@Maia May: Dass Harry nicht auf Hogwarts ist, muss nicht unbedingt heißen, dass er tot ist. *augenzwinker*

@Jessy Black, Blue2706: Entweder mein Computer spinnt oder ich hab die email- Adressen falsch eingetippt. Jedenfalls wurden mir beide von so einem komischen Service zurückgeschickt. Tut mir leid ...

@ pirat: Danke für den Hinweis. Ist es jetzt immer noch dialoglastig?

@ Sassi, Blue, Mary, Pale-Slytherin, cat-chan, Drin-Raven, Henriette00: Danke euren Reviews. Ich hoffe es gefällt euch weiterhin und ihr hört auch nicht auf zu reviewen ....

@ DiamondOfOcean: Danke für dein Betalesen.

Ich habe mich jetzt entschlossen, nur in einer Zeit zu schreiben und ärgere mich, dass ich das nicht gleich getan habe. Ich hätte nach dem Prolog schon in die Vergangenheit hüpfen können, aber nein, ich muss ja noch einen drauf setzten .... egal, lieber verspätet als gar nicht, oder? Die nächsten Kapitel jedenfalls erzählen von damals. (@Riddle_Gin_Riddle: Danke für den Hinweiß! *bussi*) Bitte sagt mir, wenn ihr was nicht versteht.

03.02.95 (damals)

Hermione saß auf dem Stuhl vor Dumbledore Schreibtisch. Dumbledore selbst hatte den Raum soeben verlassen. Er müsste noch etwas erledigen ehe er mit ihr sprechen konnte.

Außer dem gedämpften Tuscheln der Portraits und einem unstetigen Klacken, das sich anhörte wie das hohle Tröpfeln von Regen auf Beton, war es ruhig.

Hermiones Blick schwenkte ungeduldig von den wild umeinander liegenden Pergamenten auf dem Schreibtisch zu dem hohen Bücherregal und sie fing an die Bücher zu zählen.

Wie konnte Dumbledore jetzt einfach verschwinden und etwas erledigen müssen? Sie hörte auf, auf ihren Fingernägeln zu kauen und hielt das in smaragdgrünen Stoff gewickelte Kästchen fest zugedrückt, aus Angst es könnte plötzlich aufspringen und sie vergiften.

Sie versuchte die Titel der Bücher zu lesen, doch sie las nur leere Wörter. Sie versuchte das schreckliche Bild zu verscheuchen, das sich ihr beim Öffnen des Kästchens geboten hatte, aber es war schon in ihrem inneren Auge eingebrannt.

Sie zitterte und kaute wieder auf den Fingernägeln ihrer linken Hand; mit der rechten umschloss sie verkrampft die Truhe. Es war keine Stunde her, da hatte sie die Truhe keuchend mit einem kurzen hölzernen Knall zugeschlagen. Ein Stich, wie von einem spitzen Dolch, hatte ihr Herz durchstoßen und sie hatte entsetzt nach Luft geschnappt, weil ihr plötzlich klar geworden war, warum Harry an Weihnachten verschwunden war. Nicht etwa, weil er entführt worden war, wie sie bisher angenommen hatten – nein - Hermione war sich sicher, dass er aus lähmender Verzweiflung und kampfeslustiger Wut geflohen war, ohne sich der Folgen bewusst zu sein, die sowohl ihn als auch die ganze Welt treffen könnte, wenn er – wenn er-

Hermione kaute heftiger an ihren Fingernägeln. Eigentlich hatte sie sich diese dumme Angewohnheit schon lange abgewöhnt, doch dass gerade Blut von ihren Fingern auf den grünen Stoff tropfte machte klar, dass sie es sich nie ganz abgewöhnen hatte können.

Harry war genau an dem Tag verschwunden, an dem Voldemort Dumbledore den Krieg erklärt hatte – genau sechs Tage, nachdem die Todesser, nach einer langen Zeit der Zurückhaltung in unmittelbarer Nähe zum Ministerium, das schwarze Mal erscheinen ließen – eine indirekte Erklärung zum offenen Krieg.

Wie nun die genaue Kriegserklärung gegen Hogwarts ausgesehen hatte, hatte Dumbledore bei seiner Rede am ersten Januar nicht durchblicken lassen, doch Hermione war davon überzeugt, dass es mit Harrys Verschwinden zusammen hang.

