Teil 2: Eine Bürde zu tragen...
Sie schien immer noch. Groß und hell glühte die Sonne über der Stadt, als ob sie seinen Schmerz verhöhnen wollte. Die Blumen blühten und Libellen schossen über dem Seerosenteich hin und her. Endymion wusste, dass er längst schon schlafen sollte, aber er klammerte sich an das heute, an diesen endlosen Tag, als ob ihn seine Müdigkeit davor bewahren könnte, sich der bitteren Wahrheit zu stellen....
Unter dem Bett im königlichen Schlafgemacht legte Artemis den Kopf müde auf die Pfoten. Es war eine Tortur, den Schlaf ständig zurückzudrängen, dazu jedes laute Geräusch zu unterdrücken, dabei hätte er so gern seinen Schmerz laut heraus geweint. Seine feine Nase konnte den Duft der Königin noch immer riechen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Endymion sich endlich hinlegen würde.
Der König schien seinen Wunsch zu spüren, denn endlich wandte er sich von der Fensterfront ab und verschwand im Badezimmer. Artemis harrte aus, bis er den König aus dem Bad kommen hörte, die Schritte seiner nackten Füße auf dem weichen Boden, das Bett senkte sich. Endymion versuchte immer noch, den Schlaf hinauszuzögern, aber die Anstrengungen des Morgens forderten ihren Tribut. Er tastete nach dem Knopf am Kopfende des Bettes und die Verdunkelung schloss das Sonnenlicht aus. Jetzt war es finster im Zimmer, so finster wie in Endymions leerem Herzen. Seine Augen fielen zu. Artemis hörte, wie sein Atem ruhig und gleichmäßig ging und gestattete sich einen leisen Seufzer, ehe er auch einschlummerte. "Schläft er immer noch?", fragte Silver Lady am nächsten Morgen Sailorneptun. Sie und Uranus hatten sich am Nachmittag nach langem Bitten dazu überreden lassen, ihren Platz einer Ehrengarde von Bürgern zu überlassen, die von Shingo, dem Königlichen Ratgeber und Bruder der Königin, ausgewählt worden war. So waren die Senshi allesamt zum nötigen Schlaf gekommen und trotz dem Schock und der Trauer hatten sie, wie sie an diesem Morgen beschämt feststellten, fast 24 Stunden ununterbrochen tief und traumlos geschlafen.
"Ja", sagte Neptun nach einem kurzen Blick in ihren Spiegel. "Ich schätze, dass er so gegen Mittag wach werden wird. Er hat sich genauso verausgabt wie wir. Ich wünschte nur, Pluto hätte sich mehr Ruhe gegönnt."
"Es hat ihr furchtbar zugesetzt, dass der König so grob zu ihr war", sagte Sailor Juno und wischte sich eine Strähne aus der Stirn. Die vier Asteroidsenshi hatten im vergangenen Jahr von den älteren Senshi viel gelernt und nicht nur ihre Angriffe verbessert, sondern auch ihr Äußeres verändert. Juno trug ihr Haar nun in einem Pferdeschwanz, ähnlich dem von Jupiter, nur viel kürzer, Ceres hatte sich für kurze Haare auf der rechten und ein paar schulterlange Locken auf der linken Seite entschieden. Pallas hatte versucht, Neptuns Frisur nachzubilden, aber ihre Haare wollten und wollten sich nicht locken, nun waren sie zwar schon wieder hüftlang, aber völlig glatt trotz aller Dauerwellen und Lockenwickler. Vesta sah in einer Kombination von Mars und Uranus den idealen Stil und hatte sich ihre roten Haare kurz geschnitten und mit ein paar schwarzen Strähnen versehen, um ihnen mehr Pep zu verleihen.
Ceres nickte. "Es ist nicht Plutos Schuld, dass diese Energiewelle gekommen ist. Aber sie hätte wenigstens ein paar Andeutungen machen können."
"Das hat ihr die Königin verboten", erinnerte sie Vesta. "Würdest du etwas verraten haben, wenn sie dich um Stillschweigen gebeten hätte?"
Betreten schüttelte Ceres den Kopf. "Ich wollte Pluto nicht kritisieren....", sie sah Neptun an. "Sollen wir Helios bitten, den König in der abendlichen Ratsversammlung zu vertreten?"
"Das würde der König nicht wollen", entschied Venus. "Wir warten einfach noch zwei Stunden. Wenn er dann noch immer schläft, wird die Versammlung einfach verschoben."
Die anderen waren einverstanden. Es stellte sich jedoch heraus, dass es gar nicht nötig war, so lange zu warten. Einige Minuten nach Neptuns Kontrollblick durch den Spiegel erwachte er.
Artemis spürte, wie die Matratze über seinem Kopf plötzlich leichter wurde und der König sich erhob. Der Kater streckte sich und schielte vorsichtig unter dem Bett hervor. Endymion war nirgendwo zu sehen. Dann hörte er jedoch das Wasser im Bad rauschen und nutze die Zeit, um ein kurzes, telepathisches Signal an Luna zu schicken (diese neue Fähigkeit hatten die Katzen erst kürzlich von der Königin verliehen bekommen).
Mehr mechanisch als bewusst, vollzog Endymion das Morgenritual. Er duschte, zog sich an und bürstete seine Haare. Das Gesicht, das ihm aus dem runden Spiegel entgegen blickte sah ruhig und gefasst drein. Die schwarzen Ringe um die Augen waren verschwunden. Nur in den dunklen Tiefen seines Blickes konnte ein scharfer Beobachter erahnen, welche Kraft es den König kostete, diese Fassade der Ruhe aufrecht zu erhalten.
Es klopfte an der Türe. Endymion legte die Bürste aus der Hand und öffnete. Draußen stand eines der Zimmermädchen mit einem Tablett, das seltsam leer aussah. Trotz der Teller und Schüsseln darauf wurde Endymion schmerzlich bewusst, dass das zweite Besteck und die zweite Tasse Kaffee fehlten. Sein Magen knurrte vernehmlich, aber ihm war der Appetit vergangen. "Ich möchte nichts, danke", sagte er und wollte die Türe schließen.
"Einen Moment", ertönte Jupiters Stimme. Endymion runzelte die Stirn. Die Kriegerin mit dem Pferdeschwanz war plötzlich hinter dem Zimmermädchen aufgetaucht. "Ich habe das extra für dich gekocht, Endymion", bewusst verzichtete sie auf alle ehrenvolle Anredeformen, "und jetzt wirst du das auch essen, oder..."
"Oder was...?", fragte er rau.
Jupiter ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. "Oder ich erkläre dich hiermit für krank und überlasse dich Sailorvenus' Krankenpflege...."
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Endymions Gesicht, ohne jedoch seine Augen zu erreichen. "Na gut", sagte er. Weniger weil der Duft des leckeren Essens seine Nase umschmeichelte als vielmehr weil er die tiefe Sorge in Jupiters Blick bemerkt hatte. Auch ihre Augen waren während des Scherzes ohne vergnügtes Funkeln gewesen.
Also ließ er zu, dass das Zimmermädchen im kleinen Salon, der an das königliche Schlafgemach angrenzte, den Tisch deckte. Unter den argwöhnischen Blicken Jupiters aß er dann tatsächlich einen halben Teller leer und trank ein Glas Saft und eine Tasse Kaffee. Jupiter hatte bewusst die Türe zum Flur einen Spalt breit offen gelassen. Diana huschte herein, um ihren Vater abzulösen und Artemis nickte ihr dankbar zu. "Geh in die Küche, Paps", sagte Diana leise. "Jupiter hat auch für dich etwas Leckeres gemixt."
