6. Schock für Remus Lupin

„Guten Abend", erklang eine freundliche Stimme vom Korridor her, die Harry sofort als die von Remus Lupin erkannte und ihn resignierend die Augen schließen ließ. „Ich bin hier um Harry abzuholen."

„Wer sind Sie, sein Onkel?", hörte Harry Andreas scharf gestellte Frage.

„Nein! Mein Name ist Remus Lupin und ich bin ein Freund von Harry. Darf ich bitte herein kommen?"

„Es ist in Ordnung, Andrea! Er ist wirklich ein Freund", nahm Harry ihr die Entscheidung ab und trat auf den Korridor hinaus.

„Na dann kommen Sie mal herein", sagte Andrea und trat einen Schritt zurück, damit ihr unerwarteter Besucher eintreten konnte. Remus trug dieselbe Muggelkleidung, in der Harry ihn bereits vor wenigen Wochen am Londoner Bahnhof gesehen hatte. Remus warf Andrea ein dankbares Lächeln zu, was nur eine sehr zögernde Erwiderung fand und wandte sich im Anschluss an Harry.

„Hallo Harry, alles in Ordnung mit dir?"

„Ja" antwortete Harry knapp und sah beschämt zu Boden. Im Gesicht seines ehemaligen Lehrers spiegelte sich die Größe der Sorge wider, die Lupin sich um ihn gemacht hatte und Harry erschien es unmöglich, diesem Blick standzuhalten. Remus atmete erleichtert auf, trat näher an Harry heran und drückte sanft seine Schulter.

„Wir wissen, dass du mit Dudley aneinander geraten bist. Du musst dir keine Sorgen machen, wir haben das bereits mit deinem Onkel geklärt", sagte er sanft, musterte ihn jedoch sorgenvoll, als Harry auf seine Worte nicht reagierte.

„Ich denke, bei einer Tasse Tee redet es sich besser", seufzte Andrea und wies ihnen den Weg in die Wohnküche.

„Danke, Miss…?"

„Andrea, einfach nur Andrea."

„Danke, Andrea, das ist sehr freundlich von…"

Es war nicht nur der Satz, den Remus in diesen Augenblick abrupt stoppte, auch sein Körper schien plötzlich mitten in der Bewegung erstarrt zu sein.

„Das kann nicht sein", hauchte er und starrte fassungslos den Hund an, der schwanzwedelnd neben dem Tisch stand und neugierig zu dem neuen Besucher hochsah. Innerhalb einer Sekunde war jegliche Farbe aus Remus Gesicht gewichen und er hielt sich schwankend am Türrahmen fest, ehe er die Augen schloss und leicht den Kopf schüttelte.

„Das ist nicht Sirius, es ist Andreas Hund", erklärte Harry flüsternd und griff unwillkürlich nach Remus Arm, als wollte er sichergehen, dass dieser nicht umfallen würde.

„Großer Gott!", stöhnte Remus auf und holte tief Luft, während sich Entsetzen und Schmerz in seinem Gesicht spiegelten. Unter seiner Handfläche konnte Harry deutlich das Zittern von Remus Arm spüren, doch es dauerte nur einen kurzen Moment, bis dieser sich wieder in der Gewalt hatte. Mit einem weiteren tiefen Atemzug ging er auf den Hund zu, wuschelte ihm über den Kopf und ließ sich in den Sessel fallen.

„Ich bin auch erschrocken, als ich dem Hund das erste mal gegenüber stand", seufzte Harry, als er sich neben Remus aufs Sofa setzte.

„Bist du deshalb hier, weil…" Remus brach ab, als seine heisere Stimme ihren Dienst versagte.

„Nein. Ich sah ihn erst, als ich ins Auto einsteigen wollte. Ich wusste nicht wohin und Andrea hat mir angeboten mitzukommen", erzählte Harry stockend.

Neben sich konnte er hören, wie Remus scharf die Luft einzog, doch Harry brachte es nicht fertig, seinem ehemaligen Lehrer ins Gesicht zu sehen; dennoch registrierte er, wie Lupin ungläubig den Kopf schüttelte und sich müde über die Augen fuhr.

„Vielleicht sollte ich Ihnen statt Tee lieber einen Cognac anbieten?", sagte Andrea mit einem besorgten Blick in Remus schneeweißes Gesicht. Remus lehnte mit einem matten Lächeln und einem Kopfschütteln ab, während sein Blick unruhig von Harry immer wieder zum Hund wanderte, als müsse er sich vergewissern, dass er nicht träumte.

„Nein danke, Tee ist genug!"

Noch immer verwirrt und unsicher, was sie von dem  unerwarteten Gast halten sollte, holte Andrea eine dritte Tasse aus dem Schrank, stellte sie vor Remus auf den Tisch und begann Tee einzuschenken. Harry konnte es ihr nicht verdenken, seine, genau wie Lupins Reaktion auf den Hund, wäre für jeden anderen Menschen ebenfalls rätselhaft gewesen. Andreas Bewegungen waren ruhig und sicher, nur ihre Augen, die zwischen ihm und Remus hin und her huschten, verrieten, dass ihr Kopf gerade auf Hochtouren arbeitete. Für einige Momente herrschte Schweigen, in denen Remus anscheinend immer noch nach Fassung rang und Harry nicht wusste was er  ihm eigentlich sagen sollte.

