Titel: Manath en egledhron uireb - Ewigwährend Autorin: PippinTuk (scullyphiley@gmx.de)

Anmerkungen: Alle Figuren, die euch bekannt vorkommen, gehören Tolkien. Ich entschuldige mich jetzt schon, wenn mir echt Patzer unterlaufen.....ja ich habe den Herrn der Ringe gelesen, 2mal, bin jetzt am Silmarillion und habe den höchsten Respekt vor Mr.Tolkien. Vielleicht denke ich ja genau deswegen, daß das was ich hier schreibe, irgendwie entehrend wäre....... ich hoffe, es wirkt nichts falsch oder gekünstelt, ich würde ich mich sehr über euer Feedback freuen.

Kapitel 4

Das fahle Morgenlicht brach heran und Nebel bedeckte noch die kühle Erde, als Arcariel erwachte und blasse Sonnenstrahlen in ihr Gesicht fielen. Hatte sie so kurz geschlafen? Es war tiefste Nacht gewesen, als sie hier angekommen waren, dessen war sie sich sicher. Und ihre Erschöpfung war übermächtig gewesen.

Ihre Glieder sagten ihr das, als sie versuchte, aufzustehen. Wacklig und überlastet verlangten sie nach mehr Ruhe, doch ihr Geist war bereits wach und wollte nicht mehr schlafen, sondern die Frische dieses klaren Tages ausnutzen und kosten, was ihm so lange verwehrt war. Kalt prickelte der Morgentau auf ihrer Haut.

Das Gras unter ihr war kühl und rau und...... leer. "Legolas?" krächzte sie, doch als sie ein unregelmäßiges Plätschern in ihrer Nähe vernahm, machte sie sich auf, um zu dem Bach, der neben ihnen geflossen war zu gehen. Elben hatten in der Tat eine beeindruckende Regeneration, was sie in dieser Art noch nicht erlebt hatte.

Heute nacht noch war Legolas dem Tode nahe gewesen, doch jetzt konnte er schon aufstehen ohne ihre Hilfe?

Sie fand ihn am Ufer sitzend, gegen einen Stein gelehnt und mit zittrigen Händen Wasser über seine Wunden gießend. "Legolas," sprach sie ihn an und nahm ihm automatisch den Stein mit demWasser aus den Händen, behende das tuend, was für ihn immer noch eine anstrengende Qual darstellte.

"Arcariel," sagte er rauh und wollte den Wasserstein wieder an sich nehmen, doch sie verwehrte es ihn. "Du bist nicht in der Verfassung, sturer Elb," fügte sie hinzu, während sie ihr Werk fortführte, die blutigen Stoffetzen ablösend und sein rohes Fleisch weiter waschend. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie von seinem eindeutig gebesserten Zustand erstaunt war.

"Ich...." begann er, doch schloss dann resignierend die Augen. "Hannon-le ."

Dann öffnete er sie wieder und blickte genau in Arcariels großes Paar, das ihn erstaunt musterte. "Ich war mir vollkommen sicher, daß du nichts davon mitbekommen hast."

"Nun ja, meine Erinnerung reicht bis zu.... der Folter." Arcariel schluckte, als ein Schatten über sein Gesicht huschte. "Und sie kam heute im Morgengrauen wieder. Nur verschwommene irreale Träume waren dazwischen, nichts was ich aussprechen könnte, weil ich nicht imstande wäre zu sagen, was es war."

Arcariel zuckte nur mit den Schultern und ging zu dem Bach, um neues Wasser zu holen. "Irgendjemand von uns musste uns ja herausholen. Und da du offenbar nicht in der Stimmung warst...."

Legolas lächelte amüsiert, wofür sich sein angeschwollenes blaues Gesicht gleich mit einem stechenden Schmerz rächte. Sie vergass wohl, daß er ihre Gedanken lesen konnte, aber er war höflich genug, nicht darauf hinzuweisen. "Du hast es ausgezeichnet gemacht, Tochter von Gondor."