Das ließ sich Artemis nicht zweimal sagen und huschte hinaus, während Diana sich vor das Bett setzte und in aller Ruhe mit einer gründlichen Katzenwäsche begann. Anders als ihr Vater bevorzugte sie eine etwas offenere Überwachung.
Jupiter nickte ihr kurz zu, ehe sie das Zimmermädchen mit den Resten des Frühstücks hinausbegleitete.
"Was machst du denn hier?", fragte Endymion, als er Diana erblickte.
"Ich warte auf Eure Majestät", sagte Diana gelassen wischte sich mit der Pfote ein paar Mal über den Halbmond an ihrer Stirn.
"Ich finde allein in mein Arbeitszimmer", sagte Endymion trocken.
"Ihr könnt trotzdem etwas Gesellschaft gebrauchen." Mit einem eleganten Satz sprang die graue Katze auf seine rechte Schulter. "Ich habe Silver Lady versprochen, dass ich auf euch aufpasse."
"Die Gefahr ist vorüber", sagte Endymion bitter. "Dafür hat Serenity gesorgt."
"Es gibt auch Gefahren, die man nicht so leicht erkennen kann", erwiderte die Katze rätselhaft. "Was haltet Ihr davon, wenn Ihr Euch erst mal die Zähne putzt?"
In der Kommandozentrale tagten die Senshi und die Katzen. Helios und Silver Lady hatten es übernommen, die Ratssitzung vorzubereiten, um dem König mehr Zeit zum Schlafen zu lassen. "Soweit Diana mir meldet, vergräbt er sich in den täglichen Papierkram. Ich weiß nicht, ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen ist", erzählte Artemis den Kriegerinnen.
"Es ist doch ganz natürlich, dass er sich durch Arbeit von seinem Kummer ablenken will", sagte Uranus.
"Trotzdem wäre es besser, wenn er seinen Schmerz irgendwie abreagieren würde", meinte Mars.
"So wie du?", fragte Jupiter trocken. "Ist überhaupt noch etwas heil in deinem Zimmer?"
Mars wurde rot. "Es waren nur ein paar Vasen und ein kleiner Hocker. Jedenfalls habe ich keine Blitze durch das Fenster herein gerufen..."
Jetzt war es Jupiter, die betreten zu Boden sah.
"Ist ja noch mal gut gegangen." Merkur tätschelte ihr den Rücken. "Ich war ja rechtzeitig da, ehe das ganze Zimmer brannte. So haben nur die Vorhänge und die Tapeten an der Westseite daran glauben müssen."
"Eigentlich könnt ihr Jupiters Donnerschlägen dankbar sein", murmelte Uranus. "Wir haben die halbe Nacht Venus' neuesten Song anhören müssen, eine Ode an einen tragischen Tod. Der Text rührt echt zu Tränen, aber die Töne ..."
Venus runzelte die Stirn. "Dein "Verdammt! Verdammt! Verdammt!", war ja auch nicht dazu gemacht, einen in den Schlaf zu wiegen und wenn du nicht dieses Loch in die Wand zwischen unseren Zimmern geschlagen hättest ..."
Juno gähnte. "Wir haben uns in die Bibliothek geflüchtet, aber Pluto wollte nicht, dass wir ihr und Saturn bei der Suche helfen. Also haben wir den Rest der Nacht mit Watte in den Ohren geschlafen."
"Lassen wir das", sagte Saturn und rieb sich die müden Augen. "Wir haben die halbe Nacht jeden Zentimeter der alten Schriften abgesucht, aber keinen einzigen brauchbaren Hinweis entdeckt."
"Wozu will Pluto jetzt noch danach suchen?", platzte Pallas heraus. "Die Energiewelle ist weg und sie hat ihren Preis gefordert. Nichts und niemand kann das jetzt noch ändern."
"Pluto will dem König beweisen, dass sie nicht umsonst die zehn letzten Tage in den Büchern gewühlt hat", seufzte Saturn. "Sie hat das Gefühl, dass er ihr die Schuld am Tod der Königin zuschiebt, weil sie sich auf die Lösung in den Schriften konzentriert hat, statt einen anderen Ausweg zu suchen."
"Da liegt sie völlig falsch", ertönte eine müde, aber gefasste Stimme vom Eingang her. Die Senshi fuhren herum. König Endymion schritt ruhig in die Mitte der Zentrale und nickte ihnen zu. Diana saß auf seiner Schulter. "Es tut mir leid, dass ich euch zu allem Kummer auch noch Sorgen gemacht habe. Ich werde Pluto gleich aufsuchen und ihr ausreden, sich die Schuld an allem zu geben. Usagi", er schluckte den Kloß hinunter, der bei der Nennung dieses Namens in seiner Kehle aufstieg, "Usagi hatte schon immer diesen verdammten Dickkopf."
Diana sprang von Endymions Schulter herunter und gesellte sich zu ihren Eltern.
"Majestät", Uranus trat vor, "wir alle fühlen uns verlassen, verletzt und so entsetzlich hilflos... aber was geschehen ist, ist geschehen, niemand kann die Vergangenheit rückgängig machen."
Der König atmete tief durch und wandte sich den Bildschirmen zu, die eine friedliche Stadt zeigten. Von zahlreichen Gebäuden wehten schwarze Trauerfahnen, die Menschen gingen zwar ihren täglichen Geschäften nach, aber viele hatten bedrückte Gesichter. "Die Vergangenheit ...", hörten die Senshi den König halblaut sagen. In einem ausgeschalteten Schirm spiegelte sich sein ernstes Gesicht. Venus erhaschte einen Blick auf den schwachen Hoffnungsschimmer, der sich in den mutlosen Tiefen seiner Augen regte.
"Endymion...?", fragte sie zögernd.
Mit einem Ruck drehte sich der König plötzlich wieder zur Türe. "Ich muss zu Pluto", murmelte er und eilte mit langen Schritten den Gang hinab in Richtung Bibliothek.
"Wartet doch, Hoheit!", rief Diana und rannte ihm nach.
"Hat er es so eilig, sich zu entschuldigen?", fragte Juno verwundert.
"Nein..", sagte Merkur und runzelte die Stirn. "Was hat er vorhin gemurmelt? Es klang wie "Vergangenheit"."
"Er will doch nicht etwa...", ließ Artemis den Satz in der Luft hängen.
"Zuzutrauen wäre es ihm", sagte Luna und die beiden Katzen folgten ihrer Tochter.
Venus und Pallas sahen sich an und zuckten die Schultern. Saturn, Uranus und Neptun wechselten einen langen Blick, ehe sie gemeinsam die Zentrale Richtung Bibliothek verließen. Die anderen Senshi folgen ihnen sogleich.
Inzwischen war der König vor der Bibliothek angekommen. Er atmete einmal tief durch, dann stieß er die Holztüre auf (er und die Königin hatten in diesem Teil des Palastes auf rustikale Türen gesetzt, statt moderne Energieabschirmungen zu benutzen). Pluto saß noch immer am Tisch, allerdings studiert sie nicht, sondern war mit dem Kopf auf ein Buch gesunken und schlief. Endymion zögerte, sie zu wecken, aber er wollte es rasch hinter sich bringen. Falls seine Hoffnung ihn nicht trog, war keine Zeit zu verlieren, und falls sie sich als falsch erweisen sollte ...
Er legte eine Hand sacht auf ihre Schulter und rüttelte sie sanft. "Sailorpluto!"
Pluto schreckte hoch, sah den König neben sich stehen, erkannte, dass sie eingeschlafen war und das vor seinen Augen und lief knallrot an vor Scham. "Es tut mir leid, Majestät ...", murmelte sie und griff nach dem nächsten Buch.