Der Phoenix kreischte, und sie fuhr erschrocken hoch, als wäre sie unsanft geweckt worden. Die Tür schwang auf und ein alt gewordener Dumbledore, mit bekümmert verzogenen Augenbrauen trat herein, und bedachte Hermione mit einem kümmerlichen, aber doch leicht aufmunternden Lächeln. 

Hinter ihm trat noch jemand in das Büro. Seine hellblonden, streichholzlangen Haare waren sorgfältig zu einem Scheitel gekämmt. Neben Dumbledore wirkte er riesig. Er war mit einem ernsten, scheinbar sorglosen Gesicht eingetreten, Hermione hatte aber bald einen Schein von Misstrauen in seinen Augen aufblitzen sehen, und bemerkte, dass ihr Fingernagel immer noch zwischen ihren Zähnen war und kleine Blutstropfen auf die Truhe fielen. Sie ließ ihre Hand sinken und bedeckte die Blutflecken auf dem Stoff. Dann sah sie Malfoy wieder verblüfft an, und warf einen nicht verstehenden Blick zu Dumbledore. Dieser nickte, und wandte sich zu Malfoy, der wieder eine undeutbare Miene zog:

„Würdest du bitte draußen warten, Draco?"

Er nickte und schloss die Tür hinter sich.

Dumbledore schritt zu Hermione und streckte die Hände aus. Seine Augenbraue war fragend nach oben gezogen. Sie hob zitternd das Kästchen, zögerte aber es ihm zu geben.

„Keine Sorge, Hermione, ich werde sie nicht öffnen. Ich weiß ohnehin schon, was darin ist."

Sie übergab ihm die Truhe, und beobachtete ihn misstrauisch wie er sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch sinken ließ.

„Sie wissen was – was drin ist?" fragte sie zaghaft. Dumbledore nickte. „Woher?"

„Ich habe noch nicht selbst hinein gesehen, aber Harry hat mir gesagt, was darin ist."

„Wie?"

„Noch an dem Tag, an dem Harry sie bekommen hat. Am 1. Januar stand er an dem Wasserspeier. Ich ließ ihn sofort rein, als ich ihn bemerkte. Er war aufgelöst, schien aber nicht geschockt, hatte nur einen starren und entschlossenen Blick. Ich fragte mich, was wohl passiert ist, brauchte aber nicht laut fragen, weil Harry von sich aus von der Truhe erzählte. Obwohl er es nicht offen aussprach, war mir klar, dass er nur gekommen war um sich zu verabschieden und um –"

„Moment mal." unterbrach Hermione ihn verwirrt; die Augen zu Schlitzen verengt. „Sie wussten, was er vorhatte und haben ihn nicht aufgehalten?"

Als Dumbledore nur nickte, wurde Hermione wütend.

„Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich es da draußen ist, jetzt da V-Voldemort das Land unsicher macht?" Sie sprang auf. „Harry wird ihm direkt in die Arme laufen oder –" Sie biss sich auf die Lippe. „- oder hat es schon getan."

„Nein." sagte Dumbledore ruhig, und schaute aus seinen Halbmondgläsern zu ihr hoch. „Voldemort hat ihn nicht, und wird ihn auch nicht kriegen, wenn Harry es nicht will."

Man konnte fast hören, wie ihr Geduldsfaden riss. „Wie in Dreiteufelsnamen können Sie jetzt so ruhig dasitzen, während Harry irgendwo da draußen ist und wo doch auch die Todesser irgendwo da draußen sind?" Sie wippte unruhig von einem Fuß zum anderen.

Er schüttelte den Kopf. „Harry ist in Sicherheit, Hermione."

„Also dann – dann – wissen Sie wo er ist und haben es uns nie gesagt?" sagte sie fassungslos.

„Nein" sagte Dumbledore schlicht.

„WIE KÖNNEN SIE DANN WISSEN, DASS ER IN SICHERHEIT IST?"

„Voldemorts Blick ist auf Hogwarts gerichtet. Er denkt, Harry sei noch hier. Deshalb habe ich allen erzählt, dass er krank im Krankenflügel liegt, ihn niemand besuchen soll, weil er es nicht will und nicht die Wahrheit, dass er geflüchtet ist."

„Allerdings." sagte Hermione, die Wut unterdrückend. „Das haben Sie uns auch nicht erzählt."

„Ich habe euch gesagt, dass er verschwunden ist."

„Das haben Sie wohl. Dabei fanden Sie es aber anscheinend nicht wichtig uns genau zu erklären, WAS LOS IST!"

