Titel: Manath en egledhron uireb - Ewigwährend
Autorin: PippinTuk (scullyphiley@gmx.de)
Anmerkungen: Alle Figuren, die euch bekannt vorkommen, gehören Tolkien. Ich entschuldige mich jetzt schon, wenn mir echt Patzer unterlaufen.....ja ich habe den Herrn der Ringe gelesen, 2mal, bin jetzt am Silmarillion und habe den höchsten Respekt vor Mr.Tolkien. Vielleicht denke ich ja genau deswegen, dass das was ich hier schreibe, irgendwie entehrend wäre....... ich hoffe, es wirkt nichts falsch oder gekünstelt, ich würde ich mich sehr über euer Feedback freuen.
Kapitel 3
Arcariel hatte viele Freunde in den unteren Ringen von Minas Tirith. Manchmal verfluchte sie es, dass egal was sie tat, sie die Königtochter war und man es ihr stets ansah. Es war, als hätte sie eine für alle um sie sichtbare kleine Krone über dem Kopf schweben, derer sie nicht mächtig werden wollte. Sie kannte die Erzählungen ihres Vater und wusste, dass er lange Jahre genauso empfunden hatte, doch sie liess sich selten von ihm helfen. Es war eines, diese weisen Geschichten erzählt zu bekommen, etwas anderes jedoch, sich am Anfang einer dieser Geschichten zu befinden, die alle schon zu kennen glaubten und dachten, erwarten zu können, dass ihre dasselbe Ende nahm.
Alle Weisheit dieser Welt schüttelte sie von sich, um zu zeigen, dass sie mehr war als die Königstochter von Gondor. Manchmal wünschte sie sich, sie müsste gar nicht diese Mühe investieren, um das zu zeigen. Sie müsste sich nicht mit Absicht so verhalten wie sie es tat - in vieler Leute Augen widerwillig und unbelehrbar - , sie wollte einfach jemand sein, der keine Richtlinien befolgen musste, damit sein Charakter irgendwann so weit war, dass er in die Geschichte passte. Sie glaubte, dass dies mit einem Verlieren ihres eigenen Willens gleichkam und sie wehrte sich mit Händen und Füssen dagegen. Sie konnte keineswegs von sich behaupten, die Zurechtweisungen oder besorgten Blicke vor allem ihres Vater zu geniessen, aber sie sah einfach keinen anderen Weg. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er einmal war wie sie, dass er, falls er so gewesen war wie sie jemals seinen Stolz und seine Ehre behalten konnte und trotzdem das wurde was alle von ihm verlangten.
Sie wagte es nicht, ihren Vater deswegen weniger zu respektieren, so bewunderte sie ihn, aber in diesem Falle war er ein Rätsel für sie.
Sie sass oft in den Wäldern, die Tagesritte von Minas Tirith entfernt waren, doch jetzt, wo die Welt etwas sicherer war - nicht, dass sie sie jemals anders erlebt hätte - liess Aragorn sie ziehen.
Sie sass in einer kleinen Lichtung am Ostufer des Anduins, ihr graues Pferd einem Baum in der Nähe angebunden. Es dämmerte schon und sie wusste, dass sie heute hier nächtigen würde. Ihr kleiner Bruder war mit ihr gekommen und sammelte Feuerholz - nicht, dass sie ihn herumkommandierte, er hatte eine Passion für Lagerfeuer, seit sie ihn auf ihre Ausflüge mitgenommen hatte.
Er wollte immer wissen, was sie in den Wäldern tat und nun glaubte er, dass die Lösung dessen war, dass Arcariel nur ritt und bei Lagerfeuer einige selbstgefangene Fische briet und dann unter den Sternen einschlief. Sie hatte ihm alle ihre Lieblingsplätze gezeigt - sehr weit war sie noch nie gekommen, nicht einmal das angrenzende Königreich Rohan hatte sie jemals gesehen.
Und doch würde er nie verstehen, was sie hierhin trieb. Sie schloss die Augen und dachte an ihren Vater. Als sie die auf dem Waldboden leicht knackenden, junge Schritte hörte, schickte sie Elessar eine Botschaft, dass es ihnen beiden gut ging. Sie sandte ihm einen Gute-Nacht-Gruss und ohne Worte erzählte sie ihm, wo sie sich befanden und was sie hörte und gesehen hatte. Sie wusste nicht, wann es anfangen hatte, doch sie hatte keine Angst vor den Wäldern, nicht weil sie um deren Sicherheit wusste, sondern weil sie niemals wirklich allein war. Sie fragte sich oft, wie es ihrem Vater ergangen war, in den dunklen Zeiten, als es hier von Orks wimmelte und er auf sich gestellt umhergezogen war, auf der Suche nach irgendetwas, warten, auf eine Zeit, die er nicht herbeisehnte.
Er hatte ihr im Geiste nie geantwortet und wenn er vor ihr stand wusste sie nicht, wie sie ihn fragen sollte. Doch heute nacht war es anders. Als ihr Bruder das Lagerfeuer anzündete, die Fische ausnahm und vermutlich dachte, dass sie schlief, hegten sich Zweifel in ihr. War all ihr Streben nach Unabhängigkeit, nach Andersheit von den Erwartungen an ihr, nur heisse Luft, wenn sie behütet in Sicherheit aufwuchs? Würde sie jemals wahre Stärke erlangen, wie die, die ihr Vater sie sich mit jedem seiner Lebensjahre, die er einsam wandelnd in der von fremden Gefahren durchzogenen Wildnis verbracht hatte, erkämpft hatte?
Ohne bewusst gefragt zu haben, bekam sie eine Antwort und diesmal war sie so klar, als stünde er vor ihr und sagte es ihr von Angesicht zu Angesicht.
"Du kämpfst jeden Tag, meine Tochter. Und auch wenn dein Leben nicht in Gefahr sein mag, weisst du dich deinen wahren Feinden zu stellen - der Arroganz und der Feigheit."
Aragorn war stolz auf seiner Tochter, mehr als er es vor ihr zugeben wollte, aus Furcht, sie würde dann damit aufhören, den Kampf zu führen, der sie wahrhaft lebendig hielt. Er wusste genau, dass sie nicht glücklich war, aber es konnte fatal sein sich in einem solch jungen Alter - sie war erst zwanzig Lenze auf dieser Welt - wahrhaft glücklich zu schätzen, weil man dann in diesem Glück rasten wollte und sich von jedem Unglück blind stellt und abwendet, nur um diese vollkommene Zufriedenheit für immer zu behalten und ihr dann doch sehr bald müde werden wurde.
Er hatte Arcariel nie erzählt, dass es die Liebe zu seiner Mutter gewesen war, die ihn aufrecht gehalten hat; die Sehnsucht die ihn seit dieser Begegnung erfüllt und deren Erfüllung ihm verwehrt geblieben war. Nur die schmerzhafte Sehnsucht hatte ihn weitermachen lassen, denn hätte er diese Liebe damals schon erlangt, er hätte sie niemals verlassen wollen.
Der Schmerz hat ihn wach gehalten und das war eine Lektion die Arcariel selbst lernen musste. Er war ihr Vater und als dieser erstrebte er jede Pein von seiner ihm so wertvollen Tochter fernzuhalten, doch er wusste, dass er das nicht konnte und durfte.
Als ihn die Erinnerung an dieses seltene klare geistige Gespräch mit Arcariel durch den Kopf ging, fragte Elessar sich schmerzhaft, ob sie die Erfahrung, die ihr dies lernen würde, nun machen würde. Er wollte es so sehr nicht, wie er wusste, dass es nötig war.
Bei seiner Krönung war er froh gewesen über den Frieden der Welt, über die Sicherheit in der seine Kinder aufwachsen würden, doch vor allem seit Arcariels Verschwinden - es war schon fast drei Wochen seitdem - fragte er sich, wieviel Schmerz und Leiden sie durchstehen musste, um stark zu sein für die Zukunft, die sie erwartete.
Doch sein ältester Sohn - Aranor - würde die Krone ergreifen und vermutlich wären alle Vorbereitungen Arcariels ohne Bedeutung für ein Leben als Prinzessin am Hofe, neben ihrem Bruder, den grossen König von Gondor, sollte er einmal nicht mehr auf dieser Welt wandeln.
Er schätzte Aranor, doch in Arcariel sah er eine Kraft und ein Potential, das sein Sohn in dieser Weise nicht innehatte. Aranor war tüchtig und gehorsam, hatte einen starken, beständigen Charakter und war auch durchaus pflichtbewusst und warmherzig, doch Aragorn wusste, dass Arcariel ihm nicht am nächsten stehen würde, wenn sie ihm nicht von allen Kindern am ähnlichsten wäre. Aragorn seufzte. Aranor würde einen guten König machen und er sollte seinen Sohn nicht anzweifeln. Er war sein eigen Fleisch und Blut und wenn auch nur der geringsten Zweifel in ihm herrschen würde, würde das seine zukünftige Stärke als Herrscher beeinträchtigen. Und es war seine Pflicht, dies zu verhindern.
"Elessar!" Ein Dienstbote kam in das Arbeitszimmer Aragorns und verbeugte sich tief. "Eure Gemahlin will Euch sprechen!"
Er nickte und gab dem Jungen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er Arwen Undomíel hineinlassen sollte. Es verwunderte ihn etwas, dass seine Frau um Erlaubnis bat, mit ihm sprechen zu dürfen, wo er dies für vollkommen unnötig erachtete und ihr dies auch schon oft gesagt hatte. Sie hatte es auch noch nie zuvor getan, aber in den letzten drei Wochen hatten ihn die meisten Menschen um ihn anders behandelt. Selbst Pippin besuchte ihn seltener und wenn er es tat, war seine gewöhnlich aufgeweckte und gesprächige Hobbitart nicht mehr so offensichtlich vorhanden und er verhielt sich eher still und redete leise und vorsichtig.
Aragorn konnte es ihnen nicht einmal schlecht auslegen, war er doch seit dieser Nachricht deutlich nach innen gekehrter geworden, als würde er verzweifelt in seinem Geist nach einer unbewussten Botschaft seiner Tochter forschen.
"Aragorn." Arwen stellte sich neben ihn an seinen Schreibtisch, wo seine Feder zu lange unbenutzt auf einem Stapel von Dokumenten lag, die eigentlich seine Aufmerksamkeit erforderten. "Du wirst gebraucht."
Er blickte hoch zu seiner Frau, die einen besorgten Ausdruck auf dem Gesicht trug. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, würde Aragorn denken, sie hätte Angst, ihn das zu bitten, was sie gleich aussprach. "Es ist eine Epidemie ausgebrochen. Der dritte und vierte Stadtring bringt viele Betroffene in die Häuser der Heilung. Die Heiler wissen nicht, was sie tun sollen, diese Krankheit ist ihnen fremd."