"Warte!", Endymion räusperte sich. "Erst einmal möchte ich mich entschuldigen... es war ungerecht und falsch, dass ich meine Verzweiflung an dir ausgelassen habe. Kannst du mir verzeihen?"
"Ich Euch verzeihen...?", Pluto riss erstaunt die Augen auf. "Aber es ist doch nur verständlich, dass ihr ..."
"Dass ich die Kontrolle über mich verloren habe?", Endymion lachte bitter, "mag sein, aber dadurch habe ich dich gekränkt und das wäre das letzte, das Serenity gewollt hätte." Jetzt oder nie ... "Ist es", er holte noch mal tief Luft "ist es möglich, das Ganze ungeschehen zu machen?"
Pluto schluckte. Sie sah den zaghaften Hoffnungsschimmer in seinen Augen und fragte sanft: "Was?"
"Die Welle, den Tod des Sterns ... den Anfang von allem."
Sie griff nach dem Schlüssel, der neben ihr an der Wand lehnte. "Mein König", sagte sie, die Stimme rauh von Hilflosigkeit und Schmerz, "mein König, wer von uns verfügt über Kräfte, die stark genug sind, einen Stern zu beeinflussen?"
Endymion starrte sie an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Die Erkenntnis war schmerzhaft und unwiderlegbar. "Serenity ... der Silberkristall."
"Genau, mein König. Würden wir also in der Zeit zurückgehen wo die Königin noch lebt, ihr von der Welle erzählen und sie an jenen Ort bringen, wo der Stern in ferner Vergangenheit explodiert ist, dann würde sie den Kristall einsetzen müssen, um ihn daran zu hindern. Die Menge an Energie, die das erfordert wäre vielleicht geringer als der Einsatz gegen die Welle selbst, aber immer noch groß genug, um den Silberkristall in seinem angeschlagenen Zustand zu zerstören."
"Angeschlagen?", Endymion klammerte sich an dieses Wort, "wie kommst du darauf?"
"Es ist die einzige Erklärung. Normalerweise hätte er eine Wiedergeburt der Königin in die Wege leiten können, so wie bei der ersten Schlacht auf dem Nordpol. Da er aber schon winzige Risse aufwies, konnte er nur noch diesen scheintoten Zustand herbeiführen, aus dem wir sie nicht erwecken können."
"Woher kommen die Risse, könnten wir sie verhindern?", griff er rasch nach dem Strohhalm.
"Wenn ihr statt der Gattin die Tochter verlieren wollt und Helios dazu ...", sagte Pluto schweren Herzens. "Der letzte Ausflug in die Vergangenheit und der Einsatz des Kristalls als Fokus für die Kräfte zur Überleitung ins Traumreich war offenbar zuviel für den Kristall. Wollt ihr dass wir zurückkehren und Serenity sagen, dass sie ihre Tochter sterben lassen muss, damit sie später überleben kann?"
Seine Schultern sanken herab und die Trauer und Leere kehrten in sein Herz zurück.
"Warum habt ihr nichts davon gesagt", fragte er dumpf.
"Weil ich es erst nach dem Zerbrechen des Kristalls erkannt habe, und außerdem soll Silver Lady nichts davon erfahren. Sie hat eben ihre Mutter verloren, wenn sie wüsste, dass ihr Kampf im Traumreich und die Rettung von Helios irgendwie mit dem Tod der Königin zu tun haben ...." Sie ließ den Satz in der Luft hängen.
Endymion nickte. "Ich bin deiner Meinung. Von mir wird sie nichts erfahren."
"Von uns auch nicht", sagte Luna stellvertretend für alle, die unbemerkt in die halboffene Tür getreten waren. "Es wird also keine Zeitreise geben."
"Sie wäre sinnlos", sagte der König. Die anderen Senshi, die den Großteil der Unterhaltung mit angehört hatten, seufzten mehr oder weniger laut, sie hatten ebenfalls neue Hoffnung gefasst und mussten diese nun begraben. Da erklang der Gong.
"Dir Ratssitzung... " Der König straffte die Schultern. "Lasst uns gehen!"
Der kreisrunde Saal der Ratskammer befand sich gleich neben dem offiziellen Thronsaal. Helios und Silver Lady hatten gute Arbeit geleistet, alle Ratsmitglieder waren gekommen, auch die Presse war versammelt und zahlreiche Kameraaugen richteten sich sogleich auf den König, als dieser an der Spitze der Senshi den Raum betrat.
Shingo, der erste Berater und Vorsitzende des Rates hatte tiefe Ringe unter den Augen. Hinten auf der Zuschauertribüne, etwas abseits von den Rängen der Presse saßen Serenitys Eltern mit bleichen Gesichtern, sowie die vier Schwestern, Safir und Rubeus. Auch ihnen war anzumerken, dass sie tief erschüttert waren.
Es war aber nicht Shingo, der die offiziellen Beileidsworte an den König und die restliche Familie sprach, sondern ein hagerer Politiker, dessen Gesicht Endymion noch sie sehr leiden hatte können.
Haden, so war sein Name, trat vor die Versammlung und räusperte sich. "Wir bedauern zutiefst den Verlust unserer Königin. Sie hat ihr Leben in treuer Erfüllung ihrer Pflicht für das Wohl des Volkes geopfert. Unser herzliches Beileid gilt ihrem Gatten, ihrer Tochter sowie ihrem Bruder und ihren Eltern. Wir werden sie alle vermissen." Endymion umklammerte seinen Zierdegen und kämpfte gegen die Versuchung an, diesen Politiker an den Schultern zu packen und zu schütteln bis dass ihm die Zähne klapperten. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein schmerzlich vertrautes Feuer in Silver Ladys Augen zu funkeln begann und wie sich die Asteroidsenshi sich vorsichtshalber um sie herum aufstellten. Uranus grollte leise und allein Neptuns Hand auf ihrem Arm hielt sie davon ab, ihrer Verärgerung über diese kalten Worte Luft zu machen. Aber es sollte noch besser kommen ...
Nachdem Haden sich gesetzt hatte, erhob sich der Bürgermeister von Kristalltokio, ein feister Mann namens Rattel und fügte noch ein paar ähnlich bedauernde Floskeln hinzu, ehe er auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen kam: "Da mit der Königin auch der Silberkristall von uns gegangen ist, haben wir, die Bürger von Kristalltokio die Sorge, dass unsere Stadt in Zukunft nicht mehr ausreichend vor Angriffen geschützt sein wird. Daher fordern wir, dass Sailormars, Sailorjupiter, Sailormerkur und Sailorvenus von nun an, immer in der Nähe der Kristallsäule sein sollten, welche damals beim Angriff von der Familie des Schwarzen Mondes mit einem gewissen Teilerfolg eingesetzt wurde, um zumindest den Palast zu schützen. Bei einer gründlichen Durchrechnung sind wir zum Schluss gelangt, dass sich der Palast innerhalb dieser Schutzzone genügend erweitern lässt, um bei Angriffen der gesamten Stadtbevölkerung Platz zu bieten. Dazu werden folgende bauliche Maßnamen notwendig sein: Erstens, die Verkleinerung sämtlicher Räumlichkeiten der Senshi, der Dienerschaft und der Königlichen Familie auf ein notwendiges Minimum. Zweitens, eine Erhöhung aller kleinerer Kristalltürme rings um den Palast. Drittens, die Auflassung der Palastgärten, um aus dem Park und den nutzlosen Blumenbeeten Notquartiere zu machen, die Königin bekommt ein kleines Mausoleum, das nicht zuviel Platz in Anspruch nimmt ..."
