4. Unerwartete Hilfe

„Harry, bleib stehen!", hörte er noch Flechter hinter sich keuchen, doch es interessierte ihn nicht. Harry jagte den Magnolienweg entlang ohne bewusst wahrzunehmen, was er gerade tat oder wo er sich befand. Eine unbändige Wut hatte ihn gepackt, derer er nicht Herr werden konnte. Irgendwo im hintersten Winkel seines Denkens erinnerte er sich an Dumbledores Erklärungen, dass er im Haus seiner Tante durch das gemeinsame Blut geschützt war, doch nur im Haus, nicht auf der Straße. Vor Zorn bebend erreichte er den Parkplatz des Supermarktes, verlangsamte seinen Gang, überquerte ihn und ließ sich schließlich frustriert auf das Rasenstück neben einen parkenden Kleinbus niederplumpsen. Zornig kickte er eine leere Coladose zur Seite, während sein Blick den Leuten folgte die ihre vollbeladenen Einkaufswägen vorbeischoben.

„Daddy, Daddy, kauf mir ein Eis!" hörte er ein kleines Mädchen an der Hand eines Mannes drängeln, bis diese im Supermarkt verschwunden waren.

„Nette Familienidylle!" brummte Harry und widerstand dem Drang, mir der Faust gegen den Kleinbus zu schlagen - stattdessen riss er eine handvoll Gras neben sich ab und schleuderte es auf den Parkplatz.

„Harry, beruhige dich! Dumbledore meinte doch nur…", imitierte er Mundungus Fletcher verächtlich. „Ich will mich aber nicht beruhigen und ich will verdammt noch mal nicht wissen was Dumbledore meint."

Zwei ältere Damen, die sich bisher unweit von ihm unterhalten hatten, verstummten und warfen ihm einen pikierten Blick zu, als er erneut einen Grasbüschel neben sich warf.

„Nun beeilt euch doch endlich! Grandma wartet sicher schon auf uns!" zeterte eine Frau und scheuchte zwei Jungs vor sich her, die gerade einem leeren Karton zwischen sich hin und her kickten.

„Aber Mum, ich habe keine Lust schon wieder hinzufahren" maulte der Größere der beiden. „Das ist langweilig! Was sollen wir denn dort?"

Die Antwort der Frau ging in einem dröhnenden Brummen unter, als ein Lastwagen in den Parkplatz einfuhr. Eine stinkende Abgaswolke schlug Harry entgegen und so erhob er sich missmutig und schlenderte den Rasenstreifen entlang, bis er erneut die

Straße erreicht hatte.

* * * * *

Währendessen tobte die alte Mrs. Figg in ihrer Küche.

„Mundungus, du bist der letzte Trottel! Kannst du nicht einmal nachdenken, bevor du den Mund auf machst? Was ist wenn dem Jungen etwas passiert?"

„Aber Figgy, beruhig dich doch! Ich bin überzeugt, der Junge ist bald wieder zurück", versuchte Fletcher die Rage der alten Frau zu besänftigen.

„Und was, wenn nicht?"

„Mad Eye Moody, Remus, und Molly suchen ihn doch bereits."

„Ja, du kannst von Glück sagen, dass sie gerade im Hauptquartier waren und sich sofort auf die Suche machen konnten."

„Sieh mal Figgy……"

Das Quietschen des Gartentürchens, ließ ihn seinen Satz unterbrechen und einen Augenblick später stand Tonks vor der Tür.

„Habt ihr schon was von Harry gehört?" fragte sie atemlos, als wäre sie den gesamten Weg von London hierher gerannt.

„Nein", schnaubte die alte Frau kurz und warf Mundungus einen letzten zornigen Blick zu, ehe sie sich wieder Tonks zuwandte. „Was sagt Dumbledore?"

„Nicht viel, nur dass wir ihn suchen sollen. Er ist gerade bei Fudge im Zauberministerium, dort geht es mächtig rund."

„Will er den Jungen gegen seinen Willen in Sirius Haus bringen?"

„Offengestanden bin ich mir da nicht sicher. Er meinte, dass Harry sich diesen Erinnerungen an Sirius stellen muss, doch ich denke, dass ist auch abhängig davon wie es ihm geht."

„Er tut mir so leid, der Junge….."

Tonks atmete tief ein und nickte. „Uns allen, Arabella, uns allen. Doch ich denke, ich werde mich jetzt auch auf die Suche machen. Wir geben euch Bescheid, wenn wir ihn gefunden haben.