Aragorn schreckte auf und ging sofort auf Richtung Ausgang zu. "Wie lange schon?" fragte er, während ihm seine Frau hinterher eilte. Wie konnte er seine Pflichten so vernachlässigen? Keine Epidemie brach so schlagartig aus, dass er nicht Wort von dem ersten Kranken bekam, bevor noch drei andere folgten, geschweige denn zwei Stadtringe!
"Vor zwei Wochen zeigten sich die ersten Symptome," sagte Arwen leise. Aragorn blickte seine Frau schockiert an und blieb im Gang stehen. "Und wie kommt es, dass ich erst jetzt davon erfahre?" Er legte mehr Zorn in seine Stimme, als er gewollt hatte und den er sicher nicht gegen seine Gemahlin zu richten beabsichtigte.
"Es... es wirkte nicht so, als ob es deine Anwesenheit....."
Aragorn schüttelte den Kopf und nahm Arwens Hand und küsste sie leicht. "Ich weiss. Ich bin sehr unaufmerksam in letzter Zeit. Verzeih mir. Mein Volk braucht mich."
Arwen nickte und küsste Aragorn sanft. "Ich verzeihe dir, weil ich weiss, warum..... kein Wort von mir wird deinen Schmerz lindern."
"Ich werde weitermachen. Ich habe meine Verantwortung zu lange geleugnet. Und mein Verstecken macht niemanden stärker, am allerwenigsten mich selbst." Er drückte noch einmal ihre Hand. "Ich danke dir für deine Botschaft."
Er eilte zu den Häusern der Heilung und auf dem Weg merkte er, wie die Menschen ihm in Staunen hinterhersahen, als wäre er wieder auferstanden. Aragorn fragte sich beiläufig, wie sehr sie unter seinem plötzlichen Zurückziehen gelitten haben mussten. Hatte er seine Aufgabe nicht schon lange genug inne um zu wissen, dass ein Kehren in ihn selbst in Krisenzeiten wie dienen einem Abwenden vom Volk gleichkommen muss. Er schüttelte einige Hände und sprach den Menschen Worte des Trostes zu, dass er sie nicht mehr im Stich lassen würde. Reue durchfuhr ihn mit einem Schlag, als er den Ort in Minas Tirith sah, der die Ruhestätte der Geschwächten darstellte und der den Frieden und die Hoffnung verkörpern sollten, als ob jedes Leiden hier den Körper verlassen musste.
Alle Betten waren besetzt, oft auch mit zwei oder drei Menschen. Er hatte Bänke gesehen, auf denen sich fünf oder sechs Kinder drängten, doch als er auftauchte sprang ein Funke der Hoffnung in die Augen vieler, doch sah er dazwischen auch Wut und Enttäuschung aufblitzen, dass er es so weit hatte kommen lassen?
Aragorn betete inständig zu Eru, dass er die Hoffnungen der Menschen, die in ihn gesetzt hatten, die Zuversicht, die er für sie darstellte, erfüllen konnte. Denn wer es nicht konnte, wer dann? Ein Herrscher war die einsamste Person des ganzen Volkes, dem war sich Aragorn bewusst.
Er setzte sich zu einer alten Frau an das Bett und nahm ihre Hand. Sie zitterte unter der seinen. "Werte Frau, wie ist eure Name und was fühlt ihr?" fragte er sanft und die Frau öffnete flatternd ihre Augen, erstaunt den König sich um sie kümmernd zu sehen. "Elessar, eure Hoheheit..... Erona, aus dem dritten Stadtring, Herr .... und ein kaltes Schütteln durchfährt meinen Körper, mit jedem Atemzug schmerzt mir das Herz... keinen Hunger oder Durst verspüre ich, noch kann ich essen oder trinken, wenn man es anbietet. Wenn ich schlucke, brennt alles in mir, wenn ich esse, ist es, wie als würden Steine in mir lagern....."
Ob des Leides um ihm und das peinverzerrte Gesicht der Frau vor ihm versuchte Aragorn nachzudenken, doch so sehr er das auch tat, keine Krankheit seines Wissens passt zu dem, was die Alte ihm erzählt hatte.
Sie war bleich und schwarze Flecken wuchsen an ihrem Hals und an ihren Fesseln. Schweiss überströmte ihr Gesicht und ihr Atem war röchelnd und langsam. Alle paar Atemzüge, die sie tat, verfiel sie ihn ein panisch wirkendes Hecheln, das sie gleich darauf Husten liess. Aragorn wollte sein Unwissen nicht zeigen, den Menschen, die er zu lange vernachlässigt hatte, zumindest durch seine Haltung den Mut geben, das sich alles zum Besseren wenden würde.
"Wir müssen Wasser erhitzen und Athelas und Salbei hinzu geben, dass die Kranke dies in einem Bad einatmen soll. Machen wir es ebenso mit den anderen Patienten.Halten wir ihre Stirn und ihre Fesseln kühl mit Bädern aus Heilkräutenr und versucht immer wieder, ihnen warme Suppen zum Essen zu geben und Tee zum trinken," sagte er zu den Heilern, in einem entschlossenen Ton, etwas gegen das Unheil zu tun, das um ihn ständig zu wachsen schien.
Er ergriff auch die andere Hand der alten Frau. "Wann spürtet ihr das erste Mal, dass ihr krank wart?"
"Vor drei Tagen, Herr Elessar." Dann schloss sie die Augen. Aragorn erbleichte und strich über die Stirn der alten Frau. Drei Tage.... und es waren schon zwei Wochen! Wie viele mochten gestorben sein, ohne sein Wissen. Wie musste er gehandelt haben, dass niemand ihm davon berichtet hatte geschweige denn, dass er nichts davon selbst bemerkt hatte, was er am wenigstens geneigt war, sich zu verzeihen.
"Ich schwöre euch, dass ich nicht eher ruhen werden, bis diese Krankheit verschwunden ist," flüsterte er und küsste die Stirn der alten Erona, die nicht mehr röchelte und nicht mehr hechelte. Er senkte den Kopf und sprach ein kurzes elbisches Gebet, das ihre Seele schützen sollte und wagte es nicht mehr, die Augen zu verschliessen und zu ruhen.
* * *
Er hatte sich wohl in zu viel Sicherheit gewiegt. Die Schmerzenschreie der Kreatur vor ihm liessen ihn im Dunkeln lächeln, eine hämische böse Amüsiertheit, die auch trotz der Düsternis in dem Raum zu hören war: in seinem Kopf.
Er wusste genau, dass er es vernahm und so sehr ihn die Reaktion des Elben, der sich am Boden wand, auch befriedigte, er wusste, dass er es heute noch nicht zuende bringen wollte. Nicht, wenn er das erreichen wollte, was er noch vorhatte.
Ja, er hatte noch Grosses vor, grösseres als dieses wimmernde Etwas vor ihm jemals vollbringen würde. Als noch ein Peitschenschlag erklang, hielt er schliesslich den Arm des Dieners von ihm fest, der ihn gerade vollbracht hatte und bedeutete ihm zu gehen.
Um alles von dem Gefühl der Macht auskosten können, der Rache für all die Jahre der Schmerzen und des Alleinseins, die er hatte ertragen müssen. Er hatte es verdient, auf diesem Kerkerboden zu liegen, ohne die Kraft sich zu rühren oder zu schreien oder sich zu wehren, ein einsames wimmerndes Etwas.
Blut verklebte seine perfekten goldenen Haare, seine immer noch starr auf ihn blickenden blauen Augen waren von geschwollener blauer Haut umrahmt, die auch seine Elbenmagie nicht heilen konnte. Seine Kleidung hing nur noch in Fetzen von ihm herab, und der Körper des Elbenprinzen schüttelte sich ob der Kälte und des Schmerzes, die ihn durchfuhren und verzweifelte Tränenspuren klebten an seinen Wangen.
"Das ist das, was du verdient hast," lachte sein Peiniger, der die stundenlange Tortur seit dem heutigen Morgen mit einem Lächeln beobachtet hatte und nun dabei war, selbst Hand anzulegen. Er beugte sich zu dem Kronprinzen hinab und flüsterte in sein Ohr: "Willst du, dass ich dich umbringe? Bettelst du nun um deinen Tod, um nicht mehr das ertragen zu müssen, was du niemals heilen können wirst?"
Legolas röchelte nur und schloss die Augen, so als könnte er damit jede Empfindung, die ihn durchschüttelte, ausschliessen. Ein Schlag durchfuhr sein Innerstes, als der Oberste - vermutlich derselbe, dem Arcariel auch fast unterlegen war - ihn trat.
Dieser lachte. "Ich wusste, dass ich dich nur mit roher Gewalt zähmen kann und ich kann nicht leugnen, dass es ich es durchaus genossen habe, dich zu bändigen. Und nun geh, bevor ich dich umbringe!"
Die schweren Eisentüren öffneten sich mit einem für Legolas feine Ohren schmerzhaften Quietschen, das erneut seinen ganzen Körper mit Pein erfüllte. Er stöhnte auf und unternahm einen sinnlosen Versuch, aufzustehen, denn gleich daraufhin fiel er wieder auf den harten Steinboden. Er fühlte sich, als wäre jeder einzelne Knochen seines Körpers schon gebrochen und alles in ihm zerfetzt worden.
Doch er würde sich nicht von dieser Kreatur umbringen lassen. "Na, das ist aber ein schlechter Platz, um ein Nickerchen zu halten! Desweiteren schlafen Elben doch gar nicht, das weiss ich aus eigener Erfahrung!"
Das liess Legolas kurz aufhorchen, doch er konnte es in der brennenden Wolke des Schmerzes, die ihn umgab nicht einordnen und brach schliesslich zusammen, sich der übermächtigen Pein ergebend und die letzten Stunden seines Lebens vergessen wollend.
Das letzte was er hörte war die zischende Stimme der Person, die ihn foltern lassen hatte - er wusste immer noch nicht wer es war. "Gut, dann stirbst du und deine Begleiterin wird neben dir ruhen...."
"Arcariel!"
* * *
Sie zuckte zusammen, als sie seinen Ruf vernahm. Sie trat um sich und wollte sich aus dem eisernen Griff der dunklen stummen Kreaturen befreien, wollte wegrennen und ihn finden, denn es war nicht nur der Name, der in ihrem Kopf erklang, sondern ein Schmerz jenseits ihres Verständnisses. Sie fühlte Tränen in ihren Augen aufsteigen, denn eine Trauer und eine Warnung lagen gleichermassen darin und er verhiess Tod von dem was nicht sterben sollte.