Arcariel schnaubte und war diesesmal mit dem Auswaschen nicht ganz so zärtlich wie gerade noch vor ein paar Momenten. "Ich frage mich, wie krank ihr sein könnt, daß euer Spott schon wieder zurückgekehrt ist."

"Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu verspotten," antwortete der Elb, doch sein Grinsen wurde mit dem festen Anziehen ihres neuen Verbandes an einer Wunde an seinem Bein bestraft. Er sollte lieber aufhören, er wusste, daß die Verletzungen ernster waren, als er zugeben wollte. Er verzog das Gesicht, teils theatralisch, teils aus echter Pein.

"Es tut mir leid," fügte er hinzu, auf Arcariels Gnade hoffend. Sie kam tatsächlich, als sie ihn dazu brachte, sich umzudrehen und er ihr lautes Ausatmen hörte. Der Anblick musste tatsächlich nicht gerade angenehm sein. "Wer kann euch so etwas antun?" hauchte sie und begann, vorsichtig die restlichen Kleiderfetzen von seinem Oberkörper zu entfernen. So langsam und behutsam die das auch tat, Feuer brannte auf seinem Rücken und die schlimmsten Wunden von allen holten noch nicht alte, aber gerade vergessene Erinnerungen wieder zurück, fast grausamer als die körperliche Pein.

Arcariel zuckte jedesmal zusammen, wenn Legolas einen kleinen Schrei von sich gab, jedes Mal, wenn sie Hand an diese furchtbaren Wunden legte. Sein ganzer Rücken war übersät mit tiefen Fleischwunden, so breite Furchen, daß sie einen Finger hätte hineinlegen können. Einige waren rosanes gewaschenes Fleisch, andere schon dunkler Grind, der sich in den Stoff hineingefressen hatte. Sie zog diese Stellen so vorsichtig wie sie konnte ab, doch die Schreie waren lauter und als Blut über seinen verunstalteten einst sicher so perfekten Elbenrücken floß, spürte sie die Schreie in seinem Kopf, die der Hilflosigkeit und der Scham und der Verzweiflung.

"Es ist gleich vorbei, Legolas." Sie flüsterte ihm das die ganze Zeit zu. "Bald vorbei....." Immer wieder goß sie eiskalten Wasser darüber, um ihn etwas zu betäuben, aber etwas, was jenseits ihrer Macht stand zu lindern, peinigte ihn. Sie hatte von ihren Eltern, vor allem von ihrem Vater, viel über Arznei und Heilung gelernt, doch den Schmerz der Seele konnte auch sie nicht heilen, das war ihr bewusst. Zumindest nicht mit kalten Wasser und Verbänden. "Legolas, sei stark, du hast es gleich geschafft, mein kleiner Prinz, es ist bald vorbei......"

Nach der Prozedur fiel Legolas fast nach vorne, überwältigt von Pein und Arcariel hielt ihn, seine Tränen gegen ihre Schulter fallen lassend. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, geschweige denn was ihre Rolle in dem ganzen war. Sie hatte ihn gerettet, weil es ihre Pflicht war und weil sie die Möglichkeit hatte und er nicht. Er war ein guter Freund ihres Vaters und der Erbe von Düsterwald. Ihre geistige Verbindung war in der Situation aus einer Notwendigkeit heraus entstanden, mit der fremden Bedrohung klar zu kommen. Sie heilte ihn, weil es ihre Verantwortung war, weil sie die einzige war, die es im Moment konnte und sie musste auch weiterhin Hilfe suchen, doch wer war dieser Fremde, der sich an ihrer Schulter ob des körperlichen Schmerzes ausweinte, wer war dieser Krieger, von dem sie schon so viel gehört hatte?

