Kapitel 8: Je heller das Licht ...
In Kristalltokio
"Alles klar?", flüsterte Ami aufgeregt.
Michiru und Rei nickten stumm. Die drei befanden sich mitten unter der Menschenmenge, die sich um das große Podest scharte, wo die Befragung der Delinquenten demnächst stattfinden sollte. Sie kamen sich ein wenig seltsam vor, so als Zivilpersonen, denn immerhin war es Jahre her, dass sie zum letzen Mal in dieser Gestalt herum gelaufen waren. Zur zusätzlichen Tarnung hatte Ami ihre blauschwarzen Haare mit blonden Strähnen aufgepeppt und trug ein schreiendes Make-up was gut zu ihrem kirschroten Minirock und der knallgelben Bluse passte. Man sah ihr nicht an, wie ungemütlich sie sich in dieser Aufmachung (sie war SailorPallas Werk) fühlte.
Neptun wiederum hatte ihr Haar mit grauen Strähnen versehen und zu einem Knoten hochgebunden und trug zudem eine Brille. In dem grauen Kostüm wirkte sie wie eine Sekretärin.
Rei wiederum hatte ihre langen Haare in zahllose Zöpfchen geflochten, die von einem Band zusammengehalten wurden. Sie trug ein loses Kleid, das ihr zwei Nummern zu groß war und hatte mit etwas Make-up die Spuren vergangener Jahre um ihre Mundwinkel und Augen getilgt. Nun wirkte sie wieder wie ein Teenager.
So verkleidet hatten sie sich seit Beginn der Versammlung unauffällig von drei verschiedenen Richtungen her an die Plattform heran geschoben, oder besser gesagt, heran schieben lassen. Obwohl damals bei der offiziellen Thronbesteigung von Serenity alle Zivilidentitäten ans Tageslicht gekommen waren, kannten die Bürger diese nur vom Namen her und konnten sie nicht mit Gesichtern in Zusammenhang bringen. Die Senshi waren immer nur die Senshi, erkennbar an ihren Kostümen, Namen und Waffen. Die drei hier waren weder aufregend noch auffällig und kein einziger hatte ihnen einen misstrauischen Blick zugeworfen.
Luna, Diana und Artemis - sie hatten mittlerweile ihre Verwandlung aufheben lassen, war es gelungen, sich in das Gefängnis zu schleichen, und in Erfahrung zu bringen, wann der große Auftritt stattfinden sollte. Leider hatten sie es nicht geschafft, mit den Gefangenen Kontakt aufzunehmen.
"Wann geht es endlich los!", rief eine Frauenstimme aus der Menge.
Ami wandte den Kopf und sah SailorPallas, nun wieder als PallaPalla auf der anderen Seite der Tribüne winken. Sie hatte sich ebenfalls in Zivilklamotten geworfen und ihre auffälligen blauen Haare unter einer schwarzen Schildkappe versteckt. In Jeans und Pullover wirkte sie wie jeder andere Teenager in der Menge.
Rei sah sich ebenfalls um und entdeckte nach einigem Suchen und Raten auch die anderen drei Asteroidsenshi. Sie standen nicht zusammen wie Ami, Rei und Michiru, sondern locker in der Menge verstreut.
Michiru suchte den Blickkontakt zu VesVes und neigte langsam den Kopf. VesVes lächelte zur Antwort und hob unauffällig ihren Kommunikator an die Lippen.
Kurz darauf ließ sich erstmals der Bürgermeister blicken. Siegessicher lächelnd marschierte er auf das Podest, wo neben einigen Sesseln auch ein Rednerpult stand. Er trat an das Mikrofon und räusperte sich.
"He Alter! Wir wollen keine lange Rede, wir wollen Aktion!!!", brüllte VesVes von den hinteren Rängen.
"Jaaa!!" stimmte ihr JunJun von der anderen Seite zu. "Los, zeig uns die Verbrecher!"
Die Menge ließ sich nur zu gern anstacheln. Andere stimmten in die Rufe mit ein und nach zahlreichen vergeblichen Bitten um Ruhe, packte der Bürgermeister schließlich genervt seine Rede wieder ein, was die Menge mit großen Applaus würdigte.
"Dann werden wir euch nun das zeigen, weswegen ihr gekommen seid", sagte der Bürgermeister nach einigen auffälligen Räuspern.
Er winkte der Polizei und diese zerrten die vier Schwestern, sowie Safir und Rubeus auf die Tribüne.
