Disclaimer: Ich verdiene keinen müden Euro hiermit. Und Tolkiens Figuren leihe ich mir nur mal aus.

Summary: Ein Tag verändert für immer das Leben der jungen Gilraen, und bald muss auch der Elbenherr Elrond erkennen, was diese Veränderung für ihn bedeutet.

A/N: Sorry, dass dieses Update sich etwas hingezogen hat, und auch, dass das Kapitel nicht ganz so lang ist wie sonst. Ich hatte es anders beabsichtigt, aber ich musste erstmal ein Referat über Metaphysik in Schillers Lyrik ausarbeiten, das ging leider vor. Daher ist „Klein Agon" doch noch nicht in diesem Kapitel, sondern erst im Nächsten. Das ist allerdings versprochen!

Danke für alle Reviews! Jedes Einzelne hat mich zum fröhlichen Hüpfen veranlasst! Fragt meinen Freund, der hat es kopfschüttelnd mit angesehen. Kommentare wie immer am Kapitelende.

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Veränderungen

Kapitel 4

Als Gilraen die Tür hinter sich schloss, fühlte sie sich so müde wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Leer, hohl, dünn, wie ein schmaler Federstrich auf dickem Papier. Ihr war, als müsste sie unsichtbar sein für alle Augen dieser Welt.

Ihr ganzer Körper schmerzte unter der Anspannung, die sie verspürte, und sie wusste, dass nichts ihr würde Erleichterung verschaffen können. Kein Bad, kein Wein, kein Schlaf würden es ihr möglich machen, ihrem Geist zu entfliehen, dem Schmerz, der tief in ihr brannte. Sich selbst kann man nicht entkommen, und diese Erkenntnis traf Gilraen wie ein Schlag ins Gesicht. Seitdem sie an diesem schicksalhaften Tag aufgewacht war, hatte ihr Körper funktioniert, hatte Stärke gezeigt und nicht aufgegeben. Jetzt wusste sie nicht wohin mit der Anspannung, wusste nicht, wie sie der Erschöpfung, die irgendwo in ihr wartete, nachgeben konnte. Noch niemals zuvor war sie so unschlüssig und hilflos gewesen.

Sie blieb an der Tür stehen, schloss die Augen und lehnte sich gegen das Holz. Wasser perlte von ihren Schultern und tropfte aus ihrem Kleid, und sie merkte nicht einmal, dass sie völlig durchnässt war. Es zählte nicht, es hatte schon nicht gezählt, als sie dort draußen gestanden hatte, an der Bahre, als die Zeit zu schnell vorangeschritten war, um wirklich zu verstehen, zu begreifen, Abschied zu nehmen…

Von heute an würde nichts mehr so sein wie zuvor. Der Sturm war gekommen und hatte sie mitgerissen. Sie ließ sich treiben. Wind bietet keinen Halt.

„Herrin?" erklang eine fragende Stimme voller Unsicherheit.

Gilraen öffnete die Augen wieder, die Lider waren ihr schwer, ihr Nacken steif, doch sie schaffte es, aufzusehen. Javena stand dort neben dem Vorhang. Sie stand ganz einfach nur da.

„Mein Sohn?" fragte Gilraen, ihre Stimme dünn.

„Er ist nicht aufgewacht. Er war wohl sehr erschöpft." Gilraen nickte nur.

„Herrin, ihr solltet euch umkleiden, ihr seid ganz nass und friert." merkte Javena besorgt an. Gilraen hob in einer geistesabwesenden Geste ihre Hand, nass und blau vor Kälte, vor ihre Augen, betrachtete sie teilnahmslos, als sähe sie sie zum ersten Mal, und ließ sie ebenso unbeteiligt wieder sinken. Sie sah in die Flammen im Kamin am anderen Ende des Raumes. Sie tanzten zu schnell, um ihnen zu folgen. Seltsamerweise fand Gilraen das Verfolgen des schnellen Flackerns beruhigend. Es war eine Aufgabe, die einem das Denken versagte.

Eine Weile herrschte Schweigen, doch dann platzte Javena heraus: „Stimmt es, was die Leute sagen? Ist es wirklich wahr?"

Gilraen blickte zu ihr, und sie sah einsam aus, das Gesicht starr in ihrer Trauer, wie eine Blüte, die vom Frost überrascht worden war.

Von Scham über ihre Taktlosigkeit erfüllt schritt hastig Javena auf Gilraen zu: „Herrin, das tut mir alles so leid, so unendlich leid, ich…" Doch Gilraen unterbrach sie, indem sie aus ihrer Starre fiel und eine Hand auf die Wange des Mädchens legte. Ein mildes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Später, Javena. Später." Das Mädchen verstummte.

„Ich danke dir sehr, dass du auf Aragorn aufgepasst hast. Geh nun zur Ruhe, mein Kind. Schlaf dich aus." Sie blickten einander einen Moment lang tief in die Augen, dann nickte Javena. Sie griff ihre Sachen und schlüpfte leise zur Tür hinaus.