"GENUG!!!"
Endymions Stimme brachte die Wände zum Beben. Seine Augen glühten und er war von einer schimmernden Aura umgeben, die nichts Gutes verhieß. Der Bürgermeister zuckte zusammen. "A... aber Majestät..."
"Ich sagte, genug!", Endymion mäßigte seine Stimme unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung. "Sie hätte ihr Leben nicht für euch alle wegwerfen sollen, meine Serenity ... ich wäre lieber mit ihr zusammen gestorben. Aber sie hat sich dazu entschlossen, alle Menschen auf der Welt, hochnäsige Trottel wie dich eingeschlossen, zu retten und alles was ihr dazu zu sagen habt sind Forderungen an die Senshi. Wer seid ihr denn, dass ihr überhaupt etwas von uns fordern dürft? Die Senshi haben niemals einen Vertrag unterschrieben, oder sich auch nur mündlich dazu verpflichtet, euch eingebildete Dummköpfe bis in alle Ewigkeit zu verteidigen. Ihr wollt den Palast? Ihr könnt ihn haben. Aber legt auch nur eine Hand an die Lichtung der Königin und ihr würdet euch wünschen, dass der Schwarze Mond euch damals erwischt hätte..." Die Aura um den König erlosch. "Hiermit danke ich offiziell ab. Ich habe keinen Silberkristall, richtig, und ehrlich gesagt, lege ich auch keinen Wert darauf, länger der König zu sein." Er packte den Orden, riss ihn vom Hemd und knallte ihn dem Bürgermeister vor die Füße. Dann nickte er Luna zu, die einen Purzelbaum in der Luft schlug und so eine neue Krone herbei zauberte, sie war zierlicher und hatte rosa Diamanten als Schmuck.
"Silver Lady", sagte der König und nahm die Krone von Luna entgegen. "Es gibt trotz allem noch gute Menschen auf der Welt und in Kristalltokio, die eine starke, gerechte und kluge Königin brauchen, auch wenn diese keinen Silberkristall besitzt. Willst du ihre Königin sein und sie an Stelle deiner Mutter regieren?"
Silver Lady nickte beklommen, denn darauf war sie seit ihrer Hochzeit vorbereitet worden und sie hatte auch schon zahlreiche Auftritte an der Seite ihrer Mutter wie auch allein erfolgreich absolviert. Sie wusste, dass das Volk sie nach einer gewissen Umgewöhnungszeit als neue Königin akzeptieren würde, obwohl sie gewiss nicht damit gerechnet hatte, schon so bald allein alle Pflichten auf sich nehmen zu müssen. Aber die Serenitys (und das war immer noch ihr Name, ungeachtet des selbst gewählten "Silver Lady") waren von Geburt an dazu bestimmt, die Menschen zu beschützen und sie zu führen.
"So sei es denn", sagte der König und als Silver Lady vor ihm niederkniete drückte er ihr vor aller Augen die Krone ins Haar. Die Diamanten begannen zu glühen und zu funkeln, als ob sie eigenes Leben in sich hätten. Dann bückte sich der König und hob den Orden wieder von Boden auf, ohne den zitternden Bürgermeister eines Blickes zu würdigen. "Helios", wandte er sich and seinen Schwiegersohn, "eine Königin braucht auch immer einen Mann, der ihr die Bürde tragen hilft, sodass sie Seite an Seite regieren. Willst du dieser Mann, dieser neue König von Kristalltokio sein?"
Wortlos sank Helios neben Silver Lady auf die Knie und fasste sie an der Hand. Zufrieden befestigte Endymion den Orden an der Brust des neuen Königs und überreichte ihm den Zierdegen, die einzigen Zeichen seiner Würde, die er immer getragen hatte. "Erhebt euch nun, neues Herrscherpaar von Kristalltokio und der ganzen Erde, Neo Königin Serenity II. und König Helios."
Die beiden standen auf und da nun auch der Order glühte, waren sie in helle, machtvolle Auras gehüllt. Die Senshi knieten sich eine nach der anderen nieder und schworen der neuen Königin ihre Treue und Ergebenheit. Gerührt hieß Neo Königin Serenity II aufstehen.
Es war Shingo, der die berüchtigten Worte sprach: "Die Königin ist tot, lang lebe die Königin!"
Alle im Saal applaudierten und sogar die hart gesottenen Reporter wischten sich Tränen der Rührung und Ergriffenheit aus den Augen. Endymion hingegen atmete befreit auf, denn er hatte endlich die letzte Aufgabe erfüllt, die er sich vorgenommen hatte. Da sich alles um die beiden neuen Herrscher drängte, ihre Großeltern wollten sie umarmen, der Rest wollte ihr gratulieren, gelang es ihm, sich im den allgemeinen Gewühl unbemerkt davon zu stehlen ...
Draußen im Park war es still und kühl, als er seiner Serenity einen letzten Besuch abstattete. Die beiden Ehrenwachen salutierten, als er die Lichtung betrat.
"Das ist nicht nötig", sagte er lächelnd. "Ich habe abgedankt. Warum geht ihr nicht in den Ratssaal und begrüßt eure neue Königin, ich übernehme so lange gerne die Wache..."
Die beiden jungen Männer zögerten nicht lange, sondern eilten auf den Palast zu. Endymion sah ihnen hinterher. Kaum waren sie außer Sichtweite küsste er noch einmal die kalten Lippen seiner geliebten Serenity, ehe er zu der Kristallfassade hinter den Bäumen trat. Von hier hatte man einen weiten Blick über Kristalltokio, denn dieser Teil des Parks befand sich hoch über dem Boden. Es gab ein paar gut gesicherte Öffnungen nach außen, für alle Notfälle, und der König kannte den Mechanismus genau. Als er die richtige Stelle berührte, glitt ein Tür großer Teil der Kristallwand zurück. Kühle Abendluft strömte herein. Weit unter ihm spiegelte sich das Mondlicht in den Fassaden den kleinen Kristalltürme. Es war ruhig und friedlich.
"Ich komme, Serenity..." Drei Stunden später waren endlich die letzten Reporter abgezogen. Die ersten Glückwünsche der verschiedenen Regierungen trudelten ein. "Warum hat er mich nicht vorgewarnt", seufzte eine völlig erschöpfte Königin und ließ sich in den bequemsten Sessel der Bibliothek fallen. "Wo steckt er überhaupt?"
Die Senshi und Katzen sahen sich erschrocken an. Im allgemeinen Trubel hatten sie mehr daran gedacht, ihre neue Königin vor der neugierigen Menge zu schützen, als an ihren Überwachungsplan.
"Sehen wir auf der Lichtung nach", sagte Luna rasch. "Dorthin wäre ich an seiner Stelle zuerst gegangen."
Zwar galt Uranus als schnellste Kriegerin, aber dennoch erreichte die neue Königin die Lichtung als erste. "Hier ist er nicht."
"Dafür ist es ungewöhnlich kühl", meinte Diana. "Hat jemand die Kristallwand geöffnet?"
Neo Königin Serenity II. tauschte einen erschrockenen Blick mit König Helios. Dann rannte sie auf die Stelle hinter den Bäumen zu. Die Öffnung bestand noch immer. Silver Lady trat soweit nach vorne, wie sie konnte, ohne abzustürzen und blickte in die Tiefe. Dort unten, an einer schwer zugänglichen Stelle zwischen den Kristalltürmen schimmerte der zerfetzte Mantel des Endymions.
Alles Blut wich aus dem Gesicht der Königin.
"NEIN!!!"