"Viele von euch erinnern sich noch an die schreckliche Zeit, als die Familie dieser vier heute angeblich friedlich unter uns lebenden Menschen alles ringsum in Schutt und Asche legte."
"Die Senshi haben uns beschützt!", rief JunJun von hinten.
"Yeah! Wenn die da echt mächtig böse wären, würden sie sich nicht so rumschubsen lassen!", tönte VesVes.
"So eine lahme Show! Ich will Action sehen, einen Kampf! Echte Bösewichte!", brüllte nun PallaPalla.
Sie hatten offenbar den Nerv getroffen, denn mehr und mehr Menschen stimmten in die Unmutsrufe ein.
"Die Mädchen kenne ich!", rief eine dicke Frau von weiter vorne. "Die haben einen Kosmetikladen und mich immer freundlich bedient. Was haben die mit den Angriffen von damals zu schaffen?"
Offenbar hatten die vier Schwestern eine Reihe zufriedener Kunden, die sich in der Menge nun bemerkbar machten.
"Der mit den roten Haaren und der blaue sind doch diese Tüftler, die fast alles reparieren, was man ihnen bringt", klang die Stimme eines Mannes von ganz hinten.
"Ja, ich kenne sie auch. Sie haben meinen Rasenmäher geflickt, und der läuft wie neu."
Der Bürgermeister knirschte mit den Zähnen. Irgendwie lief die Show nicht nach seinen Wünschen. Er griff in seine Aktentasche und zog das Buch heraus, das er am Vorabend aus seinem Versteck geholt hatte. Allein die Berührung mit dem uralten Wälzer erfüllte ihn mit neuer Kraft. Macht knisterte aus den Seiten den Buches, schwarze Funken tanzten daraus hervor, erfüllten seine Seele, der letzte Rest von Mensch, der noch in ihm war, erlosch und seine Augen begannen drohend zu glühen.
Rei stellten sich die Nackenhaare auf und sie tastete in ihrem Kleid nach ihren Talismanen. Zu spät.
Mit einem Wutschrei hob der Bürgermeister das Buch empor und die Schwarze Macht daraus entlud sich in Blitzen aus tiefer Dunkelheit, die Menschen verstummten, als die Welle des Hasses über sie hinweg spülte.
Safir sah es, riss sich von den Polizisten los und stellte sich schützend vor Petzite. Rubeus tat es ihm gleich und zu zweit bildeten ein Schild vor den vier Schwestern. Auch die Senshi spürten die schreckliche Macht des Buches, doch ihre Verwandlungsstäbe, die sich mit sich führten, leuchteten auf und um jede Kriegerin herum entstand eine Sphäre aus schützender Energie. Dies blieb dem Bürgermeister nicht verborgen. Er lachte grausam und zeigte auf die schimmernden Kugeln. "Da sind sie, die Senshi! Versteckt, verkleidet, um euch zu hintergehen, um euch zu täuschen! Falsch, verlogen! Vernichtet sie!"
Jene Menschen, welche dem Buch am nächsten standen, waren wie willige Sklaven, gleich bereit, der Stimme der Macht zu gehorchen. Einzig die vier Schwestern, Rubeus und Safir, hielten sich noch. Rei drängte sich zu ihnen vor, zog ihre Talismane und schleuderte sie geschickt so, dass die Papierstreifen einen Kreis um die sechs bildeten. "Rührt euch nicht von der Stelle!", rief sie ihnen zu. Ihre Hände bewegten sich geschickt und ihr gemurmeltes Mantra erweckte die Kraft der Talismane. Aus jedem davon schoss ein Lichtstrahl zum Himmel, bis dass die sechs von einer Säule aus Licht geschützt wurden. Die schwarzen Blitze zuckten nach dem Licht, aber sie kamen nicht hindurch.
"Es ist an der Zeit", sagte Michiru grimmig und zog ihren Stab. Auf dieses Signal hatten die anderen gewartet. Vorbei war die Zeit der Täuschung und der Verkleidung. Der Kampf begann.
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Auf Crystallion....
Captain Dregod wälzte sich mühsam aus dem Bett. Die Ärzte hatten ihm zwar geraten, noch ein paar Tage auszuruhen, aber das Turnier war nicht mehr weit und er wollte wiederum als Champion der Kaiserin auftreten.