* * * * *

Harry war inzwischen eine beachtliche Strecke gelaufen, doch seine Wut schien sich eher zu steigern, als dass sie langsam nachließ. Seine Hände fest in den Hosentaschen geballt, versuchte er seinem Ärger Luft zu machen, indem er immer wieder gegen Mülleimer oder Plakatwände trat, doch auch das half nichts. Es erschien ihm, als gäbe es für diese, sich ausbreitende Wut kein Ventil und er würde jeden Moment platzen. Er hatte gerade die Hauptstraße verlassen und war in eine kleine Seitenstraße eingebogen, von der er wusste, dass sie in einen großangelegten Park führte.

„He, Big D, ist das nicht dein beschränkter Cousin?" hörte er plötzlich die Stimme von Dudleys Freund Piers und als er aufsah, erkannte er die Gang seines Cousins am Rand des Parks auf einer Bank lümmeln.

„Lass ihn in Ruhe, der ist sowieso langweilig", erklang Dudleys Stimme und Harry stellte mit grimmiger Befriedigung fest, dass die Augen seines Cousin, auch wenn dieser eine gleichgültige Miene zu Schau stellte, ängstlich an seiner Gestalt entlang glitten.

„Ach komm schon, ein bisschen Spaß kann nicht schaden", lachte ein anderer Kumpel von Dudley und sprang über die Lehne der Bank, um sich Harry in den Weg zu stellen. Mit einem breiten Grinsen folgten ihm auch die drei anderen und so sah Dudley sich genötigt ebenfalls aufzustehen.

„Na Klasse, der Versagerhaufen vom Dienst", sagte Harry sarkastisch und schlenderte lässig auf die fünf Jungs zu. „Meint ihr nicht, dass ihr den Mund ein bisschen zu weit aufreißt?"

„He suchst du Stress, Kleiner, den kannst du haben."

Der Junge, der einen Schritt auf Harry zugetreten war, mochte vielleicht Dudleys Figur haben, doch er überragte Harry um fast einen Kopf. Einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte Dudley seinen Kumpel zurückhalten, doch dann blitzte ein triumphierendes Lächeln in seinem Vollmondgesicht auf und Harry wurde im selben Moment bewusst, worin dieser Triumph bestand. Er hatte seinen Zauberstab nicht dabei und sein enganliegendes T-Shirt zeigte das Dudley nur zu deutlich. Als er am Nachmittag aus dem Supermarkt kam, rutschte ihm sein Zauberstab aus dem Gürtel und so steckte er ihn kurzerhand in einen von Mrs. Figgs Einkaufstüten.

SCHEIßE!", fluchte Harry innerlich und versuchte seinen selbstsicheren Blick beizubehalten. „Wie konnte ich nur so dämlich sein?"

Seit Harry in Hogwarts war, hatte Dudleys Angst vor Harrys Zauberstab immer verhindert, dass sie wirklich ernsthaft aneinander gerieten und gewiss war es sein sehnlichster Wunsch, Harry einmal ohne diesen Schutz zu erwischen.

 „Oh, Dudley, willst du wirklich so leichtsinnig sein?", sagte Harry drohend und trat einen Schritt näher an seinen Cousin heran. „Du weißt, dass dies nicht sehr klug wäre?"

„Du kannst mir nicht drohen, ich weiß dass du ihn nicht dabei hast?", erwiderte Dudley, ließ aber dennoch seinen Blick forschend an Harrys Gestalt entlang wandern.

„Wen hat er nicht dabei?", mischte sich nun auch Piers ein, während er mit seinem rattenartigen Gesicht mehr als dümmlich umhersah.

Harry hatte die Arme vor der Brust verschränkt und zuckte mit einem breiten Grinsen die Schultern.

„Tja, das ist hier die große Preisfrage. Hatte ich ihn denn schon mal NICHT dabei?", sagte er herablassend, während er sich krampfhaft eine Taktik überlegte, wie er den fünf Jungs entkommen konnte. Möglicherweise war er schneller, doch bei einem Handgemenge hatte er wohl kaum eine Chance gegen sie.

„Mann, bist du mutig", höhnte Dudley, während seine zusammen gekniffenen Schweineaugen ihn misstrauisch musterten. „Heute Nacht war das nicht so, nicht wahr?"

„Spinn dir nichts zusammen Big Doof, glaubt dir eh keiner", knurrte Harry, während er sich fragte, was Dudley wirklich gehört hatte, da er selbst nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an seinen Traum besaß.

„Meinst du? Vermutlich hat dein Gejammer den ganzen Ligusterweg aufgeweckt."