"Legolas!" Sie schrie seinen Namen aus, denn der Schmerz, der sie überkam, war stärker als ihre grösste Befürchtung. Ihre Sorge, als er diesen Morgen verschwunden war, ihre Verwirrung über ihr Gefängnis und auch die Angst, die verspürt hatte, als sie plötzlich aus ihrer Zelle geholt und immer noch durch die Gänge geschleppt wurde, kamen nicht an das heran, was sie nun spürte.
Qual, die sie durchlief, als wäre es ihr Körper, der Dutzende von Peitschenschläge auf nackter Haut hatte ertragen müssen, der kaltes hartes Eisen in sein Gesicht, in den Bauch und den Rücken geschlagen bekam. Der misshandelt wurde bis zu dem Punkt an dem er nur noch das Ende seiner Funktionen erhoffte und vollkommen vergass was das Leben ist, nur noch Schmerzen und Pein sah und spürte.
Und dann empfing sie etwas anderes. Belustigung und eine halbnackte, blutige Kreatur, klar und wimmernd vor ihrem inneren Auge auf dem Boden. Zerfetzte Schönheit, ausgemergeltes Leben innerhalb von Stunden.... Erfahrungen der Jahrtausende am Auslöschen, weise Augen am Schliessen.
"Nein," wimmerte sie bei den Bildern, die sie empfing und die nicht aufhörten ihren Kopf zu attackieren. "Nein... hör auf.... hör auf ihn zu zerstören.... rette ihn.... bitte Legolas.... lebe!" Sie hasste den, der das getan hatte, den der sich amüsierte und sie hasste sich selbst dafür dass sie fast der säuselnden Stimme erlegen war. Sie hasste ihn, denn er es war er der das getan hatte..... und nein... er konnte es nicht.... er hatte es getan, weil Legolas ihr geholfen hatte. Er wollte sie. Und er wollte sie lebend!
Doch sie wollte nicht leben, wenn er wegen ihr gestorben war! Was war sie schon neben ihn? Sie musste sowieso sterben, doch sollte sie weiterleben, wenn er tot war?! Doch was war die Warnung, die von ihm ausging.... was wollte er ihr sagen?
Die schwere Tür wurde laut quietschend aufgestossen und die Bilder in ihrem Kopf wurden durch eine Realität ersetzt, die sie zu Boden gehen liess, sich losreissen - Arcariel wusste nicht, ob man sie los liess, oder ob sie sich freikämpfte, es hatte für sie keine Bedeutung - und sie sank hernab zu dem Prinzen, der die Augen geschlossen hatte. Die grausame Vision der fremden Gedanken in ihr war genau das was sie sah.
Sie beugte sich hernab zu seinen blutverkrusteten Lippen und schloss weinend und betend die Augen. Es konnte nicht.... da, ein feiner Luftzug. Kaum spürbar und doch eine leichte Zuversicht innerhalb dieser stummen grausamen Kälte. "Ich bin hier, Legolas," flüsterte Arcariel in sein Ohr, nicht auf eine Antwort hoffend. "Ich bin hier, du wirst nicht allein sterben. Ich lasse das nicht zu."
"Wie rührend!" Die hämische Stimme, einst so sanft, drang aus dem Dunkel, doch Arcariel schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sich vor Legolas kniend, ihn so gut sie konnte von dem Bösen beschützend. "Ich weiss nicht, ob du mich hören kannst, Legolas, aber....." Sie schloss die Augen und sandte ihm alles zu was sie fühlte, die Verzweiflung, die irgendwo in ihr eine übermenschliche Kraft hervorrief, ihn zu beschützen und kein weiteres Leid zu ihm kommen lassen. Und die flehende Bitte, nicht in ihren Armen zu sterben, durchzuhalten. ".... bitte, es wird nicht mehr lange dauern. Wir werden frei sein."
"Womit du recht haben könntest." Überrascht blickte Arcariel nun doch auf. Natürlich sah sie wieder nur die dunkle Gestalt, die ihre Identität nicht preisgab. Sie wusste, dass dieses Wesen durch und durch böse, aber gleichzeitig war sich Arcariel sicher, dass seine äussere Erscheinung nicht nur das pure Schwarz war, sondern etwas, was sie nicht sehen sollte. Weil sie es wiedererkennen könnte?!
"Was meint Ihr damit?" zischte sie ihm zu, widerwillig, Worte an dieses Monster zu verschwenden, das einem so schönen, starken Wesen solchen Schaden zufügen konnte, bewusst und darüber lachend. "WAS?" schrie sie ihn an.
Wieder dieses Lachen. Arcariel flüsterte Legolas sanft elbische Trostworte ins Ohr, die Erinnerungen - was auch immer es war, was er durchgemacht hat, es war wahrscheinlich schlimmer, als dass man es in Worte fassen konnte - nicht wieder zu ihm zurück lassen wollend. Dann sprach der Peiniger wieder, Sanftheit in seine Stimme einfliessend wie ein Schnitt in Arcariels Mitte. "Ihr könnt gehen. Ich habe keine Verwendung mehr für euch."
Durch all den Hass auf diese Person war es das was Arcariel niemals in Erwägung gezogen hatte und was sie zutiefst verwirrte und misstrauisch machte. Dieses sadistische Wesen wollte seine zwei Opfer gehen lassen, jene, die es doch offensichtlich aus einem Grund entführt hatte. Aus Machtsucht oder reinem Zerstörungswillen. "Wieso sollten Ihr uns einfach gehen lassen?"
Arcariel wollte nicht ihre einzige Fluchtmöglichkeit - die kleinste geringste Hoffnung für Legolas, zu überleben - leichtfertig aufs Spiel setzen, aber wenn dies wieder ein teuflischer Plan dieser Kreatur war, die nach dem was sie Legolas angetan hatte - oder antun lassen hatte - nach Arcariels Meinung nichts anderes wollte als Töten und Zerstören, wohin würde er sie führen?
"Weil ich die Welt sehen lassen will, was Legolas, Thranduils geliebter ältester Sohn und Thronfolger, wirklich ist." Er grinste breit und lachte schallend, so dass Arcariel es in ihrem Kopf hörte. "Ein kleines Häufchen Elend."
Arcariels Instinkt sagte ihr, diese Kreatur zu nehmen und ihr das Leben auszuhauchen, die Wut in ihr puren Blutdurst und Hass werden lassend, mit dem sie ihn verprügelte, ausnahm und leiden liess, bis er ebenso wie dieser mutige Krieger in seinen vielleicht letzten Atemzügen, der neben ihr lag, um seinen Tod betteln würde.
Doch ihr Kopf und vor allem ihre übermächtige Sorge um Legolas siegte, ihre Angst, nie wieder aus diesem Gefängsnis herauszukommen, in dem sie beide sterben würden. Sie beugte sich zu ihm hinab, mit zittrigen, aber entschlossenen Armen ihn hochhebend und in ihre Arme nehmend. Er war ein Elb, leicht und schlank, aber Arcariel war geschwächt und Tränen stiegen ihr in die Augen bei dem Reissen in ihren Muskeln, das ihre Arme und Beine durchfuhr, als sie ihn trug.
Sie lief durch dunkle Korridore, das hämische Lachen, das durch die Flure klang, ignorierend, schmerzenden Schritt für Schritt nehmend, ohne zu wissen, wo sie hinlief. Türen öffneten sich vor ihr, als wüsste sie die Lösungswörter, die ihr den Durchgang erlaubten und überall war dieses Lachen, als ginge es von den Wänden aus. Es stärkte ihren Willen zu flüchten, nur umso mehr, auch wenn die Tränen in ihren Augen und das Schmerzen ihres Herzens ihr sagten, es wäre sinnlos, ihre Beine gingen weiter, weil sie es mussten.
Sie sah hinter jeden dunklen Maske der undurchschaubaren Diener ein Grinsen hervorblitzen, so als würden sie ihren Kopf mit Häme und Verachtung füllen, dass sie in solch einer aussichtslosen Situation den Versuch machte, ihr lächerlich unbedeutendes Leben zu retten. Dass die kleine Königstochter den mächtigen Elbenkrieger, der wie ein wimmerndes Kind in ihren Armen lag, tragen musste wie ein Gepäckstück.
'Nein!' rief sie in ihrem Geist und versuchte die Gedanken, die so gnadenlos auf sie herabströmten, von sich weg zu stossen. Sie lief nicht mehr, sie rannte und sie wusste nicht wie. Die ganze Welt bestand nur noch aus dunklen Korridoren, fiesem Gelächter aus fremden verzerrten Grimassen und dem alles verzehrenden Schmerz, der rot hinter ihren Augen ständig pochte, manchmal so schnell, dass es sie von innen fast zerriss, manchmal langsam und zerrend und folternd, so als wäre es bald vorbei.
Doch irgendwie schaffte sie es, indem sie immer wieder auf die Gestalt in ihren Armen herab blickte, blutüberströmt und schon irgendwo zwischen den Welten. Durch pure Willenskraft wollte sie ihn lebendig erhalten und sterben konnte er nicht hier, inmitten der Verwirrung und der Atmosphäre von Folter, Tod und Verachtung, wo sie ihm noch nicht einmal Trost spenden konnte in seinen letzten Atemzügen, weil sie selbst nicht mehr wusste, wie.
"Legolas!"
Es kostete sie unheimlich viel Kraft, dieses Wort in ihrem Geist auf die Reise zu senden, sein verletztes wirr umher wanderndes Bewusstsein zu finden, und sie merkte trotzdem fast nicht, dass er es empfangen hatte. Bis er die Augen öffnete und direkt in die ihren blickte.
Ganz kurz. Nur einem Moment, kaum fassbar.
Und sie dann wieder schloss. Keine Antwort in ihrem Geist, nichts ausser seine Schmerzen, Pein und Orientierungslosigkeit, doch dieser Blickkontakt erfüllte Arcariel mit etwas Stärke, zu wissen, warum sie hier entlangrannte, nicht mehr ihren eigenen Beinen und vor allem Sinnen vertrauend. Und einen Stich in ihr, dass diese Augen sich nie wieder öffnen konnten.
Mit einem Mal kehrte Arcariel wieder in die reale Welt zurück. Irgendetwas war anders... es waren keine Türen mehr. Endlos wirkte alles, ein endlos langer Tunnel, den sie schon seit Ewigkeiten durchlaufen war. Kein Licht, kein Gelächter, keine krachenden Geräusche ausser ihre leicht pochenden Schritte, als sie weiterlief.
Sie suchte - jetzt wieder ihrer Situation bewusst - verzweifelt nach einem Ausgang, nach einem Hinweis, dass sie bald in Sicherheit waren. Sie schloss die Augen, rannte weiter, ihre schmerzenden Beine ihre Arbeit verrichten lassend, ihre vor Überanstrengung brennenden Arme den gepeinigten Elb weiter tragend und suchte.