Ende des zweiten Kapitels
Sie schien immer noch. Groß und hell glühte die Sonne über der Stadt, als ob sie seinen Schmerz verhöhnen wollte. Die Blumen blühten und Libellen schossen über dem Seerosenteich hin und her. Endymion wusste, dass er längst schon schlafen sollte, aber er klammerte sich an das heute, an diesen endlosen Tag, als ob ihn seine Müdigkeit davor bewahren könnte, sich der bitteren Wahrheit zu stellen....
Unter dem Bett im königlichen Schlafgemacht legte Artemis den Kopf müde auf die Pfoten. Es war eine Tortur, den Schlaf ständig zurückzudrängen, dazu jedes laute Geräusch zu unterdrücken, dabei hätte er so gern seinen Schmerz laut heraus geweint. Seine feine Nase konnte den Duft der Königin noch immer riechen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Endymion sich endlich hinlegen würde.
Der König schien seinen Wunsch zu spüren, denn endlich wandte er sich von der Fensterfront ab und verschwand im Badezimmer. Artemis harrte aus, bis er den König aus dem Bad kommen hörte, die Schritte seiner nackten Füße auf dem weichen Boden, das Bett senkte sich. Endymion versuchte immer noch, den Schlaf hinauszuzögern, aber die Anstrengungen des Morgens forderten ihren Tribut. Er tastete nach dem Knopf am Kopfende des Bettes und die Verdunkelung schloss das Sonnenlicht aus. Jetzt war es finster im Zimmer, so finster wie in Endymions leerem Herzen. Seine Augen fielen zu. Artemis hörte, wie sein Atem ruhig und gleichmäßig ging und gestattete sich einen leisen Seufzer, ehe er auch einschlummerte. "Schläft er immer noch?", fragte Silver Lady am nächsten Morgen Sailorneptun. Sie und Uranus hatten sich am Nachmittag nach langem Bitten dazu überreden lassen, ihren Platz einer Ehrengarde von Bürgern zu überlassen, die von Shingo, dem Königlichen Ratgeber und Bruder der Königin, ausgewählt worden war. So waren die Senshi allesamt zum nötigen Schlaf gekommen und trotz dem Schock und der Trauer hatten sie, wie sie an diesem Morgen beschämt feststellten, fast 24 Stunden ununterbrochen tief und traumlos geschlafen.
"Ja", sagte Neptun nach einem kurzen Blick in ihren Spiegel. "Ich schätze, dass er so gegen Mittag wach werden wird. Er hat sich genauso verausgabt wie wir. Ich wünschte nur, Pluto hätte sich mehr Ruhe gegönnt."
"Es hat ihr furchtbar zugesetzt, dass der König so grob zu ihr war", sagte Sailor Juno und wischte sich eine Strähne aus der Stirn. Die vier Asteroidsenshi hatten im vergangenen Jahr von den älteren Senshi viel gelernt und nicht nur ihre Angriffe verbessert, sondern auch ihr Äußeres verändert. Juno trug ihr Haar nun in einem Pferdeschwanz, ähnlich dem von Jupiter, nur viel kürzer, Ceres hatte sich für kurze Haare auf der rechten und ein paar schulterlange Locken auf der linken Seite entschieden. Pallas hatte versucht, Neptuns Frisur nachzubilden, aber ihre Haare wollten und wollten sich nicht locken, nun waren sie zwar schon wieder hüftlang, aber völlig glatt trotz aller Dauerwellen und Lockenwickler. Vesta sah in einer Kombination von Mars und Uranus den idealen Stil und hatte sich ihre roten Haare kurz geschnitten und mit ein paar schwarzen Strähnen versehen, um ihnen mehr Pep zu verleihen.
Ceres nickte. "Es ist nicht Plutos Schuld, dass diese Energiewelle gekommen ist. Aber sie hätte wenigstens ein paar Andeutungen machen können."
"Das hat ihr die Königin verboten", erinnerte sie Vesta. "Würdest du etwas verraten haben, wenn sie dich um Stillschweigen gebeten hätte?"
Betreten schüttelte Ceres den Kopf. "Ich wollte Pluto nicht kritisieren....", sie sah Neptun an. "Sollen wir Helios bitten, den König in der abendlichen Ratsversammlung zu vertreten?"
"Das würde der König nicht wollen", entschied Venus. "Wir warten einfach noch zwei Stunden. Wenn er dann noch immer schläft, wird die Versammlung einfach verschoben."
Die anderen waren einverstanden. Es stellte sich jedoch heraus, dass es gar nicht nötig war, so lange zu warten. Einige Minuten nach Neptuns Kontrollblick durch den Spiegel erwachte er.
Artemis spürte, wie die Matratze über seinem Kopf plötzlich leichter wurde und der König sich erhob. Der Kater streckte sich und schielte vorsichtig unter dem Bett hervor. Endymion war nirgendwo zu sehen. Dann hörte er jedoch das Wasser im Bad rauschen und nutze die Zeit, um ein kurzes, telepathisches Signal an Luna zu schicken (diese neue Fähigkeit hatten die Katzen erst kürzlich von der Königin verliehen bekommen).
Mehr mechanisch als bewusst, vollzog Endymion das Morgenritual. Er duschte, zog sich an und bürstete seine Haare. Das Gesicht, das ihm aus dem runden Spiegel entgegen blickte sah ruhig und gefasst drein. Die schwarzen Ringe um die Augen waren verschwunden. Nur in den dunklen Tiefen seines Blickes konnte ein scharfer Beobachter erahnen, welche Kraft es den König kostete, diese Fassade der Ruhe aufrecht zu erhalten.
Es klopfte an der Türe. Endymion legte die Bürste aus der Hand und öffnete. Draußen stand eines der Zimmermädchen mit einem Tablett, das seltsam leer aussah. Trotz der Teller und Schüsseln darauf wurde Endymion schmerzlich bewusst, dass das zweite Besteck und die zweite Tasse Kaffee fehlten. Sein Magen knurrte vernehmlich, aber ihm war der Appetit vergangen. "Ich möchte nichts, danke", sagte er und wollte die Türe schließen.
"Einen Moment", ertönte Jupiters Stimme. Endymion runzelte die Stirn. Die Kriegerin mit dem Pferdeschwanz war plötzlich hinter dem Zimmermädchen aufgetaucht. "Ich habe das extra für dich gekocht, Endymion", bewusst verzichtete sie auf alle ehrenvolle Anredeformen, "und jetzt wirst du das auch essen, oder..."
"Oder was...?", fragte er rau.
Jupiter ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. "Oder ich erkläre dich hiermit für krank und überlasse dich Sailorvenus' Krankenpflege...."
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Endymions Gesicht, ohne jedoch seine Augen zu erreichen. "Na gut", sagte er. Weniger weil der Duft des leckeren Essens seine Nase umschmeichelte als vielmehr weil er die tiefe Sorge in Jupiters Blick bemerkt hatte. Auch ihre Augen waren während des Scherzes ohne vergnügtes Funkeln gewesen.
Also ließ er zu, dass das Zimmermädchen im kleinen Salon, der an das königliche Schlafgemach angrenzte, den Tisch deckte. Unter den argwöhnischen Blicken Jupiters aß er dann tatsächlich einen halben Teller leer und trank ein Glas Saft und eine Tasse Kaffee. Jupiter hatte bewusst die Türe zum Flur einen Spalt breit offen gelassen. Diana huschte herein, um ihren Vater abzulösen und Artemis nickte ihr dankbar zu. "Geh in die Küche, Paps", sagte Diana leise. "Jupiter hat auch für dich etwas Leckeres gemixt."