Irgendwie waren seine Knochen rascher wieder verheilt, als es zu erwarten gewesen war. Offenbar hatte die Kaiserin etwas mitgeholfen. Die Kaiserin ... Dregod hielt inne und seufzte. Sie war ab und zu hier gewesen, dann wenn sie wohl gedacht hatte, dass er schlief. Er kannte ihre leisen Schritte nur zu gut, das Rascheln ihrer Robe. Wiederum seufzte er und langte nach seinen Stiefeln. Es war gefährlich, zuviel in ihren Besuchen zu sehen. Immerhin hatte er sich als absolut treu erwiesen, seine Pflicht getan und sie zählte auf ihn. Das hatten ihm auch die Ärzte gesagt und daher alles getan, um ihn rascher zusammenzuflicken, als je einen Patienten zuvor.
"Wie ich sehe, geht es euch schon wieder besser, Captain."
Dregod zuckte zusammen und schnaubte. "Lady Esmena, es wäre nett, wenn ihr euch nicht immer so lautlos anschleichen würdet. Meine Nerven sind noch nicht so gut wie zuvor."
Die grau gekleidete Frau neigte den Kopf zur Entschuldigung. "Ich wollte euch nur davon in Kenntnis setzen, dass Ihre Kaiserliche Hoheit die Vernichtung des Azur Clans bis nach dem Turnier verschoben hat. Allerdings hat sie ein neues Gesetz erlassen, nachdem jeder Clan, der keinen Kämpfer für das Turnier stellt, automatisch verloren hat und den Kristall aushändigen muss."
Mit zusammengebissenen Zähnen schlüpfte Dregod in seine Stiefel. Noch immer schmerzten ihn seine Rippen und sein Kreuz bei heftigen Bewegungen. "Wie ich das sehe, hat der Azur Clan aber keinen Champion und ist damit schon so gut wie aufgelöst", murmelte er halblaut. "Ein Problem weniger."
"Das wird sich erst zeigen", sagte Esmena unbewegt. "Die Frist für die Nennung der Champions und für die Zulassungskämpfe läuft erst in einer Woche aus. Auch Ihr werdet daran teilnehmen müssen."
"Keine Sorge", sagte Dregod betont gelassen und knöpfte seine Uniform zu. "Bis dahin bin ich so gut wie neu, das haben mir die Ärzte versprochen."
"Ihre Kaiserliche Hoheit verlässt sich darauf. Für den Fall, dass die Ärzte sich geirrt haben, wer wäre in Euren Augen ein würdiger Vertreter?"
Allein der Gedanke, dass ein anderer die Farbe der Kaiserin in der Arena vertreten würde, vielleicht sogar gewann und ihre Dankbarkeit erntete, ließ sein Blut gefrieren. "Ich darf nicht an mich denken", ging es ihm durch den Kopf und er räusperte sich. "Oberst Gennad hat sich im Kampf bewährt. Er ist zwar noch ziemlich jung, aber sein Gespür und seine Reaktionsgeschwindigkeit sind beachtlich."
"Eine gute Wahl!", stimmte ihm Esmena zu. In ihren sonst emotionslos leeren Augen schimmerte ein Hauch von Respekt. "Ich werde Euren Vorschlag an Ihre Kaiserliche Hoheit weiter leiten."
Ohne ein weiteres Wort verneigte sie sich und verschwand so lautlos wie sie gekommen war.
Dregod atmete tief durch. Sein Blick schweifte zum Portrait der Kaiserin, das über seinem Bett hing (in jedem Raum des Palastes hing ein Portrait von ihr - eine ihrer Methoden, allen verstehen zu geben, dass sie immer und überall sei und alles wisse). Das Gesicht strahlte eine erhabene Schönheit aus, die jeden, der es zu lange betrachtete, dazu zwang, sich tief zu verneigen. Doch Dregod stand schon zu lange in den Diensten der Kaiserin, um sich von einem Bild von ihr beeinflussen zu lassen. In Gedanken sah er das Original vor sich, wie sie sich besorgt über ihn beugte, er spürte den sanften Druck ihrer Hand auf seiner Stirn. Unwillig schüttelte er den Kopf. Das waren gefährliche Gedanken, er war nur ein Soldat, ein guter zwar, aber dennoch niemand, der auf diese Art und Weise an seine Kaiserin denken sollte. Entschlossen verdrängte er diese Gefühle für die Kaiserin, nein, für das junge Mädchen mit den leuchtenden Augen, das er einen kostbaren Moment hatte sehen dürfen, jenes ich der Kaiserin, das wohl sonst niemand kannte....
Es klopfte an die Türe. "Seid ihr bereit für ein leichtes Training, Captain?", tönte Oberst Gennads Stimme herein.