Und suchte. Und fand Schmerz und Verzweiflung.
Er ging nicht von ihm aus.
* * * Aragorn ging zu Boden, sich währenddessen gleich wieder auf seine mittlerweile wackelnden Beine aufraffend. Zwei Tage und etliche Stunden hatte er durchgearbeitet, Kräuter gekocht, Kranke gefüttert, gepflegt, ihnen zugeflüstert, verzweifelt versucht etwas gegen das Unheil zu tun, was sich hier im Herzen seines Volkes ausbreitete.
Alle paar Stunden kamen neue Menschen in die Häuser, auch von der fremden Übelkeit gepeinigt und im Laufe seiner Anstrengungen waren viele - vor allem alte Leute und Kinder - unter seinen heilenden Händen, die hier kaum etwas zu bewirken schienen, weggestorben. Einige schienen durchaus Besserungen gezeigt zu haben, junge Menschen, die kräftig waren und in der Blüte ihres Lebens standen, doch Aragorn fragte sich, ob es nur durch seine Anwesenheit geschehen war oder wirklich etwas mit den Massnahmen zu tun hatte, die er und etliche unermüdlich arbeitende Heiler ergriffen, zu tun hatte.
Jetzt stand er inmitten einem Nebengebäude der Häuser der Heilung und im Moment schienen alle Patienten in diesem Zimmer zumindest zu ruhen, ob in erholendem Schlaf oder fiebernder Agonie, wusste er nicht zu sagen. Die Welt schien sich um ihn zu drehen und eine der älteren Heilerinnen legte einen Arm auf seine Schulter und sagte mit leiser Stimme: "Werter Elessar, ruht euch einen Moment aus. Die meisten Menschen sind versorgt und ihr habt so lange gekämpft."
Aragorn wagte es nicht und konnte nicht widersprechen und gab der Heilerin ein müdes Lächeln und bedankte sich bei ihr, mit leicht zitternden Gliedmassen das Gebäude verlassend. Die Sonne war mittlerweile schon fast untergegangen und er setzte sich in die Gärten, die sich den Häusern der Heilung gleich anschloss, lehnte sich an einen Baum und schloss die Augen.
Das Stöhnen und Schreien der Kranken hallte noch schwindererregend in seinem Kopf nach und er fasste sich an die Schläfen auf der Suche nach Ruhe, die sein Geist, der wusste, was noch zu tun war, nicht akzeptieren wollte, sein Körper aber mit jeder Faser seines Seins von ihm brutalst forderte.
Schmerz, Leiden und doch die leise Hoffnung etwas zu tun hatten ihn erfüllt und taten es immer noch. Wenn er den Körpern der Menschen wenig half, dann wenigstens ihren Seelen. Zuerst gab es viele Kranke, die ihm einen leisen unausgesprochenen Vorwurf gemacht hatte, so als hätte er die Krankheit mindern oder gar verhindern können, hätte er früher etwas getan - er fragte sich immer noch, ob das in seiner Macht gestanden hätte. Nie würde er sich verzeihen, wenn es so gewesen wäre.
Doch unermüdlich hatte er gekämpft und sich für jeden Zeit genommen, jedes einzelne seiner Schafe zu hüten und zu pflegen. Doch jetzt war er erschöpft, sein Geist begann sich resignierend fallen zu lassen und sich dem Bedürfnis nach Schlaf hinzugeben.
Sofort wurde Aragorn von Träumen empfangen, die ihm von Schmerz erzählten, den er nicht verstand und der fremd war. Er wehrte sich dagegen, doch ohne Aussicht auf Besserung des Unheils. Und plötzlich war es nicht mehr er, der die Pein empfand, sondern jemand anderes, dessen Schmerz, wenn er vorhanden war, trotzdem sofort zu dem seinen wurde.
Verzweiflung und Dunkelheit, unendliches müdes Irren durch die dunklen Labyrinthe, die unbekannt waren und nur im Geist wirklich existierten. Lang und weiter, endlos.........
"Arcariel......"
Selten wurde ein Wort gesprochen und doch viel mehr gesagt, doch ihre Reaktion auf seinen erschöpften Ruf liess sein Herz gleichzeitig steigen und fallen. Warum war sie in solchen Schmerzen? Und sie lebte noch..... doch .... sie war verzweifelt, von Tod und der Ohnmacht erfüllt, nichts gegen ihn tun zu können. Oder vermischte er seine eigenen starken Emotionen darin, gegen die er sich in seiner völligen Erschöpfung nicht mehr erwehren konnte? Hallozinierte er nur? Seine Müdigkeit tat ihr letztes und selbst seine Träume waren zu schwer für seinen Geist, der nur noch ruhen wollte und so fiel er in den Nebel völliger Schwärze, in den sein ausgemergelter Leib ihn stiess.
* * *
Arcariel wusste nicht mehr, was Licht war und so kam ihr das silbrige Leuchten der Sterne wie das grellsten Weiss vor, dass ihre Augen je erblickt hatten. Geblendet schloss sie sie noch einmal, um wie müde blinzelnd zu sehen, wo sie waren. Sie hatte nicht geruht und war oft gestolpert und fast hingefallen - sie wusste, dass sie sich dem ergeben hätte, wenn sie erst einmal gelegen hätte - doch das zerrende Gewicht in ihrem Armen und das schmerzerfüllte Aufstöhnen des Elben hatten sie daran erinnert, warum sie rannte und nach Freiheit - was auch immer das war - für sie beide kämpfte.
Und dann war diese Vision.... war es wirklich ihr Vater, der ihren Namen im Traum rief oder war es ein Spiel ihres verwirrten Geistes gewesen, der sie mit alten Erinnerungen getrügt hatte? Doch hatte er selten ihren Namen gerufen.... nicht mit diesem Ausdruck, der ihr von Erschöpfung und grossem Leid erzählte, doch mischte sie ihr eigenes Leid nicht in seine Stimme?
Doch dies hatte ihre Gedanken wenigstens so weit von der Auswegslosigkeit abgelenkt, dass sie irgendwann eingeatmet hatte und Luft geschmeckt hatte, die nach offenem Raum roch und tatsächlich war sie nach einigen Schritten tatsächlich da, wo sie jetzt war. Am Eingang einer Höhle, vor ihr Dunkelheit, doch ihre Augen waren so daran gewöhnt, dass sie steiniges Gelände und einen Wald nicht allzu fern von ihnen erkannte.
Sie kämpfte sich durch die Steine, in völliger Erschöpfung gestärkt durch die frische Atemluft, die sich für sie wie die schlagartige Erinnerung an das Leben anfühlte, ignorierend, wenn spitze Steine und hartes Gestrüpp an ihrem Kleid rissen oder ihre Beine aufschrammten. Der kalte Wind, der über die Ebene zog, war nicht unangenehm, sondern erfrischend in einer Weise, dass Arcariel fast glaubte, noch nie tobende Luft gespürt zu haben.
Das Frieren kam erst, als sie den Wald erreichen, eine kleine Lichtung und Arcariel sich laut seufzend gegen einen Baum sinken liess, die Augen schliessend und für einen Moment ruhend. In ihrem Kopf war nichts ausser den immer noch präsenten körperlichen Schmerzen von Legolas, ihr Vater war nicht da. Es sorgte Arcariel etwas, wo sie doch jetzt in Freiheit war, aber sie hatte nicht die Kraft, darüber nachzudenken.
Und hätte sie nicht diese starke Zittern in ihren Armen gespürt, wäre sie sofort in diesem Moment eingeschlafen. Doch sie konnte es noch nicht. Es war ihr zuwider, Legolas hier so wehrlos allein zu lassen, aber langsam kehrte ihr Verstand wieder zurück, der ihr sagte, dass sie Wärme schaffen musste, sonst würde der Elb die Nacht vielleicht nicht mehr überleben.
Dieser Gedanke ängstigte sie und sie legte Legolas sanft auf den laubbedeckten Boden und plazierte ein paar Blätter und Äste über ihn, einerseits zur Tarnung, andererseits um wenigstens die Illusion zu haben, dass dies ihre immer präsente Körperwärme ersetzen könnte. Ihre telepathische Verbindung war mittlerweile sehr stark und kurze Sätze konnte Arcariel schon in ihrem Geist für ihn formen. Kleine Worte des Trostes, die sie aussand, während sie Feuerholz zusammensammelte. "Gleich wieder da.... nicht weit weg ...... Legolas..... wir werden es ...... schaffen.... Legolas."
Sie plazierte das Holz direkt neben dem Ort wo er lag, Steine herum plazierend. Sie war dankbar, dass es nicht geregnet hatte und sie an dem trockenen Holz relativ leicht ein Feuer entzünden konnte. Zuerst eine kleine zögerliche Flamme, die Arcariel durch ihren Körper von dem Wind, der selbst in dieser geschützten kleinen Bucht von Bäumen noch von einer Seite kam zu schützen, aber nach einer Weile war das Feuer stark genug und sie eilte zu Legolas und nahm ihn sanft in seine Arme, darauf achtend, dass kein Funke des glühenden Holzes auf seine Wunden fiel.
"Hol Wasser...... Legolas....."
Sie hörte ein Rauschen und liess Legolas ein zweites Mal liegen. Er brauchte dringend Wasser. Verzweifelt blickte sich Arcariel um und entdeckte dann einen Stein mit einer Kuhle - sie dankte Eru für diese Hilfe - ging zu dem Bach, von dem das plätschernde Geräusch ausging und eilte wieder zu dem Elb, sorgsam, nichts zu verschütten.
"Wieder da....... trink....... Legolas." Sie tröpfelte etwas in ihre Hand und hielt sie unter seinen Mund. Er hustete, als sie langsam etwas hereinfliessen liess, doch als sie das schluckende Geräusch in seiner Kehle vernahm, war sie etwas beruhigte. Doch dann hustete er wieder, das Wasser wieder ausspuckend. Arcariel merkte warum. Seine ganzer Mund musste voll sein von Blut.
Sie lief ihn alles ausspucken, immer wieder Wasser holend und dann versorgte sie die schlimmsten seiner Wunden, mit Fetzen ihres Kleides sie verbindend. Dann trank sie selbst noch etwas und setzte sich wieder an das Feuer, das fast heruntergebrannt war. Nachdem sie noch ein wenig Holz dazu getan hatte, nahm sie den Elben wieder in ihre Arme, dankbar dafür wo sie waren - egal wo es war, es war ein Wald mit Wasser, Holz und schützenden Bäumen - schloss die Augen und schlief mit bissiger Hoffnung in das Leben von Legolas schliesslich dem Verlangen ihres Körpers nachgebend, in einen tiefen dunklen, traumlosen Schlaf ein.