Die vielen unterschiedlichen Gedanken und Gefühle, die alle gleichzeitig durch seinen Kopf rauschten, schienen jedes Wort unmöglich zu machen. Einerseits tat es ihm leid, Lupin so in Sorge versetzt zu haben und er wünschte sich, vernünftiger gehandelt zu haben; gleichzeitig war ihm aber auch bewusst, dass Remus nun gekommen war, um ihn entweder zu den Dursleys oder ins Hauptquartier zu bringen und beides versetzte Harry gleichermaßen in Panik. Parallel dazu fühlte er sich wütend und hilflos, aber auch der Schmerz, den er vor ein paar Minuten in Remus Augen gesehen hatte, gab ihm zu denken. Sicherlich litt sein ehemaliger Lehrer genauso unter Sirius Tod wie er selbst und er fühlte sich schuldig, bisher noch keinen Gedanken daran verschwendet zu haben.

„Lass mal sehen", sagte Remus plötzlich, hob Harrys Kinn sanft an und unterbrach damit seine Gedanken.

„Es geht schon", wehrte Harry ab. „Andrea hat mir eine Salbe draufgetan."

„Sagen sie mir nun bitte, wer Sie sind!", platzte es unvermittelt aus Andrea hervor und ließ ihre beiden Gäste gleichermaßen zusammenzucken.

„Remus Lupin, ich bin ein Freund und ehemaliger Lehrer Harry´s", erklärte Lupin ruhig und Harry bemerkte, dass er seine Worte sorgsam wählte. „Ich habe vom Streit zwischen Harry und seinem Cousin gehört und machte mich, als Harry nicht nach Hause kam, auf die Suche nach ihm. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich um Harry gekümmert haben. Wir alle haben uns große Sorgen um ihn gemacht und…."

„Sein Onkel wohl kaum!", unterbrach ihn Andrea unwirsch und Harry sah wie erneut Zorn in ihr hochstieg, als sie sich offensichtlich an das Telefonat erinnerte. „Es ist noch keine Stunde her, dass ich mit diesem Herrn telefoniert haben und er hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er Harry nicht mehr in seinem Haus sehen möchte."

„Das ist mir bekannt, ich werde Harry auch nicht zu seinem Onkel zurückbringen. Wir haben eine andere Lösung gefunden."

„Ich werde nicht in Sirius Haus zurückkehren!", brauste Harry auf und war mit einem Satz auf den Beinen. „Ihr könnt mich nicht dazu zwingen!"

„Wir haben vorläufig keine andere Alternative und du weißt, dass du hier nicht bleiben kannst!", erklärte Lupin mit Nachdruck und warf einen bezeichnenden Blick auf Andrea. „Sei vernünftig, Harry!"

„Stopp mal!", mischte sich Andrea an diesem Punkt energisch ein. „Wenn Sie glauben, dass ich es zulassen werde, den Jungen in eine Hundehütte zu sperren, dann sind sie gewaltig auf dem Holzweg!"

„Wie kommen Sie darauf, wir würden Harry in eine Hundehütte sperren?", fragte Remus entsetzt, doch dann ging ihm ein Licht auf. „Nein, nein, Sie verstehen das falsch, Sirius ist …war … nun ja…das Haus ist jedenfalls keine Hundehütte, " beendete Remus zögernd den Satz.

„Aber das Haus gehört einem Hund? Sagen Sie, wollen Sie mich für blöd verkaufen? Ich weiß nicht was hier eigentlich gespielt wird, aber eins steht fest, der Junge ist psychisch in einem sehr schlechten Zustand und ich werde Ihnen nicht gestatten, Harry gegen seinen freien Willen mitzunehmen."

„Hören Sie, ich weiß, dass es Harry nicht sehr gut geht und genau deshalb ist es wichtig für ihn, bei seinen Freunden zu sein."

„In einen Hundehaus?", fragte sie provozierend und richtete sich zur vollen Größe auf.

„Nein, Sirius ist …war ein Mann, genauer gesagt Harrys Pate. Er ist vor kurzem gestorben, was gerade für Harry einen sehr schweren Verlust bedeutet", antwortete Lupin geduldig, auch  wenn auf seinem Gesicht ein gequälter Ausdruck entstand.

Andrea sah ihn noch immer mit zornblitzenden Augen an und es war klar, dass seine Erklärung sie nicht im Geringsten überzeugte und noch viel weniger beruhigte. Ihr Kopf schien auf Hochtouren zu laufen und dem zufolge gereizt klang auch ihre Stimme.

„Harry, kannst du das bestätigen, was er sagt?"

Einen Augenblick lang spielte Harry mit dem Gedanken, es einfach abzustreiten, doch er brachte es nicht fertig und nickte stattdessen widerwillig.

„Dann lass uns jetzt gehen, Harry" sagte Lupin, erhob sich schwerfällig und trat einen Schritt auf Harry zu.