Einige Stunden später waren sie nur ein wenig weitergekommen. Am Rande des Waldes und nicht weiter, da Arcariel nicht wollte, daß sie sich bei der Dämmerung im ungeschützten freien Feld befanden. Legolas schien ein Knöchel zerschmettert worden sein und sein rechter Unterarm - wohl die schlimmere Verletzung für einen Bogenschützen, aber sein verletzter Fuß - den Arcariel so gut es konnte geschient hatte - verhinderte ein schnelleres Fortkommen. Es war Abend und sie saßen in der Nähe des Baches, dessen Lauf sie gefolgt waren in der Hoffnung auf ein Zeichen der Zivilisation. Arcariel hatte ein paar Eichhörnchen gefangen mit den simpelsten aller Mittel, die sie gerade zu einer Suppe zubereitete. Sie hatten wenig geredet über den Tag ob der Anstrengungen und auch die geistige Verbindung schien schwächer zu werden, je weiter sie sich von dem Ort entfernten, von dem sie kamen.

Es war Arcariel nicht klar warum, aber sie traute sich nicht zu fragen und versuchte selbst sich davon abzuhalten, darüber nachzudenken - sie war sich nicht sicher, inwiefern er ihre verräterischen Emotionen noch empfangen konnte. Statt dessen setzte sie sich neben den Elbenprinzen, besorgt sein Gesicht anschauend, das übersäht war von blauen Flecken und zu langsam heilenden Wunden, ein Gesicht, das nie verletzt werden sollte. Er hatte wie schon oft in der letzten Zeit einen Blick auf etwas gerichtet, was sie nicht sehen konnte, sie kannte ihn ja kaum, trotz dieser intensiven Erfahrungen, die sie durchliefen. Er war ein Fremder für sie, auch wenn sie sich in verbitterter Hoffnung auf Rettung geistig an ihn geklammert hatte.

Er sah erst auf, als sie seinen Namen sagte und ihm ein paar Stücken Fleisch in die Hand drückte, zusammen mit etwas Wasser. Arcariel war sich nicht sicher, inwiefern die Elben Tiere jagten, aber Legolas schien in seinem Zustand nicht wählerisch zu sein und aß schnell alles auf, um dann wieder in die Weite zu blicken.

Hätte sie ihn einschätzen können würde Arcariel - zusammen mit seinem stummen Verhalten den ganzen Tag lang - sagen, er wollte ihr ausweichen.

Doch ihr Eindruck wurde gleich wieder zerstört, als sie sah, wie plötzlich eine stumme Träne seine Wange hinunterlief. Es tat ihr innerlich weh, ihn so schweigend und doch leidend dasitzen zu sehen und bevor sie darüber nachdenken konnte, umfasste ihre Hand die seine.

Er drehte sich um und sein dunkelblauer Blick fixierte sie, ihr soviel und doch kaum etwas erzählend. Sie sah jedoch die Pein die er durchlief und fragte sich, wieviel seiner Erinnerung nun zurückgekehrt war. "Legolas, was denkt ihr?" brach sie heraus, ihm helfend wollend und dennoch sich mit der Situation vollkommen überfordert fühlend.

Auf seinem Gesicht wuchs ein kleines, trauriges Lächeln. "Ich weiß es selbst nicht." Er schluckte und umfasste mit beiden Händen die ihre. "Ich fühle Schmerz, nicht den körperlichen, er ist immer präsent.... aber einen seelischen, als würde etwas, was ich schon längst vergessen wollte, wieder aufwachen und mich verletzen wollen." Er schüttelte den Kopf, als ob um die Gedanken fortschicken zu können, aber sie wusste, daß es nicht funktionieren konnte. "Ich sollte nicht so denken, denn mein Volk sollte keinen Schmerz noch Qual empfinden. Und doch...."

