Teil 9: Die Legende der Kristalle

"Diese Welt ist eine der ältesten im ganzen Universum. An der Stelle wo jetzt der Ammethystpalast steht, wuchs einst ein heilige Wald, in dessen Mitte eine ganz besondere Quelle sprudelte, die Quelle der Kristalle. Vor Urzeiten hatten die herausragendsten weiblichen Mitglieder einer jeder großen Familie diese Quelle besucht und waren von ihr mit einem Kristall beschenkt worden, dessen Farbe sie in ihren Clannamen ehrten. Wie das damals vor sich ging und warum die Quelle die Kristalle vergab, das weiß heute niemand mehr. Jedenfalls erwiesen sich die Kristalle als sehr mächtig und die Clans unter ihrem Schutz übernahmen nach und nach die Macht auf Crystallion.

Es gab nie sehr viele Menschen hier und um sich gegen die Natur zu behaupten, mussten sowohl die Kristalle als auch die Fähigkeiten der Menschen eines jeden Clans eingesetzt werden. Um diese Fähigkeiten auch in ruhigen Zeiten zu trainieren, wurden die Turniere gegründet. Die besten Kämpfer und Kämpferinnen eines jeden Clans rangen in freundschaftlichem Wettstreit miteinander und es gab Preise für die Sieger, aber niemals Strafen und Hohn für die Besiegten. Die Quelle der Kristalle selbst verschwand eines Tages plötzlich, dennoch nahm das niemand für ein Warnzeichen, denn es gab mittlerweile genug Kristalle um mit allen Naturkatastrophen fertig zu werden. An der Stelle, wo die Quelle einst gewesen war, wurde in einer Grotte ein Schrein zum Gedenken an sie errichtet.

Es hätte weiterhin ein friedliches Leben sein können, doch eine Clanfürstin, die Mutter der jetzigen Kaiserin, besaß die Gabe der Weissagung und auch wenn diese nicht so ganz zuverlässig war, wurde ihr von den anderen Clans großer Respekt entgegen gebracht. Dieser stieg ihr leider zu Kopf und sie wurde immer hochnäsiger und herrischer, und brachte vor allem Serenity, die junge Fürstin des SilberClans gegen sich auf. Bei einem Treffen aller Clanfürsten und Clanfürstinnen offenbarte Ammetia eines Tages völlig verstört, dass es in der Zukunft eine schreckliche Katastrophe geben würde, die niemand abwenden kann und nur die Kraft aller Kristalle zusammen könnte den Planeten vor seiner Zerstörung bewahren, indem sie gemeinsam ein Schild errichteten, das Crystallion gegen alles Fremde von außen schützt.

Serenity bohrte damals sehr genau nach und wie Ammetia zugeben musste, waren es noch viele Jahrtausende bis zur Katastrophe, doch sie beharrte darauf, dass die Barriere jetzt errichtet werden musste, und zudem sollte Crystallion in einen anderen Zeitstrom hinein versetzt werden, damit die Barriere noch stand, und die Kristalle frisch und stark waren. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die Kristalle durch übermäßige Benutzung auch spröde werden und brechen konnten. Zwei Clans hatten auf diese Weise ihre Fürstinnen und deren Kristalle verloren und ohne Quelle konnte es keine neuen geben.

So gesehen klang Ammetias Vorschlag sehr vernünftig, aber Serenity dachte weiter und schlug vor, dass es einen Weg geben müsste, die Kraft der Kristalle mit jener von besonderen Himmelskörpern (ob Sonnen, Planeten oder Monden) zu verbinden, wodurch die Kristalle den Geist dieser Himmelskörper aufnehmen und dadurch stärker werden konnten, stark genug, um die Katastrophe in ferner Zukunft vielleicht doch abzuwehren und so nicht nur Crystallion sondern auch alle anderen Planeten, welche zu dieser Zeit Leben trugen oder einmal tragen könnten, zu schützen.

Dieser Plan war sehr waghalsig und fand leider wenig Zustimmung, vor allem da er die Clans ja von Crystallion fort, in die Ferne zu den ausgewählten Himmelskörpern getrieben hätte und dazu fehlte den meisten Fürsten und Fürstinnen der Mut.