* * *
Anmerkungen: Alle Figuren, die euch bekannt vorkommen, gehören Tolkien. Ich entschuldige mich jetzt schon, wenn mir echt Patzer unterlaufen.....ja ich habe den Herrn der Ringe gelesen, 2mal, bin jetzt am Silmarillion und habe den höchsten Respekt vor Mr.Tolkien. Vielleicht denke ich ja genau deswegen, dass das was ich hier schreibe, irgendwie entehrend wäre....... ich hoffe, es wirkt nichts falsch oder gekünstelt, ich würde ich mich sehr über euer Feedback freuen.
Kapitel 3
Arcariel hatte viele Freunde in den unteren Ringen von Minas Tirith. Manchmal verfluchte sie es, dass egal was sie tat, sie die Königtochter war und man es ihr stets ansah. Es war, als hätte sie eine für alle um sie sichtbare kleine Krone über dem Kopf schweben, derer sie nicht mächtig werden wollte. Sie kannte die Erzählungen ihres Vater und wusste, dass er lange Jahre genauso empfunden hatte, doch sie liess sich selten von ihm helfen. Es war eines, diese weisen Geschichten erzählt zu bekommen, etwas anderes jedoch, sich am Anfang einer dieser Geschichten zu befinden, die alle schon zu kennen glaubten und dachten, erwarten zu können, dass ihre dasselbe Ende nahm.
Alle Weisheit dieser Welt schüttelte sie von sich, um zu zeigen, dass sie mehr war als die Königstochter von Gondor. Manchmal wünschte sie sich, sie müsste gar nicht diese Mühe investieren, um das zu zeigen. Sie müsste sich nicht mit Absicht so verhalten wie sie es tat - in vieler Leute Augen widerwillig und unbelehrbar - , sie wollte einfach jemand sein, der keine Richtlinien befolgen musste, damit sein Charakter irgendwann so weit war, dass er in die Geschichte passte. Sie glaubte, dass dies mit einem Verlieren ihres eigenen Willens gleichkam und sie wehrte sich mit Händen und Füssen dagegen. Sie konnte keineswegs von sich behaupten, die Zurechtweisungen oder besorgten Blicke vor allem ihres Vater zu geniessen, aber sie sah einfach keinen anderen Weg. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er einmal war wie sie, dass er, falls er so gewesen war wie sie jemals seinen Stolz und seine Ehre behalten konnte und trotzdem das wurde was alle von ihm verlangten.
Sie wagte es nicht, ihren Vater deswegen weniger zu respektieren, so bewunderte sie ihn, aber in diesem Falle war er ein Rätsel für sie.
Sie sass oft in den Wäldern, die Tagesritte von Minas Tirith entfernt waren, doch jetzt, wo die Welt etwas sicherer war - nicht, dass sie sie jemals anders erlebt hätte - liess Aragorn sie ziehen.
Sie sass in einer kleinen Lichtung am Ostufer des Anduins, ihr graues Pferd einem Baum in der Nähe angebunden. Es dämmerte schon und sie wusste, dass sie heute hier nächtigen würde. Ihr kleiner Bruder war mit ihr gekommen und sammelte Feuerholz - nicht, dass sie ihn herumkommandierte, er hatte eine Passion für Lagerfeuer, seit sie ihn auf ihre Ausflüge mitgenommen hatte.
Er wollte immer wissen, was sie in den Wäldern tat und nun glaubte er, dass die Lösung dessen war, dass Arcariel nur ritt und bei Lagerfeuer einige selbstgefangene Fische briet und dann unter den Sternen einschlief. Sie hatte ihm alle ihre Lieblingsplätze gezeigt - sehr weit war sie noch nie gekommen, nicht einmal das angrenzende Königreich Rohan hatte sie jemals gesehen.
Und doch würde er nie verstehen, was sie hierhin trieb. Sie schloss die Augen und dachte an ihren Vater. Als sie die auf dem Waldboden leicht knackenden, junge Schritte hörte, schickte sie Elessar eine Botschaft, dass es ihnen beiden gut ging. Sie sandte ihm einen Gute-Nacht-Gruss und ohne Worte erzählte sie ihm, wo sie sich befanden und was sie hörte und gesehen hatte. Sie wusste nicht, wann es anfangen hatte, doch sie hatte keine Angst vor den Wäldern, nicht weil sie um deren Sicherheit wusste, sondern weil sie niemals wirklich allein war. Sie fragte sich oft, wie es ihrem Vater ergangen war, in den dunklen Zeiten, als es hier von Orks wimmelte und er auf sich gestellt umhergezogen war, auf der Suche nach irgendetwas, warten, auf eine Zeit, die er nicht herbeisehnte.
Er hatte ihr im Geiste nie geantwortet und wenn er vor ihr stand wusste sie nicht, wie sie ihn fragen sollte. Doch heute nacht war es anders. Als ihr Bruder das Lagerfeuer anzündete, die Fische ausnahm und vermutlich dachte, dass sie schlief, hegten sich Zweifel in ihr. War all ihr Streben nach Unabhängigkeit, nach Andersheit von den Erwartungen an ihr, nur heisse Luft, wenn sie behütet in Sicherheit aufwuchs? Würde sie jemals wahre Stärke erlangen, wie die, die ihr Vater sie sich mit jedem seiner Lebensjahre, die er einsam wandelnd in der von fremden Gefahren durchzogenen Wildnis verbracht hatte, erkämpft hatte?
Ohne bewusst gefragt zu haben, bekam sie eine Antwort und diesmal war sie so klar, als stünde er vor ihr und sagte es ihr von Angesicht zu Angesicht.
"Du kämpfst jeden Tag, meine Tochter. Und auch wenn dein Leben nicht in Gefahr sein mag, weisst du dich deinen wahren Feinden zu stellen - der Arroganz und der Feigheit."
Aragorn war stolz auf seiner Tochter, mehr als er es vor ihr zugeben wollte, aus Furcht, sie würde dann damit aufhören, den Kampf zu führen, der sie wahrhaft lebendig hielt. Er wusste genau, dass sie nicht glücklich war, aber es konnte fatal sein sich in einem solch jungen Alter - sie war erst zwanzig Lenze auf dieser Welt - wahrhaft glücklich zu schätzen, weil man dann in diesem Glück rasten wollte und sich von jedem Unglück blind stellt und abwendet, nur um diese vollkommene Zufriedenheit für immer zu behalten und ihr dann doch sehr bald müde werden wurde.
Er hatte Arcariel nie erzählt, dass es die Liebe zu seiner Mutter gewesen war, die ihn aufrecht gehalten hat; die Sehnsucht die ihn seit dieser Begegnung erfüllt und deren Erfüllung ihm verwehrt geblieben war. Nur die schmerzhafte Sehnsucht hatte ihn weitermachen lassen, denn hätte er diese Liebe damals schon erlangt, er hätte sie niemals verlassen wollen.
Der Schmerz hat ihn wach gehalten und das war eine Lektion die Arcariel selbst lernen musste. Er war ihr Vater und als dieser erstrebte er jede Pein von seiner ihm so wertvollen Tochter fernzuhalten, doch er wusste, dass er das nicht konnte und durfte.
Als ihn die Erinnerung an dieses seltene klare geistige Gespräch mit Arcariel durch den Kopf ging, fragte Elessar sich schmerzhaft, ob sie die Erfahrung, die ihr dies lernen würde, nun machen würde. Er wollte es so sehr nicht, wie er wusste, dass es nötig war.
Bei seiner Krönung war er froh gewesen über den Frieden der Welt, über die Sicherheit in der seine Kinder aufwachsen würden, doch vor allem seit Arcariels Verschwinden - es war schon fast drei Wochen seitdem - fragte er sich, wieviel Schmerz und Leiden sie durchstehen musste, um stark zu sein für die Zukunft, die sie erwartete.
Doch sein ältester Sohn - Aranor - würde die Krone ergreifen und vermutlich wären alle Vorbereitungen Arcariels ohne Bedeutung für ein Leben als Prinzessin am Hofe, neben ihrem Bruder, den grossen König von Gondor, sollte er einmal nicht mehr auf dieser Welt wandeln.
Er schätzte Aranor, doch in Arcariel sah er eine Kraft und ein Potential, das sein Sohn in dieser Weise nicht innehatte. Aranor war tüchtig und gehorsam, hatte einen starken, beständigen Charakter und war auch durchaus pflichtbewusst und warmherzig, doch Aragorn wusste, dass Arcariel ihm nicht am nächsten stehen würde, wenn sie ihm nicht von allen Kindern am ähnlichsten wäre. Aragorn seufzte. Aranor würde einen guten König machen und er sollte seinen Sohn nicht anzweifeln. Er war sein eigen Fleisch und Blut und wenn auch nur der geringsten Zweifel in ihm herrschen würde, würde das seine zukünftige Stärke als Herrscher beeinträchtigen. Und es war seine Pflicht, dies zu verhindern.
"Elessar!" Ein Dienstbote kam in das Arbeitszimmer Aragorns und verbeugte sich tief. "Eure Gemahlin will Euch sprechen!"
Er nickte und gab dem Jungen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er Arwen Undomíel hineinlassen sollte. Es verwunderte ihn etwas, dass seine Frau um Erlaubnis bat, mit ihm sprechen zu dürfen, wo er dies für vollkommen unnötig erachtete und ihr dies auch schon oft gesagt hatte. Sie hatte es auch noch nie zuvor getan, aber in den letzten drei Wochen hatten ihn die meisten Menschen um ihn anders behandelt. Selbst Pippin besuchte ihn seltener und wenn er es tat, war seine gewöhnlich aufgeweckte und gesprächige Hobbitart nicht mehr so offensichtlich vorhanden und er verhielt sich eher still und redete leise und vorsichtig.
Aragorn konnte es ihnen nicht einmal schlecht auslegen, war er doch seit dieser Nachricht deutlich nach innen gekehrter geworden, als würde er verzweifelt in seinem Geist nach einer unbewussten Botschaft seiner Tochter forschen.
"Aragorn." Arwen stellte sich neben ihn an seinen Schreibtisch, wo seine Feder zu lange unbenutzt auf einem Stapel von Dokumenten lag, die eigentlich seine Aufmerksamkeit erforderten. "Du wirst gebraucht."
Er blickte hoch zu seiner Frau, die einen besorgten Ausdruck auf dem Gesicht trug. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, würde Aragorn denken, sie hätte Angst, ihn das zu bitten, was sie gleich aussprach. "Es ist eine Epidemie ausgebrochen. Der dritte und vierte Stadtring bringt viele Betroffene in die Häuser der Heilung. Die Heiler wissen nicht, was sie tun sollen, diese Krankheit ist ihnen fremd."
