Titel: Manath en egledhron uireb - Ewigwährend Autorin: PippinTuk (scullyphiley@gmx.de)

Anmerkungen: Alle Figuren, die euch bekannt vorkommen, gehören Tolkien. Ich entschuldige mich jetzt schon, wenn mir echt Patzer unterlaufen.....ja ich habe den Herrn der Ringe gelesen, 2mal, bin jetzt am Silmarillion und habe den höchsten Respekt vor Mr.Tolkien. Vielleicht denke ich ja genau deswegen, daß das was ich hier schreibe, irgendwie entehrend wäre....... ich hoffe, es wirkt nichts falsch oder gekünstelt, ich würde ich mich sehr über euer Feedback freuen.

Kapitel 2

Aragorn vermochte nicht zu leugnen, dass er sich sorgte. Er hatte nichts dagegen einzuwenden, dass Legolas sich um Arcariel kümmerte; die beiden schienen sich ob oder gerade wegen ihrer scharfen Wortwechsel sehr sympathisch zu sein. Trotzdem beunruhigte ihn etwas an der hektischen Art, in der Legolas Arcariel ins Freie gebracht hatte. Der Elb hatte eine schnelle Reaktion und einen wachen Verstand, doch solange Aragorn ihn kannte, hatte er nie etwas getan, das so spontan und gleichzeitig unüberlegt wirkte, denn der Sinn eines so hastigen Aufbruchs war Aragorn rätselhaft. Selbst wenn Legolas an Arcariel Gefallen als Frau gefunden hätte - was Aragorn ob seiner väterlichen Position sorgte - wäre das Verhalten seines alten Freundes gegenüber der Tochter des Königs und Gefährten viel höflicher gewesen. Obwohl - das musste Aragorn zugeben - es schwer sein konnte, sich Arcariel höflich gegenüber zu verhalten.

Er scheute sich davor, die Palastwachen nach Legolas, der nicht nur ein alter Freund sondern gleichzeitig Thranduils Sohn und der Kronprinz von Düsterwald war, ansetzen zu lassen, doch auch als er ein paar Schlucke Wein trank, löste sich der Knoten in seinem Magen nicht auf. Aragorn seufzte leise. Arcariel ließ ihm keine Ruhe, nicht eine Sekunde lang tat sie es, war das mentale Band zwischen Tochter und Vater doch fast so stark wie zwischen ihm und Undomíel. Er hätte gewusst, wenn sie sie in Gefahr wäre, das hätte er sicher.

Doch in seinem Bauch breitete sich plötzlich eine Leere aus, deren trügerische Ruhe ihn auf eine subtile, schleichende Art wachrüttelte. Die Gedanken kamen langsam.

Arcariel war nicht ruhig, sie strahlte selbst im Schlaf eine unbändige Energie an ihn aus und ließ ihm ob ihrer Verbindung selten emotionale Ruhe.

Keine Ruhe.......

"Aragorn?!" Er drehte sich aufgeschreckt um und blickte in das Gesicht von Arwen Undomíel, seiner Gattin. "Ich habe Nachricht von einem Boten aus Düsterwald!" Sie wirkte sehr aufgewühlt, was Aragorn um seine sonst so besonnene Gemahlin sorgen ließ.

"Was ist es?" fragte er.

"Legolas konnte heute nicht kommen. Thranduil meldet, er sei seit dreissig Tagen spurlos aus dem Rhovannion verschwunden."

Aragorns Augen weiteten sich vor verblüfftem Unverständnis und einem Keim einer furchtbaren Ahnung. "Verschwunden?" sagte er mit rauer Stimme.

"Ferner berichtet der Bote, daß Legolas' Pferd immer noch in den Ställen des Königs stünde. Thranduil sagt, sein ältester Sohn würde nicht freiwillig das Königreich ohne (Name des Pferdes) verlassen, erst recht nicht ohne Ankündigung."

Plötzlich bemerkte sie den versteinerten Ausdruck auf Aragorns Gesicht. Sie nahm es in ihre Hände und fragte besorgt: "Mein Gatte, was ist los mit dir?"

"Legolas war hier," sagte er kaum hörbar, doch Arwen' scharfe Ohren nahmen es auf, als hätte er es geschrien.

Sie blickte ihn mit Unverständnis und Erschrockenheit an. "Was sagst du......?"

"Und er hat Arcariel mitgenommen."

Arwen konnte gar nicht so schnell folgen, als ihr Mann, der König von Gondor, ruckartig aufsprang und in einem Augenblick den großen Festsaal auch schon verlassen hatte und mit wie gejagten Schritten in die stille Nacht des fünften Stadtringes von Minas Tirith eingetaucht war. Es war zu ruhig. Denn sie ließ ihm niemals Ruhe.

*

Es war kalt. Kalt und hart und ein strohiger Geruch stieg ihr in die Nase, als sie langsam aus der Trance, in die sie gefallen war erwachte. Ein merkwürdiges Gefühl von Surrealität erwachte in ihr. Arcariel öffnete die Augen und merkte, dass sie sich anscheinend in einem abgeschlossenen Raum befand. Nicht, dass sie Wände hätte erkennen können, aber die Luft roch muffig, dreckig und abgestanden. Von irgendwoher hörte sie dumpfe Geräusche, von denen sie aber nicht sagen könnte, ob sie lediglich Schritte, Geklapper oder gar der Klang von Stimmen waren.

Sie sah zuerst gar nichts, doch nach einigem Blinzeln merkte sie, dass durch ein paar Ritzen dieses Lochs flackerndes Licht drang, irgendwo da musste eine Tür sein. Es war rötlich wie von Flammen, schwarz sah sie Staubkörnchen durch die Luft tanzen. Und durch diese Wolke erspähte sie schemenhaft, dass etwas auf dem Boden lag..... die wagen Schemen einer Person.

Sie wollte näher rücken, erleichtert darüber, nicht ganz allein in dieser surrealen und völlig unbegreiflichen Situation zu sein - sie wusste nicht mal ansatzweise, sie hier hergelangt sein konnte. Doch es ging nicht.