Einen Moment war es still. Selbst die Portraits gaben ausnahmsweise keine spitzfindigen Kommentare von sich; schnaubten nur leise, angesichts Hermiones Dreistigkeit, sich mit dem Schulleiter anzulegen. Dass es ausgerechnet Miss Granger war, die Jahrgangsstufenbeste, machte die Sache nicht leichter.

„Setzt sich wieder hin, Hermione." sagte er freundlich, als lade er sie zu einem schlichten Kaffeekränzchen ein.

„Erst will ich eine Antwort." sagte sie.

„Sobald du dich gesetzt hast, gebe ich dir eine." Es war keine Einladung zum Kaffeekränzchen und auch keine Bitte, sondern eher ein Flehen.

Sie setzte sich widerwillig hin. „Also?"

„Harry hat mich schwören lassen, euch nichts zu sagen. Ihr wärt ihm sofort gefolgt, und hättet euch selbst in Gefahr gebracht. Das wollte er nicht. Er wollte alleine gehen und sich vorbereiten."

„Vorbereiten? Auf was?" sagte Hermione; ihre Stirn war misstrauisch gerunzelt.

„Hat er dir von der Prophezeiung erzählt?"

Sie sprang auf. „Das können Sie doch nicht ernst meinen?"

„Setz dich, Hermione." Sie stellte einen ungeduldigen Unterton in Dumbledores Stimme fest, und wurde noch misstrauischer. Sie rührte sich nicht.

Dumbledore seufzte tief. „Er ist im Zentrum des Ordens,", sagte er, doch als er ihr empörtes Schnauben hörte, fügte er rasch hinzu: „Jedenfalls war er das bis vor kurzem noch. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Setzt du dich jetzt wieder hin?"

Sie setzte sich langsam, und schaute durch das Fenster nach draußen in den sternlosen Nachthimmel. Irgendwo da draußen war Harry, waren die Todesser, war Voldemort. Der Gedanke, dass sie sich im Moment gegenüberstehen könnten, entlockte ihrem Mund ein hilfloses Seufzen. Dumbledore wartete geduldig darauf, dass Hermione sich wieder in den Griff bekam. Er wusste nicht, wie er anders hätte reagieren können.

Sie kämpfte gegen Tränen an. Ihre Nase lief, dennoch hielt sie die Tränen tapfer zurück. Sie ergriff das Taschentuch, das Dumbledore ihr reichte, und putzte sich die Nase. Als sie fertig war, stopfte sie das Taschentuch in eine Tasche ihres Umhangs, und schaute zu Dumbledore.

„Es ist verständlich, dass du verwirrt bist. Ich will es dir erklären. Harry hat auch gesagt, dass ich euch nicht aufhalten soll, sobald ihr selbst von der Truhe erfahren habt und ihm folgen wollt. Er weiß, dass ihr auch wütend über diese Dreistigkeit sein würdet und er wollte nicht, dass irgendjemand euch aufhält, weil er wusste, dass euch genauso wenig jemand aufhalten konnte, wie damals ihn. Ich habe tatsächlich versucht ihm, sein Vorhaben aus dem Kopf zu schlagen. Die Prophezeiung darf dieses Jahr noch nicht erfüllt werden, sonst wird sie viel Leid bringen. Ich verlange von dir, dass du versuchst, ihn solange hinzuhalten wie nur irgend möglich. Je später er Auge in Auge auf Voldemort trifft desto größer die Chancen, dass alles gut ausgeht." Er seufzte und fuhr fort.

Voldemort weiß darüber Bescheid, und deshalb wird er versuchen, den Zeitpunkt des Kampfes heranzuziehen. Er weiß zwar nicht von der Prophezeiung, aber er wird wissen, dass Harry im Begriff ist, zu einem Zauberer heranzuwachsen, der mächtig genug ist ihn zu besiegen. Je eher er das Problem Harry aus dem Weg räumen kann, desto besser stehen seine Chancen, sowohl die Zauberergesellschaft als auch die Gesellschaft der Muggel zu beherrschen. Ich muss dir wohl nicht erklären, was das bedeuten würde."

Hermione lief es bei dem Gedanken eiskalt den Rücken runter.

„Den ersten Schritt dahin, hat Voldemort schon getan. Dieses ‚Geschenk' -" Er zeigte auf die Truhe auf dem Schreibtisch. „Das war ein strategisch einwandfreier Schachzug. Er hat es geschafft, Harrys Wut anzustacheln und du siehst ja welche Wirkung er damit erzielt hat. Wenn du es auch nicht schaffst, ihn ganz davon abzuhalten, sich Voldemort stellen zu wollen, kannst du ihn hinhalten bis er genug Kraft hat, und die Streitmacht bereit ist."