"Was ist es?" fragte Arcariel, die nicht schlau wurde aus seinen Worten. Sie wusste, die Qual und der Schmerz sollte nicht existieren, aber er war gekommen. Und sie wusste von ihrer Mutter, daß ein solcher Schmerz auch das unsterbliche Volk der Elben einholen konnte, es von seiner Reinheit zerstörend. Doch was war wirklich in dem Raum ihres Peinigers passiert, was ihn weinen ließ, wo er nie Tränen vergiessen sollte? Arcariels Herz zog sich ob solcher Tragik zusammen.

Legolas senkte den Kopf. "Ich kann nicht darüber sprechen. Vielleicht später einmal, aber nicht jetzt, wenn ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich vorbei ist."

"Ich will euch.........dir helfen, Legolas." Sie umfasste seine Wange und zwang ihn, sie wieder anzuschauen. Seine Worte machten ihr fast noch mehr Angst als sein Schweigen. Seine stille Träne hatte sie innerlich bluten lassen. "Ich bin die einzige, die das im Moment kann und ich werde mein Bestes geben, allein dafür, daß du meinem Vater oft das Leben gerettet hast. Ich würde nicht da sein ohne dich und jetzt will ich dafür sorgen, daß der Schmerz dich nicht zerstört." Bevor er sie unterbrechen wollte, sprach sie weiter. "Ich weiß, was es bedeutet. Ich weiß, dass auch elbische Herzen brechen können und es ihr Tod ist. Der Tod von etwas, was nicht sterben sollte und genau deswegen ist meine Mutter bei meinem Vater geblieben. Es hätte sie sonst getötet."

Legolas blickte sie mit großen Augen an, ob der Weisheit die von dieser jungen starken Frau ausging, die noch so rebellisch und unreif gewirkt hatte, als er sie das erste Mal in der Zelle sah. "Ich bin mir nicht sicher, ob du mir helfen kannst, Arcariel, aber ich danke dir für das Angebot. Es ist etwas, was in den dunklen Zeiten geschehen ist und diese Person, die wir alle für tot gehalten hatten, ist nun zurückgekehrt."

"Er war es........ der dir das hier angetan hat?"

Legolas nickte. "Ein Abtrünniger unseres Volkes. Sein Verrat war schlimm genug, aber ich kann nicht verstehen, wie nur Hass in ihm existieren kann. Wie sich jemand, geboren aus dem selben Fleisch und Blut......." Er schüttelte den Kopf und blickte hinunter auf unsere Hände. "Wir kämpfen gegen das Böse und sind gleichzeitig nicht resistent gegen das Böse in uns selbst."

Arcariel war vollkommen irritiert und besorgt........ sie wollte Legolas Trost Spenden, doch seine Worte ließen Furcht in ihr emporsteigen. Sie hatte die Macht dessen erlebt, der sie gefangenhielt und wenn dies gegen ihn......war es gegen ihn gerichtet? Und sein eigen Fleisch und Blut? Meinte er nur, daß dieser ein Elb war oder...... Arcariel wollte das nicht glauben, auch wenn sich der Verdacht in ihr rührte, das es wahr war.

Trotz ihrer Unsicherheit lehnte sie sich zu dem Elben und flüsterte leise: "Legolas, ich habe deinen Geist gesehen. Es war eine fremde Erfahrung und ich hatte Angst. Hätte ich etwas Böses entdeckt, dann wäre ich sicher zurückgeschreckt. Und......" Sie schloss die Augen, holte tief Luft und konzentrierte sich auf das Gefühl ihrer ineinandergeschlungenen Hände. Wärme an Wärme, der Schmerz seines Körpers wurde ihrer und ihre Seele trug die Pein seiner Seele.

"Ich bin immer noch hier."

Sie öffnete die Augen. "Ich muss noch viel über dich lernen, Legolas, und ich bin mir sicher, daß ich nie alles wissen würde. Ich weiß nicht, was du erfahren und gesehen hast in deinem Leben, aber ich habe deine Seele gesehen. Nur ein fremder, böser Zauber könnte etwas Böses daraus machen, und dann wäre das Böse immer noch nicht das deine, sondern die fremde Macht."