Aragorn schreckte auf und ging sofort auf Richtung Ausgang zu. "Wie lange schon?" fragte er, während ihm seine Frau hinterher eilte. Wie konnte er seine Pflichten so vernachlässigen? Keine Epidemie brach so schlagartig aus, dass er nicht Wort von dem ersten Kranken bekam, bevor noch drei andere folgten, geschweige denn zwei Stadtringe!
"Vor zwei Wochen zeigten sich die ersten Symptome," sagte Arwen leise. Aragorn blickte seine Frau schockiert an und blieb im Gang stehen. "Und wie kommt es, dass ich erst jetzt davon erfahre?" Er legte mehr Zorn in seine Stimme, als er gewollt hatte und den er sicher nicht gegen seine Gemahlin zu richten beabsichtigte.
"Es... es wirkte nicht so, als ob es deine Anwesenheit....."
Aragorn schüttelte den Kopf und nahm Arwens Hand und küsste sie leicht. "Ich weiss. Ich bin sehr unaufmerksam in letzter Zeit. Verzeih mir. Mein Volk braucht mich."
Arwen nickte und küsste Aragorn sanft. "Ich verzeihe dir, weil ich weiss, warum..... kein Wort von mir wird deinen Schmerz lindern."
"Ich werde weitermachen. Ich habe meine Verantwortung zu lange geleugnet. Und mein Verstecken macht niemanden stärker, am allerwenigsten mich selbst." Er drückte noch einmal ihre Hand. "Ich danke dir für deine Botschaft."
Er eilte zu den Häusern der Heilung und auf dem Weg merkte er, wie die Menschen ihm in Staunen hinterhersahen, als wäre er wieder auferstanden. Aragorn fragte sich beiläufig, wie sehr sie unter seinem plötzlichen Zurückziehen gelitten haben mussten. Hatte er seine Aufgabe nicht schon lange genug inne um zu wissen, dass ein Kehren in ihn selbst in Krisenzeiten wie dienen einem Abwenden vom Volk gleichkommen muss. Er schüttelte einige Hände und sprach den Menschen Worte des Trostes zu, dass er sie nicht mehr im Stich lassen würde. Reue durchfuhr ihn mit einem Schlag, als er den Ort in Minas Tirith sah, der die Ruhestätte der Geschwächten darstellte und der den Frieden und die Hoffnung verkörpern sollten, als ob jedes Leiden hier den Körper verlassen musste.
Alle Betten waren besetzt, oft auch mit zwei oder drei Menschen. Er hatte Bänke gesehen, auf denen sich fünf oder sechs Kinder drängten, doch als er auftauchte sprang ein Funke der Hoffnung in die Augen vieler, doch sah er dazwischen auch Wut und Enttäuschung aufblitzen, dass er es so weit hatte kommen lassen?
Aragorn betete inständig zu Eru, dass er die Hoffnungen der Menschen, die in ihn gesetzt hatten, die Zuversicht, die er für sie darstellte, erfüllen konnte. Denn wer es nicht konnte, wer dann? Ein Herrscher war die einsamste Person des ganzen Volkes, dem war sich Aragorn bewusst.
Er setzte sich zu einer alten Frau an das Bett und nahm ihre Hand. Sie zitterte unter der seinen. "Werte Frau, wie ist eure Name und was fühlt ihr?" fragte er sanft und die Frau öffnete flatternd ihre Augen, erstaunt den König sich um sie kümmernd zu sehen. "Elessar, eure Hoheheit..... Erona, aus dem dritten Stadtring, Herr .... und ein kaltes Schütteln durchfährt meinen Körper, mit jedem Atemzug schmerzt mir das Herz... keinen Hunger oder Durst verspüre ich, noch kann ich essen oder trinken, wenn man es anbietet. Wenn ich schlucke, brennt alles in mir, wenn ich esse, ist es, wie als würden Steine in mir lagern....."
Ob des Leides um ihm und das peinverzerrte Gesicht der Frau vor ihm versuchte Aragorn nachzudenken, doch so sehr er das auch tat, keine Krankheit seines Wissens passt zu dem, was die Alte ihm erzählt hatte.
Sie war bleich und schwarze Flecken wuchsen an ihrem Hals und an ihren Fesseln. Schweiss überströmte ihr Gesicht und ihr Atem war röchelnd und langsam. Alle paar Atemzüge, die sie tat, verfiel sie ihn ein panisch wirkendes Hecheln, das sie gleich darauf Husten liess. Aragorn wollte sein Unwissen nicht zeigen, den Menschen, die er zu lange vernachlässigt hatte, zumindest durch seine Haltung den Mut geben, das sich alles zum Besseren wenden würde.
"Wir müssen Wasser erhitzen und Athelas und Salbei hinzu geben, dass die Kranke dies in einem Bad einatmen soll. Machen wir es ebenso mit den anderen Patienten.Halten wir ihre Stirn und ihre Fesseln kühl mit Bädern aus Heilkräutenr und versucht immer wieder, ihnen warme Suppen zum Essen zu geben und Tee zum trinken," sagte er zu den Heilern, in einem entschlossenen Ton, etwas gegen das Unheil zu tun, das um ihn ständig zu wachsen schien.
Er ergriff auch die andere Hand der alten Frau. "Wann spürtet ihr das erste Mal, dass ihr krank wart?"
"Vor drei Tagen, Herr Elessar." Dann schloss sie die Augen. Aragorn erbleichte und strich über die Stirn der alten Frau. Drei Tage.... und es waren schon zwei Wochen! Wie viele mochten gestorben sein, ohne sein Wissen. Wie musste er gehandelt haben, dass niemand ihm davon berichtet hatte geschweige denn, dass er nichts davon selbst bemerkt hatte, was er am wenigstens geneigt war, sich zu verzeihen.
"Ich schwöre euch, dass ich nicht eher ruhen werden, bis diese Krankheit verschwunden ist," flüsterte er und küsste die Stirn der alten Erona, die nicht mehr röchelte und nicht mehr hechelte. Er senkte den Kopf und sprach ein kurzes elbisches Gebet, das ihre Seele schützen sollte und wagte es nicht mehr, die Augen zu verschliessen und zu ruhen.
* * *
Er hatte sich wohl in zu viel Sicherheit gewiegt. Die Schmerzenschreie der Kreatur vor ihm liessen ihn im Dunkeln lächeln, eine hämische böse Amüsiertheit, die auch trotz der Düsternis in dem Raum zu hören war: in seinem Kopf.
Er wusste genau, dass er es vernahm und so sehr ihn die Reaktion des Elben, der sich am Boden wand, auch befriedigte, er wusste, dass er es heute noch nicht zuende bringen wollte. Nicht, wenn er das erreichen wollte, was er noch vorhatte.
Ja, er hatte noch Grosses vor, grösseres als dieses wimmernde Etwas vor ihm jemals vollbringen würde. Als noch ein Peitschenschlag erklang, hielt er schliesslich den Arm des Dieners von ihm fest, der ihn gerade vollbracht hatte und bedeutete ihm zu gehen.
Um alles von dem Gefühl der Macht auskosten können, der Rache für all die Jahre der Schmerzen und des Alleinseins, die er hatte ertragen müssen. Er hatte es verdient, auf diesem Kerkerboden zu liegen, ohne die Kraft sich zu rühren oder zu schreien oder sich zu wehren, ein einsames wimmerndes Etwas.
Blut verklebte seine perfekten goldenen Haare, seine immer noch starr auf ihn blickenden blauen Augen waren von geschwollener blauer Haut umrahmt, die auch seine Elbenmagie nicht heilen konnte. Seine Kleidung hing nur noch in Fetzen von ihm herab, und der Körper des Elbenprinzen schüttelte sich ob der Kälte und des Schmerzes, die ihn durchfuhren und verzweifelte Tränenspuren klebten an seinen Wangen.
"Das ist das, was du verdient hast," lachte sein Peiniger, der die stundenlange Tortur seit dem heutigen Morgen mit einem Lächeln beobachtet hatte und nun dabei war, selbst Hand anzulegen. Er beugte sich zu dem Kronprinzen hinab und flüsterte in sein Ohr: "Willst du, dass ich dich umbringe? Bettelst du nun um deinen Tod, um nicht mehr das ertragen zu müssen, was du niemals heilen können wirst?"
Legolas röchelte nur und schloss die Augen, so als könnte er damit jede Empfindung, die ihn durchschüttelte, ausschliessen. Ein Schlag durchfuhr sein Innerstes, als der Oberste - vermutlich derselbe, dem Arcariel auch fast unterlegen war - ihn trat.
Dieser lachte. "Ich wusste, dass ich dich nur mit roher Gewalt zähmen kann und ich kann nicht leugnen, dass es ich es durchaus genossen habe, dich zu bändigen. Und nun geh, bevor ich dich umbringe!"
Die schweren Eisentüren öffneten sich mit einem für Legolas feine Ohren schmerzhaften Quietschen, das erneut seinen ganzen Körper mit Pein erfüllte. Er stöhnte auf und unternahm einen sinnlosen Versuch, aufzustehen, denn gleich daraufhin fiel er wieder auf den harten Steinboden. Er fühlte sich, als wäre jeder einzelne Knochen seines Körpers schon gebrochen und alles in ihm zerfetzt worden.
Doch er würde sich nicht von dieser Kreatur umbringen lassen. "Na, das ist aber ein schlechter Platz, um ein Nickerchen zu halten! Desweiteren schlafen Elben doch gar nicht, das weiss ich aus eigener Erfahrung!"
Das liess Legolas kurz aufhorchen, doch er konnte es in der brennenden Wolke des Schmerzes, die ihn umgab nicht einordnen und brach schliesslich zusammen, sich der übermächtigen Pein ergebend und die letzten Stunden seines Lebens vergessen wollend.
Das letzte was er hörte war die zischende Stimme der Person, die ihn foltern lassen hatte - er wusste immer noch nicht wer es war. "Gut, dann stirbst du und deine Begleiterin wird neben dir ruhen...."
"Arcariel!"
* * *
Sie zuckte zusammen, als sie seinen Ruf vernahm. Sie trat um sich und wollte sich aus dem eisernen Griff der dunklen stummen Kreaturen befreien, wollte wegrennen und ihn finden, denn es war nicht nur der Name, der in ihrem Kopf erklang, sondern ein Schmerz jenseits ihres Verständnisses. Sie fühlte Tränen in ihren Augen aufsteigen, denn eine Trauer und eine Warnung lagen gleichermassen darin und er verhiess Tod von dem was nicht sterben sollte.