„War doch eine nette Showeinlage, um deinen Dad mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen… es hat gut funktioniert. Irgendwas muss man ja gegen die öde Langeweile tun." grinste Harry, wobei ihm bewusst war, dass dies nicht sehr glaubwürdig klang.

„Ach ja? Nein, nein, bitte nicht? Du darfst nicht gehen! Bitte lass mich nicht allein!", imitierte Dudley das Gehörte aus Harrys Zimmer, was ein schallendes Gelächter bei seinen Freunden auslöste.

„Du lügst!", stieß Harry hervor und griff nach Dudleys Arm. In diesen Moment war es ihm egal, dass dies mehr als unvernünftig war, Dudley Boxkampf betrieb oder er mit seinem Freunden in der Überzahl war - Harry wollte nur noch seinen aufgestauten Zorn an seinem Cousin auslassen. Dudley wich zurück und zwei seiner Kumpels griffen nach Harry, der sich jedoch schnell genug duckte und Piers einen Faustschlag gegen die Brust verpasste, der diesen wanken ließ. Es entstand ein kurzes Gerangel, als Dudleys Freunde ihn zu viert festhalten wollten, sich dabei aber gegenseitig behinderten. Schließlich endete es damit, dass Harry zwar einige Fausthiebe austeilte, aber ebenso viele einstecken musste.

„Na immer noch nicht genug?", lachte Dudley, während Piers und ein anderer Junge Harry wieder keuchend auf die Füße stellten, damit Dudley sich drohend vor ihm aufbauen konnte.

„Ha, du bist eben doch nur ein durchgeknallter Freak, was anderes hat auch keiner erwartet. Nicht einmal deine seltsamen Freunde hatten bisher Lust sich sehen lassen, was ich ja verstehen kann. Außer jammern ist eben nicht viel los mit dir." Dudley hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah ihn nun abschätzend an, offensichtlich überlegend, wie er Harry am besten ärgern könnte.

„Ich weiß ja nicht warum dieser Sirius, nach dem du geschrieen hast, nichts mehr mit dir zu tun haben will, doch ich kann verstehen, dass er gegangen ist. Wer will schon…."

Weiter kam Dudley nicht. Mit der Erwähnung von Sirius Namen schien die gesamte aufgestaute Wut auf einmal zu explodieren und eine fast schon unmenschliche Kraft ermöglichte es Harry, seine Arme den Griffen der Jungs zu entwinden und sich frei zu machen. Mit einem riesigen Satz sprang er auf Dudley zu und schlug wie von Sinnen auf ihn ein. All der Zorn, die Frustration und der Schmerz, der seit Sirius Tod seine Seele quälte, schienen in diesen Schlägen gegen seinen Cousin das perfekte Ventil gefunden zu haben. Er wusste, dass er Dudley damit ernsthaft verletzen konnte und genau das war es auch, was er tun wollte. Er wollte ihn verletzen, ihm wehtun, er sollte diesen unerträglichen Schmerz spüren, den er eben noch verspottet hatte.

Anfänglich starrten die anderen vier Jungs nur fassungslos auf das Geschehen und erst als Dudley lautstark zu brüllen anfing, lösten sie sich aus ihrer Erstarrung und eilten ihm zu Hilfe. Harry wurde unsanft von seinem Cousin weggezerrt, sprang aber sofort wieder auf die Beine und stürmte auf Dudley zu. Piers versuchte ihn verzweifelt festzuhalten, erwischte Harry aber nur am T-Shirt, welches nach einem kurzen Kampf riss und wodurch Harry freikam. Der stechende Schmerz an seinem Kinn und die aufgeplatzte Lippe machte Harry dann allerdings doch deutlich, dass es besser wäre, die Schlägerei zu beenden und lieber die Flucht zu ergreifen. Er hetzte mit weiten Sätzen und dem befriedigenden Gefühl des Sieges in der Brust, dem Gebüsch entgegen, das ihn außer Sichtweite von Dudleys Kumpeln brachte.

„Das Schwein hat mir die Nase gebrochen!", hörte er noch Dudley heulen, ehe er in den dichten Büschen verschwand.