Er lächelte sie müde an und sagte leise in ihrem Geist. "Ich verzeihe dir deine Unwissenheit, Arcariel Silithamrun, denn du bist noch jung, auch wenn ich wünschte, das was du sagtest wäre wahr."

Und dann legte er sich hin und blickte in die Sterne und Arcariel wusste, daß sein Geist nun Sphären erreichte, in die sie nicht mehr dringen konnte.

* * *

Sie schlief sehr schlecht in dieser Nacht, sich von Seite zu Seite drehend, manchmal in einem schwebenden, unruhigen Zustand zwischen Traum und Realität aufwachend, geistlos vor sich hinstarrend, dann schloss Arcariel wieder die Augen, um Schlaf zu finden, der ihr jedoch verwehrt zu sein schien. Sinn-und ziellose Gedanken flogen durch ihren Kopf, Sorgen, die sie nicht lösen könnte, Sorgen um Legolas, um ihren Vater, um sich selbst.

Sorgen was sie machen sollte und wie das, was sie gerade durchmachte, die Realität sein konnte. Er hatte von einer dunklen Macht gesprochen, doch dunkle Mächte existierten nur in Geschichten, in denen, wo mutige Krieger wie ihr Vater oder der kleine Hobbit Peregrin gekämpft hatten. Doch auch der Elb, der neben ihr lag hatte damals gekämpft gegen das Böse und seine Augen hatten sicher schon viel Böses gesehen und wie konnte er angesichts dessen jetzt, von Angst und Kummer gepeinigt, wie ein kleines Kind neben ihr gelegen haben, das bitterlich weinte von dem Schmerz, als sie seine Wunden versäuberte?

Dunkel schienen seine Ahnungen zu sein und dunkler wirkten sie inmitten der Nacht, die die beiden nun umgab, auch wenn deren Natur Arcariel zwar langsam und schleichend bewusst wurde, aber deren wahrer Inhalt ihr verborgen blieb, genau wie das wahre Wesen dieses Elbs, der ihr sein Innerstes gezeigt hatte, seine tiefsten Abgründe und der für sie trotzdem so fremd wirkte wie als hätte sie ihn gerade erst erblickt.

Und doch.... seine Stimme. Sie war warm und erschaffte die Illusion von Vertrautheit - es fühlte sich nicht an wie ein Trugbild - und sie sprach zu ihr. Nicht, weil sie die einzige in der Nähe war, zu dem sie hätte sprechen können, sondern sie schien zu ihr zu sprechen.

Genau wie die Stimme ihres Vaters. Ihre Gedanken wanderten wieder zu dem König von Gondor und die Erschöpfung und die Traurigkeit die seine geistliche Verbindung zu ihr das letzte Mal, als sie von ihm hörte, getränkt zu haben schienen. Was war nur passiert? Welche Trauer befiel mit einem Mal ihr Schicksal und das derer um sie, und warum?

Sie stellte sich das starke, immer noch wilde und sanfte Gesicht ihres Vater in ihrem Geiste vor, doch sie schaffte es nicht, sich ihn als zuversichtlichen und mächtigen König Gondors in ihrem inneren Auge aufzubauen, als sanften liebenden Vater... nein das Bild das sie sah erschreckte sie so sehr, dass sie fast wieder wach geworden wäre. Ausgemergelt waren seine Gesichtszüge, Blut bedeckte seine Kleidung und seine Hände und Müdigkeit schien ihn in seinen Bann ziehen zu wollen, doch er kämpfte dagegen an.

Für einen Moment dachte Arcariel, sie hätte ein Bild eines Kampfes aus früherer Zeit gesehen, aus jenen, wo er fast überwältigt vom Feind darum gerungen hatte, die Hoffnung zu finden, die sie alle vorm Untergang retten konnte, aber die junge Halbelbe wusste, daß es ein Bild der Gegenwart war, das sie erblickte.