Das ließ sich Artemis nicht zweimal sagen und huschte hinaus, während Diana sich vor das Bett setzte und in aller Ruhe mit einer gründlichen Katzenwäsche begann. Anders als ihr Vater bevorzugte sie eine etwas offenere Überwachung.
Jupiter nickte ihr kurz zu, ehe sie das Zimmermädchen mit den Resten des Frühstücks hinausbegleitete.
"Was machst du denn hier?", fragte Endymion, als er Diana erblickte.
"Ich warte auf Eure Majestät", sagte Diana gelassen wischte sich mit der Pfote ein paar Mal über den Halbmond an ihrer Stirn.
"Ich finde allein in mein Arbeitszimmer", sagte Endymion trocken.
"Ihr könnt trotzdem etwas Gesellschaft gebrauchen." Mit einem eleganten Satz sprang die graue Katze auf seine rechte Schulter. "Ich habe Silver Lady versprochen, dass ich auf euch aufpasse."
"Die Gefahr ist vorüber", sagte Endymion bitter. "Dafür hat Serenity gesorgt."
"Es gibt auch Gefahren, die man nicht so leicht erkennen kann", erwiderte die Katze rätselhaft. "Was haltet Ihr davon, wenn Ihr Euch erst mal die Zähne putzt?"
In der Kommandozentrale tagten die Senshi und die Katzen. Helios und Silver Lady hatten es übernommen, die Ratssitzung vorzubereiten, um dem König mehr Zeit zum Schlafen zu lassen. "Soweit Diana mir meldet, vergräbt er sich in den täglichen Papierkram. Ich weiß nicht, ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen ist", erzählte Artemis den Kriegerinnen.
"Es ist doch ganz natürlich, dass er sich durch Arbeit von seinem Kummer ablenken will", sagte Uranus.
"Trotzdem wäre es besser, wenn er seinen Schmerz irgendwie abreagieren würde", meinte Mars.
"So wie du?", fragte Jupiter trocken. "Ist überhaupt noch etwas heil in deinem Zimmer?"
Mars wurde rot. "Es waren nur ein paar Vasen und ein kleiner Hocker. Jedenfalls habe ich keine Blitze durch das Fenster herein gerufen..."
Jetzt war es Jupiter, die betreten zu Boden sah.
"Ist ja noch mal gut gegangen." Merkur tätschelte ihr den Rücken. "Ich war ja rechtzeitig da, ehe das ganze Zimmer brannte. So haben nur die Vorhänge und die Tapeten an der Westseite daran glauben müssen."
"Eigentlich könnt ihr Jupiters Donnerschlägen dankbar sein", murmelte Uranus. "Wir haben die halbe Nacht Venus' neuesten Song anhören müssen, eine Ode an einen tragischen Tod. Der Text rührt echt zu Tränen, aber die Töne ..."
Venus runzelte die Stirn. "Dein "Verdammt! Verdammt! Verdammt!", war ja auch nicht dazu gemacht, einen in den Schlaf zu wiegen und wenn du nicht dieses Loch in die Wand zwischen unseren Zimmern geschlagen hättest ..."
Juno gähnte. "Wir haben uns in die Bibliothek geflüchtet, aber Pluto wollte nicht, dass wir ihr und Saturn bei der Suche helfen. Also haben wir den Rest der Nacht mit Watte in den Ohren geschlafen."
"Lassen wir das", sagte Saturn und rieb sich die müden Augen. "Wir haben die halbe Nacht jeden Zentimeter der alten Schriften abgesucht, aber keinen einzigen brauchbaren Hinweis entdeckt."
"Wozu will Pluto jetzt noch danach suchen?", platzte Pallas heraus. "Die Energiewelle ist weg und sie hat ihren Preis gefordert. Nichts und niemand kann das jetzt noch ändern."
"Pluto will dem König beweisen, dass sie nicht umsonst die zehn letzten Tage in den Büchern gewühlt hat", seufzte Saturn. "Sie hat das Gefühl, dass er ihr die Schuld am Tod der Königin zuschiebt, weil sie sich auf die Lösung in den Schriften konzentriert hat, statt einen anderen Ausweg zu suchen."
"Da liegt sie völlig falsch", ertönte eine müde, aber gefasste Stimme vom Eingang her. Die Senshi fuhren herum. König Endymion schritt ruhig in die Mitte der Zentrale und nickte ihnen zu. Diana saß auf seiner Schulter. "Es tut mir leid, dass ich euch zu allem Kummer auch noch Sorgen gemacht habe. Ich werde Pluto gleich aufsuchen und ihr ausreden, sich die Schuld an allem zu geben. Usagi", er schluckte den Kloß hinunter, der bei der Nennung dieses Namens in seiner Kehle aufstieg, "Usagi hatte schon immer diesen verdammten Dickkopf."
Diana sprang von Endymions Schulter herunter und gesellte sich zu ihren Eltern.
"Majestät", Uranus trat vor, "wir alle fühlen uns verlassen, verletzt und so entsetzlich hilflos... aber was geschehen ist, ist geschehen, niemand kann die Vergangenheit rückgängig machen."
Der König atmete tief durch und wandte sich den Bildschirmen zu, die eine friedliche Stadt zeigten. Von zahlreichen Gebäuden wehten schwarze Trauerfahnen, die Menschen gingen zwar ihren täglichen Geschäften nach, aber viele hatten bedrückte Gesichter. "Die Vergangenheit ...", hörten die Senshi den König halblaut sagen. In einem ausgeschalteten Schirm spiegelte sich sein ernstes Gesicht. Venus erhaschte einen Blick auf den schwachen Hoffnungsschimmer, der sich in den mutlosen Tiefen seiner Augen regte.
"Endymion...?", fragte sie zögernd.
Mit einem Ruck drehte sich der König plötzlich wieder zur Türe. "Ich muss zu Pluto", murmelte er und eilte mit langen Schritten den Gang hinab in Richtung Bibliothek.
"Wartet doch, Hoheit!", rief Diana und rannte ihm nach.
"Hat er es so eilig, sich zu entschuldigen?", fragte Juno verwundert.
"Nein..", sagte Merkur und runzelte die Stirn. "Was hat er vorhin gemurmelt? Es klang wie "Vergangenheit"."
"Er will doch nicht etwa...", ließ Artemis den Satz in der Luft hängen.
"Zuzutrauen wäre es ihm", sagte Luna und die beiden Katzen folgten ihrer Tochter.
Venus und Pallas sahen sich an und zuckten die Schultern. Saturn, Uranus und Neptun wechselten einen langen Blick, ehe sie gemeinsam die Zentrale Richtung Bibliothek verließen. Die anderen Senshi folgen ihnen sogleich.
Inzwischen war der König vor der Bibliothek angekommen. Er atmete einmal tief durch, dann stieß er die Holztüre auf (er und die Königin hatten in diesem Teil des Palastes auf rustikale Türen gesetzt, statt moderne Energieabschirmungen zu benutzen). Pluto saß noch immer am Tisch, allerdings studiert sie nicht, sondern war mit dem Kopf auf ein Buch gesunken und schlief. Endymion zögerte, sie zu wecken, aber er wollte es rasch hinter sich bringen. Falls seine Hoffnung ihn nicht trog, war keine Zeit zu verlieren, und falls sie sich als falsch erweisen sollte ...
Er legte eine Hand sacht auf ihre Schulter und rüttelte sie sanft. "Sailorpluto!"
Pluto schreckte hoch, sah den König neben sich stehen, erkannte, dass sie eingeschlafen war und das vor seinen Augen und lief knallrot an vor Scham. "Es tut mir leid, Majestät ...", murmelte sie und griff nach dem nächsten Buch.
