedacht, dass ihr es seid, Gilraen. Und da fragte ich mich, ob ihr vielleicht etwas von meinem Nussbrot mitnehmen wollt, ihr wisst schon, für den Kleinen, er mag es doch so gern. Ich habe es gerade fertig gebacken."
„Sehr gerne," erwiderte Gilraen erfreut. „Euer Nussbrot ist schließlich in der ganzen Siedlung berühmt, und ich weiß nur zu gut, weshalb!" Herwa schlug die Augen nieder. „Nicht doch, so besonders ist es nun auch wieder nicht. Wartet einen Moment, ich schlage euch etwas davon in ein Tuch ein." Damit verschwand sie wieder im Zelt.
Gilraen wartete und ihr Blick verlor sich an dem Eingang des nahen Tannenwäldchens, vor dem der Stamm im letzten Sommer sein Lager errichtet hatte. Sie waren tief in der Wildnis, in den teilweise steinigen, öden und teilweise bewaldeten Flächen von Rhudaur, und alles, was sich östlich von ihnen erstreckte, war das mächtige Nebelgebirge. Schon jetzt war das Gelände ansteigend und uneben. Sie waren nur ein paar Tagesreisen entfernt von Bruchtal, dem elbischen Zufluchtsort in einem der nahen Gebirgstäler. Weiter südlich lagen die Trollhöhen, doch dorthin, tiefer in die Wälder, zogen sie nie.
In der einsetzenden Dämmerung blickte Gilraen weiter in Richtung Süden, und wehende Tannenspitzen hielten ihren Blick gefangen. Sie bemerkte nicht, wie Herwa wieder aus dem Zelt hinauskam, in den Händen das eingewickelte Brot, und sie betrachtete, wie sie so gedankenverloren da stand. Erst, als Herwa Gilraen ansprach, rührte sich diese wieder, fast überrascht.
„Er ist schon länger fort, als er sein wollte, habe ich recht, Herrin?" Gilraen zuckte leicht zusammen. ‚Wie weiß sie…?' dachte sie, doch führte den Gedanken nicht zu Ende. Manche Menschen kannten sie anscheinend besser, als sie vermutet hatte. ‚Ist es mir so leicht anzusehen?' fragte sie sich selbst im Stillen. Dann sagte sie: „Ihr habt recht, Herwa. Schon vor drei Monden wollte er zurück sein. Doch ich weiß, dass selten eine Fahrt so geht, wie man es sich vorstellt, und schon öfter ist er länger ausgeblieben. Doch…" sie brach ab, und erst auf Herwas fragenden, aber anteilnehmenden Blick fuhr sie fort, wieder in Richtung des Wäldchens schauend, „doch diesmal ist es anders. Immer wenn ich zu dem Wald hinblicke, durch den er fort geritten ist, dann wird mir das Herz schwer. Des Nachts ist mein Schlaf unruhig, des Tags sind meine Gedanken oft fern von meinen Tätigkeiten. Ich fürchte etwas, doch ich kann nicht sagen, was."
Herwa blickte auch zu dem Wald hin, und der Wind schien stärker zu sein als zuvor, während er die Bäume beutelte und den beiden Frauen in die Kleider fuhr. Zelte raschelten im Wind und Stricke knarrten. „Es liegt Kälte in der Luft." flüsterte Herwa. „Selten kommt ein solcher Sturm um diese Zeit. Das Frühjahr verspätet sich." Gilraen wandte sich zu Herwa um, und ihre Stimme war tonlos und heiser, als sie sagte: „Etwas liegt im Wind, etwas, das mir Angst macht. Als flüstere er mir etwas zu, das ich nicht verstehen kann. Es ist, als würde sich die Welt verändern." Sie schwieg, und setzte dann noch hinzu: „Ich fürchte die Nacht." Herwa legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. „Fürchtet euch nicht, Herrin. Fürchtet nicht die Veränderung. Denn wenn der Wind auch von schlimmen Dingen erzählt, so birgt auch die schlimmste Veränderung neue Hoffnung! Solange ihr in eurem Herzen immer wisst, was das Wichtigste ist, was es zu bewahren gilt, solange kann euch kein Wind von diesem Weg abbringen. Lasst euch den Traum nicht schwer machen!" Gilraen legte dankend ihre eigene Hand auf die Hand der älteren Frau, und ein leichtes Lächeln erschien wieder auf ihrem Gesicht. „Dank euch, Herwa. Eure Weisheit tröstet mich. Nun will ich gehen, ich werde sicher schon erwartet." Herwa nickte wissend und gab Gilraen das eingewickelte Brot in die Hand. „Hier, nehmt es, es ist noch warm." Gilraen nahm das kleine Paket und dankte Herwa, bevor sie weiterging.
Das Brot in ihrer Hand wärmte ihre kalte Finger, und sie trug es fest an sich gepresst. Nach ein paar Schritten kam sie zu einer der Hütten, die es im Lager gab, einer der wenigen, die sie jedes Mal bauten und später wieder abrissen, wenn sie weiterzogen. Als sie an der einfachen Holztür angelangt war, stahl sich ein Lächeln auf ihre bisher ernsten Lippen. Was bedeuteten schon Sturm und drohender Regen, wenn es einen kleinen Ort gab, an dem man sich sicher fühlen konnte? Zuversichtlich schüttelte sie die dunklen Gedanken ab und griff nach dem Riegel der Tür.
Wird fortgesetzt…
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