„Eine Streitmacht?"

„Das ist jetzt unwichtig. Deine Aufgabe wird es sein, Harry so weit zu bringen, dass er vor dem 25. Juni nicht unüberlegt handelt. Kriegst du das hin?"

„Ist es denn sicher, dass wir ihn überhaupt finden können? Und warum ist er nicht mehr im Grimmauldplatz?"

„Ihr werdet ihn finden. Wie gesagt weiß ich nicht, wo er ist, aber ich weiß, dass ihr nur Charlie Weasley aufsuchen müsst, wenn ihr ihn finden wollt."

„Also ist er bei Charlie Weasley?"

Dumbledore schüttelte den Kopf. „Das wird Remus dir am Grimmauldplatz erklären. Und auch, warum Harry nicht mehr dort ist, wirst du dort erfahren."

„Und wieso können Sie es mir nicht erklären?"

„Ich versichere dir, ich würde es dir erzählen, wenn ich es wüsste."

Hermione schaute ihn verdutzt an. Dumbledore, der weise alte Mann, wusste einmal nicht über alles Bescheid?

 „Und was hat Malfoy damit zu schaffen?"

„Draco wird dir dabei helfen Harry zu finden."

„WAS?"

„Draco ist unentbehrlich in dieser Sache, weil er in gewissen Sachen Ahnung und Erfahrung hat. Er wird euch von Nutzen sein."

„Aber Malfoy ist der Sohn eines Todessers." warf Hermione ein.

Dumbledore musterte sie scharf. „Das tut nichts zur Sache."

„Aber ich glaube, dass Harry nicht sehr zufrieden darüber sein wird. Und Ron wird auch nicht gerade begeistert sein."

„Ron? Es tut mir leid, aber Ron wird nicht mitkönnen."

Hermione schaute ihn verdattert an. Sie hatte keinen Moment daran gezweifelt, dass auch Ron sie begleiten würde. „Wie soll ich das denn verstehen?"

„Die Anderen würden schnell misstrauisch, wenn so viele Leute verschwinden. Und wenn plötzlich so viele krank im Krankenflügel liegen, die dort eigentlich gar nicht liegen, kann es passieren, dass die ganze Sache auffliegt."

„Ob einer weniger oder mehr tut doch auch nichts zur Sache." sagte sie.

„Nein, eigentlich nicht – solange die Betroffenen nichts miteinander zu tun haben. Wäre es nicht auffällig, wenn ihr alle drei plötzlich verschwunden seid? Schon wenn du und Draco alleine verschwindet löst das eine Menge Gerüchte aus. Außerdem brauchst du jemandem, dem du schreiben kannst. Briefe an mich werden manchmal abgefangen; die an irgendeinen Schüler nicht."

Hermione nickte verstehend, wollte es aber nicht verstehen. Aber es leuchtete ein, dass ihr Verschwinden nicht ohne Misstrauen registriert würde. Und dass das gesamte Trio auf der Krankenstation lag und allesamt nicht wollten, dass sie jemand besuchte, war verdammt unglaubwürdig. So zwar auch, aber nicht so sehr auffällig.

„Wäre es nicht möglich, dass ich alleine ginge?" fragte sie, aber ohne Hoffnung.

Dumbledore lächelte. „Ich befürchte, nein." Er stand auf. „Es wäre wohl besser, wenn du jetzt schlafen gingest, damit du Morgen ausgeruht aufbrechen kannst. Dobby wird dich vor Sonnenaufgang wecken. Richte deine Sachen am Besten noch heute Abend her."

Sie schüttelten sich die Hände. 

„Gute Nacht, Hermione."

„Gute Nacht, Professor."

Sie durchschritt das Büro und öffnete die Tür.

Da stand er – Malfoy - und bedachte sie eines leicht abwertenden Blickes. Das Misstrauen, das Hermione vorhin geglaubt hatte in seinen Augen zu sehen, war wahrscheinlich nichts weiter gewesen als Bedauern, mit ihr - einem Schlammblut - die nächste Zeit verbringen zu müssen. Seine stählernen Augen stachelten Hermione, als wären sie darauf aus sie wütend zu machen. Seine Mundwinkel waren zu einem schiefen Grinsen verzogen, abschätzig und sogleich selbstgefällig.