Sie brauchte einige Sekunden, um zu merken, warum dies nicht möglich war und spürte dann mit schockierter Klarheit die Eisenringe um ihre Hände, die an dicken Ketten an der Steinmauer befestigt waren. Sie, Prinzessin von Gondor, Tochter von Elessar........

'Ganz egal, wer meine Vorfahren sind,' dachte sie halb panisch, halb rasend vor Wut. 'Ich bin Arcariel Silithamrun, eine Waldläuferin und Kriegerin, man kann mich doch nicht in Ketten.......'

Ob der Zwecklosigkeit ihrer Gedanken, die die Realität nicht ändern konnten, stieß sie einen verzweifelten, schrillen Schrei aus und zerrte mit aller Kraft ihres Zorns auf die gesichtlosen Peiniger an den Ketten. Die Schmerzen an ihren Handgelenken, wo das Metall in ihr Fleisch schnitt, ließen sie trotzig wimmern.

Doch auch wenn ihr Anfall von Befreiungsdrang und Hilflosigkeit sie nicht von dem eisernen Gefängnis befreit haben mochte, hatte sie doch ihren Mitgefangenen dazu gebracht sich zu rühren, der sich wohl erst jetzt der Anwesenheit von Arcariel bewusst geworden war.

"Das nützt nichts," hörte sie seine sanfte, aber irgendwie erschöpft wirkende Stimme. Vielleicht ließen ihn die dicken Wände und der Nebel von Staub in der Zelle auch nur matt klingen. "Es wird niemanden dazu bringen, euch zu befreien oder die Ketten dazu, zu verschwinden." Etwas an der Stimme kam Arcariel bekannt vor, und es verwirrte und erfreute sie, etwas Vertrautes unter soviel Fremden zu erspähen. Und doch fand sie es beunruhigend, woher sie die Stimme des Mannes kannte.

"Ich kann aber nicht anders, wenn ich eingesperrt bin," seufzte sie leise.

"So fühle ich auch, aber nach drei Tagen ohne Essen fällt mir selbst das Sprechen schwer. Obwohl nach drei Tagen Schweigen die Ruhe eine viel schwerwiegendere Last ist."

Er schien sich zu rühren und Arcariel beobachtete ihn. Seine zwar verdreckten und teils zerrissenen Kleider waren - soweit sie das in dem, dumpfen Zwielicht erkennen konnte - von edler Art und sein langes Haar fiel wirr über seine Schultern. Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, aber aus seinen Haaren blitzte etwas Spitzes heraus......

Arcariel atmete überrascht ein. "Ihr seid ein Elb?" fragte sie erstaunt. "Ja, und ich werde euch wohl enttäuschen müssen, aber anscheinend bin ich der einzige meiner Art hier. Außer......."

Er blickte auf und fahles Licht fiel auf sein ebenmäßiges Gesicht, das zum Teil von Blut und Schmutz bedeckt war. Arcariels Herz setzte einen Sprung aus und in den Tiefen ihres Denkens dämmerte der Schatten einer Erinnerung.

"Ihr seid ebenfalls eine Elbe!"

"Halbelbe," brachte Arcariel stockend heraus, "das solltet ihr eigentlich wissen.........Legolas Grünblatt."

**

Der gesamte Raum war in vollkommene Dunkelheit gehüllt. Nur in einer Ecke befand sich ein schwarzer, klobiger Kronleuchter, dessen dicke, alte Kerzen ein dumpforangenes Licht schufen, das die Gestalt, die in dieser Ecke auf einem großen Stuhl saß, schemenhaft erkennen ließ.

Ein lautes Knarren war zu hören, die dicke Eisentür des Zimmer wurde geöffnet, doch vom Flur her, der nur durch einige in dieser späten Stunde spärlich glimmende Fackeln, welche in die Seitenwände eingelassen waren, beleuchtet wurde, drang nur wenig Licht in den Raum.

"Ist sie bereit?" Eine breite, seltsam das Innere wie das Äußere beherrschende Stimme kam aus der Ecke des Zimmers. Sie klang lauter, als es die magere, kümmerliche Gestalt im Licht der Kerzen vermuten ließ.

"Ich glaube, der Zustand ist bald erreicht," antwortete der Besucher, dessen eigentlich volltönender Bariton geradezu kläglich und dünn gegen die Stimme des Anderen wirkte. "Jedoch," fügte er etwas zögerlicher hinzu," scheinen die Schmerzen ihr nichts auszumachen."

"Schmerzen, hah!" Als die Person von dem kerzenbeschienen Fleck aufstand und sich direkt vor ihren Redepartner stellte, wirkte sie mit einem Mal viel größer. Ob es mit dem einem Sonnenkranz gleichendem Kerzenlicht zusammenhing, das sie von hinten beschien oder nicht, auf jeden Fall schüchterte diese Tatsache und der verächtliche Klang in ihrer Stimme die Besucher immens ein. "Sie weiß nur noch nicht, was Schmerzen sind! Diese Lektion hat der große König Aragorn sie noch nicht gelehrt in ihrem kleinen behütetem Leben. Ich werde sie bald besuchen."

"Jawohl, Herr," sagte der Besucher und verneigte sich tief in erzwungener Ehrerbietung, was man ob der Dunkelheit kaum wahrnam. Ein zweiter Besucher fragte vorsichtig: "Und was ist mit dem Elben....... braucht ihr.........?"

"Narren!" Der Herr stieß das Wort mit einer solchen lauten Schärfe aus, dass der Zweite wie als hätte sein Körper einen anderem Herrn die Treue geschworen als sich selbst, sofort zu Boden ging.

"Der Elb wird nicht gefressen! Fast dreitausend Jahre Wissen liegen in ihm! Außerdem ist er der Thronfolger Düsterwalds. Und das ist kein Zufall. Ich habe noch etwas mit ihm vor. Aber zuerst...."

Das dämonische, verzerrte Grinsen auf seinem Gesicht schienen die anderen zu spüren, obwohl sie es nicht sehen konnten und sie duckten sich noch etwas mehr, ob der Bösartigkeit, mit der es beladen war, welche noch größer und gefährlicher als ihre eigene, stumpfsinnige Rohheit zu sein schien.

"Zuerst die Prinzessin."

***

"Ich habe was getan?"