Sich ihrer Sache sehr sicher forderte Ammetia Serenity auf, das nächste Turnier selbst zu bestreiten, und gegen sie anzutreten. Dann würde sich zeigen, welche von ihnen sich besser auf die Macht der Kristalle verstand. Serenity willigte ein, um vielleicht doch noch die eine oder andere Fürstin zu überzeugen. Ammetia kämpfte sehr verbissen, aber Serenity war einfach klüger und ihr Kristall mächtiger, sie zwang Ammetia beim Turnier in die Knie, was diese vor Zorn und Frust in einen Tobsuchtsanfall trieb. Trotzdem waren die anderen Fürsten und Fürstinnen unentschlossen. Enttäuscht beschloss Serenity, mit guten Beispiel voran zu gehen und zumindest mit einem Teil ihres Clans einen ausgewählten Himmelskörper, einen unbedeutenden Mond am Rande der Galaxie zu besiedeln.

Der andere Teil des Clans sollte ihr folgen, sobald sie den Mond bewohnbar gemacht und der Geist desselben den Silberkristall akzeptiert hatte.

Doch es kam ganz anders. Kaum waren Serenity und ihr halber Clan fort, da erschien die zuvor besiegte Ammetia auf der Bildfläche, irgendetwas hatte sie mit dem Ammethyst-Kristall gemacht, er war doppelt so groß wie zuvor und sie selbst schien ebenfalls verwandelt. Ihr Gatte war spurlos verschwunden und es ging das Gerücht um, dass er lieber Serenity gefolgt sei, als bei seiner herrischen Fürstin zu bleiben, obwohl sie bereits eine kleine Tochter hatten. Die Niederlage, der Verlust des Mannes, das alles hatte die negativen Seiten von Ammetias Persönlichkeit verstärkt. Was immer sie auch mit dem Ammethyst-Kristall gemacht hatte, sein Licht wirkte auf die anderen Fürsten und Fürstinnen wie eine Hypnose. Ohne Widerstand stimmten sie dafür, Ammetia als Kaiserin zu verehren, sie nahmen die neuen Turnierregeln an, wonach der Clan, der im Finale verliert, seinen Kristall dem Sieger überlassen muss und vor allem errichteten sie gemeinsam jene Barriere, gegen die sich Serenity so gesträubt hatte.

Crystallion wurde aus dem Raum-Zeit Gefüge gerissen und dieser Schock setzte den meisten Fürsten und Fürstinnen so sehr zu, dass sie aus der Beeinflussung durch den Kristall befreit wurden und erkannten, welchen Fehler sie gemacht hatten. Aber dazu war es zu spät, da sie bei der Errichtung der Barriere benebelt gewesen waren und blind Ammetias Anweisungen befolgt hatten, wusste niemand wie sie die Barriere ohne Ammetias Mithilfe wieder außer Kraft setzen konnten.

Serenity kam zurück, um die andere Hälfte des Clans zu holen, aber Ammetia hatte diesen bereits als aufgelöst erklärt und eine eigene Polizeitruppe aufgestellt, welche Mitglieder des SilberClans zusammentrieben wie Schafe und dann mit der unheimlichen Macht des Ammethyst-Kristalls töteten.

Serenity erreichte die Barriere, aber sie wusste, dass wenn sie erst einmal hier drin war, auf dem Mond Jahre, wenn nicht Jahrhunderte verstreichen würden, ehe sie sich aus dem Zeitstrom Crystallions wieder befreien würde können. So lange konnten die Clanmitglieder auf dem Mond nicht ohne die Kraft des Silberkristalls überleben.

Es war eine sehr harte Entscheidung, aber es war die einzig richtige. Serenity nahm mit dem ersten Clankrieger Kontakt auf und versprach ihm, dass eine ihrer Nachfahrinnen kommen werde, um die Barriere zu brechen, sobald der Kristall stark genug dafür sei, zudem übertrug sie einen Bruchteil der Kristallmacht auf den Krieger, als vererbbares Talent, das ihm helfen sollte, den Rest des Clans im Verborgenen zu beschützen.

Jene Mitglieder des Silber Clans, die auf Crystallion zurückbleiben mussten, vertrauten auf die Worte ihrer Fürstin und zogen sich in die dunkelsten Winkel der Stadt zurück, jenen Bereich, den man die Schatten nennt... von hier aus versuchen sie immer noch, die Pläne der Kaiserin so gut zu vereiteln wie sie es vermögen ..."