Immer weiter rannte er, bis er hinter dem alten, stillgelegten Springbrunnen anhielt und lauschte, doch von Dudleys Freunden war nichts mehr zu hören. „Offensichtlich mussten sie Big D erst mal nach Hause bringen, damit Mama ihr Diddykins trösten kann", dachte Harry grimmig und lehnte sich erschöpft gegen den steinernen Drachen, der früher statt Feuer Wasser gespuckte hatte, nun aber, wie auch der restliche Springbrunnen außer Betrieb war. Während sich sein Herzschlag nur langsam wieder beruhigte, klärte sich auch sein Denken und ihm wurde bewusst, dass diese Aktion Konsequenzen haben würde. Er konnte förmlich Tante Petunias Stimme hören, wie sie hysterisch die Hände vor den Mund schlug und über ihr armes hilfloses Diddykins jammerte, dem der böse Harry Potter wehgetan hatte. Während er anfänglich noch mit Genugtuung darüber nachdachte, verflog langsam dieses befriedigende Hochgefühl, das ihn eben noch so wundervoll ausgefüllt hatte und leichte Panik machte sich in ihm breit. Onkel Vernon würde toben, das war sicher. Harry stellte sich vor, wie sein Onkel mit hochrotem Kopf und dem Gebaren eines wildgewordenen Stiers durchs Haus stapfte.

„Sieht so aus, als hätte ich jetzt ein Problem mehr", seufzte Harry und tätschelte den Rücken des Drachen, ehe er mit taumelnden Schritten auf den kleinen Frischwasserspender, der am Rand des kreisrunden Platzes stand, zuging. Das kalte Wasser brannte höllisch an seiner aufgeplatzten Lippe, während Harry sich den Mund ausspülte und ein paar Schlucke trank.

„Sei vorsichtig und tu nichts Überstürztes", hatte Sirius letzte Jahr in seinem Brief geschrieben und Harry fragte sich unwillkürlich, ob Dudley zu verprügeln, wohl Sirius Meinung nach etwas Unvernünftiges war.

„Er hat es verdient", sagte er trotzig und ließ das kalte Wasser über sein Gesicht laufen. Jetzt da er zur Ruhe kam, fühlte er auch den Schmerz in seinen Armen und Beinen, genauso wie das unangenehme Ziehen in der Magengegend und er erinnerte sich einen ziemlich heftigen Schlag in den Bauch erhalten zu haben. Seinem strapazierten Magen schien selbst das bisschen Wasser das er eben getrunken hatte, zu viel zu sein und er war nahe daran sich sofort zu übergeben.

Einige Spaziergänger kamen vorbei und warfen Harry, der sich um wieder Kraft zu sammeln gegen den kleinen Brunnen lehnte, misstrauische Blicke zu, und er konnte sich nur zu gut vorstellen, dass er wahrscheinlich einen ziemlich mitgenommenen Eindruck machte. Von oben bis unten mit Schmutz bedeckt, einem T-Shirt, das nur noch in Fetzen hing und mit etlichen Blutflecken, von denen er nicht wusste, ob sie von Dudleys blutender Nase oder von ihm selbst stammten, machte er sicherlich einen nicht alltäglichen Eindruck. Harry versuchte diese Blicke zu ignorieren und schloss die Augen, ihm war übel, sein Kopf dröhnte und seiner Glieder fühlten sich schwer wie Blei an.

„Kann ich dir irgendwie helfen?", erklang plötzlich eine zögernde Frauenstimme hinter ihm und als er sich umsah, konnte er eine junge Frau erkennen, die hinter ihm stand und ihn besorgt musterte.

„Nein…", krächzte Harry und schüttelte leicht den Kopf, um sich im nächsten Augenblick wieder von ihr abzuwenden, als diese kurze Bewegung die Kopfschmerzen verstärkte.

„Du siehst übel aus. Soll ich vielleicht jemanden holen, deinen Vater oder…" Sie brach ab und trat einen raschen Schritt auf ihn zu, als sie bemerkte wie Harry schwankte und sich verzweifelt an der Kante des Wasserspenders festhielt.

„Komm setz dich erst mal hin, sonst kippst du möglicherweise noch um", sagte sie fest und legte den Arm um Harrys Rücken. Für einen kurzen Moment zuckte er heftig zusammen, doch dann ließ er es zu, dass sie ihn zu einer nahegelegenen Bank dirigierte und sanft darauf niederdrückte.

„Tief durchatmen", ordnete sie leise an. „Tief und gleichmäßig atmen, dann wird es bald besser."

Hin und her gerissen zwischen dem Gefühl, diese Hilfe nicht zu wollen, doch gleichzeitig zutiefst dankbar dafür zu sein, schloss Harry die Augen und nach wenigen Minuten ging es ihm tatsächlich besser, auch wenn ihm jetzt fürchterlich kalt war und er zu zittern begann.