"Warte!", Endymion räusperte sich. "Erst einmal möchte ich mich entschuldigen... es war ungerecht und falsch, dass ich meine Verzweiflung an dir ausgelassen habe. Kannst du mir verzeihen?"
"Ich Euch verzeihen...?", Pluto riss erstaunt die Augen auf. "Aber es ist doch nur verständlich, dass ihr ..."
"Dass ich die Kontrolle über mich verloren habe?", Endymion lachte bitter, "mag sein, aber dadurch habe ich dich gekränkt und das wäre das letzte, das Serenity gewollt hätte." Jetzt oder nie ... "Ist es", er holte noch mal tief Luft "ist es möglich, das Ganze ungeschehen zu machen?"
Pluto schluckte. Sie sah den zaghaften Hoffnungsschimmer in seinen Augen und fragte sanft: "Was?"
"Die Welle, den Tod des Sterns ... den Anfang von allem."
Sie griff nach dem Schlüssel, der neben ihr an der Wand lehnte. "Mein König", sagte sie, die Stimme rauh von Hilflosigkeit und Schmerz, "mein König, wer von uns verfügt über Kräfte, die stark genug sind, einen Stern zu beeinflussen?"
Endymion starrte sie an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Die Erkenntnis war schmerzhaft und unwiderlegbar. "Serenity ... der Silberkristall."
"Genau, mein König. Würden wir also in der Zeit zurückgehen wo die Königin noch lebt, ihr von der Welle erzählen und sie an jenen Ort bringen, wo der Stern in ferner Vergangenheit explodiert ist, dann würde sie den Kristall einsetzen müssen, um ihn daran zu hindern. Die Menge an Energie, die das erfordert wäre vielleicht geringer als der Einsatz gegen die Welle selbst, aber immer noch groß genug, um den Silberkristall in seinem angeschlagenen Zustand zu zerstören."
"Angeschlagen?", Endymion klammerte sich an dieses Wort, "wie kommst du darauf?"
"Es ist die einzige Erklärung. Normalerweise hätte er eine Wiedergeburt der Königin in die Wege leiten können, so wie bei der ersten Schlacht auf dem Nordpol. Da er aber schon winzige Risse aufwies, konnte er nur noch diesen scheintoten Zustand herbeiführen, aus dem wir sie nicht erwecken können."
"Woher kommen die Risse, könnten wir sie verhindern?", griff er rasch nach dem Strohhalm.
"Wenn ihr statt der Gattin die Tochter verlieren wollt und Helios dazu ...", sagte Pluto schweren Herzens. "Der letzte Ausflug in die Vergangenheit und der Einsatz des Kristalls als Fokus für die Kräfte zur Überleitung ins Traumreich war offenbar zuviel für den Kristall. Wollt ihr dass wir zurückkehren und Serenity sagen, dass sie ihre Tochter sterben lassen muss, damit sie später überleben kann?"
Seine Schultern sanken herab und die Trauer und Leere kehrten in sein Herz zurück.
"Warum habt ihr nichts davon gesagt", fragte er dumpf.
"Weil ich es erst nach dem Zerbrechen des Kristalls erkannt habe, und außerdem soll Silver Lady nichts davon erfahren. Sie hat eben ihre Mutter verloren, wenn sie wüsste, dass ihr Kampf im Traumreich und die Rettung von Helios irgendwie mit dem Tod der Königin zu tun haben ...." Sie ließ den Satz in der Luft hängen.
Endymion nickte. "Ich bin deiner Meinung. Von mir wird sie nichts erfahren."
"Von uns auch nicht", sagte Luna stellvertretend für alle, die unbemerkt in die halboffene Tür getreten waren. "Es wird also keine Zeitreise geben."
"Sie wäre sinnlos", sagte der König. Die anderen Senshi, die den Großteil der Unterhaltung mit angehört hatten, seufzten mehr oder weniger laut, sie hatten ebenfalls neue Hoffnung gefasst und mussten diese nun begraben. Da erklang der Gong.
"Dir Ratssitzung... " Der König straffte die Schultern. "Lasst uns gehen!"
Der kreisrunde Saal der Ratskammer befand sich gleich neben dem offiziellen Thronsaal. Helios und Silver Lady hatten gute Arbeit geleistet, alle Ratsmitglieder waren gekommen, auch die Presse war versammelt und zahlreiche Kameraaugen richteten sich sogleich auf den König, als dieser an der Spitze der Senshi den Raum betrat.
Shingo, der erste Berater und Vorsitzende des Rates hatte tiefe Ringe unter den Augen. Hinten auf der Zuschauertribüne, etwas abseits von den Rängen der Presse saßen Serenitys Eltern mit bleichen Gesichtern, sowie die vier Schwestern, Safir und Rubeus. Auch ihnen war anzumerken, dass sie tief erschüttert waren.
Es war aber nicht Shingo, der die offiziellen Beileidsworte an den König und die restliche Familie sprach, sondern ein hagerer Politiker, dessen Gesicht Endymion noch sie sehr leiden hatte können.
Haden, so war sein Name, trat vor die Versammlung und räusperte sich. "Wir bedauern zutiefst den Verlust unserer Königin. Sie hat ihr Leben in treuer Erfüllung ihrer Pflicht für das Wohl des Volkes geopfert. Unser herzliches Beileid gilt ihrem Gatten, ihrer Tochter sowie ihrem Bruder und ihren Eltern. Wir werden sie alle vermissen." Endymion umklammerte seinen Zierdegen und kämpfte gegen die Versuchung an, diesen Politiker an den Schultern zu packen und zu schütteln bis dass ihm die Zähne klapperten. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein schmerzlich vertrautes Feuer in Silver Ladys Augen zu funkeln begann und wie sich die Asteroidsenshi sich vorsichtshalber um sie herum aufstellten. Uranus grollte leise und allein Neptuns Hand auf ihrem Arm hielt sie davon ab, ihrer Verärgerung über diese kalten Worte Luft zu machen. Aber es sollte noch besser kommen ...
Nachdem Haden sich gesetzt hatte, erhob sich der Bürgermeister von Kristalltokio, ein feister Mann namens Rattel und fügte noch ein paar ähnlich bedauernde Floskeln hinzu, ehe er auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen kam: "Da mit der Königin auch der Silberkristall von uns gegangen ist, haben wir, die Bürger von Kristalltokio die Sorge, dass unsere Stadt in Zukunft nicht mehr ausreichend vor Angriffen geschützt sein wird. Daher fordern wir, dass Sailormars, Sailorjupiter, Sailormerkur und Sailorvenus von nun an, immer in der Nähe der Kristallsäule sein sollten, welche damals beim Angriff von der Familie des Schwarzen Mondes mit einem gewissen Teilerfolg eingesetzt wurde, um zumindest den Palast zu schützen. Bei einer gründlichen Durchrechnung sind wir zum Schluss gelangt, dass sich der Palast innerhalb dieser Schutzzone genügend erweitern lässt, um bei Angriffen der gesamten Stadtbevölkerung Platz zu bieten. Dazu werden folgende bauliche Maßnamen notwendig sein: Erstens, die Verkleinerung sämtlicher Räumlichkeiten der Senshi, der Dienerschaft und der Königlichen Familie auf ein notwendiges Minimum. Zweitens, eine Erhöhung aller kleinerer Kristalltürme rings um den Palast. Drittens, die Auflassung der Palastgärten, um aus dem Park und den nutzlosen Blumenbeeten Notquartiere zu machen, die Königin bekommt ein kleines Mausoleum, das nicht zuviel Platz in Anspruch nimmt ..."