Eine Weile verharrte Gilraen, wo sie war. Ihr Lächeln war wieder fort. Sie hörte ihr Herz schlagen, spürte die Sekunden verstreichen. Das Blut rauschte in ihren Ohren.

Schließlich drehte sie sich um und ging zur Wand, wo eine silberne, glatt polierte Metallscheibe hing. Davor blieb sie stehen und strich zögerlich die regenschwere Kapuze zurück. Das Spiegelbild, das sie erwartete, erkannte Gilraen kaum. Es war eindeutig ein Abbild von ihr, doch seltsam fremd. Es waren ihre Züge, und doch auch wieder nicht. Einzelne nasse Haarsträhnen fielen schwer um ein Gesicht, das blass war, unnahbar, die Lippen zusammengepresst, bläulich gefärbt. Und Augen, die inhaltsleer  zurückstarrten. Es war kein Funkeln mehr darin. Das Feuer in ihnen war erloschen und nie mehr würde es erstrahlen wie zuvor.

Gilraen ließ die seltsame Frau im Spiegel nicht aus den Augen, als sie mit langsamen Bewegungen ihren Mantel von den Schultern streifte. Er fiel auf den Boden zu ihren Füßen. Mit unsicheren und kalten Händen nahm sie das Tuch von ihren Schultern und löste dann die Schnüre ihres Oberkleides, und der schwere Stoff folgte rauschend dem Mantel, so dass Gilraen bloß in ihrem weißen Leinenkleid da stand. Als nächstes löste sie ihre wirren Flechten, und die Frau im Spiegel tat es ihr gleich, bis die dunklen Strähnen alle auf Schultern und Rücken fielen. Abwesend fuhren ihre Finger durch das feuchte Haar, immer und immer wieder, während ihre Augen auf das metallene Bild vor ihr starrten.

‚Bist du es?' fragten sie. ‚Kannst du es sein?'

Das Spiegelbild nickte. ‚Was hat dich so verändert?' schien es zu fragen.

‚Ein Sturm. Ein Traum.'

‚Nur ein Traum?' fragte die unsichtbare Stimme. ‚Wirklich nur ein Traum?' Die Frau im Spiegel blickte scharf.

Etwas zog sich in Gilraen zusammen, ihre Kehle war wie eingeschnürt.

‚Nein. Nein, nicht nur ein Traum!' Sie ließ die Haare los und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. ‚Nein! Kein Traum!'

Die Stimme, die reagierte, war sanft und weich.

‚Erzähl mir, was du gesehen hast!'

Und alles verschwand und vor Gilraens geistigem Auge sah sie sich selbst, wie sie sich einer Gruppe Reiter näherte, die am Eingang der Siedlung stand. Es war dunkel, niemand sprach, und Regen und Flammenlicht war um sie herum. Sie sah Elben, einer davon nahezu Elladans Ebenbild, und sie sah Männer der Waldläufer, die sie kannte. Von manchem von ihnen kannte sie die Familien und wusste, dass diese ein Dankesgebet an die Valar schickten, weil ihre Männer und Väter abermals gesund heimgekehrt waren.

Regen und Wind rauschten. Die Reiter traten zur Seite, als sie näher kam, nasse Mäntel und verdreckte Rüstungen wichen respektvoll zurück, und Gilraen sah hölzerne Streben, zusammen geschlungene Lederbänder und Mäntel, und auf dieser provisorischen Bahre lag etwas, in der Dunkelheit verborgen. Doch als sie sich weiter näherte und der Weg vor ihr sich weitete durch die weichenden Männer, da waren es Beine, die in Schuhen endeten, die sie kannte, und ein Körper, eingehüllt in nun dreckige und vor Wasser triefende Stoffe, die sie selbst gefertigt und genäht hatte. Hände, die leblos auf der Brust gefaltet waren um ein glänzendes, schmuckloses Schwert herum, und dann schließlich ein Gesicht, umgeben von schwarzem Haar. Bandagen waren um die Augen geschlungen, rot gefärbter Stoff, und Blut und Schmutz waren auf den Wangen und den Lippen, die Gilraen einst geküsst hatte. Da lag er vor ihr, der Mann, dem sie die Treue geschworen hatte, den sie liebte und mit dem sie Freundschaft und Leidenschaft geteilt hatte, der Mann, der ihr einen Sohn gegeben hatte, nachdem er sie in Liebe in die Arme geschlossen hatte. Gilraen streckte die Hand nach ihm aus, und ihre Finger zitterten, als sie nassen Stoff berührte, kalten Stahl und dann leblose Hände, eisig und steif. Ihre Augen brannten bei diesem Anblick, doch die Feuchtigkeit auf ihren Wangen war nur Regenwasser, als sie sich über ein blindes Gesicht beugte, ihre Wärme mit seiner Kälte vermischte und sich einen letzten Kuss von seinen starren Lippen stahl…

Die Frau im Spiegel lächelte.