Legolas war trotz seines geschwächten Zustandes noch in der Lage ob der Beschuldigungen von Aragorns Tochter - zumindest behauptete sie, dass sie das wäre - ärgerlich zu werden.

"Wieso sollte ich euch entführen und mich daraufhin selbst in Ketten legen?"

"Ich weiß es nicht. Vermutlich irgendeine Art von Hinterlist."

"Eine Hinterlist, bei der ich mich aushungern lasse?" Legolas schüttelte ungläubig den Kopf. "Wann habt ihr gesagt, seid ihr entführt worden? Gestern?"

"Ich weiß es nicht." Es fiel dem Elbenprinzen auf, dass jedes seiner Argumente mit dem gleichen Satz seitens Arcariel beantwortet wurde, 'Ich weiß es nicht'. Vielleicht war sie wirklich sehr verwirrt und er beschloss seine Wut etwas zu zügeln, bis ihre grundloser Zorn auf ihn verblasst war.

"Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war," stieß Arcariel trotzig hervor. "Aber es muss lange gewesen sein, meine Hände sind völlig taub."

Sie rüttelte zur Bekräftigung ihrer These noch einmal an den schweren Ketten an denen sie hing.

"Ich spüre meine Hände ebenso nicht mehr," sagte Legolas sanft, aber Arcariel schien sein - seiner Meinung nach fast unmöglich aufzubringendes - Mitgefühl einfach von sich abprallen zu lassen. "Nachdem war ihr getan habt, habt ihr auch kein Recht mehr, irgendetwas zu spüren!"

Leise Wut stieg in Legolas hoch. Ob Königstockter oder nicht, das arrogante Benehmen dieses Mädchens machte ihn noch verrückt. "Und was habe ich genau getan, an das ich mich nicht erinnern kann, Hochehrwürdigste? Bin ich mit Pfeil und Bogen in euer Gemach eingebrochen und habe euch geknebelt und auf mein Pferd geworfen?"

Überraschenderweise folgte auf seine Frage keine beleidigende oder abwehrende Antwort, stattdessen blieb Arcariel stumm. Das machte den Elben neugierig und er beschloss den Spieß noch weiter herumzudrehen.

"Was habe ich getan?" fragte er noch einmal, diesmal mit einem Grinsen in der Stimme. "Habe ich......"

Arcariel stiess ein Knurren aus. "Ihr habt mit euren Lippen meine vergewaltigt."

Legolas lachte überrascht auf. "Ich habe euch geküsst? Ihr müsst geträumt haben!"

"Seit ich hier bin, wünsche ich mir, in dieser Zelle lägen irgendwelche spitzen Dinge, die ich nach euch werfen könnte!"

"Und", bohrte er beharrlich ob der Sicherheit weiter, dass Arcariel rein gar nichts nach ihm werfen vermochte. "dann habe ich euch mit einem Kuss entführt? Wie romantisch."

"Ich bin ohnmächtig geworden," gab sie kleinlaut zu und fügte, als Legolas den Mund aufmachte, um dazu etwas zu sagen, schnell hinzu:"Nein, nicht diese Art von Ohnmacht. Ich wollte nicht geküsst werden, ich kannte euch bis zu jenem Abend nur vom hören. Ich wehrte mich, aber da war etwas Übermächtiges, was mich zwang, mein Bewusstsein zu verlieren, wie eine mich überrollende schwarze Wolke."

Etwas an Arcariels Schilderungen kam Legolas schmerzlich bekannt vor und seine spöttelnde Laune ihr gegenüber verflog mit einem Mal. Er hatte wohl zu lange gegrübelt, denn Arcariel fragte - anscheinend unruhig geworden - leise: "Was ist mich euch?"

Gerade als Legolas antworten wollte, wurde mit einem lauten Knarren die Tür der Zelle geöffnet.

**

Das Fest war bald abgebrochen worden, und jeder Soldat, der in Minas Tirith verfügbar war, wurde beauftragt, die mögliche Thronerbin Gondors zu suchen. Die Umgebung wurde tagelang durchforstet, Kunde an anliegende Gebiete und selbst an fernere weitergeschickt, doch nichts war gesehen oder gehört worden. Auch Legolas - nach dem die Suchtrupps ebenso Ausschau halten sollten - war verschollen und Aragorn schickte ebenso dem König des Waldelbenreichs Botschaften zu, die auf ein baldiges Treffen abzielten. Schließlich waren es nicht nur ihre Kinder gewesen, die entführt worden waren, sondern besonders im Falle von Thranduil ihr einziger Thronfolger, denn im Gegensatz zu seinen jüngeren Geschwistern hatte nur Legolas die lange Ausbildung und vor allem die Kampferfahrung in sich, um König vom Düsterwald werden zu können.

Aragorn hatte dunkle Ahnungen, ein düsterer Zauber musste es sein, der zwei so bekannte Gesichter aus den vielen Augen zweier so mächtiger Königreiche entziehen konnte. Aber was ihn noch mehr sorgte, war die immer noch anhaltende Stille in seinem Kopf.

Er saß in dem Schlafzimmer seines jüngsten Nachkommen - Amanon - und wiegte ihn sanft und nachdenklich in seinen Armen, als es an der Tür klopfte.

"Herein.... Besucher der späten Stunde."

Der Türspalt öffnete sich ein wenig und das schüchterne Gesicht eines der Dienstmädchen trat zusammen mit dem sanften Licht eines Kerzenständer daraus hervor - soweit man es erkennen konnte, hatte sie es doch in einer tiefen Verbeugung vor Aragorns Blicken versenkt.

"Entschuldigt, werter Elessar, dass ich euch jetzt noch stören muss, aber ein Besucher ist eingetroffen und er bestand darauf, euch sofort zu sehen. Ich bat ihm eines der Quartiere an, doch er bedankte sich nur und bestand darauf euch noch heute Nacht zu sprechen." Aragorn nickte das Mädchen - eine sehr junge Dienstmagd - mit einem sanften Lächeln an. "Ich danke euch. Ich glaube euch, dass ihr euer Bestes gegeben habt und es wird wohl ein wichtiger Besucher sein, wenn er trotzdem an seinem Plan festhält. Bringt ihn herein."