"Natürlich, Oberst. Ich komme." Betont forsch schritt Dregod zur Türe und riss sie schwungvoll auf. Oberst Gennad verbeugte sich respektvoll.
Als sie nebeneinander durch die langen Gänge liefen, sagte Dregod fest:"Ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir, wenn ich wieder zu meiner alten Form finden will. Wie ich hörte, wollen sich auch ein paar Großmäuler aus den Schatten im Turnier zeigen, falls ihr sogenannter Hüter darunter ist, wird das die Gelegenheit ihn für alles bluten zu lassen."
"Darauf freuen wir uns alle", stimmte ihm Gennad zu und beide lachten.
+++++++++++++ Das erste, was Endymion sah, als er die Augen aufschlug, war ChibiChibis besorgtes Gesicht, das sich zu ihm herabbeugte. Ihre kleine Hand streichelte seine Stirn. "ChibiChibi", sagte sie sichtlich erleichtert.
Endymion lächelte und versuchte, sich aufzurichten. Es ging. Zwar fühlte er sich noch immer etwas schlapp und erschöpft, aber er konnte aufsitzen und sich umschauen. Der Raum, in dem er auf einer dünnen Matratze lag, war etwas größer als jener, den man ihm zuvor zugewiesen hatte.
Lachend schlang ChibiChibi ihm die Arme um den Hals und brachte ihren Mund ganz nah zu seinem Ohr. "Du hast allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt", flüsterte sie. "Sei das nächste Mal vorsichtiger."
Er drückte ihren kleinen Körper an sich und streichelte ihre roten Haare. "Ich werde es versuchen", flüsterte er zurück.
In diesem Augenblick ging die Schiebetür auf und Beata trat ein. Die dunklen Schatten um ihre Augen waren fast verschwunden und ihr Lächeln schien von Herzen zu kommen. In den Händen trug sie ein Tablett mit einer angeschlagenen Schüssel, aus der es verführerisch roch. Vor allem, wenn man seit weiß der Himmel wie lange nichts mehr Ordentliches gegessen hat. Sogleich meldete sich Endymions Magen lautstark und der Exkönig errötete verlegen. Beata lachte.
"Wenn Ihr schon wieder Hunger habt, dann geht es Euch wieder gut", sagte sie und stellte das Tablett auf den leicht schiefen Tisch neben dem Eingang. "Wir beide, Ghero und ich müssen euch von Herzen danken. Unsere Kleine springt schon wieder herum, als wäre der Biss nie geschehen. Könnt ihr euch hierher setzen, um zu essen?"
"Ich werde es auf jeden Fall versuchen", sagte Endymion. "Es freut mich, dass es dem Mädchen wieder gut geht."
Mit einiger Anstrengung erhob er sich und stakste leicht unsicher zum Tisch. Der wackelige Stuhl daneben war ihm sehr willkommen. Entschlossen griff er nach dem Löffel und kostete von der dampfenden Suppe. Sie schmeckte gut, sogar ausgezeichnet. Ehe er sich versah, war die Schüssel leer. In seinem Magen breitete sich wohlige Wärme aus, sogleich fühlte er sich wieder müde und schwer und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
"Ihr solltet noch ein paar Stunden schlafen", sagte Beata. "Ghero und Tarmin sind im Moment nicht da, sie kundschaften, welchen Streich die Kaiserin wohl als nächstes plant. So wie es aussieht, hat Lady Omnia es auch mit ihrem Opfer nicht geschafft, der Hexe vom Ammethystclan ernsthaft zu schaden. Aber wenigstens ihren schärfsten Wachhund, Dregod, konnte sie für eine Weile ausschalten. Dennoch bestehen kaum Zweifel, dass er am Turnier teilnehmen wird."
"Was ist das für ein Turnier?"
Sie sah ihn verwundert an. "Ich dachte auf der ganzen Welt spricht man davon ... Ihr müsst wirklich von weiter her sein, als wir gedacht haben." Sie schüttelte den Kopf, fuhr dann aber bereitwillig fort: "Alle drei Jahre findet hier in der Stadt ein Wettkampf statt, bei dem sich die Clans messen. Dieser Wettstreit ist schon sehr alt und es gab ihn schon vor der Errichtung der Barriere."
"Die Barriere, wie kam es dazu?", hakte Endymion rasch nach.
"Hat euch denn kein Vater, Großvater oder Urgroßvater davon erzählt?", fragte sie . "Zwar ist es schon eine Weile her, aber ... Na gut, wenn ihr es nicht wisst, dann muss ich ganz von vorne beginnen." Ende des achten Kapitels
In Kristalltokio
"Alles klar?", flüsterte Ami aufgeregt.