Ihr Vater, der in seinem Privatgemach saß und in seinen Spiegel schaute und sich fragte, ob er den König Gondor, den großen Elessar, immer noch darin zu erblicken vermochte. War ihr Vater früher oft von Selbstzweifeln geplagt gewesen, in der Zeit, als er noch ziellos und mit einer verzehrenden Liebe in seinem Herzen durch die Wälder gestrichen war, so machten ihr diese fundamentalen Unsicherheiten in seinem Innersten in Blütezeiten seines Königreichs Angst.

Sie wollte gegen die Vision ankämpfen, wollte sie als bösen Traum verscheuchen, als sich plötzlich eine Hand auf ihre Wange legte und eine leise Stimme, weich und klar wie ein Wildbach im Mondenschein, ihr ins Ohr flüsterte: "Arcariel, Tochter von Gondor, sorgt euch nicht um mich. Ich muss mich verabschieden, aber nicht für immer werde ich euch verlassen."

Der wärmende Hauch seiner Haut, die über ihre strich, war sofort wieder verschwunden, und Arcariel hörte die langsamen Schritte nicht, die sich von ihr entfernten, sondern hatte nur noch die milde Erinnerung an die tröstende Stimme im Kopf, die ihr zugewispert hat, ohne sich bewusst zu sein, was sie bedeuteten.

Erst als sie aus traumlosen Schlaf erwachte, merkte sie, daß etwas nicht stimmte. Ihr Herz fühlte sich schwer an und der früheste Morgennebel lies sie mit seiner beissenden Frische erzittern. Der Wald war noch still, kaum ein Wesen war bereits erwacht, außer die, die nicht schliefen. Und Legolas - eines von diesen - war verschwunden.

Und dunkel kam die Erinnerung an die flüsternde Stimme und die sanften Worte, die nichts anderes bedeuteten, als daß er Arcariel verliess. Auf sich allein gestellt und trotz der unendlichen Weiten, die Arcariel schon allein durch Wälder und Wiesen wandernd verbracht hatte, schmerzte sie dies, und sie hatte sich noch nie so einsam gefühlt.

Ihr einziger Bündnispartner in dieser fremden gefährlichen Situation, der tödlich verletzt war, hatte sie verlassen und ihr Vater stand von Selbstzweifeln gepeinigt in Gondor, und niemand war da, der ihr helfen könnte, denn sie wusste nicht, wo sie war. Sie konnte ebenso gut sofort umgebracht werden, denn noch nie waren ihr die Geschichten über einzelne Orks und andere Kreaturen der dunklen Zeiten, die immer noch durch die Landschaft strichen, jemals so ernst erschienen wie jetzt.

"Legolas?" machte sie einen halbherzigen Versuch, den Elben zu rufen, als würde er hinter dem nächsten Baum auftauchen oder sich im Fluss waschen. Es war zwecklos, denn in ihrem Innersten wusste Arcariel, daß er wirklich gegangen war.

Doch ihr Ruf blieb nicht unbeantwortet, eine besorgte Stimme drang in ihren Geist ein und rief ihren Namen. "Arcariel!"

"Ada !" Stark war sein Ausruf und Arcariel antwortete, sorgenvoll und glücklich, ihn zu ihr sprechen zu hören, gleichzeitig: "Wie hast du mich gefunden?"

"Das frage ich mich selbst... Arcariel, wo bist du? Ich sehe dich, aber nur verschwommen und in Tränen." Er klang so erschöpft, wie sie ihn gesehen hatte, doch Arcariel wagte es nicht, ihn anzulügen, gerade, weil er seit Tagen - Wochen? - nicht gewusst hatte, wo sie war.

"Ich weiß es nicht... ich sitze an einer Waldlichtung. Man hat mich gefangengenommen in einem Verliess und eine gefährliche .... Macht..." Die dunkle Erinnerung an die sanfte, einschmeichelnde Stimme, die fast ihren Geist durchbrochen hätte, ließ sie schaudern und Aragorn schien es zu merken. "Ich wurde davon gewarnt, Tochter, und ich spüre seine Macht. Aber auch mir ist verborgen, was dahinter steckt."