‚Nimm den Schmerz an. Befreie dich.'

Ein Augenblinzeln, und Gilraen drehte sich abrupt weg von der Wand. Die bleiche Frau verschwand aus dem Spiegel.

Und endlich kamen die Tränen, als die Trauer Gilraen mit all ihrer Macht übermannte. Gilraens blind suchende Hände fanden unsicher tastend nur die hölzerne Wand, und sie glitt an ihr hinunter und sackte am Boden in sich zusammen, die Hände vor das Gesicht gepresst. Ersticktes Schluchzen schüttelte sie, ihr stiller Jammer löste sich, und in Krämpfen kam all der Kummer und Schmerz heraus, der sich in ihr angestaut hatte, und sie weinte um alles, was nun verloren war, bis sie glaubte, keine Tränen mehr zu haben.

Zeit hatte keine Bedeutung mehr, nichts schien mehr Bedeutung zu haben, außer dem seltsamen Gefühl in ihrem Inneren. Ein Gefühl, zerstörerisch wie ein heißes Schwert, das einem unaufhörlich ins Fleisch schneidet. Die Tränen halfen und schwemmten den Schmerz hinaus wie ein lauter Schrei das Leiden eines verwundeten Kriegers.

Wird fortgesetzt…

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Ein Review? Zum Dank gibt's auch 'nen virtuellen Keks! Naaa?

Kommentare zu den Reviews:

amlugwen: Danke für die Reviews und das Lob! Woher Gilraen weiß, dass sie Elladan vor sich hat? Weil ich die Meinung vertrete, dass Elladan und Elrohir zweieiige Zwillinge sind, und sich zwar sehr ähneln (wie Tolkien schreibt), aber nicht identisch sind. In meiner Geschichte gehe ich davon aus, dass Gilraen die Beiden oft genug gesehen hat, um sie korrekt zu erkennen.

Black Pearl: Danke für die nächtlichen Grüße! Während ich hier schreibe, tickt auch schon die Uhr und beschwört mich, das Bett aufzusuchen, aber ich habe gerade gar keine Lust. Dein Lob zu meiner Erzähltechnik hat mich unheimlich gefreut! Zudem versuche ich auch, wie du erwähnt hast, Tolkiens Stil einigermaßen gerecht zu werden, so dass die Geschichte in eine seiner Lücken passen könnte. Daher ist die Aussage, dass mir das tatsächlich gelingen könnte, das schönste Lob für mich!

Alex: Was für ein langes Review! Danke! Und soviel Lob, ich komme kaum dazu, auf jeden einzelnen Punkt zu antworten, daher kann ich mich nur dankend verbeugen! Zuviel Legolas und zu moderne Sprache in Tolkien Fanfiction, das sind zwei Punkte, die mich auch öfters mal stören. Legolas und Mary Sue ist für mich eh kein Thema, mir macht es mehr Spaß, im festgesteckten Rahmen alle Möglichkeiten auszunutzen. Ja, Agon wird noch auftauchen, aus Zeitgründen aber erst wieder im nächsten Kapitel, nicht in Diesem, wie ich es erst vor hatte. Was das „glorreich" angeht, so fand ich es ganz passend, weil Elladan damit ja den ersten Zug meint, wo die Orks geschlagen wurden, im Gegensatz zu dem Hinterhalt auf dem Rückweg, der dann soviel Verderben brachte. Ich dachte, es bringt den Gegensatz ganz gut rüber. Ist es zu modern, oder fandest du es speziell für einen Elben unpassend?

ManuKu: *Taschentuch reich* Ich bin ganz gerührt, dass ich es geschafft habe, jemand anders zu rühren - das bedeutet mir viel! Zum Glück musste ich in DIESER Form noch keinen geliebten Menschen verlieren, daher können die Emotionen in dieser Geschichte auch nur Annäherungen sein. Was die Uni angeht, so hielt sie mich leider konkret beim aktuellen Kapitel vom Schreiben ab, aber jetzt ist erstmal ein Monat Zeit bis zum nächsten Referat! Auf jeden Fall vielen lieben Dank für dein Review!

Laureliel: Danke für dein Review und dein Lob! Das Thema ergab sich einfach so beim Lesen der Anhänge, und ich bin froh, dass ich damit eine noch relativ leere Fanfiction Ecke gefunden habe!

Salara: Keine Sorge um Verspätungen bei Reviews, ich bin mit dem Posten des neuen Kapitels viel später, als ich sein dürfte. Danke für dein Lob! Schön, dass dir die Darstellung von Elladan gefallen hat! Elrond taucht leider erst im letzten Kapitel auf, aber ich werde mir größte Mühe mit ihm geben, versprochen!