„Hi, Granger." sagte er.

Sie warf ihm einen unmissverständlichen Blick zu, der bestätigte, dass sie sich genauso wenig darauf freute, die nächste Zeit mit ihm verbringen zu müssen, wie er selber. Sie lief wortlos an ihm vorbei.

Er lächelte. Es war zwar kein hämisches Lächeln, aber auch kein freundliches.

Er trat in das Büro und schloss die Tür hinter sich.

„Sie wollten mit die Truhe zeigen?" sagte Draco und trat näher. Dumbledore nickte und hielt ihm die Truhe hin. Draco nahm sie vorsichtig und wog sie in den Händen; sie war nicht schwer, aber schwerer als man von der taschenbuchlangen und sechs Finger hohen Truhe erwartete. Auf dem Stoff waren Blutflecken. Draco brauchte nicht danach fragen; er wusste, dass es Grangers Blut war. Er zögerte.

„Du musst nicht reinschauen, wenn du nicht willst. Ich kann dir auch so sagen, was drin ist."

Draco schüttelte stirnrunzelnd den Kopf als hätte ihm gerade jemand gesagt, eins und eins ergab vier. Er öffnete die hölzerne Truhe. Seine Miene blieb auf ein ungläubiges Zucken seiner Stirnfalten unverändert. Ein blutdurchtränkter schwarzer Ballen? 

„Was ist das?" fragte Draco ungläubig.

„Eine Hundepfote." sagte er ernst als erinnere er sich an etwas Schmerzliches.

„Und was ist an einer Hundepfote so schlimm?" fragte Draco.

 „Ich nehme mal an, dass du weißt, dass Sirius Black, Harrys Pate gewesen ist?"

Draco nickte kaum merklich.

Dumbledore seufzte schwer. „Wusstest du auch, dass er ein Animagus war, und die Gestalt eines schwarzen Hundes angenommen hatte?"

Draco betrachtete die Pfote; sein Gesichtsausdruck, unveränderlich mit den groben zwei Falten zwischen den Augenbrauen. Nein, das hatte er nicht gewusst. Er nickte verstehend.

„Du weißt, warum ausgerechnet du mit ihr gehen sollst, Draco?"

Er schaute vom Kästchen auf und zu Dumbledore. „Ja, ich denke schon."

„Gut!" sagte Dumbledore und nickte. Draco durchschritt das Zimmer, doch bevor er die Tür erreicht hatte –

„Du musst dich nicht mit ihr anfreunden, aber es ist fordernd, dass ihr miteinander auskommt. Danach könnt ihr euch wieder aus dem Weg gehen, und euch verachten. Jedoch während ihr zusammenarbeiten müsst, erwarte ich von dir, dass du dich zurücknimmst, und nicht mit ihr aneinander gerätst."

Draco blieb stehen, drehte sich nicht um, nickte nur und verließ das Büro.

Sie hatte nicht gewusst, wohin sie sonst hätte gehen sollen, als hoch in den Mädchenschlafsaal, aber schon, als sie den Gemeinschaftsraum betrat und den besorgten Blick Rons sah, wusste sie, dass der Ort, an dem sie definitiv nicht sein wollte, der war, an dem Ron war. Nicht da, wo Erklärungen gegeben werden mussten.

Sie machte am Absatz kehrt, und blieb noch einen Moment tiefdurchatmend stehen, nachdem sich das Portrait der fetten Dame geschlossen hatte, dann lief sie mit festem Schritt die Treppen hinunter, lief den Flur entlang, stieß die Tür auf und rannte nach draußen; mit nur dem dünnen, schwarzen Umhang als Schutz gegen die Kälte.

Die Kriegserklärung war nur eine blutige Pfote gewesen, befleckt, mit einer Botschaft Voldemorts, die nur jene verstehen konnten, die in der Pfote den Hund sehen konnten, der Sirius einst gewesen war. Und Hermione konnte den Hund sehen, so deutlich, als stünde er vor ihr im Schatten. Sie konnte ihn hören, wie er verzweifelt bellte, weil Wurmschwanz ihm schon wieder entkommen war. Das war ganz in der Nähe gewesen.

Sie blieb stehen; nur noch ein paar Meter trennten sie vom Verbotenen Wald.

Sie konnte ihn jaulen hören, als wälzte er sich gerade vor Schmerz im Wald. Es war ein markerschütterndes Jaulen, und sie wollte ihm zu Hilfe eilen, aber anstatt in den Verbotenen Wald zu rennen, knickten ihre Knie ein, und sie sank auf den Boden.