"Legolas!" Sie schrie seinen Namen aus, denn der Schmerz, der sie überkam, war stärker als ihre grösste Befürchtung. Ihre Sorge, als er diesen Morgen verschwunden war, ihre Verwirrung über ihr Gefängnis und auch die Angst, die verspürt hatte, als sie plötzlich aus ihrer Zelle geholt und immer noch durch die Gänge geschleppt wurde, kamen nicht an das heran, was sie nun spürte.
Qual, die sie durchlief, als wäre es ihr Körper, der Dutzende von Peitschenschläge auf nackter Haut hatte ertragen müssen, der kaltes hartes Eisen in sein Gesicht, in den Bauch und den Rücken geschlagen bekam. Der misshandelt wurde bis zu dem Punkt an dem er nur noch das Ende seiner Funktionen erhoffte und vollkommen vergass was das Leben ist, nur noch Schmerzen und Pein sah und spürte.
Und dann empfing sie etwas anderes. Belustigung und eine halbnackte, blutige Kreatur, klar und wimmernd vor ihrem inneren Auge auf dem Boden. Zerfetzte Schönheit, ausgemergeltes Leben innerhalb von Stunden.... Erfahrungen der Jahrtausende am Auslöschen, weise Augen am Schliessen.
"Nein," wimmerte sie bei den Bildern, die sie empfing und die nicht aufhörten ihren Kopf zu attackieren. "Nein... hör auf.... hör auf ihn zu zerstören.... rette ihn.... bitte Legolas.... lebe!" Sie hasste den, der das getan hatte, den der sich amüsierte und sie hasste sich selbst dafür dass sie fast der säuselnden Stimme erlegen war. Sie hasste ihn, denn er es war er der das getan hatte..... und nein... er konnte es nicht.... er hatte es getan, weil Legolas ihr geholfen hatte. Er wollte sie. Und er wollte sie lebend!
Doch sie wollte nicht leben, wenn er wegen ihr gestorben war! Was war sie schon neben ihn? Sie musste sowieso sterben, doch sollte sie weiterleben, wenn er tot war?! Doch was war die Warnung, die von ihm ausging.... was wollte er ihr sagen?
Die schwere Tür wurde laut quietschend aufgestossen und die Bilder in ihrem Kopf wurden durch eine Realität ersetzt, die sie zu Boden gehen liess, sich losreissen - Arcariel wusste nicht, ob man sie los liess, oder ob sie sich freikämpfte, es hatte für sie keine Bedeutung - und sie sank hernab zu dem Prinzen, der die Augen geschlossen hatte. Die grausame Vision der fremden Gedanken in ihr war genau das was sie sah.
Sie beugte sich hernab zu seinen blutverkrusteten Lippen und schloss weinend und betend die Augen. Es konnte nicht.... da, ein feiner Luftzug. Kaum spürbar und doch eine leichte Zuversicht innerhalb dieser stummen grausamen Kälte. "Ich bin hier, Legolas," flüsterte Arcariel in sein Ohr, nicht auf eine Antwort hoffend. "Ich bin hier, du wirst nicht allein sterben. Ich lasse das nicht zu."
"Wie rührend!" Die hämische Stimme, einst so sanft, drang aus dem Dunkel, doch Arcariel schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sich vor Legolas kniend, ihn so gut sie konnte von dem Bösen beschützend. "Ich weiss nicht, ob du mich hören kannst, Legolas, aber....." Sie schloss die Augen und sandte ihm alles zu was sie fühlte, die Verzweiflung, die irgendwo in ihr eine übermenschliche Kraft hervorrief, ihn zu beschützen und kein weiteres Leid zu ihm kommen lassen. Und die flehende Bitte, nicht in ihren Armen zu sterben, durchzuhalten. ".... bitte, es wird nicht mehr lange dauern. Wir werden frei sein."
"Womit du recht haben könntest." Überrascht blickte Arcariel nun doch auf. Natürlich sah sie wieder nur die dunkle Gestalt, die ihre Identität nicht preisgab. Sie wusste, dass dieses Wesen durch und durch böse, aber gleichzeitig war sich Arcariel sicher, dass seine äussere Erscheinung nicht nur das pure Schwarz war, sondern etwas, was sie nicht sehen sollte. Weil sie es wiedererkennen könnte?!
"Was meint Ihr damit?" zischte sie ihm zu, widerwillig, Worte an dieses Monster zu verschwenden, das einem so schönen, starken Wesen solchen Schaden zufügen konnte, bewusst und darüber lachend. "WAS?" schrie sie ihn an.
Wieder dieses Lachen. Arcariel flüsterte Legolas sanft elbische Trostworte ins Ohr, die Erinnerungen - was auch immer es war, was er durchgemacht hat, es war wahrscheinlich schlimmer, als dass man es in Worte fassen konnte - nicht wieder zu ihm zurück lassen wollend. Dann sprach der Peiniger wieder, Sanftheit in seine Stimme einfliessend wie ein Schnitt in Arcariels Mitte. "Ihr könnt gehen. Ich habe keine Verwendung mehr für euch."
Durch all den Hass auf diese Person war es das was Arcariel niemals in Erwägung gezogen hatte und was sie zutiefst verwirrte und misstrauisch machte. Dieses sadistische Wesen wollte seine zwei Opfer gehen lassen, jene, die es doch offensichtlich aus einem Grund entführt hatte. Aus Machtsucht oder reinem Zerstörungswillen. "Wieso sollten Ihr uns einfach gehen lassen?"
Arcariel wollte nicht ihre einzige Fluchtmöglichkeit - die kleinste geringste Hoffnung für Legolas, zu überleben - leichtfertig aufs Spiel setzen, aber wenn dies wieder ein teuflischer Plan dieser Kreatur war, die nach dem was sie Legolas angetan hatte - oder antun lassen hatte - nach Arcariels Meinung nichts anderes wollte als Töten und Zerstören, wohin würde er sie führen?
"Weil ich die Welt sehen lassen will, was Legolas, Thranduils geliebter ältester Sohn und Thronfolger, wirklich ist." Er grinste breit und lachte schallend, so dass Arcariel es in ihrem Kopf hörte. "Ein kleines Häufchen Elend."
Arcariels Instinkt sagte ihr, diese Kreatur zu nehmen und ihr das Leben auszuhauchen, die Wut in ihr puren Blutdurst und Hass werden lassend, mit dem sie ihn verprügelte, ausnahm und leiden liess, bis er ebenso wie dieser mutige Krieger in seinen vielleicht letzten Atemzügen, der neben ihr lag, um seinen Tod betteln würde.
Doch ihr Kopf und vor allem ihre übermächtige Sorge um Legolas siegte, ihre Angst, nie wieder aus diesem Gefängsnis herauszukommen, in dem sie beide sterben würden. Sie beugte sich zu ihm hinab, mit zittrigen, aber entschlossenen Armen ihn hochhebend und in ihre Arme nehmend. Er war ein Elb, leicht und schlank, aber Arcariel war geschwächt und Tränen stiegen ihr in die Augen bei dem Reissen in ihren Muskeln, das ihre Arme und Beine durchfuhr, als sie ihn trug.
Sie lief durch dunkle Korridore, das hämische Lachen, das durch die Flure klang, ignorierend, schmerzenden Schritt für Schritt nehmend, ohne zu wissen, wo sie hinlief. Türen öffneten sich vor ihr, als wüsste sie die Lösungswörter, die ihr den Durchgang erlaubten und überall war dieses Lachen, als ginge es von den Wänden aus. Es stärkte ihren Willen zu flüchten, nur umso mehr, auch wenn die Tränen in ihren Augen und das Schmerzen ihres Herzens ihr sagten, es wäre sinnlos, ihre Beine gingen weiter, weil sie es mussten.
Sie sah hinter jeden dunklen Maske der undurchschaubaren Diener ein Grinsen hervorblitzen, so als würden sie ihren Kopf mit Häme und Verachtung füllen, dass sie in solch einer aussichtslosen Situation den Versuch machte, ihr lächerlich unbedeutendes Leben zu retten. Dass die kleine Königstochter den mächtigen Elbenkrieger, der wie ein wimmerndes Kind in ihren Armen lag, tragen musste wie ein Gepäckstück.
'Nein!' rief sie in ihrem Geist und versuchte die Gedanken, die so gnadenlos auf sie herabströmten, von sich weg zu stossen. Sie lief nicht mehr, sie rannte und sie wusste nicht wie. Die ganze Welt bestand nur noch aus dunklen Korridoren, fiesem Gelächter aus fremden verzerrten Grimassen und dem alles verzehrenden Schmerz, der rot hinter ihren Augen ständig pochte, manchmal so schnell, dass es sie von innen fast zerriss, manchmal langsam und zerrend und folternd, so als wäre es bald vorbei.
Doch irgendwie schaffte sie es, indem sie immer wieder auf die Gestalt in ihren Armen herab blickte, blutüberströmt und schon irgendwo zwischen den Welten. Durch pure Willenskraft wollte sie ihn lebendig erhalten und sterben konnte er nicht hier, inmitten der Verwirrung und der Atmosphäre von Folter, Tod und Verachtung, wo sie ihm noch nicht einmal Trost spenden konnte in seinen letzten Atemzügen, weil sie selbst nicht mehr wusste, wie.
"Legolas!"
Es kostete sie unheimlich viel Kraft, dieses Wort in ihrem Geist auf die Reise zu senden, sein verletztes wirr umher wanderndes Bewusstsein zu finden, und sie merkte trotzdem fast nicht, dass er es empfangen hatte. Bis er die Augen öffnete und direkt in die ihren blickte.
Ganz kurz. Nur einem Moment, kaum fassbar.
Und sie dann wieder schloss. Keine Antwort in ihrem Geist, nichts ausser seine Schmerzen, Pein und Orientierungslosigkeit, doch dieser Blickkontakt erfüllte Arcariel mit etwas Stärke, zu wissen, warum sie hier entlangrannte, nicht mehr ihren eigenen Beinen und vor allem Sinnen vertrauend. Und einen Stich in ihr, dass diese Augen sich nie wieder öffnen konnten.
Mit einem Mal kehrte Arcariel wieder in die reale Welt zurück. Irgendetwas war anders... es waren keine Türen mehr. Endlos wirkte alles, ein endlos langer Tunnel, den sie schon seit Ewigkeiten durchlaufen war. Kein Licht, kein Gelächter, keine krachenden Geräusche ausser ihre leicht pochenden Schritte, als sie weiterlief.
Sie suchte - jetzt wieder ihrer Situation bewusst - verzweifelt nach einem Ausgang, nach einem Hinweis, dass sie bald in Sicherheit waren. Sie schloss die Augen, rannte weiter, ihre schmerzenden Beine ihre Arbeit verrichten lassend, ihre vor Überanstrengung brennenden Arme den gepeinigten Elb weiter tragend und suchte.