Ein Unglück war in Gondor vorgefallen! Aragorns Stimme verriet ihr dies ohne Worte und Arcariel wusste, dass seine Ausgemergeltheit daher rührte, aber sie wagte es nicht, darum zu fragen und sein ohnehin geplagtes Herz noch mehr zu peinigen. "Legolas Grünblatt sagte es wäre jemand von seinem Blute und mir ist nicht klar, was er damit meint."

"Legolas ist bei dir?" erklang der erstaunte Ausruf Elessars in ihrem Geist.

Arcariel nickte, auch wenn sie wusste, daß ihr Vater es nicht sehen konnte. "Wir flohen gemeinsam und er ist schwer verletzt. Ich habe getan was ich konnte, aber jetzt ist er verschwunden."

Die geflüsterten Worte des Elben passierten in ihrem Geiste wieder Revue und auch ihr Vater muss sie gehört haben, denn sanft antwortete er ihr, sich keine Sorgen zu machen. Arcariel fragte sich - und mit ihrem offenen Geist unbewusst auch gleichzeitig Elessar - ob Aragorn jemals so ein Verhalten bei seinem Freund erlebt hatte und ohne Aufforderung verneinte er dies.

"Seine Wunden waren so tief und sein Pein ist so gross," klagte Arcariel. "Es heisst, dass jede Wunde die einem Elb zugefügt wird, heilen kann, dass er zurückkehren kann zu der Perfektion, die er einstmals war. Doch wie kann so tiefer Schmerz heilen?"

Arcariel wusste, dass sich ihre Gedanken im Kreis drehten und sie noch viel zu wenig über Elben wusste - obwohl in ihr auch das Blut des unsterblichen Volkes mitfloss - um wirklich begreifen zu können, welche Kräfte in diesen Geschöpfen ruhten. Zu wenig Elben hatte sie in ihrem Leben getroffen und wenig hatte sie ihre elbische Seite erforscht.

Auch Aragorn merkte die schmerzhafte und ziellose Grübelei seiner Tochter und sagte sanft: "Kind, ich muss in die Häuser der Heilung, man braucht mich dort. Ich kann dir sagen, dass du dich nicht sorgen brauchst, aber da du es sowieso tust hoffe ich, dass du trotzdem einen klaren Geist behälst und bitte nicht aufgibst. Legolas' Schicksal liegt im Moment nicht in deinen Händen und wenn er sagt, dass euer Abschied nicht für immer ist, dann werdet ihr euch wiedertreffen. Ruf mich, wenn du meine Hilfe benötigst oder wenn du herausgefunden hast, wo du bist. Le melin, Arcariel. Namarié."

Arcariel seufzte. "Le melin, Ada."

Und dann stand sie auf, um sich dem Tag zu stellen. Gepäck besass sie nicht, also ging sie los, so wie sie war, darüber nachdenkend, welchen Weg sie einschlagen sollte. Sie prüfte den Sonnenstand, doch auch wenn sie sich jetzt über die Himmelsrichtungen bewusst war, waren ob der struppigen eintönigen Waldlandschaft um sie nicht viele Hinweise zu finden wo sie sich befand. Durch die Bäume hindurch konnte sie schemenhaft die Umrisse von Hügeln sehen, die ihr nur sagten, dass sie sich eindeutig nicht in einem Hochgebirge befand. Auch war der Wald dominiert von Laubbäumen und längst nicht so dicht wie andere Wälder, die sie gesehen hatte. Schulterzuckend nahm sie den Weg nach Nordosten, der den Bach entlangging, dem sie schon bisher gefolgt war; sein Wasser in die Richtung fliessend, die ihre Füsse taten, die seinen Lauf begleiteten.

* * *