Michiru und Rei nickten stumm. Die drei befanden sich mitten unter der Menschenmenge, die sich um das große Podest scharte, wo die Befragung der Delinquenten demnächst stattfinden sollte. Sie kamen sich ein wenig seltsam vor, so als Zivilpersonen, denn immerhin war es Jahre her, dass sie zum letzen Mal in dieser Gestalt herum gelaufen waren. Zur zusätzlichen Tarnung hatte Ami ihre blauschwarzen Haare mit blonden Strähnen aufgepeppt und trug ein schreiendes Make-up was gut zu ihrem kirschroten Minirock und der knallgelben Bluse passte. Man sah ihr nicht an, wie ungemütlich sie sich in dieser Aufmachung (sie war SailorPallas Werk) fühlte.
Neptun wiederum hatte ihr Haar mit grauen Strähnen versehen und zu einem Knoten hochgebunden und trug zudem eine Brille. In dem grauen Kostüm wirkte sie wie eine Sekretärin.
Rei wiederum hatte ihre langen Haare in zahllose Zöpfchen geflochten, die von einem Band zusammengehalten wurden. Sie trug ein loses Kleid, das ihr zwei Nummern zu groß war und hatte mit etwas Make-up die Spuren vergangener Jahre um ihre Mundwinkel und Augen getilgt. Nun wirkte sie wieder wie ein Teenager.
So verkleidet hatten sie sich seit Beginn der Versammlung unauffällig von drei verschiedenen Richtungen her an die Plattform heran geschoben, oder besser gesagt, heran schieben lassen. Obwohl damals bei der offiziellen Thronbesteigung von Serenity alle Zivilidentitäten ans Tageslicht gekommen waren, kannten die Bürger diese nur vom Namen her und konnten sie nicht mit Gesichtern in Zusammenhang bringen. Die Senshi waren immer nur die Senshi, erkennbar an ihren Kostümen, Namen und Waffen. Die drei hier waren weder aufregend noch auffällig und kein einziger hatte ihnen einen misstrauischen Blick zugeworfen.
Luna, Diana und Artemis - sie hatten mittlerweile ihre Verwandlung aufheben lassen, war es gelungen, sich in das Gefängnis zu schleichen, und in Erfahrung zu bringen, wann der große Auftritt stattfinden sollte. Leider hatten sie es nicht geschafft, mit den Gefangenen Kontakt aufzunehmen.
"Wann geht es endlich los!", rief eine Frauenstimme aus der Menge.
Ami wandte den Kopf und sah SailorPallas, nun wieder als PallaPalla auf der anderen Seite der Tribüne winken. Sie hatte sich ebenfalls in Zivilklamotten geworfen und ihre auffälligen blauen Haare unter einer schwarzen Schildkappe versteckt. In Jeans und Pullover wirkte sie wie jeder andere Teenager in der Menge.
Rei sah sich ebenfalls um und entdeckte nach einigem Suchen und Raten auch die anderen drei Asteroidsenshi. Sie standen nicht zusammen wie Ami, Rei und Michiru, sondern locker in der Menge verstreut.
Michiru suchte den Blickkontakt zu VesVes und neigte langsam den Kopf. VesVes lächelte zur Antwort und hob unauffällig ihren Kommunikator an die Lippen.
Kurz darauf ließ sich erstmals der Bürgermeister blicken. Siegessicher lächelnd marschierte er auf das Podest, wo neben einigen Sesseln auch ein Rednerpult stand. Er trat an das Mikrofon und räusperte sich.
"He Alter! Wir wollen keine lange Rede, wir wollen Aktion!!!", brüllte VesVes von den hinteren Rängen.
"Jaaa!!" stimmte ihr JunJun von der anderen Seite zu. "Los, zeig uns die Verbrecher!"
Die Menge ließ sich nur zu gern anstacheln. Andere stimmten in die Rufe mit ein und nach zahlreichen vergeblichen Bitten um Ruhe, packte der Bürgermeister schließlich genervt seine Rede wieder ein, was die Menge mit großen Applaus würdigte.
"Dann werden wir euch nun das zeigen, weswegen ihr gekommen seid", sagte der Bürgermeister nach einigen auffälligen Räuspern.
Er winkte der Polizei und diese zerrten die vier Schwestern, sowie Safir und Rubeus auf die Tribüne.