Das Dienstmädchen verbeugte noch einmal tief und verschwand wieder. Aragorn gab seinem jüngsten Sohn einen Kuss und legte ihn in seine Wiege, während er erneut Schritte vernahm und - als er sich umdrehte - in das besorgte Gesicht eines alten Freundes blickte.

**

Arcariel hatte im Gegensatz zu Legolas noch Kraft in sich und weigerte sich, dem Verhör, dem sie sich unterziehen musste, auch nur im geringsten Masse Folge zu leisten. Stattdessen beantwortete sie jede Frage mit einer Gegenfrage, denn wer auch immer die Person vor ihr war - sie war die Königstochter und auch wenn schon ihr Einsperren allein ein unverzeihbarer Fehler war, so hatte dieser Mann ihr Auskünfte zu geben, wo sie sich befanden und vor allem warum.

Nicht, dass sie irgendetwas erfahren hätte.

Sie war von ihren Ketten befreit worden und bevor sie Luft holen konnte, in neue gelegt worden. Ihr sich-zur-Wehr-Setzen hatte nichts eingebracht als Reibestellen an ihren Handgelenken und ihrem Hals und auch ihr Rufen nach Legolas - dem einzigen Bekannten an diesem seltsam schrecklichen Ort - wurden einfach nur ignoriert.

Und auch als sie durch die halbdunklen Korridore geführt wurde, Treppen hinauf und wieder hinab, durch unzählige Türen, die gleich daraufhin hinter ihnen wieder geschlossen wurden, und sie schon längst vergessen hatte, wo sie war und langsam zu merken begann, dass die Situation vielleicht doch ernsthafter war, als sie geglaubt hatte - sie wehrte sich fortwährend und weiterhin schenkte man ihr keinerlei Beachtung.

Ihre Begleiter - es waren vier oder fünf - waren allesamt verhüllt. Ihre Hände waren grob an ihren Armen und zerrten an ihren Ketten, doch sie hätte nicht sagen können, was sie waren. Sie gaben nichts von sich als einige gemurmelte Grunzlaute, wenn sie dem Wächter einer der unzähligen Türen - der jedesmal ebenso verhüllt war - irgendeine Art Stichwort zugrummelten und die schweren Eisentüren mit einem gewaltigen Quietschen geöffnet wurde und mit einem Knall, der durch Mark und Bein ging und die Gefangenschaft, in der sie sich befand, praktisch auf grausame Art und Weise ausschrie, wieder hinter ihnen geschlossen wurden.

Ihre Beine schmerzten, doch sie bewegte sie trotzig weiter - etwas anderes wäre ihr wohl kaum übrig geblieben - und ein stechend muffiger Gestank, der sie brennend husten ließ, durchzog das ganze Gebäude und ein dreckiger Staub wurde jedesmal aufgewirbelt und in ihr Gesicht geblasen, wenn sich ihre grobe Eskorte stampfend mit ihr fortbewegte.

Sie wusste nicht, wie lange sie in den schwarzen Gemäuern unterwegs gewesen war - unbewusst war ihr aufgefallen, dass keine Fenster vorhanden waren, nicht ein einziger Hinweis, dass noch etwas anderes existierte als dieses dumpfe Grau - aber irgendwann wurde der Gang etwas breiter und die große eiserne Tür vor ihnen schien nicht ganz so abgewetzt wie die anderen und drei Wachen warteten vor ihr. Sie wirkten kräftiger und vor allem größer als alle anderen Personen, die sie bisher gesehen hatte und sie trugen eine merkwürdig fremde Uniform mit schweren Helmen. Ihr Visier hatte nur kleine Augen-und Luftlöcher und nichts ließ auf ihre Identität schließen.

Nach einigen grummligen Sätzen öffnete sich auch diese große Tür und Arcariel wurde hineingestossen. Das 'Rumms' dieses sich schließenden Eingangs hinter ihr wirkte noch gewaltiger als bei den anderen.

Sie hustete, auf dem kalten glatten Boden liegend, doch bald merkte sie, dass die Luft hier nicht von Staub durchzogen war. Sie war klar und kalt und hatte trotzdem nichts Erfrischendes an sich. Nichts außer einigen Kerzen, die nur kleine Stellen des Raums enthüllten, war zu erkennen. Auch hier keine Fenster. Oder es war Nacht und sie sah sie nicht. Arcariel hatte keine Ahnung, welche Tageszeit es war, geschweige denn welcher Tag. Kurz flackerte die weiße Stadt vor ihrem inneren Augen auf und sie merkte, dass es ihr schwer fiel, sich in solcher Dunkelheit ihr helles, von Ehre gezeichnetes Zuhause vorzustellen. Sich ihren Vater..... Aragorn... sie spürte zum ersten Mal, dass sie nicht mehr wusste was er dachte. Sie hatten immer ein unterbewusstes, stets existentes Band besessen, das ihre anderen Brüder mit ihm nicht inne hatten. Doch jetzt.....

"Steh auf, Elessars Tochter."

Irgendwo vor ihr erklang eine Stimme und Arcariel war erstaunt und erschreckt zugleich, in diesem merkwürdig fremden Raum die Sprache des Westrons erklingen zu hören.... aber sie hörte weder Schritte noch das Rascheln von Kleidung. Dennoch schien der Satz eindeutig in diesem Zimmer erklangen zu sein.

Widerwillig leistete sie der Aufforderung Folge und fügte gleich hinzu: "Wer seid Ihr, der Ihr glaubt mich einzusperren und mir Befehle erteilen zu können?"

"Nein, nicht gut." Eine schemenhafte Gestalt erschien im Kerzenlicht rechts von ihr - Arcariel war sich sicher gewesen, daß die Stimme irgendwo links von ihr erklungen war. "Ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist, aber ich habe im Moment die Macht über dein Leben. Würdest du einen guten Start mit mir nicht vorziehen?"

Die Stimme klang auf merkwürdige Art sanft und einschläfernd, nicht so unangenehm wie Arcariel es sich gewünscht hatte, sie zu empfinden und so dauerte es einen Moment bis sie den Sinn der Worte der Gestalt vor ihr durch den Schimmer ihres Klanges verstanden hatte. Und ihr Widerstand regte sich wieder.