„NEIN!"

„Harry…."

„Nein, ich werde nicht mitkommen! Andrea hat mir angeboten hier zu bleiben und…"

„Himmel noch mal, Harry! Ich muss dir doch wohl kaum erklären, warum das nicht geht!"

Seine zuvor ruhige Stimme, wurde nun strenger und zeigte deutlich, dass die Grenze seiner Geduld bald erreicht war. Er wollte gerade einen weiteren Schritt auf Harry zugehen, als Blacky sich ihm in den Weg stellte, die Zähne zeigte und zu knurren begann.

„Ich komme nicht mit!", stieß Harry trotzig aus und wich einen weiteren Schritt zurück, der Blick jedoch, mit dem er Remus zornig entgegen sah wurde langsam unsicherer und seine Stimme hatte einen flehenden Unterton bekommen. „Sie können mich nicht zwingen!"

Für einige Sekunden blickte Lupin ihn nur ruhig entgegen, bis er schwer seufzte und den Kopf schüttelte.

„Du weißt sehr wohl, dass ich dies kann, doch ich möchte es nicht. Ich möchte, dass du freiwillig mitkommst. Du kennst die Gefahr, Voldemort wird…"

„Ich kann nicht, Remus! Ich halte das nicht aus!", brüllte Harry und Tränen traten in seine Augen.

„Ich weiß dass dies schmerzt, doch du schaffst das, Harry! Du bist nicht allein", sagte er sanft und trat einen zögernden Schritt auf ihn zu und diesmal wich Harry nicht zurück. Noch immer den Hund zwischen sich, blickten sie einander an und schienen einen stummen Kampf mit Blicken auszutragen, bist Andrea plötzlich die Stille durchbrach.

„Sie sind ein Zauberer!", schrie sie panisch auf und Remus fuhr erschrocken herum.

Weder er noch Harry hatten die letzten Minuten auf die junge Frau geachtet. Am ganzen Körper bebend stand Andrea mit dem Rücken zur Wand und hielt plötzlich ein Mobiltelefon in der einen und eine Pistole in der anderen Hand, welche sie direkt auf Remus Brust gerichtet hatte. Ihre Hand zitterte leicht, doch Harry sah, dass sie die Waffe entsicherte, während sie Remus mit einer Mischung aus Angst und Verblüffung fest entgegen blickte.

Für einige Momente herrschte absolute Stille, bis Remus tief durchatmete und mit einem unsicheren Lächeln nickte.

„Sie haben Recht, ich bin ein Zauberer, doch Sie haben wirklich nichts zu befürchten."

Andrea reagierte nicht auf seine Worte und Harry fragte sich schon, ob sie Remus überhaupt verstanden hatte, als sie plötzlich den Arm, mit der Pistole langsam sinken ließ. Harry wollte bereits aufatmen, als zweimal hinter einander, ein leises, kaum wahrnehmbares Plopp, aus dem Korridor ertönte. Im Sekundenbruchteil hatte Remus seinen Zauberstab gezogen, als auch schon zwei, in Roben gehüllte Gestalten in der Türöffnung erschienen und ein blendender Blitz haarscharf an Remus Kopf vorbei sauste. Unwillkürlich ließ Harry sich auf den Boden fallen und suchte hinter dem Sessel Deckung. Remus hatte sich ebenfalls zu Boden geworfen und noch im Fallen etwas aus der Tasche seines Mantels gezogen. Aus dem Augenwinkel heraus, sah Harry wie er das Teil kurz mit dem Zauberstab berührte, ehe er es Harry zuwarf.

„Hier! FANG!", brüllte Remus.

Ein undefinierbares, braunes Etwas segelte durch die Luft und Harry griff reflexartig zu. Im selben Moment, in dem er das weiche, wollige Teil in den Fingern spürte, hatten die Hundezähne es ebenfalls geschnappt. Noch ehe Harry das Ziehen hinter seinem Nabel fühlte wusste er bereits, dass Remus einen Portschlüssel aktiviert hatte und Zorn kochte in ihm hoch. Verzweifelt versuchte er das Ding abzuschütteln, aber es klebte fest an seinen Fingern und Harry wusste, dass er keine Chance mehr hatte.

„Stupor!"

„Expelliarmus!", hörte Harry noch, dann wurde er bereits von einem Strudel erfasst, nach oben gerissen und verlor damit den Boden unter seinen Füßen. Durch eine wirbelnde Farbspirale flog er mit atemberaubender Geschwindigkeit dahin, während ihn immer wieder das Fell des Hundes streifte, der offensichtlich, ebenso wie er selbst, keine Möglichkeit hatte den Portschlüssel loszulassen.

„Er hat mich reingelegt!", schrie es grell in seinen Gedanken auf, ehe er unvermittelt mit dem Rücken auf dem harten Steinboden aufschlug.

* * * * *

Fortsetzung folgt…. (bald) VERSPROCHEN!

Autornote: An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für die vielen Rewievs bedanken, freut mich dass euch meine Story gefällt! 

Soviel positive Rückmeldungen sind ein ungeheuerer Ansporn schnell weiter zu schreiben!!! *ggg*