"Viele von euch erinnern sich noch an die schreckliche Zeit, als die Familie dieser vier heute angeblich friedlich unter uns lebenden Menschen alles ringsum in Schutt und Asche legte."
"Die Senshi haben uns beschützt!", rief JunJun von hinten.
"Yeah! Wenn die da echt mächtig böse wären, würden sie sich nicht so rumschubsen lassen!", tönte VesVes.
"So eine lahme Show! Ich will Action sehen, einen Kampf! Echte Bösewichte!", brüllte nun PallaPalla.
Sie hatten offenbar den Nerv getroffen, denn mehr und mehr Menschen stimmten in die Unmutsrufe ein.
"Die Mädchen kenne ich!", rief eine dicke Frau von weiter vorne. "Die haben einen Kosmetikladen und mich immer freundlich bedient. Was haben die mit den Angriffen von damals zu schaffen?"
Offenbar hatten die vier Schwestern eine Reihe zufriedener Kunden, die sich in der Menge nun bemerkbar machten.
"Der mit den roten Haaren und der blaue sind doch diese Tüftler, die fast alles reparieren, was man ihnen bringt", klang die Stimme eines Mannes von ganz hinten.
"Ja, ich kenne sie auch. Sie haben meinen Rasenmäher geflickt, und der läuft wie neu."
Der Bürgermeister knirschte mit den Zähnen. Irgendwie lief die Show nicht nach seinen Wünschen. Er griff in seine Aktentasche und zog das Buch heraus, das er am Vorabend aus seinem Versteck geholt hatte. Allein die Berührung mit dem uralten Wälzer erfüllte ihn mit neuer Kraft. Macht knisterte aus den Seiten den Buches, schwarze Funken tanzten daraus hervor, erfüllten seine Seele, der letzte Rest von Mensch, der noch in ihm war, erlosch und seine Augen begannen drohend zu glühen.
Rei stellten sich die Nackenhaare auf und sie tastete in ihrem Kleid nach ihren Talismanen. Zu spät.
Mit einem Wutschrei hob der Bürgermeister das Buch empor und die Schwarze Macht daraus entlud sich in Blitzen aus tiefer Dunkelheit, die Menschen verstummten, als die Welle des Hasses über sie hinweg spülte.
Safir sah es, riss sich von den Polizisten los und stellte sich schützend vor Petzite. Rubeus tat es ihm gleich und zu zweit bildeten ein Schild vor den vier Schwestern. Auch die Senshi spürten die schreckliche Macht des Buches, doch ihre Verwandlungsstäbe, die sich mit sich führten, leuchteten auf und um jede Kriegerin herum entstand eine Sphäre aus schützender Energie. Dies blieb dem Bürgermeister nicht verborgen. Er lachte grausam und zeigte auf die schimmernden Kugeln. "Da sind sie, die Senshi! Versteckt, verkleidet, um euch zu hintergehen, um euch zu täuschen! Falsch, verlogen! Vernichtet sie!"
Jene Menschen, welche dem Buch am nächsten standen, waren wie willige Sklaven, gleich bereit, der Stimme der Macht zu gehorchen. Einzig die vier Schwestern, Rubeus und Safir, hielten sich noch. Rei drängte sich zu ihnen vor, zog ihre Talismane und schleuderte sie geschickt so, dass die Papierstreifen einen Kreis um die sechs bildeten. "Rührt euch nicht von der Stelle!", rief sie ihnen zu. Ihre Hände bewegten sich geschickt und ihr gemurmeltes Mantra erweckte die Kraft der Talismane. Aus jedem davon schoss ein Lichtstrahl zum Himmel, bis dass die sechs von einer Säule aus Licht geschützt wurden. Die schwarzen Blitze zuckten nach dem Licht, aber sie kamen nicht hindurch.
"Es ist an der Zeit", sagte Michiru grimmig und zog ihren Stab. Auf dieses Signal hatten die anderen gewartet. Vorbei war die Zeit der Täuschung und der Verkleidung. Der Kampf begann.
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Auf Crystallion....
Captain Dregod wälzte sich mühsam aus dem Bett. Die Ärzte hatten ihm zwar geraten, noch ein paar Tage auszuruhen, aber das Turnier war nicht mehr weit und er wollte wiederum als Champion der Kaiserin auftreten.