Tränen rannen ihren Wangen hinab.

Sie sah sein langsam ersterbendes Grinsen, und die entsetzt geweiteten Augen, bevor er wie in Zeitlupe in den Vorhang fällt und für immer verschwindet. Hermione kannte den Vorhang; es war der Vorhang zum Jenseits, der direkte Weg dorthin. Von dort konnte ihn niemand mehr retten.

Ein leises Rascheln der Bäume im Wind. Eine Eule schuhute. Hermione war es, als spräche der Wald eine leise Drohung aus; sich auf sie zu werfen, wenn sie nicht aufhörte zu weinen.   

„Granger?"

Sie schrak hoch und rieb sich hastig die Tränen vom Gesicht. Malfoy stand nicht weit von ihr am Rand des Verbotenen Waldes, angelehnt an einen Baum.

„W-Wie lange stehst du da schon?"

Hermione konnte sein Gesicht nicht sehen; der Schein, der von dem Schloss rüberschien war nur hell genug um die Umrisse Malfoys zu zeichnen.

„Länger als du da sitzt."

Sie fühlte sich entblößt. Malfoy war der letzte, von dem sie wollte, dass er sie weinen sah. Auch von Harry und Ron hätte sie nicht gewollt, dass sie sie so sahen. Es wäre aber weniger demütigend gewesen. Sie hasste es, wenn sie sich schwach fühlte und gerade das tat sie gerade.

„Was willst du, Malfoy?" sagte sie, und schaffte es nicht ihrer Stimme einen festen Ton zu geben.

„Ich dachte mir, dass wir – weil wir jetzt längere Zeit miteinander auskommen müssen – eine Art Waffenstillstand schließen." sagte er in unbeeindruckten, geschäftsmäßigen Ton. „Natürlich nur solange bis diese Sache zu ende ist."

Ihr Magen verkrampfte sich; sie hätte gerne den Zauberstab erhoben und ihn in unmissverständlicher Drohung gegen seinen Brust gedrückt, aber sie konnte nicht; ihr Arm war zu schwach, den Stab aufrecht zu halten, und ihre Beine würden sofort einknicken, wenn sie versuchte sie zu belasten. Sie hätte sich gerne auf ihn geschmissen, und ihn mit bloßen Händen erwürgt. Sie hätte gerne in seinen Augen Tränen des Schmerzes aufblitzen gesehen, damit nicht nur sie sich schwach fühlen musste.

„Was sagst du, Granger?"

Sie ballte die Hände zu Fäusten; fixierte das Gras vor ihr, als säße dort ein ekliger, roter Käfer.

„Ich hätte gegen einen Waffenstillstand nichts einzuwenden gehabt,", sagte sie schwach, „wenn du nicht so klar gezeigt hättest, warum du Malfoy heißt."

Malfoy war so schnell vorgesprungen, und hatte sie gewaltsam hochgezogen, dass sie überrascht aufkeuchte.

„Hüte deine Zunge, Schlammblut,", zischte er, „wenn du weißt, was gut für dich ist. Hast du das verstanden?"

Sein Mund bebte zornig, und auch in seinen Augen spiegelte sich die Wut wider. Sie versuchte sich verzweifelt aus seinem Griff zu befreien, doch er umschloss ihren Oberarm nur noch fester.

„Hast du verstanden?"

Sie keuchte fast auf vor Schmerz. „Lass mich los.", sagte sie schwach.

Malfoy zog sie höher, so dass sie fast nicht mehr den Boden berührte. „Ich will wissen, ob du mich verstanden hast."

Der Arm, mit der er sie festhielt kribbelte, was bedeutete, dass er nicht richtig durchblutet wurde. Sie biss die Zähne zusammen und nickte.

„Sag, dass du es verstanden hast."

„Ich habe verstanden." sagte sie. 

Sie sank sofort auf den Boden, nachdem er sie losgelassen hatte. Er verschwand als Schatten Richtung Schloss, während Hermione sich elend fühlend sitzen blieb. Der Verbotene Wald, der sternenlose Himmel und das Schloss sahen plötzlich nutzlos aus und sie sah nutzlos aus. Sie rieb ihren Arm, der langsam wieder Leben bekam und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.

„Ich hasse dich, Malfoy."

Mit einem Augenschlag fielen Tränen auf das feuchte Gras.

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Du meine Güte, worauf habe ich mich da nur eingelassen...