"Ich werde mich nicht einschüchtern lassen und vor allem werde ich nicht nett zu Euch sein, nachdem Ihr mich so behandelt habt! Und eure Stimme.... ich werde nicht darauf hereinfallen."

"Was ist mit meiner Stimme, werte Königstochter?" Arcariel versuchte sich zu wehren, doch die Sanftheit durchdrang sie, umhüllte sie und das sich wehrende Selbst von ihr war zwar immer noch resistent, aber es wurde nicht gewaltsam gebrochen, sondern umlullt, wie als würde es in einem merkwürdig angenehmen und doch grausam verschleiernden Nebel einfach verblassen. Sie musste hier weg.

Und da sie es körperlich nicht konnte, unternahm sie geistig einen weiteren Versuch. Ihr Vater.... sie malte sich im Innern - es war schon fast schmerzhaft anstrengend - sein Auftreten aus, seine glänzende Rüstung, die er bei festlichen Anlässen trug, seine geflügelte Krone, die blauen, manchmal strengen, manchmal sanften und in einigen Fällen auch verschmitzten Augen, die sie von ihrem eigenen Spiegelbild kannte. Ihr Vater, der sie reuen und wüten ließ, aber den sie auch als so ziemlich einzigen Menschen des Hofstaats zum Lachen bringen konnte. Ihr Zimmer... die hohe weiße Decke, die mit fallenden, verschlungenen Blättern und Ranken bestickten silbrig-weißen Gardinen, die des Nachts nie wirklich dunkel wurden, wenn der Sternenhimmel Minas Tirith überdeckte. Noch immer gab es keine Sterne über Minas Morgul.... eine unsichtbare dunkle Wolke, von der man des Tags nichts sah, hing Nachts dort und verdeckte ihr silbriges Licht. "Du wirst es hier nicht finden, Arcariel. Jedes Licht in deinem Kopf wird ausgehen." "Was wollt Ihr von mir? ....." schrie die verzweifelte Stimme in ihr heraus. Doch gleich darauf siegte der Trotz wieder. Es war, als würde sie immer mehr zerreissen, und jede Seite von ihr für sich verletzbarer und hilfloser sein, als beide gemeinsam, doch sie konnte sie nicht zusammenhalten. "Doch egal was es ist, ihr werdet es nicht bekommen. Mein Vater wird nach euch suchen, und er wird euch finden! Und dann...."

Arcariel war zu sehr in ihrem zornigen Versuch verstrickt sich von der fremden Bedrohung, die sie so unsichtbar umgab zu befreien um zu merken, dass ein lautes Quietschen hinter ihr erklang.

"... werdet ihr vernichtet werden, denn er wird...."

"Habe ich euch nicht gesagt, dass niemand mich stören soll?"

"Hört mich jemand....seid Ihr....."

"....er wird mit einer Armee kommen, einer Armee größer als eine, die ihr je erbauen könntet. Ihr könnt nicht so viel Macht haben, wenn man vorher noch nie von euch gehört hat." Arcariel merkte, wie ihre Argumente langsam ausdünnten, doch was war das für eine Stimme? Niemand reagierte auf sie.

"Arcariel..... Ihr seid..... stark...."

Doch sie war es, die sie durchhalten ließ, zumindest für den Moment. Sie war so sanft und klang erschöpft und sie sprach nicht im Westron ....... es konnte doch nicht.... wie sollte er in ihrem Kopf sprechen? Aber kein Zweifel, die Stimme war die seine. Doch war es wieder nur ein Trick? Was auch immer es war, vielleicht hielt Arcariel deswegen ohne Entschluss ihrerseits rein instinktiv weiter durch. Die eine noch nicht von der fremden Macht bessene Seite in ihr wehrte sich.

"Und er wird nicht allein sein. Der König von Rhovannion wird ihm zur Seite stehen mit seiner Armee, wie zu Zeiten des alten Bündnisses. Sauron wurde gestürzt. Ihr könnt nicht mächtiger sein als Sauron!"

"Kämpfe.... es ist gut so...."

Rumms!

"Ha!" Da war sie wieder, die merkwürdig sanfte Stimme, doch gleichzeitig, mit dem Schließen der schweren Eisentür war es, als würde auch in Arcariels Kopf ein mächtiges undurchdringbares Tor geschlossen werden. So merkwürdig es eben gewirkt hatte, sie sehnte sich nach der bekannten, wenn auch etwas verwirrenden Stimme, die jetzt nicht mehr in ihrem Kopf erklang. Welch seltsame Magie war hier am Werke?

"Ha! Mächtiger! Wer sagt, dass ich mächtiger werden will?" Die Sanftheit war nicht verklungen, sondern war zu einer Art ästhetischen Wut geworden, die Arcariel gleichzeitig bannte und ängstigte. Sie musste hier bald heraus, sonst hatte er sie. Sie wusste noch nicht einmal warum. "Ich bin vollkommen anders."

"Was bist du?" fragte sie zischend und klammerte sich an ihren rebellischen, eigenständigen Teil. "Warum zeigst du dich nicht? Du nimmst deine Dienstboten um mich hierher zu schleppen und schlägst deine gewaltige Tür zu, belegst sie mit einer Art Zauberbann um mir Angst zu machen und versuchst dich durch Säuseln bei mir einzuschleichen! Und dein Gesicht darf ich nicht sehen...... Feigling!"

Sie hätte gar nicht mehr das Gefühl von dem harten Eisenstab gebraucht, der brutal gegen ihre Schläfe geschleudert wurde und sie zu Boden sinken ließ. Das Pochen in ihrem Kopf hätte sich trotzdem eingestellt, auch so wäre sie zusammengeklappt, so stark war die einengende Bezauberung, die die Existenz vor ihr in ihrem Geist veranstaltet hatte. Mit jedem Wort des Widerstandes hatte es einen Hammerschlag in ihr getan, so sanft und so grausam, als wäre es beinahe schön. Als würde sie nicht merken, dass sie unterging.

In dem Moment, als das Schwarz in Arcariel die Macht übernahm, eilten einige der Gestalten herbei und hoben sie brutal hoch. Er lächelte nur und hatte keinen Zweifel mehr. Die Ketten würden bald nicht mehr nötig sein.