Irgendwie waren seine Knochen rascher wieder verheilt, als es zu erwarten gewesen war. Offenbar hatte die Kaiserin etwas mitgeholfen. Die Kaiserin ... Dregod hielt inne und seufzte. Sie war ab und zu hier gewesen, dann wenn sie wohl gedacht hatte, dass er schlief. Er kannte ihre leisen Schritte nur zu gut, das Rascheln ihrer Robe. Wiederum seufzte er und langte nach seinen Stiefeln. Es war gefährlich, zuviel in ihren Besuchen zu sehen. Immerhin hatte er sich als absolut treu erwiesen, seine Pflicht getan und sie zählte auf ihn. Das hatten ihm auch die Ärzte gesagt und daher alles getan, um ihn rascher zusammenzuflicken, als je einen Patienten zuvor.
"Wie ich sehe, geht es euch schon wieder besser, Captain."
Dregod zuckte zusammen und schnaubte. "Lady Esmena, es wäre nett, wenn ihr euch nicht immer so lautlos anschleichen würdet. Meine Nerven sind noch nicht so gut wie zuvor."
Die grau gekleidete Frau neigte den Kopf zur Entschuldigung. "Ich wollte euch nur davon in Kenntnis setzen, dass Ihre Kaiserliche Hoheit die Vernichtung des Azur Clans bis nach dem Turnier verschoben hat. Allerdings hat sie ein neues Gesetz erlassen, nachdem jeder Clan, der keinen Kämpfer für das Turnier stellt, automatisch verloren hat und den Kristall aushändigen muss."
Mit zusammengebissenen Zähnen schlüpfte Dregod in seine Stiefel. Noch immer schmerzten ihn seine Rippen und sein Kreuz bei heftigen Bewegungen. "Wie ich das sehe, hat der Azur Clan aber keinen Champion und ist damit schon so gut wie aufgelöst", murmelte er halblaut. "Ein Problem weniger."
"Das wird sich erst zeigen", sagte Esmena unbewegt. "Die Frist für die Nennung der Champions und für die Zulassungskämpfe läuft erst in einer Woche aus. Auch Ihr werdet daran teilnehmen müssen."
"Keine Sorge", sagte Dregod betont gelassen und knöpfte seine Uniform zu. "Bis dahin bin ich so gut wie neu, das haben mir die Ärzte versprochen."
"Ihre Kaiserliche Hoheit verlässt sich darauf. Für den Fall, dass die Ärzte sich geirrt haben, wer wäre in Euren Augen ein würdiger Vertreter?"
Allein der Gedanke, dass ein anderer die Farbe der Kaiserin in der Arena vertreten würde, vielleicht sogar gewann und ihre Dankbarkeit erntete, ließ sein Blut gefrieren. "Ich darf nicht an mich denken", ging es ihm durch den Kopf und er räusperte sich. "Oberst Gennad hat sich im Kampf bewährt. Er ist zwar noch ziemlich jung, aber sein Gespür und seine Reaktionsgeschwindigkeit sind beachtlich."
"Eine gute Wahl!", stimmte ihm Esmena zu. In ihren sonst emotionslos leeren Augen schimmerte ein Hauch von Respekt. "Ich werde Euren Vorschlag an Ihre Kaiserliche Hoheit weiter leiten."
Ohne ein weiteres Wort verneigte sie sich und verschwand so lautlos wie sie gekommen war.
Dregod atmete tief durch. Sein Blick schweifte zum Portrait der Kaiserin, das über seinem Bett hing (in jedem Raum des Palastes hing ein Portrait von ihr - eine ihrer Methoden, allen verstehen zu geben, dass sie immer und überall sei und alles wisse). Das Gesicht strahlte eine erhabene Schönheit aus, die jeden, der es zu lange betrachtete, dazu zwang, sich tief zu verneigen. Doch Dregod stand schon zu lange in den Diensten der Kaiserin, um sich von einem Bild von ihr beeinflussen zu lassen. In Gedanken sah er das Original vor sich, wie sie sich besorgt über ihn beugte, er spürte den sanften Druck ihrer Hand auf seiner Stirn. Unwillig schüttelte er den Kopf. Das waren gefährliche Gedanken, er war nur ein Soldat, ein guter zwar, aber dennoch niemand, der auf diese Art und Weise an seine Kaiserin denken sollte. Entschlossen verdrängte er diese Gefühle für die Kaiserin, nein, für das junge Mädchen mit den leuchtenden Augen, das er einen kostbaren Moment hatte sehen dürfen, jenes ich der Kaiserin, das wohl sonst niemand kannte....
Es klopfte an die Türe. "Seid ihr bereit für ein leichtes Training, Captain?", tönte Oberst Gennads Stimme herein.