„Ich heiße Andrea", sagte die junge Frau, während sie aus ihrer Jeansjacke schlüpfte und diese um seine Schultern legte. „Und wie heißt du?"

„Harry."

„Gut, Harry", sagte sie langsam und ließ ihren Blick über den allmählich düster werdenden Park schweifen,  „ich denke, es wird am Besten sein, wenn ich dich jetzt zu deinen Eltern bringe."

„Viel Spaß dabei. Dazu müssten sie mich erst mal umbringen", entgegnete Harry zynisch und im gleichen Moment tat es ihm auch schon leid, als er das entsetzte Gesicht der Frau sah. „Meine Eltern sind tot", setzte er deshalb hastig nach und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.

„Oh, tut mir leid", sagte sie leise und griff unwillkürlich nach seinem Arm.

„Ist schon in Ordnung, sie starben, als ich fast noch ein Baby war."

„Und wo lebst du jetzt?"

„Bei meinen Verwandten, aber dorthin zu gehen ist bestimmt keine gute Idee."

„Hm? Du machst dir Gedanken wegen den zerrissenen Klamotten? So was kann man ersetzen und deine Verwandten werden sich bestimmt schon Sorgen machen."

„Wohl kaum", seufzte Harry und zog die Jacke enger um sich. „Mein Onkel wird mich umbringen, wenn ich heimkomme."

Andrea zog mit einem skeptischen Lächeln die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. „Na so schlimm wird es schon nicht werden."

„Ich habe meinem Cousin wahrscheinlich die Nase gebrochen", erklärte Harry und konnte nicht verhindern, dass dabei ein leises Lächeln über sein Gesicht huschte.

„Oh!", sagte sie und Harry konnte erkennen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann. „Mir sind vorhin fünf Jungs begegnet und einer blutete ziemlich heftig aus der Nase. War das dein Cousin? Haben die Fünf dich so zugerichtet?"

„Ja", antwortete Harry knapp und fragte sich gleichzeitig warum er dies alles einer völlig fremden, wenn auch sympathischen Frau erzählte.

„Fünf gegen einen ist ziemlich unfair, das wird auch dein Onkel zugeben."

„Sie kennen meinen Onkel nicht, er ist cholerisch und für ihn bin ich eh nur der letzte Dreck, der immer an Allem schuld ist. Für ihn spielt es keine Rolle, ob ich mit Dudley allein war, oder ob er vier Kumpels zur Unterstützung hatte, was zählt ist einzig die Tatsache, dass ich es war, der seinem kleinen hilflosen Sohn die Nase gebrochen hat."

„Na klein und hilflos sah der für mich nicht aus", grinste Andrea flüchtig, ehe ihr Gesicht wieder ernst wurde und sie den Jungen neben sich nachdenklich betrachtete. „Eins steht jedenfalls fest, hier kannst du nicht bleiben."

„Ich werde ganz bestimmt nicht nach Hause gehen", brauste Harry auf, doch die junge Frau legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Keine Panik! Uns wird schon was einfallen. Was hältst du davon, wenn du erst mal mit zu mir kommst und wir überlegen bei einem gemütlichen Abendessen was wir tun können?"

„Nein, das geht nicht!", wehrte Harry ab, obwohl sein Magen bei der Vorstellung eines Abendessens, sofort zu knurren begann.

„Die andere Alternative ist, dass wir gemeinsam zu deinem Onkel gehen und ich mit ihm rede, vielleicht schaff ich es ja ihn etwas zu besänftigen."

„Nein auf keinen Fall!"

„Gut, dann werden wir jetzt gemeinsam zu meinem Auto gehen und du fährst mit zu mir. Hier werde ich dich bestimmt nicht sitzen lassen."

Andrea stand auf und streckte ihm mit einem leichten Lächeln die Hand entgegen die Harry jedoch nicht ergriff; dennoch stand er auf und folgte ihr schweigend. Auch wenn seine Schritte anfänglich noch etwas unsicher waren, schaffte er es doch problemlos zu ihrem Wagen, bis er plötzlich ein scharrendes Geräusch hinter sich hörte, das ihn hastig den Blick wenden ließ.

„Keine Angst, das ist nur Blacky. Hast du ihn bisher nicht bemerkt?"

Harry konnte ihr nicht antworten, denn das was er sah ließ ihn erstarren. Hinter ihm stand ein großer, schwarzer, bärengleicher Hund, der einem Grimm erschreckend ähnlich sah.

Fortsetzung folgt…….