* * *

"Ich will noch nicht von einer neuen Macht sprechen. Das wäre zu früh und vielleicht auch zu übertrieben, aber wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen." Leise seufzend nahm Aragorns häufiger Gast einen Zug aus seiner Pfeife. Der Rauch verhüllte für einen Moment seine Sorgenfalten, doch das orangerote, flackernde Kerzenlicht zeigte sie gleich wieder, verstärkt durch die Nacht schwarz und tief, als hätten sie sich schon lange an ihrem Platz befunden.

Elessar fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und faltete schließlich die Hände vor seinem Mund, an die Decke blickend. "Eine Gefahr, Mithrandir? Eine Gefahr für wen?"

Gandalf schüttelte den Kopf. "Ich bin mir nicht sicher. Ich bin mir in Vielem nicht sicher. Ich hatte ihn nicht gesehen, viel größer und wichtiger schien manches und anderes war um uns..... Saruman, Sauron.... und doch betrifft diese Gefahr nicht sie, auch wenn ich fast denke, dass einer von beiden mit ihm etwas zu tun hat. Es ist die Zukunft, um die wir fürchten müssen. Eine Person, die es schafft, die Thronerben von Gondor und Düsterwald aus dem Herz ihrer beiden Königreiche am hellichten Tag zu entführen, wird mit dieser Macht noch anderes vorhaben."

Aragorn schüttelte leicht und nachdenklich den Kopf. Auf den ersten Blick wurde niemand aus Gandalfs Antworten wirklich schlau, doch er prägte sich seine Worte ein, weil er wusste, dass sie für ihn einen Sinn ergeben würden. Er hatte nur das Gefühl, daß dieser Moment der Erkenntnis ein Moment sein würde, in dem es schon zu spät war, die Fehler auszubessern.

"Mordor?" fragte er mit leiser, rauer Stimme und nahm einen Zug aus seiner Pfeife.

Gandalf hob nachdenklich die Augen zur Decke und blieb einen Moment stumm, nur das Knistern der Kerzen war zu hören. Erneut stieg eine dunkelblaue Rauchwolke vor seinem Gesicht auf, als er antwortete: "Nein, das glaube ich nicht."

"Ein Verräter?"

"In den Augen vieler ist er es sicherlich. Doch es liegt in seiner Natur, das spüre ich, auch wenn wenige damit rechnen würden. Ich glaube, erwarten wird ihn niemand."

Aragorn seufzte. So sehr er Gandalfs Rat schätze, er sorgte sich um das Mitglied ihrer Gemeinschaft - die auch noch nach dem Ringkrieg wie ein ewiger Bund bestehen würde- und vor allem um seine Tochter. Um das Kind, das ihm am Ähnlichsten war.

"Ich verstehe deine Sorge, Aragorn, und auch ich sorge mich, aber wir müssen an der Hoffnung festhalten und warten. Ich glaube nicht, dass er sie umbringen wird."

"Und wer ist er?!" zischte Aragorn und sprang mit einem Mal auf die Füße, nervös durch den fast stockfinsteren Thronsaal schreitend. "Wer ist er? Wo kommt er her?" "Es ist jemand von uns, der den falschen Pfad gewählt hat. Ähnlich Sarumans Weg. Nur ist seiner - wenn auch noch nicht so mächtig - versteckter und deswegen müssen wir umso mehr beide Augen offen behalten." Er beäugte Aragorn besorgt. "Ruhe, Aragorn. Wir werden unser Bestes geben um beide zu finden."

Aragorn schluckte hinunter, was auch immer er sagen wollte und erinnerte sich seiner Position. Wenn er zusammenbrach, brach sein Volk zusammen. Wenn er aufgab, würde es auch unter seinen Leuten keine Hoffnung mehr geben.

"Du hast Recht, Gandalf. Wir werden die Hoffnung nicht aufgeben."

* * *

Legolas hatte nicht die geringste Ahnung, ob er sie je wiedersehen würde. Sie war immerhin - so sehr er niemanden diese Tortur, die er durchlief, gönnte - immerhin die Einzige, die ihm an diesem Ort bekannt vorkam - auch ihm war die Identität seines Entführer verborgen. Das hier waren keine Orks, und vor allem ihr Anführer war etwas anderes, das ihm fremd war. Doch sie war nicht ganz so fremd.... sie war von seinem Volk und er konnte an ihren Augen schwören, dass sie ihres Vaters Tochter war. Seit der Krönung Elessars hatte Legolas nicht mehr die Weiße Stadt gesehen und nur auf diese Weise Kunde von ihr zu bekommen, war grausam. Aber wenn schon keine Hoffnung, sondern eher das Gegenteil davon, dann ein Quell wenigstens etwas Stärke.

Er hatte wenig Kraft, deswegen kamen ihm die plötzlichen inneren Schreie des Kampfes, die er empfing, wie Schläge vor. Hier war es kalt und stickig, als wäre die Luft unsichtbar vergiftet und unangenehm, aber es war stets still gewesen, vor allem in seinem Kopf. Im Laufe seines langen Hungers - den Elben schon besser ertrugen als Sterbliche - verlangsamten sich seine Gedanken und seine Existenz reduzierte sich auf ein pures Dahinvegetieren, ein einfaches Überleben aus dem Selbstzweck desselben heraus.

Ihre inneren Schreie waren Prügel für seine Seele, aber sie weckten ihn auf. Sie ließen seinen Geist wieder sprechen, doch dann war es erneut still. Legolas glaubte, die Stärke zum Empfangen verloren zu haben, bevor er antworten konnte.

Doch dann.... dann war es auf einmal noch stärker. Etwas vollkommen Anderes, als die dunklen vermummten Gestalten, die auch ihn hierher gebracht hatten, sah er verschwommen und schwarz durch ihre Augen. Eine Stimme sanft wie die ersten Sonnenstrahlen eines neuen Tages, die Dunkelheit verscheuchend, die Ruhe und Grauen gleichzeitig sein konnte, genau wie der Morgen, der Anfang von Tortur oder Glück sein konnte.