Und suchte. Und fand Schmerz und Verzweiflung.
Er ging nicht von ihm aus.
* * * Aragorn ging zu Boden, sich währenddessen gleich wieder auf seine mittlerweile wackelnden Beine aufraffend. Zwei Tage und etliche Stunden hatte er durchgearbeitet, Kräuter gekocht, Kranke gefüttert, gepflegt, ihnen zugeflüstert, verzweifelt versucht etwas gegen das Unheil zu tun, was sich hier im Herzen seines Volkes ausbreitete.
Alle paar Stunden kamen neue Menschen in die Häuser, auch von der fremden Übelkeit gepeinigt und im Laufe seiner Anstrengungen waren viele - vor allem alte Leute und Kinder - unter seinen heilenden Händen, die hier kaum etwas zu bewirken schienen, weggestorben. Einige schienen durchaus Besserungen gezeigt zu haben, junge Menschen, die kräftig waren und in der Blüte ihres Lebens standen, doch Aragorn fragte sich, ob es nur durch seine Anwesenheit geschehen war oder wirklich etwas mit den Massnahmen zu tun hatte, die er und etliche unermüdlich arbeitende Heiler ergriffen, zu tun hatte.
Jetzt stand er inmitten einem Nebengebäude der Häuser der Heilung und im Moment schienen alle Patienten in diesem Zimmer zumindest zu ruhen, ob in erholendem Schlaf oder fiebernder Agonie, wusste er nicht zu sagen. Die Welt schien sich um ihn zu drehen und eine der älteren Heilerinnen legte einen Arm auf seine Schulter und sagte mit leiser Stimme: "Werter Elessar, ruht euch einen Moment aus. Die meisten Menschen sind versorgt und ihr habt so lange gekämpft."
Aragorn wagte es nicht und konnte nicht widersprechen und gab der Heilerin ein müdes Lächeln und bedankte sich bei ihr, mit leicht zitternden Gliedmassen das Gebäude verlassend. Die Sonne war mittlerweile schon fast untergegangen und er setzte sich in die Gärten, die sich den Häusern der Heilung gleich anschloss, lehnte sich an einen Baum und schloss die Augen.
Das Stöhnen und Schreien der Kranken hallte noch schwindererregend in seinem Kopf nach und er fasste sich an die Schläfen auf der Suche nach Ruhe, die sein Geist, der wusste, was noch zu tun war, nicht akzeptieren wollte, sein Körper aber mit jeder Faser seines Seins von ihm brutalst forderte.
Schmerz, Leiden und doch die leise Hoffnung etwas zu tun hatten ihn erfüllt und taten es immer noch. Wenn er den Körpern der Menschen wenig half, dann wenigstens ihren Seelen. Zuerst gab es viele Kranke, die ihm einen leisen unausgesprochenen Vorwurf gemacht hatte, so als hätte er die Krankheit mindern oder gar verhindern können, hätte er früher etwas getan - er fragte sich immer noch, ob das in seiner Macht gestanden hätte. Nie würde er sich verzeihen, wenn es so gewesen wäre.
Doch unermüdlich hatte er gekämpft und sich für jeden Zeit genommen, jedes einzelne seiner Schafe zu hüten und zu pflegen. Doch jetzt war er erschöpft, sein Geist begann sich resignierend fallen zu lassen und sich dem Bedürfnis nach Schlaf hinzugeben.
Sofort wurde Aragorn von Träumen empfangen, die ihm von Schmerz erzählten, den er nicht verstand und der fremd war. Er wehrte sich dagegen, doch ohne Aussicht auf Besserung des Unheils. Und plötzlich war es nicht mehr er, der die Pein empfand, sondern jemand anderes, dessen Schmerz, wenn er vorhanden war, trotzdem sofort zu dem seinen wurde.
Verzweiflung und Dunkelheit, unendliches müdes Irren durch die dunklen Labyrinthe, die unbekannt waren und nur im Geist wirklich existierten. Lang und weiter, endlos.........
"Arcariel......"
Selten wurde ein Wort gesprochen und doch viel mehr gesagt, doch ihre Reaktion auf seinen erschöpften Ruf liess sein Herz gleichzeitig steigen und fallen. Warum war sie in solchen Schmerzen? Und sie lebte noch..... doch .... sie war verzweifelt, von Tod und der Ohnmacht erfüllt, nichts gegen ihn tun zu können. Oder vermischte er seine eigenen starken Emotionen darin, gegen die er sich in seiner völligen Erschöpfung nicht mehr erwehren konnte? Hallozinierte er nur? Seine Müdigkeit tat ihr letztes und selbst seine Träume waren zu schwer für seinen Geist, der nur noch ruhen wollte und so fiel er in den Nebel völliger Schwärze, in den sein ausgemergelter Leib ihn stiess.
* * *
Arcariel wusste nicht mehr, was Licht war und so kam ihr das silbrige Leuchten der Sterne wie das grellsten Weiss vor, dass ihre Augen je erblickt hatten. Geblendet schloss sie sie noch einmal, um wie müde blinzelnd zu sehen, wo sie waren. Sie hatte nicht geruht und war oft gestolpert und fast hingefallen - sie wusste, dass sie sich dem ergeben hätte, wenn sie erst einmal gelegen hätte - doch das zerrende Gewicht in ihrem Armen und das schmerzerfüllte Aufstöhnen des Elben hatten sie daran erinnert, warum sie rannte und nach Freiheit - was auch immer das war - für sie beide kämpfte.
Und dann war diese Vision.... war es wirklich ihr Vater, der ihren Namen im Traum rief oder war es ein Spiel ihres verwirrten Geistes gewesen, der sie mit alten Erinnerungen getrügt hatte? Doch hatte er selten ihren Namen gerufen.... nicht mit diesem Ausdruck, der ihr von Erschöpfung und grossem Leid erzählte, doch mischte sie ihr eigenes Leid nicht in seine Stimme?
Doch dies hatte ihre Gedanken wenigstens so weit von der Auswegslosigkeit abgelenkt, dass sie irgendwann eingeatmet hatte und Luft geschmeckt hatte, die nach offenem Raum roch und tatsächlich war sie nach einigen Schritten tatsächlich da, wo sie jetzt war. Am Eingang einer Höhle, vor ihr Dunkelheit, doch ihre Augen waren so daran gewöhnt, dass sie steiniges Gelände und einen Wald nicht allzu fern von ihnen erkannte.
Sie kämpfte sich durch die Steine, in völliger Erschöpfung gestärkt durch die frische Atemluft, die sich für sie wie die schlagartige Erinnerung an das Leben anfühlte, ignorierend, wenn spitze Steine und hartes Gestrüpp an ihrem Kleid rissen oder ihre Beine aufschrammten. Der kalte Wind, der über die Ebene zog, war nicht unangenehm, sondern erfrischend in einer Weise, dass Arcariel fast glaubte, noch nie tobende Luft gespürt zu haben.
Das Frieren kam erst, als sie den Wald erreichen, eine kleine Lichtung und Arcariel sich laut seufzend gegen einen Baum sinken liess, die Augen schliessend und für einen Moment ruhend. In ihrem Kopf war nichts ausser den immer noch präsenten körperlichen Schmerzen von Legolas, ihr Vater war nicht da. Es sorgte Arcariel etwas, wo sie doch jetzt in Freiheit war, aber sie hatte nicht die Kraft, darüber nachzudenken.
Und hätte sie nicht diese starke Zittern in ihren Armen gespürt, wäre sie sofort in diesem Moment eingeschlafen. Doch sie konnte es noch nicht. Es war ihr zuwider, Legolas hier so wehrlos allein zu lassen, aber langsam kehrte ihr Verstand wieder zurück, der ihr sagte, dass sie Wärme schaffen musste, sonst würde der Elb die Nacht vielleicht nicht mehr überleben.
Dieser Gedanke ängstigte sie und sie legte Legolas sanft auf den laubbedeckten Boden und plazierte ein paar Blätter und Äste über ihn, einerseits zur Tarnung, andererseits um wenigstens die Illusion zu haben, dass dies ihre immer präsente Körperwärme ersetzen könnte. Ihre telepathische Verbindung war mittlerweile sehr stark und kurze Sätze konnte Arcariel schon in ihrem Geist für ihn formen. Kleine Worte des Trostes, die sie aussand, während sie Feuerholz zusammensammelte. "Gleich wieder da.... nicht weit weg ...... Legolas..... wir werden es ...... schaffen.... Legolas."
Sie plazierte das Holz direkt neben dem Ort wo er lag, Steine herum plazierend. Sie war dankbar, dass es nicht geregnet hatte und sie an dem trockenen Holz relativ leicht ein Feuer entzünden konnte. Zuerst eine kleine zögerliche Flamme, die Arcariel durch ihren Körper von dem Wind, der selbst in dieser geschützten kleinen Bucht von Bäumen noch von einer Seite kam zu schützen, aber nach einer Weile war das Feuer stark genug und sie eilte zu Legolas und nahm ihn sanft in seine Arme, darauf achtend, dass kein Funke des glühenden Holzes auf seine Wunden fiel.
"Hol Wasser...... Legolas....."
Sie hörte ein Rauschen und liess Legolas ein zweites Mal liegen. Er brauchte dringend Wasser. Verzweifelt blickte sich Arcariel um und entdeckte dann einen Stein mit einer Kuhle - sie dankte Eru für diese Hilfe - ging zu dem Bach, von dem das plätschernde Geräusch ausging und eilte wieder zu dem Elb, sorgsam, nichts zu verschütten.
"Wieder da....... trink....... Legolas." Sie tröpfelte etwas in ihre Hand und hielt sie unter seinen Mund. Er hustete, als sie langsam etwas hereinfliessen liess, doch als sie das schluckende Geräusch in seiner Kehle vernahm, war sie etwas beruhigte. Doch dann hustete er wieder, das Wasser wieder ausspuckend. Arcariel merkte warum. Seine ganzer Mund musste voll sein von Blut.
Sie lief ihn alles ausspucken, immer wieder Wasser holend und dann versorgte sie die schlimmsten seiner Wunden, mit Fetzen ihres Kleides sie verbindend. Dann trank sie selbst noch etwas und setzte sich wieder an das Feuer, das fast heruntergebrannt war. Nachdem sie noch ein wenig Holz dazu getan hatte, nahm sie den Elben wieder in ihre Arme, dankbar dafür wo sie waren - egal wo es war, es war ein Wald mit Wasser, Holz und schützenden Bäumen - schloss die Augen und schlief mit bissiger Hoffnung in das Leben von Legolas schliesslich dem Verlangen ihres Körpers nachgebend, in einen tiefen dunklen, traumlosen Schlaf ein.
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