"Natürlich, Oberst. Ich komme." Betont forsch schritt Dregod zur Türe und riss sie schwungvoll auf. Oberst Gennad verbeugte sich respektvoll.
Als sie nebeneinander durch die langen Gänge liefen, sagte Dregod fest:"Ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir, wenn ich wieder zu meiner alten Form finden will. Wie ich hörte, wollen sich auch ein paar Großmäuler aus den Schatten im Turnier zeigen, falls ihr sogenannter Hüter darunter ist, wird das die Gelegenheit ihn für alles bluten zu lassen."
"Darauf freuen wir uns alle", stimmte ihm Gennad zu und beide lachten.
+++++++++++++ Das erste, was Endymion sah, als er die Augen aufschlug, war ChibiChibis besorgtes Gesicht, das sich zu ihm herabbeugte. Ihre kleine Hand streichelte seine Stirn. "ChibiChibi", sagte sie sichtlich erleichtert.
Endymion lächelte und versuchte, sich aufzurichten. Es ging. Zwar fühlte er sich noch immer etwas schlapp und erschöpft, aber er konnte aufsitzen und sich umschauen. Der Raum, in dem er auf einer dünnen Matratze lag, war etwas größer als jener, den man ihm zuvor zugewiesen hatte.
Lachend schlang ChibiChibi ihm die Arme um den Hals und brachte ihren Mund ganz nah zu seinem Ohr. "Du hast allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt", flüsterte sie. "Sei das nächste Mal vorsichtiger."
Er drückte ihren kleinen Körper an sich und streichelte ihre roten Haare. "Ich werde es versuchen", flüsterte er zurück.
In diesem Augenblick ging die Schiebetür auf und Beata trat ein. Die dunklen Schatten um ihre Augen waren fast verschwunden und ihr Lächeln schien von Herzen zu kommen. In den Händen trug sie ein Tablett mit einer angeschlagenen Schüssel, aus der es verführerisch roch. Vor allem, wenn man seit weiß der Himmel wie lange nichts mehr Ordentliches gegessen hat. Sogleich meldete sich Endymions Magen lautstark und der Exkönig errötete verlegen. Beata lachte.
"Wenn Ihr schon wieder Hunger habt, dann geht es Euch wieder gut", sagte sie und stellte das Tablett auf den leicht schiefen Tisch neben dem Eingang. "Wir beide, Ghero und ich müssen euch von Herzen danken. Unsere Kleine springt schon wieder herum, als wäre der Biss nie geschehen. Könnt ihr euch hierher setzen, um zu essen?"
"Ich werde es auf jeden Fall versuchen", sagte Endymion. "Es freut mich, dass es dem Mädchen wieder gut geht."
Mit einiger Anstrengung erhob er sich und stakste leicht unsicher zum Tisch. Der wackelige Stuhl daneben war ihm sehr willkommen. Entschlossen griff er nach dem Löffel und kostete von der dampfenden Suppe. Sie schmeckte gut, sogar ausgezeichnet. Ehe er sich versah, war die Schüssel leer. In seinem Magen breitete sich wohlige Wärme aus, sogleich fühlte er sich wieder müde und schwer und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
"Ihr solltet noch ein paar Stunden schlafen", sagte Beata. "Ghero und Tarmin sind im Moment nicht da, sie kundschaften, welchen Streich die Kaiserin wohl als nächstes plant. So wie es aussieht, hat Lady Omnia es auch mit ihrem Opfer nicht geschafft, der Hexe vom Ammethystclan ernsthaft zu schaden. Aber wenigstens ihren schärfsten Wachhund, Dregod, konnte sie für eine Weile ausschalten. Dennoch bestehen kaum Zweifel, dass er am Turnier teilnehmen wird."
"Was ist das für ein Turnier?"
Sie sah ihn verwundert an. "Ich dachte auf der ganzen Welt spricht man davon ... Ihr müsst wirklich von weiter her sein, als wir gedacht haben." Sie schüttelte den Kopf, fuhr dann aber bereitwillig fort: "Alle drei Jahre findet hier in der Stadt ein Wettkampf statt, bei dem sich die Clans messen. Dieser Wettstreit ist schon sehr alt und es gab ihn schon vor der Errichtung der Barriere."
"Die Barriere, wie kam es dazu?", hakte Endymion rasch nach.
"Hat euch denn kein Vater, Großvater oder Urgroßvater davon erzählt?", fragte sie . "Zwar ist es schon eine Weile her, aber ... Na gut, wenn ihr es nicht wisst, dann muss ich ganz von vorne beginnen." Ende des achten Kapitels