Sie lies sich von seiner ungewissen Verheißung entführen, zumindest ein Teil von ihr. Doch der andere Teil wehrte sich standhaft, stets wissend, dass er bald die Kraft verlieren konnte. Legolas kniff die Augen zusammen, sein Innerstes sammelnd.

"Arcariel.... du bist .... stark...."

Er murmelte ihr Worte des Trostes und der Aufmunterung zu, so weit er sie aufbringen konnte. Sollte das tatsächlich die Erbin von Gondor sein, war es fatal, wenn sie sich gehen ließ. Legolas spürte ihre verzweifelte, junge unerfahrene Seele gegen die Fremde ankämpfen. Doch sie war noch zu schwach und beeinflussbar um allein standzuhalten.

Er kämpfte für sie mit, ihren Geist haltend, sich nur auf sie konzentrierend, die Person vor ihr bewusst ignorierend, auch wenn sie ihn ebenfalls merkwürdig anzog. So als hätte sie auch etwas Bekanntes an sich...... "Arcariel....."

Und auf einmal war es dunkel in seinem Kopf und der Schlag, den er verspürte, war nicht das plötzliche Aufrütteln aus geistiger erschöpfter Meditation, sondern Schmerz und Verschwinden. Zumindest für den Moment war er gewaltsam von ihr abgeschnitten worden. Wie, wusste er nicht, genausowenig, wie der merkwürdige Kontakt entstanden war.

Er konnte sie nicht mehr spüren, er hörte nichts von ihr, bis zu dem Moment, als mit einem Mal - er wusste nicht, wieviel Zeit verstrichen war - die Tür der Zelle gewaltsam aufgestossen wurde und Arcariels zierliche Form auf den kalten Boden geschleudert wurde.

Mit schwerem Klicken wurden Ketten befestigt, doch diesesmal nicht außer seiner Sichtweite, kurioserweise wurde sie genau neben ihm gefangen gehalten. Als die Wächter verschwunden waren, beugte sich der Elbenprinz zu ihr hinüber.

Er spürte kaum noch etwas in seinem Kopf, aber in seinem geschwächten Zustand war es ihm auch nur in der Meditation möglich, die die Eindrücke seiner Umwelt aus seinem Bewusstsein ausschloss, geistigen Kontakt aufrecht zu erhalten. Im Moment schaute er Arcariel an, deren Gesicht von dunklen Flecken übersäht war.

Er spürte ihren Schmerz auch ohne Telepathie. "Arcariel..... geht es Euch gut?" fragte er besorgt und im ersten Moment dachte er, sie wäre bewusstlos, als sie nach einer Weile langsam ihren Kopf hob und in sein Gesicht blickte, nur wenige Zentimeter von seinem entfernt.

"Ich lebe noch," sagte sie mit raspeliger Stimme. "Vielleicht hatte er ja wirklich nicht vor mich zu töten."

"Ich denke das auch nicht." Legolas war sich nicht vollkommen sicher, aber in seinen langen stillen einsamen Stunden hatte er einige Überlegungen anstellen können. "Ich wüsste nicht, warum er uns so schwächen sollte. Öffentliche Exekutionen und Folter, wie sie vor allem unter den wilden Menschen und den Orks verhängt wurden, haben eine viel geringere abschreckende Wirkung, wenn das Opfer nicht mehr die Kraft inne hat, sich zu wehren."

Arcariel seufzte und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. "Aber was ist er? Er sprach fast nicht, sagte nur, er sei anders..... seine Stimme war viel zu .....sanft..... und da war noch eine Stimme..." Arcariel verstummte, nicht sicher, ob sie sich die tröstenden stärkenden Worte in ihrem Geist nur eingebildet hatte. Doch Legolas nahm ihre Hand und schloss die Augen.

"Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann."

"Du hilfst mir indem du sprichst." Sie wusste nicht, aus welchem Teil ihres Geistes dies entprungen war, aber sie sprach es einfach aus. "In meinem Kopf, aber wie ist das möglich?" Sie schaute beschämt nach unten, sich dafür grämend, dass er merken könnte, wie sehr er den Kampfeswillen ihrer freien Hälfte aufrecht erhalten hatte. "Und es war auch nur ganz kurz."

"Ich weiß nicht, wie es nicht funktionieren konnte. Es ist ein seltsamer Zauber der hier am Werk ist. Ich sandte wohl immer Signale aus.... denn auch wenn ich euch persönlich nicht kenne, ihr tragt einen Teil eines sehr gutes Freundes von mir in Euch, der Euer Vater ist und Euer König ist........ wie auch ihr einmal Köni....." Plötzlich ging ihm in der Dunkelheit, in der sie sich befanden und in der sein Geist sich lange gewandert war, ein Licht auf. "Er - wer auch immer es sein mag, ich habe ihn nie gesehen oder mit ihm gesprochen - hat keinen persönlichen Rachefeldzug gegen mich vor.... er will Düsterwald und Gondor beherrschen."

Arcariel runzelte die Stirn. "Wie will er das schaffen, indem er dessen Erben entführt? Außerdem... ich bin nicht die Erbin von Gondor, solange meine Brüder noch leben. Was ich doch durchaus hoffe."

Legolas zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe den ganzen Plan auch noch nicht... aber es ist mir plötzlich sehr klar. Er will Macht über unsere beiden Reiche.... warum, ist mir verborgen."

Die junge gondorianische Halbelbe schnaubte und bließ sich eine verdreckte schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. "Kein Mensch hatte jemals einer Ausrede bedurft, um Macht zu erlangen."

"Sicher nicht, aber kein Mensch hat jemals so raffiniert getarnt, was er erstrebte. Es liegt nicht in der Natur des Menschen, das was sie sich wünschen heimlich zu erlangen." Er blickte zu Boden und dann wieder direkt in ihre selbst in dieser Dunkelheit noch smaragdgrünen Augen. "Ich habe euch Signale geschickt, weil ihr das Einzige wart, was mir nicht fremd war an diesem Ort, auch wenn ich euch persönlich noch nicht kenne. Und jetzt bitte ich Euch, mir zu vertrauen und zu fliehen. Mit mir."