Mit einem Ruck erhob sich Endymion. "In die Schatten ... soll das heißen, ihr seid...?"

"Genau", erklang es von der Türe her und Ghero, Vedran und Tarmin aufgetaucht waren. "Gut, dass es Euch wieder besser geht", sagte Ghero.

Tarmin stieß ihm mit dem Ellbogen in die Rippen und sein Vater gab sich einen Ruck. "Zudem muss ich mich entschuldigen, dass ich Euch für einen Spion der Kaiserin gehalten habe. Aber ... aber wenn man sein Leben lang auf der Flucht ist ...", seine Stimme versiegte und seine Schultern sanken herab.

Endymion neigte leicht den Kopf. "Schon gut, schließlich habt ihr ja keine Grund gehabt, mir blind zu vertrauen." Sein Blick wanderte zu Vedran. Dessen Gesicht war starr und seine Augen blickten immer noch misstrauisch. Endymion hielt seinen Blick fest auf sie gerichtet und nach einigen Atemzügen senkte Vedran verlegen den Blick für einen Atemzug, nur um gleich darauf wieder trotzig die Augen auf Endymion zu richten. "Warum hast du ihm das erzählt, Tante Beata?", fragte er rau. "Selbst wenn er kein Spion ist, unsere Vergangenheit geht nur uns etwas an."

"Da denke ich anders", widersprach Endymion ruhig. Er schob den Stuhl zurück und trat vor die drei Männer hin. "Wenn ihr der SilberClan seid, dann verbindet uns etwas ..."

"Und was könnte das sein?", fragte Tarmin verwirrt, "abgesehen davon, dass die Kaiserin vielleicht auch hinter Euch her sein wird, weil Ihr mir geholfen habt."

Endymion sah zu ChibiChibi, die sich an seinem Hosenbein festhielt. Er spürte denGriff ihrer kleinen, warmen Hand und die Ermutigung, die darin lag. Es wurde Zeit, das Versteckspiel zu beenden.

"Ich habe euch gegenüber doch meine verstorbene Frau erwähnt, oder?" Seine Kehle brannte bei dem Wort "verstorben" und die bleierne Schwere dieses Wortes legte sich erneut um sein Herz. Doch er biss die Zähne zusammen und gab sich einen Ruck. "In Wahrheit ist sie noch nicht so richtig tot, viel mehr liegt sie in einer Art Koma oder Scheintod, doch wir können sie nicht aufwecken, weil der Silberkristall zerbrochen ist .... Sie heißt Serenity. Neo Königin Serenity, die Herrscherin über Kristall Tokio und ist Erbin des Silberjahrtausends und des Mondreiches."

Einen Augenblick lang war es totenstill.

"Unsere Serenity ... ist tot ...?", kam es flüsternd von Beata.

"Das schon lange", sagte Endymion und kämpfte wieder gegen die Leere in seinem Herzen an.

"Meine Serenity ist ihre Nachfahrin, im normalen Zeitstrom der Galaxis sind seit der Errichtung eurer Barriere tausende Jahre verstrichen ..."

"Die Katastrophe...?", fragte Ghero drängend.

"Die fand vor kurzem statt und Serenity hat sie aufgehalten, sie ganz allein zusammen mit dem Silberkristall und den vereinigten Kräften aller Planeten des Sonnensystems und einiger Asteroide. Dennoch war ein Kristall allein nicht stark genug ... er hat zwar gesiegt, aber er ist zerbrochen und seitdem liegt meine Serenity in einem totenähnlichen Schlaf. Ich bin hierher gekommen, um herauszufinden, ob man den Kristall vielleicht wieder zusammenfügen könnte ...."

Es dauerte eine Weile bis Ghero, Tarmin und Vedran begriffen, was er ihnen erklärte. Um bohrenden Fragen zuvor zu kommen, konzentrierte er sich auf die Mondkönigin und die Kraft des Mondes und tatsächlich leuchtete das Zeichen wieder auf ... das Symbol seiner Zugehörigkeit zur Königsfamilie des Mondes....

Ob es an der Ausstrahlung lag, die ihn in jenem Moment umgab? Wer weiß ... jedenfalls fielen alle vier, die drei Männer und Beata vor ihm auf die Knie und beugten demütig ihre Köpfe.

Ende des neunten Kapitels