"GENUG!!!"
Endymions Stimme brachte die Wände zum Beben. Seine Augen glühten und er war von einer schimmernden Aura umgeben, die nichts Gutes verhieß. Der Bürgermeister zuckte zusammen. "A... aber Majestät..."
"Ich sagte, genug!", Endymion mäßigte seine Stimme unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung. "Sie hätte ihr Leben nicht für euch alle wegwerfen sollen, meine Serenity ... ich wäre lieber mit ihr zusammen gestorben. Aber sie hat sich dazu entschlossen, alle Menschen auf der Welt, hochnäsige Trottel wie dich eingeschlossen, zu retten und alles was ihr dazu zu sagen habt sind Forderungen an die Senshi. Wer seid ihr denn, dass ihr überhaupt etwas von uns fordern dürft? Die Senshi haben niemals einen Vertrag unterschrieben, oder sich auch nur mündlich dazu verpflichtet, euch eingebildete Dummköpfe bis in alle Ewigkeit zu verteidigen. Ihr wollt den Palast? Ihr könnt ihn haben. Aber legt auch nur eine Hand an die Lichtung der Königin und ihr würdet euch wünschen, dass der Schwarze Mond euch damals erwischt hätte..." Die Aura um den König erlosch. "Hiermit danke ich offiziell ab. Ich habe keinen Silberkristall, richtig, und ehrlich gesagt, lege ich auch keinen Wert darauf, länger der König zu sein." Er packte den Orden, riss ihn vom Hemd und knallte ihn dem Bürgermeister vor die Füße. Dann nickte er Luna zu, die einen Purzelbaum in der Luft schlug und so eine neue Krone herbei zauberte, sie war zierlicher und hatte rosa Diamanten als Schmuck.
"Silver Lady", sagte der König und nahm die Krone von Luna entgegen. "Es gibt trotz allem noch gute Menschen auf der Welt und in Kristalltokio, die eine starke, gerechte und kluge Königin brauchen, auch wenn diese keinen Silberkristall besitzt. Willst du ihre Königin sein und sie an Stelle deiner Mutter regieren?"
Silver Lady nickte beklommen, denn darauf war sie seit ihrer Hochzeit vorbereitet worden und sie hatte auch schon zahlreiche Auftritte an der Seite ihrer Mutter wie auch allein erfolgreich absolviert. Sie wusste, dass das Volk sie nach einer gewissen Umgewöhnungszeit als neue Königin akzeptieren würde, obwohl sie gewiss nicht damit gerechnet hatte, schon so bald allein alle Pflichten auf sich nehmen zu müssen. Aber die Serenitys (und das war immer noch ihr Name, ungeachtet des selbst gewählten "Silver Lady") waren von Geburt an dazu bestimmt, die Menschen zu beschützen und sie zu führen.
"So sei es denn", sagte der König und als Silver Lady vor ihm niederkniete drückte er ihr vor aller Augen die Krone ins Haar. Die Diamanten begannen zu glühen und zu funkeln, als ob sie eigenes Leben in sich hätten. Dann bückte sich der König und hob den Orden wieder von Boden auf, ohne den zitternden Bürgermeister eines Blickes zu würdigen. "Helios", wandte er sich and seinen Schwiegersohn, "eine Königin braucht auch immer einen Mann, der ihr die Bürde tragen hilft, sodass sie Seite an Seite regieren. Willst du dieser Mann, dieser neue König von Kristalltokio sein?"
Wortlos sank Helios neben Silver Lady auf die Knie und fasste sie an der Hand. Zufrieden befestigte Endymion den Orden an der Brust des neuen Königs und überreichte ihm den Zierdegen, die einzigen Zeichen seiner Würde, die er immer getragen hatte. "Erhebt euch nun, neues Herrscherpaar von Kristalltokio und der ganzen Erde, Neo Königin Serenity II. und König Helios."
Die beiden standen auf und da nun auch der Order glühte, waren sie in helle, machtvolle Auras gehüllt. Die Senshi knieten sich eine nach der anderen nieder und schworen der neuen Königin ihre Treue und Ergebenheit. Gerührt hieß Neo Königin Serenity II aufstehen.
Es war Shingo, der die berüchtigten Worte sprach: "Die Königin ist tot, lang lebe die Königin!"
Alle im Saal applaudierten und sogar die hart gesottenen Reporter wischten sich Tränen der Rührung und Ergriffenheit aus den Augen. Endymion hingegen atmete befreit auf, denn er hatte endlich die letzte Aufgabe erfüllt, die er sich vorgenommen hatte. Da sich alles um die beiden neuen Herrscher drängte, ihre Großeltern wollten sie umarmen, der Rest wollte ihr gratulieren, gelang es ihm, sich im den allgemeinen Gewühl unbemerkt davon zu stehlen ...
Draußen im Park war es still und kühl, als er seiner Serenity einen letzten Besuch abstattete. Die beiden Ehrenwachen salutierten, als er die Lichtung betrat.
"Das ist nicht nötig", sagte er lächelnd. "Ich habe abgedankt. Warum geht ihr nicht in den Ratssaal und begrüßt eure neue Königin, ich übernehme so lange gerne die Wache..."
Die beiden jungen Männer zögerten nicht lange, sondern eilten auf den Palast zu. Endymion sah ihnen hinterher. Kaum waren sie außer Sichtweite küsste er noch einmal die kalten Lippen seiner geliebten Serenity, ehe er zu der Kristallfassade hinter den Bäumen trat. Von hier hatte man einen weiten Blick über Kristalltokio, denn dieser Teil des Parks befand sich hoch über dem Boden. Es gab ein paar gut gesicherte Öffnungen nach außen, für alle Notfälle, und der König kannte den Mechanismus genau. Als er die richtige Stelle berührte, glitt ein Tür großer Teil der Kristallwand zurück. Kühle Abendluft strömte herein. Weit unter ihm spiegelte sich das Mondlicht in den Fassaden den kleinen Kristalltürme. Es war ruhig und friedlich.
"Ich komme, Serenity..." Drei Stunden später waren endlich die letzten Reporter abgezogen. Die ersten Glückwünsche der verschiedenen Regierungen trudelten ein. "Warum hat er mich nicht vorgewarnt", seufzte eine völlig erschöpfte Königin und ließ sich in den bequemsten Sessel der Bibliothek fallen. "Wo steckt er überhaupt?"
Die Senshi und Katzen sahen sich erschrocken an. Im allgemeinen Trubel hatten sie mehr daran gedacht, ihre neue Königin vor der neugierigen Menge zu schützen, als an ihren Überwachungsplan.
"Sehen wir auf der Lichtung nach", sagte Luna rasch. "Dorthin wäre ich an seiner Stelle zuerst gegangen."
Zwar galt Uranus als schnellste Kriegerin, aber dennoch erreichte die neue Königin die Lichtung als erste. "Hier ist er nicht."
"Dafür ist es ungewöhnlich kühl", meinte Diana. "Hat jemand die Kristallwand geöffnet?"
Neo Königin Serenity II. tauschte einen erschrockenen Blick mit König Helios. Dann rannte sie auf die Stelle hinter den Bäumen zu. Die Öffnung bestand noch immer. Silver Lady trat soweit nach vorne, wie sie konnte, ohne abzustürzen und blickte in die Tiefe. Dort unten, an einer schwer zugänglichen Stelle zwischen den Kristalltürmen schimmerte der zerfetzte Mantel des Endymions.
Alles Blut wich aus dem Gesicht der Königin.
"NEIN!!!"
Ende des zweiten Kapitels