Arcariel zog die Augenbrauen hoch. "Fliehen? Liebend gern, denn ich denke nicht, dass mich hier noch etwas Gutes erwartet, auf dass es sich zu warten lohnt." Sie fügte sarkastisch hinzu:"Wir können unverzüglich aufbrechen, wenn ihr so freundlich wärt, mir die hier abzunehmen." Sie hob demonstrativ die rasselnden schweren Ketten an, welche sie immer noch an die Wand zwängten.

"Ich meinte, so schnell wie wir können," fügte Legolas mit einem Seufzen hinzu und erinnerte sich an dem jungen Aragorn, mit dem sie eine sehr prägnante Ähnlichkeit aufwies. Selbst in Gefangenschaft noch frei und ungestüm wirkend.

"Auch wenn........." fügte Arcariel nach einer Weile an. "Etwas an der Sanftheit seiner Stimme hat mich berührt. Ein merkwürdiger Teil von mir würde gerne wissen was."

"Konzentriert Euch bitte auf den Part von euch, der sich nach der Freiheit von diesen Ketten sehnt. Ich wandle schon fast 3000 Jahre auf dieser Welt und noch nie habe ich eine Zauberei wie diese gesehen. Sie erinnert mich zwar an eine, aber die sind aus Zeiten des dunklen Krieges und ich will sie hier nicht erwähnen........ ich weiß nicht, wer hier zuhören könnte. Und ich möchte nicht herausfinden müssen, dass ich Recht hatte."

Arcariel nickte und stimmte ihm innerlich zu. Sie war sehr erschöpft und lehnte sich gegen die kalte, raue Wand ihres Verliesses und versuchte eine halbwegs angenehme Position zu finden. Sie hatte im Laufe ihres Lebens schon oft in wilder Natur genächtigt, doch es schien ihr ein unmögliches Unterfangen hier Schlaf zu finden, so sehr sich ihr Körper auch danach sehnte.

Und ihr elbischer Teil war zu klein, um auf Elbenart in sich ruhen zu können und auch ohne das behagliche Stillliegen des Körper Kraft schöpfen zu können. Auch Legolas schloss nicht die Augen, doch er schien vor sich auf das im Moment unsichtbare andere Ende des Kerkers zu blicken, aber auf eine Art und Weise, als würde das, was vor seinen Augen lag, nicht existieren. Arcariel kannte dies von ihrer Mutter und sie fragte sich, ob er in diesem Zustand gebannter Meditation, ihre Gedanken empfangen konnte. Doch trotz des engen Bandes, das sie mit ihrem Vater besass, fiel es ihr schwer auf diese Weise spezifische Sätze zu versenden.... es waren meist nur Gefühle oder Geisteszustände, die nie in Worte gefasst wurde, die zwischen ihnen ausgetauscht wurden.

Und unbewusst hatte sie ihm wohl das Gefühl dieses rastlosen Unbehagens gesandt, das sie in diesem Moment verspürte. Er reagierte prompt und sie spürte ein sanftes, tröstendes Lächeln in ihrem Kopf, schwach aber beruhigend.

"Arcariel, du musst dich etwas ausruhen."

Sie hätte ihm gerne darauf geantwortet, die Unmöglichkeit dessen versucht ihm klarzumachen, doch sie wollte ihn nicht in der realen Welt ansprechen, die für ihn im Moment aus seinem Geist im elbischen Schlaf ausgeschlossen war. Er sollte von der hoffnungslosen, verwirrenden Realität nur soviel sehen, wie er musste.

Stattdessen seufzte sie innerlich leicht resignierend ob der Unabänderlichkeit der Situation. Sie hasste Gefangenschaft und nun merkte Arcariel immer mehr, dass sie niemals wirklich gewusst hatte, was diese im Grunde wirklich bedeutete.

Legolas musste ihre Emotion empfangen haben, denn seine Hand umgriff die ihre sanft - so weit er sie unter Beschränkung seiner Ketten zu erreichen vermochte. Ihr Kopf ruhte an seiner warmen Schulter und sie schloss die Augen, etwas beruhigter. Sie wusste nicht, wer dieser Elbenprinz neben ihr war, aber sie nahm sein Angebot des Komforts willig und dankbar an. Wenn auch nur, um ihrer beiden Kräfte nicht sinnlos in Schlaflosigkeit zu verbrauchen, denn sie war sich bewusst, dass Legolas jede unruhige Emotion von ihr im Moment ebenso wahrnahm. Er hatte sich für sie geöffnet und in der gegenwärtigen Situation schien es für ihn unmöglich, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen. Zumindest deutete Arcariel dies so.

Sie saß nicht nahe genug bei ihm, um wirklich in seinen Armen einschlafen zu können - was ihr jenseits irgendwelche romantischer Empfindungen noch mehr innere Ruhe gegeben hätte - doch das Gefühl seiner Hand auf ihrer, das weiche Leder seiner warme Schulter an ihrer Wange und seine samtigen goldenen Haare, die ihr ins Gesicht strichen, ließen sie trotz ihres Eingesperrtseins und ihrer verwirrten Emotionen, die seit dem Verhör noch mehr in ihr wüteten, langsam entgleiten, bis sie in einen von dunklen, undurchsichtigen Träumen durchwirkten Schlaf fiel.

* * *

Doch der Morgen war kein friedlicher. Er war dunkel und ohne Zeit wie der Tag vor ihm - und er war einsam. Arcariel merkte bevor sie die Augen öffnete, dass sich Legolas nicht mehr im Raum befand. Nicht nur, weil ihre rechte Gesichtshälfte vom Lehnen an die harte, kalte, steinige Kerkerwand von einem tauben Pochen besetzt war....nein, sie hatte sich schnell an seine geistige Präsenz gewöhnt - schließlich hatte sie ihr Leben lang die beruhigende Anwesenheit ihres Vaters gespürt, auch ohne, dass er vor ihr stand, auch weit in der Wildnis - so dass sie die Leere direkt fühlte, die deren Fehlen hinterließ.

Seine Ketten lagen leer vor ihren Augen und die Sorge, die sie verspürte, wurde nicht mit einer beruhigenden Reaktion seinerseits - ob körperlich oder geistig beantwortet.

Sie hatten ihn geholt.

* * *